Vielen Dank, Herr Minister. – Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass die 30 Minuten für die beiden Minister als Gesamtredezeit vorgesehen sind.
Die Fraktionen haben jetzt noch folgende Restredezeiten: die Fraktion der CDU zwei Minuten und 53 Sekunden, die Fraktion der SPD vier Minuten und zwölf Sekunden, die Fraktion der FDP/DVP vier Minuten und 13 Sekunden und die Fraktion GRÜNE vier Minuten und 28 Sekunden.
Mit dem Buchbinder Wanninger hat der Münchner Kabarettist Karl Valentin eine Figur geschaffen, die sich mit tragischer Hilflosigkeit in einem bürokratischen Labyrinth verirrt. Bei Gewerbeanmeldungen unserer Bürger
ist dieses Wanninger-Syndrom heute aktueller als je zuvor. Für Inländer ist das Verfahren lästig, zeitaufwendig und umständlich, für ausländische Dienstleister ist das Verfahren eine faktische Marktzutrittshürde.
Damit soll Schluss sein. Alle bürokratischen Hindernisse, die einen gemeinsamen Markt behindern, wirken protektionistisch und müssen verschwinden. So will es die EU. Ein Einheitlicher Ansprechpartner soll für die Aufnahme und Aus übung von Dienstleistungen alle erforderlichen Informationen bereitstellen und alle Formalitäten zeitnah abwickeln und als zentrale Anlaufstelle das Verfahren koordinieren.
Der sperrige Begriff „Einheitlicher Ansprechpartner“ wird eine Kulturrevolution in der Verwaltung auslösen.
Sie zwingt dazu, neue Verfahrensstrukturen und Prozesse zu entwickeln, die Verfahrenskorrespondenz zu optimieren und die Bearbeitungszeit zu verkürzen. Wir brauchen ein interaktives E-Government-Verfahren. Soweit verzichtbar, sind bestehende Genehmigungspflichten abzuschaffen und durch Genehmigungsfiktionen zu ersetzen. Effizienz, Zügigkeit und Transparenz sind die neuen Herausforderungen. Die Verwaltung ist Dienstleister, der Bürger ist Kunde. Das ist unsere Wunschvorstellung und unser Ziel zugleich.
Die EU überlässt es den Mitgliedsstaaten, wer in die Rolle des Einheitlichen Ansprechpartners schlüpft. Aufgrund unserer föderalen Struktur entscheiden die Länder selbst. Auf den ers ten Blick mag man es bedauern, dass sich die Länder nicht auf eine einheitliche Lösung verständigen konnten. Es finden sich Kammernmodelle, Kommunalmodelle, Mischformen und
neue Behörden. Für jede Lösung lassen sich gute Gründe finden. Die Zukunft wird zeigen, welches Land am besten aufgestellt ist.
Dieser Wettbewerb ist nicht ohne Reiz. Wir gehen im Land einen eigenen Weg. In Baden-Württemberg sollen Kammern und Kommunen die künftigen Aufgaben eines Einheitlichen Ansprechpartners übernehmen. Jede Kammer im Land soll Einheitlicher Ansprechpartner sein. Auf der kommunalen Ebene übernehmen die Landkreise und die kreisfreien Städte die se Aufgabe. Das Modell setzt darauf, die Stärken der Beteilig ten vollumfänglich in die Prozesse einzubringen. Die Kompetenzen der Kammern im Bereich der Existenzgründungen und die der Kommunen bei der Wirtschaftsförderung können so miteinander verzahnt und optimal genutzt werden.
Der Charme der konkurrierenden Kooperation liegt darin, dass alle beteiligten Stellen den vom Land weiterentwickelten Dienst „service-bw“ als einheitliches IT-Instrument nutzen. Eine Koordinierungsstelle im Innenministerium kann sich dabei als sinnvoll erweisen.
Wichtig ist nach außen ein einheitliches Erscheinungsbild für den Dienstleister, auch wenn die Kammern 30 Einheitliche Ansprechpartner, die Landkreise neun und die kreisfreien Städte 35 solche Einrichtungen als freiwillige Aufgaben betreiben.
Das Konnexitätsprinzip gilt nicht. Der Einheitliche Ansprechpartner muss sich aus dem Gebührenaufkommen selbst finanzieren. Darin liegt eine gewisse Schwierigkeit, weil das Äquivalenzprinzip unseres Verwaltungskostenrechts in Europa unbekannt ist. Nur der Verwaltungsaufwand, nicht der wirtschaftliche Vorteil darf nach der Dienstleistungsrichtlinie als Kostenfaktor bei der Gebührenbemessung berücksichtigt werden.
Bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie wäre es verfehlt, nur für EU-Ausländer die Verfahrenserleichterung anzuwenden und die Inländer auszuschließen. Duale Strukturen erweisen dem Bürokratieabbau einen Bärendienst. Ein Modernisierungsschub kommt nur, wenn dieses Instrument allgemein gilt und wir den Katalog der Dienstleistungen weiter fassen, als in der Richtlinie vorgegeben. Wir sind im Zeitplan. Packen wir es an!
(Beifall bei der CDU und der Abg. Dr. Birgit Arnold FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Gute Rede!)
Der Einheitliche Ansprechpartner ist ein scheinbares Spezialthema, aber ein kleines funkelndes Highlight der europäischen Politik.
Anstelle dieses unerträglichen bürokratischen Behördenparcours bei Gewerbeanmeldungen fordert die EU – und hilft uns damit auf die Sprünge –, dass sich jemand, der ein Gewerbe anmelden will, an e i n e Stelle wendet und diese Stelle seine Belange erledigt.
Wie und wo das organisiert wird, das bestimmen allerdings wir. Die für uns wichtige Frage ist: Wie setzen wir es um, und wo verorten wir den Einheitlichen Ansprechpartner?
Das Innenministerium wollte einmal eine einzige zentrale Stelle in Stuttgart. Damit wäre minimalistisch die Anforderung erfüllt. Die Kommunen und auch die Kammern haben dann aber schnell „Hier!“ gerufen. Die Kommunen haben nämlich die Chance erkannt, der Kunde könnte in der Gemeinde, in der er sein Geschäft eröffnen will, gleich alles erledigen. Die Kammern meinten: „Nein, wir wollen das machen. Dann haben wir die neuen Gewerbekollegen gleich bei der Hand.“
Nun war bei der Regierung wieder guter Rat teuer. Sie stand vor der Frage: Wem geben wir es, den Kammern oder den Kommunen? Ist es aber nicht prima, dass wir so engagierte, quicke Körperschaften haben, die sich um die neue Aufgabe, um die Chance zum Bürokratieabbau – Kollege Löffler sprach von einer „Kulturrevolution“ in der Verwaltung; das kann man durchaus sagen – so bemühen? Warum sollen die sich um die Beute streiten? Können sie es nicht in Abstimmung oder im Wettbewerb miteinander machen? So hieß es parteiübergreifend zwischen den Kollegen Löffler, Prewo und Sitzmann. Warum war alles eigentlich so zögerlich und so langwierig?
Die Antwort liegt auf der Hand, Herr Kollege Schmiedel. – Die Kammern sind willkommen, sie sollen sich bewerben. Die Kommunen sind willkommen, sie sollen sich bewerben. Wer es gut macht, der soll es machen. Wir haben viele wirtschaftsfreundliche, kompetente Kommunen im Land. Dem Standort Baden-Württemberg nützt es, für jeden Dienstleister einen Service aus einer Hand, auf kurzem Weg anzubieten. Er muss dann nur durch eine Tür gehen. Der Kunde soll entscheiden, durch welche.
Bei Gewerbeanmeldungen sollten wir anstreben, dass kein Land kundenfreundlicher ist als Baden-Württemberg. Damit nützen wir unserem Wirtschaftsstandort.
Jetzt haben wir einen Kompromiss. Die Kammern sind beteiligt, die Kommunen auch, aber hier nur die Großstädte und die Landkreise. Der Wirtschaftsminister musste etwas zurückstecken.
Also: Ein Handwerker, der am Ort einen Betrieb übernehmen will, ein Händler, der in der Fußgängerzone einer Gemeinde in 1-a-Lage einen Laden eröffnen will, kann in bestimmten Orten nun nicht mehr im Rathaus bedient werden, jedenfalls nicht im Sinne dieses Einheitlichen Ansprechpartners durch eine Hand. Er wird vielleicht bedient, aber nur dadurch, dass
man ihn weiterschickt, entweder zum nächsten Kammerstandort oder zur nächsten Großstadt oder zum Landkreis. Wer also in Bruchsal, einer Stadt mit etwa 550 – meist kleinen – Gewerbetreibenden, so etwas machen will, muss hierfür künftig nach Karlsruhe. Ebenso muss man von Bietigheim nach Ludwigsburg, von Schwäbisch Gmünd nach Aalen oder von Leutkirch nach Ravensburg gehen, um sich anzumelden. Das wird den wirtschaftsstarken Städten überhaupt nicht gerecht. Das nützt auch dem Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg nicht. Das Fenster zum Bürokratieabbau wird nur einen Spalt breit geöffnet. Dabei haben viele Städte gute Erfahrungen mit Bürgerbüros und einige auch schon mit Startercentern, die den Ansprechpartner provisorisch bereits vorwegnehmen. Aber nicht einmal die dürfen es machen.
Das verdient den kleinen Ehrentitel einer zweitbesten Lösung meines Erachtens nicht, meine Damen und Herren. Es hätte sicher schlimmer kommen können. Aber so ist es nicht gut, und eine wirklich liberale Lösung wurde blockiert. Wenigs tens hätte man das Verfahren öffnen können, sodass sich auch weitere Kommunen bewerben können. Solche „phäben“, verengten, zögerlichen Lösungen für Gewerbetreibende sind gerade nicht der Maßstab für unser Land.
Kann man sich vorstellen, dass Städte, die weniger als 100 000 Einwohner haben, sich das auf Dauer gefallen lassen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Es wird ein stetiger Verdruss werden. Die machen Wirtschaftsförderung und entwickeln Gewerbegebiete. Ich sage voraus, dass diese Regelung geändert und geöffnet werden muss. Das sollten wir besser bald, besser möglichst gleich machen. Wir werden bei der Gesetzesberatung diese Vorschläge einbringen.
Lieber Herr Kollege, gibt es denn einen Zwang, überhaupt einen Einheitlichen Partner ansprechen zu müssen? Ansonsten komme ich doch gern gleich nach Nagold zum Wirtschaftsförderer. Das ist doch nicht verboten.
Frau Kollegin Fauser, man kann natürlich die Hosen auch in Zukunft immer mit der Beißzange anziehen.