Ich zitiere: Das Fällen von Bäumen, die natürlicherweise 250 Jahre alt oder älter werden können, schon im Alter von 100 Jahren sei ein Akt der Sterbehilfe. Sie, Minister Hauk, mit Ihrer selbst proklamierten Kenntnis der Sterbehilfe, betätigen sich tatsächlich als Sensenmann und Totengräber der Milchbäuerinnen und Milchbauern in unseren Mittelgebirgen.
(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sie, das ist ja un- verschämt! Nehmen Sie das zurück! Das ist eine Un- verschämtheit, was Sie hier behaupten! – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Unruhe)
Wenn Sie sich überhaupt noch trauen, mit den Schwarzwaldbauern zu sprechen – dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter verweigern Sie ja offensichtlich das Gespräch –,
dann werden Sie immer öfter das zu hören bekommen, was im Badischen an immer mehr Schwarzwaldhöfen steht und plakatiert ist: „Im Stall, da schreit es jede Kuh: Wähle nie mehr CDU!“
(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Die Milch, die Sie von sich geben, saufen bei uns noch nicht einmal die Katzen! – Unruhe – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)
Die Forderungen von uns Grünen, um die Milchbauern wirklich zu unterstützen, lauten: gentechnikfrei hergestellte Milch und ausdrücklich auch Futtertröge, die frei von gentechnischen Erzeugnissen sind, als Qualitätsmerkmal für Milch aus Baden-Württemberg. Wir setzen auf Qualität, auf gute Produkte, auf Klasse und nicht auf Masse. Wir fordern eine bessere Ausgleichszulage in der Höhenlage im Mittelgebirge, Weideprämien im Rahmen der Agrarumweltprogramme, ein neues, flexibles System der Milchmengenregulierung, die Erhaltung der Wertschöpfung vor Ort durch Veredlung zu Regionalprodukten und den Erhalt möglichst vieler dezentraler Molkereien, um mittelständische Wirtschaftsstrukturen zu erhalten und zu fördern.
(Zuruf: „Genossinnen und Genossen!“ – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Genossenschaftsbauern halten zu- sammen!)
Das wäre jedenfalls nicht weit weg. – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Lage der Milchbauern ist allein durch die Headlines dieses Monats zu dokumentieren.
„Wenn wir nichts tun, stürzen wir ab“, „Aufstand der Enttäuschten“, „Wut über gesunkene Milchpreise“, „Hilfe statt hohler Geste“,
„Bauern befürchten Höfesterben“. Und als Letztes die Überschrift eines Berichts über die Veranstaltung zum Thema in Hohenheim, wo auch der Ministerpräsident und der Landwirtschaftsminister anwesend waren: „Zu deprimiert, um Kontra zu geben“.
Das ist allseits ein Gemütszustand, der die Milchbauern ganz besonders jetzt wieder trifft und schon getroffen hat, und ein Gemütszustand, den Schweinezüchter und Schweinemäster seit zwei oder drei Jahren auch schon in ähnlicher Größenordnung haben.
Wir haben in Baden-Württemberg seit Jahren eine relativ konstante Milchmenge, aber eine rückläufige Anzahl an Milchkühen und einen sehr starken Rückgang der Anzahl der Betriebe. Seit 1999 ist die Zahl der Milchviehhalter nämlich um 43 % zurückgegangen. Allein seit November 2007 sind weitere 1 100 Milchviehhalter aus dem Markt verschwunden.
Wir haben in Europa seit Jahren rund 20 % Überproduktion an Milch; in Deutschland liegt die Überproduktion über einen längeren Zeitraum bereits bei 10 %. Jeder Liter Milch, der am Markt zuviel produziert und nicht gebraucht wird, macht den Preis der restlichen Milch kaputt. Das ist ein Marktgesetz, das wir schon lange kennen und wofür auch der Schweinezyklus ein typisches Beispiel ist.
Wir haben in Baden-Württemberg zur Förderung die Ausgleichszulage. Aber diese Ausgleichszulage ist in BadenWürttemberg auf eine Fläche von 62 % der landwirtschaftlichen Fläche verteilt. Das heißt, hier wurden sehr viele zulasten derer in benachteiligten Gebieten bedient, die dies dringender brauchten.
Die Landesregierung hat dazu eine optimistische Hilflosigkeit zum Ausdruck gebracht. In einer tollen Broschüre mit dem Titel „Auf schwierigem Grünland erfolgreich wirtschaften“ fordert im Vorwort Herr Minister Hauk – ich darf zitieren –, „die Schwierigkeiten des Standortes als Chance zu begreifen“.
Da bin ich froh, dass ich einen schlechten Standort habe. Dann habe ich wenigstens noch eine Chance.
In der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage Drucksache 14/2177 von 2007 antwortet der Minister, Wachstum in Milchviehbetrieben werde erleichtert u. a. durch „überdurchschnittliche Milchpreise durch hohe Wertschöpfung der abnehmenden Molkerei“. Bravo! Ich höre etwas ganz anderes. Wir liegen bei einem Marktgebot von 26 Cent pro Liter. Benötigt werden 40 Cent. Vor zwei Jahren schrieben Sie noch: „überdurchschnittliche Milchpreise durch hohe Wertschöpfung“.
Sie schreiben dort ebenfalls, unerlässlich für die Milchwirtschaft seien „einzelbetriebliche Investitionsförderung“, „klare politische Rahmenbedingungen“, „Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit“ und „strukturelle Weiterentwicklung“. Das ist für mich fundamentale Seminarrhetorik. Das sagt gleichzeitig alles und gar nichts aus – und vor allem nichts Konkretes.
Der Ministerpräsident wurde in Hohenheim deutlicher. Er hat von „Wachsen und Weichen“ gesprochen und meint damit Strukturreform – das hört sich noch besser an –, und er hat einen Satz gesagt, der die Landwirte, die Milchbauern ordentlich ruhiggestellt hat: „Wir werden nachjustieren.“ Das Problem ist aber etwas zu groß, als dass es durch reines Justieren gelöst werden könnte.
Die Schwierigkeit ist die, dass die Milchwirtschaft in BadenWürttemberg einerseits das Problem mit dem Milchpreis und zum anderen oftmals die Situation der Höhenlandwirtschaft hat. Dies hängt zwar etwas zusammen, aber die Höhenlandwirtschaft kann gar nicht – bei erhöhtem Aufwand – zum gleichen Preis produzieren wie die Landwirtschaft in tieferen Lagen, sie kann aber im Prinzip auch keine anderen Preise verlangen. Wir müssen also die Höhenlandwirtschaft anders behandeln als den Rest der Milchwirtschaft.
Ich möchte zur Quote kommen. Die Milchbauern sind der Überzeugung, dass die Quote das Hauptproblem ist. Die Quote ist die Mutterkuh aller Milchpreisprobleme.
Wir übernehmen das so nicht. Die Landwirtschaftspolitik hat das so nie übernommen, ob bei Rot-Grün oder in der Großen Koalition. Wir wissen, dass die Quote nie dafür gesorgt hat, dass auskömmliche Preise auf dem Milchmarkt oder auch in anderen Bereichen erzielt wurden. Es war immer ein Problem, dass die Preise markt- und konjunkturabhängig waren. Die Quote hat nicht verhindert, dass Überschussproduktionen statt fanden, dass Butterberge und Milchseen entstanden sind. Die Quote hat nicht dafür gesorgt, dass der Preisverfall verhindert wird.
Nein, eine der Eingriffsmöglichkeiten, die wir haben, liegt in der Ertüchtigung der Betriebe, in der Ertüchtigung der Marktstrukturen und vor allem der Marktstruktur der Milchgenossenschaften. Warum? 53 % der Milchprodukte gehen sozusagen über sechs Theken, werden von sechs Discountern angeboten. Insgesamt ist es so, dass nur zehn Lebensmittler, inklusive Discounter, in Deutschland die Milch – außer der Milch,
die exportiert wird – verkaufen. Dem stehen 300 Genossenschaften gegenüber. Meine Damen und Herren, die Marktsituation ist eindeutig: zehn Lebensmittler, 300 Genossenschaften. Diese Struktur ist unpassend, wenn Wettbewerbsgleichheit, wenn Waffengleichheit auf dem Markt gebraucht wird. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass die Milchbauern ein „Milch-Board“ fordern – ein Zusammenschluss, ein Verkaufskontor, das Milchmengen bündelt und Milchmengen auf dem Markt platziert. Das wäre schon lange erforderlich gewesen, unabhängig von der Quote.
Aber jetzt brauchen wir es erst recht. Diese Probleme aufgrund der Struktur der kleinteiligen Landwirtschaft, die in Baden-Württemberg noch stärker ausgeprägt ist als in anderen Bundesländern und die dazu führt, dass die Quote noch problematischer ist als in anderen Bundesländern, schieben wir seit Jahren vor uns her. Die Landwirtschaftspolitik hat in Baden-Württemberg hierzu nie einen Ansatz, einen Hebel und eine Lösung gefunden.
Zu dieser Situation, in der 40 % der in Deutschland produzierten Milch im Inland abgesetzt werden, während 44 % in den Export gehen – davon kommen durch Import wieder 36 % zurück; aber immerhin, wir haben einen Überschuss –, und der Problematik der Molkereistruktur zitiere ich Professor Weindlmaier von der TU München in Weihenstephan:
Ich glaube, auch in der Molkereiwirtschaft Baden-Würt temberg ist eine weitere Konzentration für die Verbesserung der Leistung und der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich. Eine Reihe von Molkereien haben ihre eindeutigen Schwerpunkte in der Herstellung von Standard- und Massenprodukten, die überwiegend im Niedrigpreissegment der Discounter vermarktet werden. Diese Strategie zahlt sich auf Dauer nicht aus.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst, Herr Pix, zu Ihnen. Ich schätze Sie als Weinbauern, aber mit Ihrer Totengräberpolemik helfen Sie den Milchbauern in keiner Weise. Das sage ich ganz klar und deutlich.
auf unseren Landwirtschaftsminister Hauk zu schieben, ist einfach unseriös. Lassen Sie sich das gesagt sein. Das muss ich meiner Rede einfach voranstellen.