Protokoll der Sitzung vom 22.04.2009

(Abg. Thomas Blenke CDU: Bodenschutzrichtlinie!)

oder auch, Kollege Blenke, die Bodenschutzrichtlinie, bei der wir uns über die Fraktionsgrenzen hinweg klar positioniert und gesagt haben: Nicht alles, was man regeln kann, muss von Europa geregelt werden. Wir stehen für ein Europa der Bürgernähe, der Subsidiarität, das sich eben nicht regulierend in alle Lebensbereiche einmischt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Baden-Württemberg will eine aktive Rolle spielen. Wir wollen an dieser Stelle auch noch die Bemühungen um den Donauraum positiv erwähnen. Das ist ein richtungweisendes Netzwerk, das aufgrund kommunaler Initiative entstanden ist und nun vom Land unterstützt wird. Es weitet den Blick in Richtung Südost- und Mitteleuropa. An dieser Stelle rege ich an, Ulm als Leuchtturm in diesem Donaunetzwerk zu einem Kompetenzzentrum für Südost- und Mitteleuropa auszubauen.

Ich meine, dass wir den Donauraum weit interpretieren sollten. Denn man kommt über die Donau auch an das Schwarze Meer. Damit gerät auch der Brückenschlag über den Bosporus in den Blick, sodass über die Donaukooperation vielleicht auch eine Brücke zwischen dem christlichen Abendland und dem muslimischen Morgenland geschlagen werden kann.

Ich gehöre zu denjenigen, die fest davon überzeugt sind, dass Europa mehr ist als eine Wirtschaftsgemeinschaft. Europa ist eine Wertegemeinschaft. In Europa sind Menschen zusammengekommen, die fest davon überzeugt sind, dass es nicht zum „Clash der Zivilisationen“ kommen muss, sondern dass es möglich ist, das, was in unserem Grundgesetz steht, umzusetzen, dass nämlich alle Menschen – gleichgültig, welcher Herkunft, welcher Rasse und welcher Religion – in Toleranz miteinander leben können.

Wenn wir von diesen Werten nicht mehr überzeugt sind, haben wir verloren. Wir haben aber nicht verloren. Ich glaube, dass genau diese Grundwerte – Freiheit, Demokratie, Toleranz und Menschenrechte – auch der Schlüssel für die Über

windung der Konflikte sind, die wir in anderen Teilen der Welt haben. Ich glaube, es lohnt sich, an dieser Stelle für diese Vision Europa zu arbeiten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich dem Herrn Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten Dr. Reinhart das Wort. Ich will nur noch darauf hinweisen, dass beide Minister, die für die Landesregierung sprechen, nach der Regelung während des Probelaufs der neuen Geschäftsordnung eine Redezeit von zusammen 30 Minuten haben. Diese Zeit muss nicht ausgeschöpft werden.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja!)

Ich sage das nur, damit Sie ein bisschen darauf achten – nicht dass ich den Fraktionen wieder zusätzliche Redezeiten geben muss.

Bitte, Herr Minister.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Zunächst sage ich allen beteiligten Fraktionen herzlichen Dank für ihre Ausführungen. Ich glaube, es ist deutlich geworden: Europa ist mehr als ein Ort. Europa ist eine Idee.

Wenn Kennedy zitiert wurde, der einmal gesagt hat: „Es gibt wenig, was wir erreichen, wenn wir uneinig sind, aber vieles, was wir erreichen können, wenn wir einig sind“, dann möchte ich das auf die Arbeit der Fraktionen hier übertragen. Wir sind uns beim Thema Europa einig. Das ist mit ein Beitrag dazu, dass wir in Europa gemeinsam stark sind. Damit sind wir auf der Berliner Ebene auch eines der führenden Bundesländer, was die Europapolitik angeht. Deshalb danke ich an dieser Stelle allen beteiligten Ausschüssen herzlich.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben im Europabericht Themen, die einen weiten Bogen spannen. Ich freue mich, dass sich die Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen bei den Mitarbeitern bedankt haben, die den Europabericht erstellt haben. Dieser Bericht ist ein exzellentes Kompendium. Ich möchte diesen Dank weitergeben. Die Mitarbeiter sind, wie wir auch, mit Dank unbegrenzt belastbar.

(Zuruf des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU)

Aber ich darf Ihnen auch in aller Ernsthaftigkeit sagen: Der Bericht ist ein Kompendium, das hoch anerkannt ist und das die vielen Facetten unserer Politik international, aber auch europaweit und grenzüberschreitend darstellt.

Meine Damen und Herren, gerade im Jahr 2009 will ich in diesem Zusammenhang nochmals vorausschicken: Wir befinden uns in der Tat in einem Jubiläumsjahr. Wir feiern am 23. Mai das 60-jährige Bestehen des Grundgesetzes. In der Präambel des Grundgesetzes steht das, was uns alle leitet, nämlich ein wiedervereinigtes Deutschland in einem geeinten Europa. Das ist im Grunde der Leitstern. Vor wenigen Tagen

wurde in Kehl und Baden-Baden das NATO-Jubiläum – 60 Jahre – gefeiert. Heute wurde über den NATO-Gipfel bereits eine Aktuelle Debatte geführt. Wir begehen in diesem Jahr das 60-jährige Bestehen des Europarats und erinnern an den Mauerfall, der vor 20 Jahren erfolgte.

All das zeigt, dass wir Europäer, die wir zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch 20 % der Weltbevölkerung ausmachten, jetzt nur noch 12 % ausmachen und im Jahr 2050 nur noch 4 % ausmachen werden, in einer Zeit der Globalisierung, in einer Zeit, in der wir über eine Finanzkrise diskutieren, erst recht gefordert sind, zusammenzustehen und die Dimension Europas im Auge zu behalten, weil solche Herausforderungen nicht mehr allein national, sondern nur noch international gelöst werden können. Deshalb danke ich allen, die ihre Ausführungen auch in diesen Kontext gestellt haben.

Die Krise ist in jedem Winkel dieser Erde angekommen. Nun hat man mit der Regulierung der Ratingagenturen – ich war gestern in Brüssel – große Pläne, woran sich auch die Bundesregierung und die Länder beteiligen. Das zeigt, dass man übereinstimmend der Meinung ist, dass neue Mechanismen und Regulierungen erforderlich sind.

Das zeigt, dass es Themen gibt, für die der Nationalstaat zu klein geworden ist. Dafür brauchen wir Europa. Es gibt aber auch Themen – das will ich sagen, Herr Kollege Hofelich –, bei denen wir die Länder, die Regionen und die Kommunen brauchen. Nicht alles in Europa ist eine Sache für Europa. Das müssen wir immer wieder in den Mittelpunkt stellen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! – Abg. Peter Hofelich SPD: Das ist unbestritten!)

Dafür will ich allen Rednern danken. Sie haben zu Recht die Daseinsvorsorge angesprochen. Wir waren diejenigen, die das beim Lissabon-Prozess thematisiert haben, die federführend daran mitgewirkt haben, dass die kommunale Selbstverwaltung – was nicht in jeder Nation selbstverständlich ist – ein Wert an sich ist und in Europa geschützt werden muss und deshalb in den Verfassungsvertrag gehört. Deshalb muss auch der Grundsatz der Subsidiarität gelten.

In diesem Jahr stehen Europawahlen an. Ich finde, wir hätten keinen besseren Zeitpunkt finden können, um über den Europabericht zu diskutieren, und zwar gerade in einer Zeit, in der ein Parlament, das für 500 Millionen Menschen Mitverantwortung trägt, eine starke Stimme braucht und auch hat.

Wir tun sehr viel dafür, auch seitens des Landes. Der Erfolg gibt uns recht. Im Jahr 2004 lagen wir in Baden-Württemberg bei einer Wahlbeteiligung von 53 %, während bundesweit nur 43 % der Wahlberechtigten an der Wahl teilgenommen haben.

Im historischen Zusammenhang ist deutlich geworden, weshalb wir das brauchen. Die große Friedensrendite allein ist Grund genug, sich auch heute für dieses gemeinsame Europa einzusetzen und dazu zu bekennen. Wenn rundherum Kriege stattfinden, dann kann man nur an die schon früher oft zitierten Erzengel erinnern, die am Tor Europas standen, nämlich der Erzengel des Friedens – nie wieder Krieg! – und der Erzengel der Freiheit – nie wieder Knechtschaft!

Das heißt, wir brauchen allein aufgrund dieser großen Themen dieses Europa. Zu Recht wurden auch die Themen Klimaschutz, Energieversorgungssicherheit, die Bewältigung der Krise und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft angesprochen. Hierbei kommen wir nur mit Europa gemeinsam voran.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Mi- chael Theurer FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, wäre Baden-Württemberg einer der 27 EU-Staaten, wäre Baden-Württemberg das zehntgrößte Land im Hinblick auf die Bevölkerungszahl. Betrachten wir Baden-Württemberg allein, so stehen wir in der EU der 27 an achter Stelle hinsichtlich der Wirtschaftskraft und hinsichtlich des Innovationsindexes sogar an erster Stelle.

Herr Kollege Theurer hat das Jahr der Kreativität und Innovation angesprochen. Gestern hat die MFG, die wir aufseiten der Medien im Bereich IT begleiten, in Brüssel Projekte präsentiert. Mit einem Exportanteil von 151 Milliarden €, den wir auch im vergangenen Jahr wieder gesteigert haben, ist BadenWürttemberg ein klassisches Exportland. Mit einem Umfang von 60 %, der allein in die EU-Staaten geht, sind wir auch beim Exportanteil in Bezug auf die EU ganz vorn. Das heißt, jeder dritte Arbeitsplatz ist dem Handel innerhalb der Europäischen Union zu verdanken. Deshalb sind wir als Exportland, als Ankerland besonders darauf angewiesen, dass der Binnenmarkt funktioniert.

Wir sind aber auch Ankerland unter den deutschen Bundesländern. Ich habe den Vorsitz des EU-Ausschusses des Bundesrats inne. Am 1. Juli 2009 werde ich den Vorsitz der Europaministerkonferenz der 16 Länder übernehmen.

(Oh-Rufe von SPD)

Ich bitte Sie darum, dass wir all die Ideen, die hier angesprochen wurden, auch in einem solchen Jahr einbringen und unterstützen, dass die Landesregierung in diesem Zusammenhang sehr aktiv sein kann. Dazu wird natürlich auch die Europaministerkonferenz zählen. Sie ist einfach eine weitere wichtige Institution zur Artikulierung europäischer Anliegen.

Die Bilanz der Landesregierung haben Sie dem Europabericht entnommen. In allen Bereichen – ich möchte das hier auch für die Ressorts sagen: Justiz, Wirtschaft, Sozial- und Umweltpolitik – haben wir uns eingebracht und eingemischt.

Es wurde der Lissabon-Vertrag angesprochen. Er ist von Baden-Württemberg aktiv mit geprägt worden. Wir sind da auch nicht auf einem regionalen oder kommunalen Auge blind. Wir wollen die Stärkung der Länder auch gegenüber der Bundesregierung. Das will ich hier deutlich sagen. Ich war selbst in die Verhandlungen eingebunden, auch in die Gespräche mit dem Bundesaußenministerium. Wir haben auch eigene Hoheiten, bei denen wir sprechfähig sind. Wir haben verfassungsrechtlich gesicherte Hoheiten – Medien, Kultur und Bildung, um nur einige zu nennen –, bei denen die Länder in Brüssel und gegenüber der Europäischen Union selbstständig auftreten.

Ich will hier auch bewusst zur Forderung nach einem Referendum sagen, die teilweise erhoben wird: Auch wenn in

Deutschland teilweise populistisch die Forderung nach einem Referendum über diesen Vertrag erhoben wird, sage ich hier deutlich Nein dazu. Wir haben eine repräsentative Demokratie, und wir sollten nicht in Populismus verfallen, wenn es um Europa geht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Das sagt er an die Adresse der CSU! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Aber nicht nur!)

Auch das gehört zur Vollständigkeit dazu.

Ich teile alle Ausführungen, die hier gemacht wurden, bei denen man sagen muss: Es ist wichtig, dass wir uns auch in Europa einbringen. Ja, wir haben uns erfolgreich eingebracht. Ich erwähne den CO2-Kompromiss, bei dem wir in der Tat für unser Land Erfolg hatten. Das machen wir nicht nur für die Premiumklassen der Pkws, denn diese Autos, die in BadenWürttemberg produziert werden, sind Wachstums-, aber auch Innovationstreiber für die gesamte Automobilindustrie. Deshalb ist es wichtig, dass man auch dort mit vernünftigen Kompromissen vorankommt. Das ist gelungen. Dank an alle, die hier mitgeholfen haben.

Des Weiteren wurden die EU-Fördermittel angesprochen. In der Tat gab es einen Rückfluss von über 630 Millionen €.

Zur Donaustrategie: Diese Strategie ist eine Idee made in Baden-Württemberg. Das will ich schon sagen. Heute Morgen hat im AdR in Brüssel eine neu eingerichtete Gruppe getagt. Ich glaube, wenn es die Donaustrategie nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Wir haben mittlerweile enorm viel getan und bauen das ständig aus. Ich will hier einmal die gemischten Kommissionen anführen. Es gibt mittlerweile fünf gemischte Kommissionen, in denen ganz konkret zusammengearbeitet wird.

Ich möchte allen Rednern, die das hier angesprochen haben, danken; denn das ist wirklich eine wichtige, gemeinsame Initiative, die in die Zukunft wirkt, die uns auch wichtige Verbündete schafft und bringt und bei der wir mittlerweile mit Bulgarien, mit Rumänien, mit Ungarn, mit Kroatien und jetzt neu auch mit Serbien ganz konkrete Begegnungen und Projekte in Wissenschaft, Kultur und Bildung haben, aber auch in der Wirtschaft, in der Verwaltung und in der Politik Freunde und Verbündete gefunden haben. Das zahlt sich also schon jetzt aus. Ich werde gern noch darauf eingehen. Das ist eine Strategie, über die in Brüssel mittlerweile gesprochen wird.

Ich hatte kürzlich zusammen mit dem Ministerpräsidenten ein Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Barroso. Auch ihm war die Donaustrategie bekannt. Auch die Kommission unterstützt sie mittlerweile. Wir wollen eigentlich über den Mittelmeerunionsraum hinaus, über Ostseeverbindungen hinaus auch die Entwicklungsachse von Ulm – Herr Kollege Oelmay er – bis zum Schwarzen Meer – eben diesen Donauraum – als Förderregion sehen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Bis nach Vorderasien!)

Deshalb werden wir bereits am 6. Mai einen Donaugipfel einberufen, der übrigens in Ulm stattfindet.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Sehr gut!)

Dort werden wir uns mit genau diesen Themen befassen, die im Grunde genommen schon jetzt eine große Zusage und Anerkennung gefunden haben, gerade im Hinblick auf die Arbeit entlang der Donau.

Meine Damen und Herren, wir haben aktuell, vor wenigen Tagen, vor 500 Gästen in Brüssel eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit vorgestellt, nämlich die Metropolregion am Oberrhein. Sie ist ein voller Erfolg. Auch Vizepräsident Verheugen hat an dieser Veranstaltung teilgenommen. Dieses Engagement des Raumes für eine Trinationalität ist mittlerweile ein Aspekt, der großen Respekt schafft, und zwar auch in den europäischen Institutionen.