Protokoll der Sitzung vom 22.04.2009

(Abg. Thomas Blenke CDU: Man muss sich auch um solche Kleinigkeiten kümmern!)

Wir müssen uns auch um die Mühen des Alltags kümmern, Herr Kollege Blenke.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Ich danke für die Er- wähnung!)

Aber wir dürfen darüber hinaus nicht vergessen, welche Vision Europa darstellen kann, ja darstellen muss. Das ist eigentlich unsere wichtigste Aufgabe. Dann werden – da bin ich mir sicher – auch mehr Menschen zur Wahl gehen, als das in der Vergangenheit der Fall war.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Das machen bei uns mehr als bei den Grünen!)

Als weiterer Redner für die Fraktion GRÜNE erhält Herr Abg. Oelmayer das Wort.

Die Redezeit beträgt 15 Minuten je Fraktion. Wie die Fraktionen diese 15 Minuten einteilen, ist nicht Aufgabe des Präsidiums, sondern Aufgabe der jeweiligen Fraktion.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Den Letzten beißen die Hunde!)

Bitte, Herr Kollege Oelmayer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema Donau – das ist klar – rede ich. Warum rede gerade ich dazu? Weil ich das authentisch tun kann, weil ich von der Donau komme. Als Ulmer habe ich tagtäglich die Donau vor Augen und sehe auch das europapolitische Projekt, das sich damit verbindet.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Nabada!)

Kollege Kluck, das gilt auch für Sie. Es wäre gut, wenn Sie manchmal an der Donau wären.

Etwas Erstaunliches und Außergewöhnliches ist passiert: Die regionale und die städtische Ebene in Ulm haben in den vergangenen Jahren ein richtiges europäisches Projekt entwickelt, nämlich das Donaufest mit bis zu 300 000 Besuchern. Das ist ein richtiges Event, das, denke ich, auch Europapolitik ganz konkret werden lässt, an dem sich die Menschen beteiligen und Europa in Ulm und an der Donau entlang ganz konkret erfahren können.

Ein weiterer Grund, warum sich das Donauprojekt gut ent wickelt hat, ist der geschichtliche Hintergrund. Es gibt die Donauschwaben, die an der Donau entlang von Ulm bis zum Delta der Donau ausgewandert sind.

Ein weiterer wichtiger Punkt aus unserer Sicht ist, dass dieser Strom jetzt zahlreiche europäische Länder verbindet. Seit die EU 27 Länder umfasst, ist es d e r Strom in Europa schlechthin. Auch deswegen tun wir gut daran, diese europäische Perspektive entlang der Donau weiter zu betreiben.

Das Thema Donaustrategie ist dankenswerterweise, Herr Minister Reinhart, durchaus in aller Munde, auch im Munde der Landesregierung, und wird erfreulicherweise auch von der Landesregierung, wie ich es hier gerade vortrage, 1 : 1 mitgetragen. Das ist erfreulich. Das kann man nicht bei allen Projekten sagen, aber bei der Donaustrategie ist das der Fall. Da gilt Ihnen auch der Dank unserer Fraktion dafür, dass die Landesregierung dieses Projekt fördert. Das kam bei den Konferenzen, die in den Jahren 2006 und 2008 in Brüssel stattgefunden haben, zum Ausdruck, und es kommt auch in der umfangreichen Antwort zum Ausdruck, die wir auf unsere Große Anfrage erhalten haben, die der damalige Minister im Staatsministerium – Herr Minister, sehen Sie es mir nach – und jetzige Finanzminister unterschrieben hat.

Daraus muss sich auch die Perspektive für diese Donaustrategie entwickeln: Wenn wir im Staatsministerium des Landes Baden-Württemberg europapolitisch entlang der Donau tätig sein wollen und die Landesregierung dies trägt und dies auch will, dann brauchen wir – ein Kollege von den Sozialdemokraten hat das vorhin gesagt; welcher, weiß ich nicht mehr genau –

(Heiterkeit bei der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Die sind halt nicht so markant, dass man sie sich mer- ken kann! Das geht mir auch so, dass ich das verges- se!)

eine institutionalisierte Förderung dieser Donaustrategie. Ich bin der Auffassung, dass sich im Staatsministerium – sprich im „Außenministerium“ unseres Landes – auch ein Portfolio, eine kleine Kasse wird finden müssen, damit wir dieses Projekt dauerhaft und nicht immer nur partiell und zeitlich beschränkt mit Landesstiftungsmitteln fördern können.

Eine konkret erfahrbare europäische Perspektive entlang der Donau ist die Zielsetzung, die sich hinter der Donaustrategie verbirgt. Ich bin der Auffassung, dass die Landesregierung dabei den richtigen Weg geht. Wenn sie dies auch materiell mitträgt, dann haben wir für die Menschen in den Ländern, die die Donau durchfließt, richtige europapolitische Perspektiven.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen)

Für die FDP/DVPFraktion erteile ich Herrn Abg. Theurer das Wort.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Schon wieder! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Der Tag des Theurer!)

Der ungarische Schriftsteller György Konrád hat einmal geschrieben: „Von mir, der Donau, kannst du die Lektionen des ewigen Lebens lernen.“

(Zurufe: Oi! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: War das nicht ein Ökosozialist?)

Ganz so pathetisch wollen wir die Diskussion über den Donauraum und über die Europapolitik insgesamt nicht angehen. Die Maßnahmen, die die Landesregierung auf 135 Seiten aufgelistet hat, sind auch nicht jenseitig, sondern diesseitig und voll gespickt mit konkreten Initiativen, mit einem Arbeitspro

gramm, das sich in der Tat sehen lassen kann und das auch unterstreicht, dass die Landesregierung von Baden-Württemberg europäisch aufgestellt ist und einen weiten Horizont und eine europäische und darüber hinaus auch globale Perspektive hat.

(Beifall des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Im Europabericht der Landesregierung sind die wesentlichen Politikfelder für Baden-Württemberg angesprochen: Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft, Landwirtschaft und ländlicher Raum und hier natürlich auch die Verwendung der entsprechenden EU-Fördermitteltöpfe, die vom Land – das wird man an dieser Stelle sagen können – optimal genutzt werden.

(Unruhe)

Die Bundesrepublik Deutschland trug im Jahr 2007 mit insgesamt 21,7 Milliarden € maßgeblich zur Finanzierung des europäischen Haushalts bei. Immerhin 12,5 Milliarden € sind nach Deutschland zurückgeflossen. Im Jahr 2007 waren das für das Land Baden-Württemberg 632 Millionen €, von denen der größte Anteil, nämlich 509 Millionen €, in den Bereich des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum, in den Bereich der Landwirtschaft geflossen ist.

Dies an dieser Stelle kurz zu erwähnen bedeutet auch, klarzumachen, dass wir durchaus in verschiedensten Bereichen der landespolitischen Aktivität auf diese europäischen Förderprogramme und -mittel zurückgreifen können. Europapolitik ist für uns aber wesentlich mehr als nur das Rechnen in Fördertöpfen, sondern wir sehen die Einbindung Baden-Württembergs in die Europäische Union zuallererst mit den Vorteilen, die die gute Nachbarschaft mit unseren europäischen Nachbarn gebracht hat, nämlich den offenen Grenzen, die mittlerweile erreicht wurden, von denen wir als Grenzland in besonderem Maße profitieren. Man kann und sollte über Europa nicht sprechen, ohne diese großartige historische Leistung an dieser Stelle zu erwähnen.

Die Friedensfunktion verlieren wir allzu gern aus dem Auge. Wenn wir uns weltweit die Situation anschauen, wenn wir uns die Nachrichten vor Augen führen, die wir jeden Tag aus anderen Regionen der Welt erfahren, in denen noch immer bewaffnete militärische Konflikte um Grenzfragen geführt werden, dann können wir gar nicht hoch genug einschätzen, dass das in der Europäischen Union endgültig der Vergangenheit angehört.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr gut!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns dies gerade in der jetzigen Zeit auch nach außen tragen. Dann war Europa nicht nur eine Vision, Herr Kollege Walter, sondern dann ist Europa eine Vision,

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Genau!)

die nicht nur für uns, sondern auch für andere Regionen in der Welt eine Vorbildfunktion ausüben kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Forschungsrahmenprogramm ist ein ganz wesentlicher Anteil des LissabonProgramms enthalten. Dieses Lissabon-Programm hat in den

vergangenen Jahren das Handeln der EU bestimmt. Es soll dazu führen, dass die EU weltweit zum stärksten, wettbewerbsfähigsten, dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum wird. In den vergangenen neun Jahren konnte dies leider noch nicht in dem ursprünglich geplanten Umfang erreicht werden. Das liegt allerdings nicht an Baden-Württemberg. BadenWürttemberg überschreitet alle in der Lissabon-Strategie vorgegebenen Zielmarken. Damit trägt Baden-Württemberg als Innovations- und Wachstumsregion viel zum Erreichen der Lissabon-Ziele bei.

An dieser Stelle möchte ich den Small Business Act der Europäischen Union erwähnen. Dies ist eine lobenswerte Initiative, die Baden-Württemberg besonders zugutekommt. Von Vertretern der Landesregierung wurde bekanntlich immer wieder eingefordert, die Europäische Union solle sich nicht nur um große Konzerne bemühen, sondern eben auch um die kleinen und mittleren Unternehmen, die insbesondere in BadenWürttemberg, aber auch in anderen europäischen Mitgliedsstaaten für die Schaffung und Sicherung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen ganz besonders wichtig sind. In Baden-Würt temberg sind immerhin 99,4 % der rund 430 000 Unternehmen zu den kleinen und mittelständischen Unternehmen zu rechnen.

Schließlich möchte ich darauf hinweisen, dass in diesem Jahr in Baden-Württemberg eine ganze Reihe von Initiativen stattfinden werden. Im Europabericht für die Jahre 2007 und 2008 kommt auch zum Ausdruck, dass beispielsweise die Clusterpolitik von der EU massiv unterstützt wird. Vor Kurzem konnte das Wirtschaftsministerium den neuen Clusteratlas zur Verfügung stellen, in dem die Netzwerke von Unternehmen – if it’s not a sector, it’s a cluster – dargestellt werden. Wir meinen, dass sehr große Chancen in der Verknüpfung der Unternehmen über diese europäischen Netzwerke liegen und dass wir gut beraten sind, diese Programme auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Wir befinden uns im europäischen Jahr der Kreativität und Innovation, und Baden-Württemberg wird Gastgeber des Creativity World Forums im Jahr 2009 sein. Die Kreativitätsindus trie ist ein besonderes Standbein als Standortfaktor und vor allem eine Zukunftstechnologie für Baden-Württemberg.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ludwigsburg!)

Ich danke an dieser Stelle dem Wirtschaftsministerium, das federführend mit der Medien- und Filmgesellschaft BadenWürttemberg in der Metropolregion Stuttgart mit den Standorten Ludwigsburg und Stuttgart ein umfangreiches Programm auf die Beine gestellt hat.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ludwigsburg!)

Wenn man über Europa und den Europabericht spricht, muss man aber auch ein kritisches Wort zur Gesetzgebungsmaschinerie sagen, die auf europäischer Ebene in Gang gekommen ist. Aus einer Untersuchung des Bundesjustizministeriums für die Jahre 1998 bis 2004 geht hervor, dass rund 84 % der Gesetze des Deutschen Bundestags – das gilt im übertragenen Sinne sicherlich auch für uns im Landtag von Baden-Würt temberg – mittelbar oder unmittelbar ihren Ursprung in einer Brüsseler Entscheidung haben.

Wenn man sich das vor Augen führt, so zeigt sich, dass wir, auch auf Initiative der FDP/DVP-Fraktion, gut beraten gewesen sind, hier im Landtag einen eigenständigen Europaausschuss einzurichten, der sich gezielt und frühzeitig mit diesen Entscheidungsprozessen auf europäischer Ebene beschäftigt. Es ist ja das erste Mal, dass wir an dieser Stelle einen Europabericht diskutieren und auf die Begleitung im Europaausschuss zurückblicken können. Ich möchte für meine Fraktion erklären, dass wir die Arbeit des Europaausschusses hoch einschätzen. Wir halten es für richtig, dass der Landtag einen eigenständigen Europaausschuss eingerichtet hat.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist auch unser Aus- schuss! Den haben wir beantragt!)

Eine ganze Reihe von Fragen sind hier frühzeitig diskutiert worden, noch bevor auf Brüsseler Ebene eine Entscheidung gefällt wurde, sodass man noch Einfluss nehmen konnte. Ich nenne nur die CO2-Höchstgrenzen für Pkws. Im ursprünglichen Entwurf der Kommission waren Rahmenbedingungen enthalten, die unsere Industrie sehr negativ beeinflusst hätten. Ich nenne auch die Weinmarktordnung, die unsere Winzer nachteilig berührt hätte,

(Abg. Thomas Blenke CDU: Bodenschutzrichtlinie!)