Punkt 1: die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts ab 18. Man muss sich einmal Folgendes vor Augen führen: Früher lag das Volljährigkeitsalter bei 21 Jahren. Im JGG stand, wenn
man so will, eine Ausnahme in dem Sinne, dass schon vor Erreichen der Volljährigkeit das Erwachsenenstrafrecht angewandt werden kann. Das war der damalige Kontext. Dann hat man das Volljährigkeitsalter herabgesetzt. Wenn ich das entsprechend übertragen würde, müsste ich vorschlagen, dass man bei einem Volljährigkeitsalter von 18 bereits ab 16 ausnahmsweise das Erwachsenenstrafrecht anwenden können sollte.
Das macht ja auch kein Mensch. Aber was Sie sagen, ist auch nicht schlüssig. Sie sagen, dass man bei allem mit dem Volljährigkeitsalter heruntergehen soll, aber beim Strafrecht nicht. Das muss mir erst einmal jemand erklären: Die Leute sollen in jeder Beziehung mündig und zu allem fähig sein, aber im Hinblick auf das Strafrecht sollen sie dann auf einmal fast noch Kinder sein. Wenn das so gelten soll, dann wären sie auch beim Wählen, beim Kaufen und bei anderen Dingen noch nicht wie Erwachsene zu behandeln. Dass z. B. bei einer Sache, bei der sie draußen in Stuttgart mit Recht – –
(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das geht doch schon jetzt! Man kann doch bei einem 18-Jährigen schon jetzt das Erwachsenenstrafrecht anwenden! – Gegenruf des Abg. Rainer Stickelberger SPD: So ist es! – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das soll aber die Ausnahme bleiben! – Glocke der Präsidentin)
(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Weil es viele Menschen gibt, die mit 18 nicht sozialisiert sind! – Gegenruf des Abg. Karl Zimmermann CDU: Aber mit 16 sollen sie grün wählen!)
Sonst gibt es hier noch einen Redezeitzuschlag für die Abgeordneten. Ich will doch, dass Sie noch heute heimkommen.
Man könnte den Eindruck haben, wenn man Sie so hört, dass Kinder mit Erreichen des 18. Geburtstags automatisch so volljährig und so für sich verantwortlich sind, dass sie als Erwachsene zu behandeln sind.
(Abg. Klaus Herrmann CDU: Das ist doch völlig richtig! – Abg. Winfried Scheuermann CDU: Sie wol- len doch sogar, dass die mit 16 wählen können! – Zu- rufe der Abg. Hagen Kluck und Heiderose Berroth FDP/DVP – Unruhe)
Der Jugendliche als solcher ist kein kleiner Erwachsener, sondern er ist eine Person sui generis, bei der die Hormone völlig anders funktionieren als vorher und nachher.
Stimmen Sie mit mir darin überein, dass die Phase zwischen 18 und 21 Jahren nicht schematisch behandelt werden kann? Gestehen Sie zu, dass es nicht sein kann, dass Menschen ab ihrem 18. Geburtstag allesamt in gleicher Weise als voll verantwortlich behandelt werden? Stimmen Sie mit mir in der Erkenntnis überein, dass diese Einschätzung gerade auf solche Personen zutrifft, die in dieser Altersphase straffällig werden, und dass dieses Straffälligwerden sogar ein Hinweis darauf ist, dass bei demjenigen wahrscheinlich auch eine Entwicklungsverzögerung vorliegt?
Alles, was ich seit Jahren fordere, was Sie als absurd bezeichnen, ist, dass ab 18 in der Regel das Erwachsenenstrafrecht angewandt wird. Im Moment ist es so, dass bei 80 % der schweren Delikte wie beispielsweise Körperverletzung oder Raubdelikten das Jugendstrafrecht angewandt wird.
Umgekehrt wird bei Verkehrsdelikten zu 100 % das Erwachsenenstrafrecht angewandt, obwohl ich auch nicht – –
Es muss z. B. auch einen Grund dafür geben, dass der Generalstaatsanwalt Pflieger, der für seinen Umgang mit Haftstrafen bekannt ist, noch einen Schritt weiter geht als ich. Er sagt: generell ab 18 Erwachsenenstrafrecht. Wir haben selbst ein Symposium dazu veranstaltet. Da haben uns die Entwicklungspsychologen gesagt: Völlig klar, das ist ein falsches Signal.
Beim Zementmordfall haben die Leute demonstriert. Die wollten mir die Unterschriften übergeben, dass man da nicht noch das Jugendstrafrecht anwendet. Ich habe zu denen gesagt: Geht weiter nach Berlin; ich bin eurer Meinung.
Ich bin auch der Meinung: Man kann doch nicht ständig mit dem Argument der Entwicklungsverzögerung arbeiten. Verzeihung! Viele sind auch mit 30 noch in der Entwicklung verzögert. Wenn ich bei Strafdelikten – –
Verzeihung, wir sind der Gesetzgeber. In der Verfassung steht, dass die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden ist. Wir haben uns hier darüber Gedanken zu machen, ob
so etwas sinnvoll ist. Es wäre meines Erachtens längst sinnvoll und bestimmt nicht absurd, ab 18 in der Regel das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden.
Genauso geht es beim sogenannten Warnschussarrest weiter. Vielleicht ist der Ausdruck unglücklich. Was ist damit eigentlich gemeint? Ich habe vorhin davon gesprochen: Wir wollen konsequent auf delinquentes Verhalten reagieren. Das fängt natürlich mit Arbeitsweisungen und Ähnlichem an, mit Auflagen, und steigert sich, wenn der Betreffende nicht aufhört, bis zum Jugendarrest, der in früheren Jahren übrigens auch schon infrage gestellt wurde.
Jetzt haben wir dort einfach einen Bruch in der Reaktion. Wenn jemand mehrfach Weisungen bekommen hat, bekommt er das nächste Mal einen Arrest – erst Wochenendarrest, dann Freizeitarrest –, und wenn er dann noch immer nicht aufhört, gibt es die erste Jugendstrafe, und zwar in der Regel mit Bewährung. Das heißt, dem Jugendlichen passiert nichts. Das versteht er nicht. Der geht aus dem Gerichtssaal heraus und sagt: Es ist ja gar nichts passiert.
Alles, was ich fordere, ist, dass man in den Fällen, in denen jemand schon eine Jugendstrafe bekommt, diese aber, weil es das erste Mal ist, auf Bewährung ausgesetzt wird, wenigstens gleichzeitig auch einen Arrest verhängen kann – was man ja vorher auch schon machen konnte. Wir hatten übrigens sogar die absurden Fälle, dass wir Delikte von einer Gruppe von Jugendlichen hatten – –
Wollen Sie jetzt der Gleichbehandlung das Wort reden? Zehn Minuten zuvor sagten Sie, man sollte es unterschiedlich behandeln. Jetzt sollen wir es gleich behandeln. Sie müssen schon selbst auch schlüssig bleiben!
Manchmal denke ich, dass die Kritiker schlicht und einfach noch nicht genug über diesen Vorschlag nachgedacht haben. Es ist doch nur logisch, dass, wenn ich in die nächste Stufe des Strafrechts komme, eine fühlbare Reaktion erfolgt und dass ich einem Jugendlichen, der vielleicht schon einen Arrest in der vorhergehenden Stufe hinter sich hat, einen solchen Arrest aussprechen kann.
Wir hatten sogar die absurden Fälle, in denen eine Gruppe von Jugendlichen Delikte begangen hat, bei denen dann die Komplizen, sozusagen die „Normalen“, einen Arrest bekommen haben und der Rädelsführer eine Bewährungsstrafe bekam.
Dann sind die alle in den Arrest gegangen. Das ist tatsächlich nicht nur einmal passiert. Deswegen ist meine Forderung einfach ein Vorschlag im Sinne der Schlüssigkeit.
Jetzt zum dritten Punkt: Das mit den 15 Jahren ist für extreme Fälle gedacht. Ich kann Ihnen eines sagen: Ich weiß nicht, was z. B. bei der Tat von Eislingen herauskommt. Ich weiß nicht, was die Gerichte dort anwenden werden. Es ist auch nicht meine Aufgabe, das zu sagen. Aber wenn dort z. B. das Jugendstrafrecht angewendet würde und der Jugendliche nach sieben oder weniger Jahren wieder herauskäme – in diesem Bereich gilt ja nicht die Zweidrittelregelung, sondern eine Dreifünftelregelung –, wäre das für mich nicht vermittelbar.
Für mich ist es schon schwer vermittelbar – das haben wir gar nicht gefordert –, dass der Junge in Bad Buchau – – Er zertrümmerte einer Frau mit der Brechstange den Schädel; sie hat ein kleines Kind usw. In einem solchen Fall akzeptiert es die Bevölkerung eigentlich kaum, dass nach maximal sechs Jahren, wenn er zehn Jahre Haft verhängt bekommt, für den Betroffenen der Fall „gegessen“ ist. Das ist nicht vermittelbar.
Deswegen bin ich schon dafür, dass in extremen Fällen – nur darum geht es – das Strafmaß auf 15 Jahre heraufgesetzt wird. Denn im Endeffekt beträgt die Haftdauer dann ja keine 15 Jahre, sondern faktisch zehn Jahre. Wir müssen überlegen: Im Normalfall – gute Führung und Ähnliches – wird gar nicht das Höchstmaß erreicht.
Für mich ist diese Bundesratsinitiative bis heute geradezu ein Symbol für die notwendigen Verbesserungen. Was ich auf diesem Feld noch machen würde, wäre, Grenzen zu setzen.
Dann zum Reaktionstempo – das wurde mit Recht angesprochen –: Da hat die Diskussion erbracht, dass wir in BadenWürttemberg erfreulich schnell sind. Auch das ist eine wichtige Dimension des Geschehens.
Dann haben wir die andere, die positive Seite: Wir müssen auch auf die Jugendlichen zugehen. Wir müssen ihnen Chancen bieten. Wir müssen ihnen Brücken bauen. Es reicht nicht allein, abzuschrecken und zu strafen. Wir sind von der Arbeitsmarktsituation und den sozialen Verhältnissen her in der glücklichen Lage, eine Situation zu bieten, die im Großen und Ganzen keinen guten Nährboden für Kriminalität bereitet. Gerade wenn man die Familien mit Migrationshintergrund betrachtet, kann man feststellen, dass diese bei uns, bundesweit gesehen, relativ in den besten Verhältnissen leben. Das schlägt sich in vielem nieder, natürlich auch in einem Rückgang der Kriminalität von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Allerdings muss man dazusagen, dass sie im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Bevölkerung unter den Straftätern noch weit überproportional vertreten sind, aber Gott sei Dank mit zurückgehender Tendenz.
Wir schauen, dass wir im Vollzug in Adelsheim das Beste aus der Situation machen. Es geht nicht nur um die „Projekte Chance“. Das sind sozusagen die Flaggschiffprojekte. Sie sind wichtig. Wir hoffen, auch ein drittes Projekt verwirklichen zu können. Diese Projekte sind wichtig, um klarzumachen: Wir wollen auf die Jugendlichen zugehen, wir wollen ihnen Perspektiven bieten, wir wollen der Kriminalität den Nährboden entziehen.
Es geht auch um den normalen Strafvollzug, den wir mit dem neuen Jugendstrafvollzugsgesetz auf eine neue Grundlage gestellt haben.
Wir werden auf diesem Weg weitermachen wie bisher. Die Ergebnisse sind beachtlich; das kann man sagen. Beispielsweise hat die Zahl der Intensivtäter bei uns deutlich abgenommen. Das kann nicht am gegliederten Schulsystem liegen, lieber Herr Sakellariou.