Allerdings können wir natürlich nicht in den Markt eingreifen. Dies wäre eine völlig untaugliche Maßnahme. Ich hatte am letzten Freitag ein Gespräch mit Milchbauern, an dem u. a. der stellvertretende Vorsitzende der Rinderunion BadenWürttemberg, Herr Mock aus Markdorf, teilgenommen hat. Er hat ebenfalls gesagt: „Politiker, lasst die Finger davon! Ihr könnt in den Markt nicht eingreifen. Ihr müsst andere Dinge anpacken.“
Wir können allerdings, meine Damen und Herren, dafür sorgen, dass – da liegt das Problem; das wurde teilweise auch schon angesprochen – auf dem Milchmarkt ein vollkommener Markt vorhanden ist. Daran habe ich momentan ganz erhebliche Zweifel. Wir haben nämlich auf der Nachfragerseite nur eine sehr überschaubare Anzahl an Betrieben. Zehn Großbetriebe des Einzelhandels – die Namen kennen Sie alle –
nehmen 85 % der gesamten Milchproduktion ab. Auf der Anbieterseite haben wir Tausende von Milchbauern oder, wie gesagt wurde, 300 Genossenschaften. Wir haben insoweit keinen Wettbewerb mehr, und das Ergebnis kennen wir. Die Nachfrager diktieren den Preis, und die anderen haben keine Möglichkeit, etwas dagegenzusetzen. Diese Situation verschärft sich natürlich dann, wenn Überkapazitäten auf der Anbieterseite vorhanden sind. Ich fordere daher die Kartellbehörden auf, das Preisverhalten der großen Lebensmittelnachfrager zu überprüfen. Unsere soziale Marktwirtschaft funktioniert nur dann, wenn tatsächlich ein Wettbewerb besteht.
Ich begrüße daher die Initiative unseres Ministerpräsidenten, der den Milchbauern helfen will. Die Politik in Berlin kann aber den Landwirten auch helfen – da geht mein Blick nach Berlin –, indem sie die Wettbewerbsverzerrungen und die Wettbewerbsnachteile unserer Landwirte im Verhältnis zu den französischen und anderen europäischen Nachbarn beseitigt. Ich meine den Agrardiesel; der Herr Kollege hat das Thema schon angesprochen. In Deutschland müssen die Bauern ca. 40 Cent je Liter Diesel an die Staatskasse abführen; in vielen EU-Ländern ist es weniger als ein Cent.
Erschwerend kommt hinzu, meine sehr verehrten Damen und Herren: die bürokratische Beantragung der Rückvergütung mit den Ausschlusskriterien nach oben. Vor einigen Jahren wurde unter Rot-Grün vereinbart, dass die Anträge auf Erstattung der zu viel gezahlten Dieselsteuer beim Zollamt in Dresden zu stellen sind. Als diese Anträge noch bei den Landwirtschaftsämtern gestellt werden mussten – da gehören sie meines Erachtens auch hin –, haben die Antragsformulare aus zwei Seiten bestanden. Seit Rot-Grün die Sache in die Hand genommen hat und die Anträge beim Zoll gestellt werden müssen, sind es sieben Seiten Antrag und vier Seiten Begründung.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Hört, hört! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So viel zum Bürokra- tieabbau!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich meine auch, die Wettbewerbsnachteile sollten abgebaut werden. Im Jahr summieren sich – so haben die Bauernverbände errechnet – die Wettbewerbsnachteile in diesem Punkt auf insgesamt 850 Millionen €. Auch hier können wir den Landwirten helfen.
Herr Kollege Dr. Wetzel, ich möchte Sie, damit Sie sich nicht unnötig vorbereiten, darauf aufmerksam machen: Es gibt keine zweite Runde mehr.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her ren! In der Tat haben wir derzeit eine äußerst schwierige Marktsituation, wie wir sie schon seit einigen Jahren nicht mehr hatten, mit Tiefstpreisen, wie sie in Deutschland, aber auch europa- und weltweit auf den Milchmärkten, zum Teil auch auf den anderen Agrarmärkten, nicht mehr bekannt sind. Das führt unsere landwirtschaftlichen Betriebe, unsere Milchvieh haltenden Betriebe tatsächlich in Existenznöte und zum Teil in gravierende Existenzprobleme.
Ich bin froh, dass die baden-württembergischen Landwirte und dass ein Großteil der baden-württembergischen Milchviehhalter nicht nur monostrukturiert sind und nicht nur Milchviehhalter sind –
ein Teil schon, aber ein anderer Teil eben nicht. Das unterscheidet uns von Milchvieh haltenden Betrieben im Norden und im Osten, die meist nur eine Form der Landwirtschaft kennen. Unsere Betriebe sind schon von alters her, Herr Kollege Pix, diversifizierter aufgestellt, gerade weil die Lagen und die Böden so schwierig sind. Sie sind daher anders aufgestellt, als dies in anderen Teilen Deutschlands der Fall ist.
Im Schwarzwald war Milchviehhaltung im Regelfall schon immer mit Waldwirtschaft gepaart. In den letzten Jahren und Jahrzehnten kam der Tourismus dazu, es kam Direktvermarktung dazu, es kam die Energienutzung mit hinzu, sodass die Betriebe schon lange auf breiteren Füßen stehen.
Aber nichtsdestotrotz: Auch ein Teilbetrieb muss sich am Ende des Tages oder am Ende des Jahrfünfts oder spätestens des Jahrzehnts rechnen. Niemand kann Betriebe weiterführen, die dann quersubventioniert werden. Das ist doch allen klar.
Erstens: Wir haben mehr Milch an den Märkten, als die Menschen nachfragen, und zwar die Menschen weltweit, aber auch die Menschen in Deutschland. Es ist ein Teil der Wahrheit, dass der Milchverbrauch in Deutschland im letzten Jahr um 1,5 % eingebrochen ist, während sich die Milchproduktion zwar nicht wesentlich erhöht hat, aber eben auch nicht verringert hat. Das heißt, Angebot und Nachfrage sind nicht mehr ausgeglichen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, um das einmal klar zu sagen: Wir waren nicht für die Erhöhung der Quote, Herr Kollege Pix, wie Sie fälschlicherweise behaupten. Aber eines ist doch auch klar: Die europäische Politik hat mit ihren Beschlüssen seit dem Jahr 2002 bis zum heutigen Tag – im November letzten Jahres hat sie dies wieder erneuert – einen klaren Kurs eingeschlagen. Der klare Kurs heißt: Die Milchquote wird im Jahr 2015 auslaufen. Genau deshalb wurde im letzten Jahr gegen den Widerstand Deutschlands, der von den Länderagrarministern mitgetragen wurde, bei dem sogenannten Health Check beschlossen, dass die Milchquote jährlich um einen Prozentpunkt angehoben wird, um sie faktisch ein Stück weit als Steuerungsinstrument zu entwerten.
Jetzt muss ich ganz offen sagen: Die SPD hat etwas länger gebraucht, bis sie sich mit der sozialen Marktwirtschaft angefreundet hat. Das hat dann bis zum Jahr 1959 bzw. 1960 gedauert.
(Widerspruch bei der SPD – Abg. Fritz Buschle SPD: Na, na, na! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist un- sere Erfindung! – Lachen bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Hör einmal!)
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die heißt „sozial“ wie Sozialdemokratie! – Gegenruf des Abg. Stefan Map- pus CDU)
Das Thema Milchquote ist natürlich ein Instrument der Staatswirtschaft und der Planwirtschaft. Ich bin heilfroh, dass die Europäische Union den Weg in die soziale Marktwirtschaft eingeschlagen hat und dass das letzte Instrument der Planwirtschaft, nämlich diese Quotierung und damit die Bevormundung der Bauern darüber, was sie zu liefern haben, endgültig auslaufen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jegliches Wirtschaftsleben in unserem Land ist ein Stück weit auf Wachstum ausgerichtet. Uns geht es darum, dass wir für unsere baden-württembergischen Bauern, für die Milchwirtschaft bei uns im Land gute Grundlagen bei der Produktion, ein gutes Einkommen und letztendlich auch Gewinne erwirtschaften
können. Uns geht es aber auch darum, dass es gleichermaßen möglich ist, dass wir uns nicht nur auf unserem Markt mit unseren Produkten behaupten, sondern dass wir zunehmend auch auf die ausländischen Märkte marschieren können.
Die Produktivität in der Landwirtschaft ist hoch. Wir hatten vor zehn Jahren noch über 100 000 Milchkühe mehr in den Ställen als heute. Wir produzieren heute mit jetzt noch 360 000 Milchkühen in Baden-Württemberg die gleiche Milchmenge wie vor zehn Jahren.
Wir liegen im Bundesdurchschnitt im letzten Drittel. Das heißt, da ist noch eine Produktivitätssteigerung möglich. Meine Damen und Herren, Regierung und Regierungsfraktionen wollen gemeinsam, dass Baden-Württemberg auch zukünftig ein leistungsfähiger, familienorientierter, landwirtschaftlicher Milchviehhaltungsbereich bleibt
und dass die Grünlandwirtschaft mit Milchkühen und mit Milchviehhaltung, weil es die schonendste Art der Bewirtschaftung ist, auch morgen noch stattfindet. Ich will gleichermaßen, dass sich vor allem die Wertschöpfung, die bei der Milch zugrunde liegt – nämlich in der weiteren Verarbeitung –, weiter erhöht. Da sind in allererster Linie die Marktpartner gefragt.
In der Vergangenheit ging es doch nur um die Frage: Wie bringt man die Mengen am besten unter? Wenn jemand einmal eine ganz gute Idee hatte, dann war es halt so. Aber machen wir uns doch nichts vor: Die echten Highlights in der Produktinnovation kommen nicht von den genossenschaftlichen Molkereien, sondern die kommen doch derzeit – leider, muss ich sagen – entweder von den großen ausländischen Genossenschaften, oder sie kommen von der privaten Milchwirtschaft.
Es ist doch kein Naturgesetz. Warum soll dies nicht auch von den Bauern in der Milchwirtschaft kommen, die letztendlich von den Bauern getragen wird? Deshalb muss sich auch die Lebensmittelwirtschaft, die Ernährungswirtschaft, die Milchwirtschaft auf diese veränderten Rahmenbedingungen besser einstellen als in der Vergangenheit. Es reicht nicht aus, dass sich die Milchwirtschaft zurücklehnt und sagt: Wir wollen die Dinge bestmöglich vermarkten. Das reicht nicht aus. Vielmehr ist deren Verantwortung als Marktpartner gleichermaßen mit gefordert. Sie ist auch deshalb gefordert, weil wir – wie gesagt – Wertschöpfung im Land erwirtschaften wollen und die Bauern nicht nur zu reinen Rohstofflieferanten verkommen lassen wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die Quote im Jahr 2015 ausläuft, dann muss man das den Betroffenen heute und nicht irgendwann in ferner Zukunft sagen. Schon heute muss man alle Partner darauf einstellen. Das ist das Gebot der Stunde.
Ich will mich gar nicht davor scheuen. Man könnte es sich einfach machen. Man hätte sich manchen Streit und manchen Ärger der letzten Monate, bis hin zu persönlichen Anwürfen, sparen können. Man könnte sich manches sparen. Es geht darum, dass wir Zukunftsfähigkeit im Land brauchen. Deshalb müssen wir einerseits dort, wo originäre Wettbewerbsnachteile bestehen, alles dafür tun, um diese auszugleichen
das ist gar keine Frage; ich komme gleich darauf zu sprechen –; andererseits müssen sich die Marktpartner aber auch daran gewöhnen, dass Angebot und Nachfrage – und nichts anderes – den Preis regulieren. Das ist der entscheidende Punkt.