Das beste Mittel gegen Armutsgefährdung ist – das hat die Familienforschung Baden-Württemberg kürzlich in ihrem Report über die ökonomische Lage der Familien in Baden-Würt temberg erneut bestätigt – ein ausreichendes Erwerbseinkommen von Familien; denn dann können sie am ehesten den Bereich der Armutsgefährdung verlassen. Es ist auch schon erwähnt worden: Sozial ist, was Arbeit schafft. An dieser Weisheit hat sich auch in der heutigen Zeit nichts geändert.
Bei der Bekämpfung der Kinderarmutsgefährdung ist notwendigerweise bei den Eltern anzusetzen und alles zu unternehmen, um diesen und damit auch den Kindern ein möglichst gutes Einkommen zu sichern. Das ist zuallererst die zentrale Aufgabe der Gesellschaft selbst, also der Einzelnen und der Organisationen der Wirtschaft, sprich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen.
Da stehen wir im Land gut da, wie ein Blick auf die Einkommensvergleiche im Bund, in Europa und darüber hinaus zeigt. Da wird in Baden-Württemberg viel geleistet. Im Übrigen zeigt sich gerade in der Krise, wie verantwortungsbewusst unsere Wirtschaftsunternehmen und unsere Gewerkschaften bisher handeln, indem sie alles tun, um Entlassungen zu vermeiden. Das ist auch familienfreundlich und sozial im besten Sinn und auch gelebte soziale Marktwirtschaft.
Flankierend und zur Unterstützung der Eigeninitiative des Einzelnen in Bezug auf seine Integration in den Arbeitsmarkt und das Erwerbsleben stehen dann auch die staatlichen Instrumente der Bundesagentur für Arbeit und der Grundsicherungsträger, u. a. in dem Bereich der sozialintegrativen Leistungen, zusätzlich zur Verfügung. Bund, Länder und Kommunen sowie die Kirchen und die Wohlfahrtsverbände tragen in diesem Rahmen, also flankierend in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich, maßgeblich zur Verbesserung der Lebensumstände von Personen in schwierigen Situationen bei.
Ich will hier nur kurz die wichtigsten Landesleistungen für Familien und Eltern erwähnen: Landeserziehungsgeld, Mehrlingsgeburtenzuschuss, Landesfamilienpass. Das Landeserziehungsgeld ist eine wichtige familienpolitische Maßnahme des Landes. Es wird außer in Baden-Württemberg nur noch in drei weiteren Ländern gezahlt,
und es bildet neben dem Elterngeld, dem Kindergeld und dem Kinderzuschlag eine wesentliche finanzielle Unterstützung für einkommensschwache Familien. Es ist vor allem eine zusätzliche Hilfe gerade für Alleinerziehende. Auf deren prekäre Situation ist ja schon vielfach hingewiesen worden. Das ist auch bekannt und durch viele Zahlen belegt.
Gerade mit Blick auf Alleinerziehende setzt sich Baden-Würt temberg für den weiteren Ausbau der Kleinkindbetreuung ein. Wir haben dieses Thema ja nun in regelmäßiger, wochenweiser Wiederholung hier in der Diskussion. Ich kann nur immer wiederholen, dass wir hier auf einem guten Weg sind, dass das Ziel des Ausbaus überhaupt nicht bestritten wird und dass wir
mittlerweile bei einer Quote von etwa 18 % sind. Wir streben an, bis zum Jahr 2013 für eine Quote von 34 % der Kinder unter drei Jahren Angebote zu erstellen. Wir nehmen hier viel Landesgeld und auch Bundesgeld in die Hand, um diese Situation zu verbessern. Das ist unbestritten. Aber es geht eben wirklich nicht von heute auf morgen, diese Plätze zu bauen und mit qualitativ guten Erzieherinnen zu bestücken. Durch den weiteren Ausbau der Kleinkindbetreuung wird es vielen Alleinerziehenden möglich sein, erstmals oder in erweitertem Umfang eine Erwerbsbeteiligung aufzunehmen.
Wir haben weiterhin das Landesprogramm STÄRKE und ebenso Migrantenprogramme aufgelegt. Mit der Sprachstandsdiagnose im Rahmen der Einschulungsuntersuchung und mit der Qualitätsoffensive Bildung verhelfen wir Kindern zu einem guten Start in der Schule und damit auch in eine gute Zukunft.
Wir haben aber auch Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung und Integration von Langzeitarbeitslosen aufgelegt. Wir fördern z. B. Projekte des Kombi-Lohn-Impulsprogramms KoLIPrI – alles mit dem Ziel, Menschen in Arbeit zu bringen, weil das die beste Vorsorge gegen Armut und Armutsgefährdung darstellt.
Die Anpassung der Regelsätze ist angesprochen worden. Das ist eine Bundesangelegenheit. Aber auch hier setzt sich das Land gemeinsam mit den anderen Ländern schon seit Monaten dafür ein, die Regelsätze für Kinder am tatsächlichen Bedarf eines Kindes neu auszurichten. An mangelnder Unterstützung seitens des Landes liegt es nicht. Das ist eine Sache, die auf Bundesebene in dem entsprechenden, von der SPD geführten Ressort umgesetzt werden muss. Da bin ich für Unterstützung dankbar.
Baden-Württemberg investiert auch zukünftig in Kinder und Familien und wird sich auch weiterhin mit einer ganzheitlich verstandenen Politik für Familien einsetzen. Das ist im Kampf gegen Armut, denke ich, verglichen mit dem, was andere Länder tun, eine erfolgreiche Strategie. Deshalb können wir auch sicher sein, dass wir gemeinsam mit den Partnern der Wirtschaft unsere Familien weiterhin gut begleiten können und Familien auch in Krisensituationen – ob diese Krise jetzt individuell, konjunkturell oder auch kulturell bedingt ist – unterstützen.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, die Unterhaltungen außerhalb des Plenarsaals zu führen.
Ich möchte noch ein paar Sätze zum Armutsbericht und zum Nutzen und zu den Grenzen eines solchen Armutsberichts sagen. Natürlich beginnt Politik mit dem Betrachten der Realität; das ist eine allseits bekannte Aussage. Da liegt es natürlich nahe, zunächst einmal Berichte einzufordern: Sozialberichte, Armutsberichte, Reichtumsberichte, Berichte auf allen Ebenen.
Es stellt sich aber wirklich die Frage: Brauchen wir das, oder gibt es sinnvolle, effiziente Alternativen?
Wenn wir einmal die statistischen Grundlagen betrachten, so sehen wir, dass die neuesten Daten, die derzeit für umfassende statistische Auswertungen zur Verfügung stehen, aus den Jahren 2005 bis 2007 stammen. Wenn wir uns den 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung anschauen, so zeigt sich, dass dort auf Daten aus dem Jahr 2005 zurückgegriffen wird. Den neuesten Veröffentlichungen des Statistischen Landesamts liegen dagegen die Daten des Mikrozensus 2007 zugrunde.
Wir alle haben gelesen und diskutiert, was es heißt, wenn der Bund im Jahr 2008 einen Bericht herausgibt, der auf den Grundlagen von 2005 beruht. Ich meine, einen solchen Bericht kann man getrost in den Aktenschrank stellen. Da ist weder der Wirtschaftsaufschwung noch der Wirtschaftsabschwung berücksichtigt. Aber man hat einen Armutsbericht. Man kann vielleicht etwas abhaken und sagen: „Wir haben da etwas im Schrank stehen.“ Von großem Nutzen ist so etwas allerdings nicht. Auch die Konsequenzen, die daraus gezogen werden können, sind begrenzt.
In Baden-Württemberg sehen wir daher keine Veranlassung, in einem aufwendigen und kostenträchtigen Verfahren umfassend veraltete Daten über Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erheben und dabei nur eingeschränkt solche Informationen zu bekommen, die uns aktuell über die Notlagen der Menschen aufklären könnten, sodass wir unsere Politik auch aktuell darauf ausrichten könnten.
Wir wollen lieber Nägel mit Köpfen machen. Wir schauen uns die Situation unserer Familien anhand von aktuellen Daten, beispielsweise von unserer Familienforschungsstelle, genau und zeitnah an. Liebe Frau Wonnay, das sind regionale Daten. Wir wollen regionale Daten, und zwar nicht nur in der Gesundheitspolitik, und wir haben solche Daten auch in der Familienpolitik.
Ihnen allen wurde ganz aktuell der Bericht „Familien in Baden-Württemberg – Ökonomische Lage von Familien“ zugesandt. Ich denke, Sie alle haben diesen qualifizierten Bericht auch aufmerksam gelesen. Diesem Bericht konnten Sie entnehmen, dass das durchschnittliche Einkommen der Familien in Baden-Württemberg im Bundesvergleich noch immer höher ist als in anderen Bundesländern und dass Familien in Baden-Württemberg seltener armutsgefährdet sind. Gerade die Bevölkerungsgruppen, die besonders armutsgefährdet sind, z. B. Alleinerziehende oder kinderreiche Familien, werden mit unseren Landesleistungen auch besonders unterstützt.
Sie wissen: Wir steuern in Baden-Württemberg differenzierte und qualifizierte Maßnahmen an, um Familien zu helfen. Deswegen brauchen wir auch zukünftig kein voluminöses Double einer umfänglichen Bundesberichterstattung. Wir brauchen stattdessen eine effiziente, schlanke, zielgruppen- und lösungsorientierte und vor allem eine möglichst aktuelle und damit lebens- und bürgernahe Datenanalyse, sodass wir auch unsere Politik danach ausrichten können.
Wenn wir das haben, was wir mit diesen aktuellen Berichten haben, dann können wir immer etwas früher und passgenauer
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zwei Sätze zu den Ausführungen meiner Vorrednerinnen sagen.
und zwar was die Zielgruppen betrifft, die von Armut betroffen sind. Das sind zum einen die Alleinerziehenden, zum Zweiten Kinder aus Migrationsfamilien und zum Dritten Mehrkinderfamilien.
Wir haben in unserem Antrag speziell die Situation alleinerziehender Eltern abgefragt. Die CDU hat in ihrem Antrag die Situation von Familien abgefragt.
Kollegin Krueger, ich habe mir Ihren Antrag durchgelesen, aber ich finde darin nicht das Thema „Kinder aus Migrationsfamilien“. Also werfen Sie uns doch nichts vor, was Sie selbst versäumt haben.
(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Frau Kollegin, seien Sie doch bitte einmal charmant und nicht so verknif- fen!)
Vielleicht haben Sie sich bei Ihrem Marathonlauf auch verlaufen. Man darf doch jetzt nicht die Situation in BadenWürttemberg schönreden und die Probleme kleinreden, Kollege Birk.
Es gibt drei Punkte: Erstens sind wir uns einig, dass das Armutsrisiko in Baden-Württemberg geringer ist als in Mecklenburg-Vorpommern. Der Anteil an Menschen, die unterhalb der Armutsschwelle leben, liegt bei uns bei 11 %, in Mecklenburg-Vorpommern bei 30 %.
Zweitens müssen wir Einigkeit herstellen, dass Alleinerziehende auch in Baden-Württemberg vom Armutsrisiko stärker betroffen sind als Familien, und zwar dreimal so stark.
Der dritte Punkt, bei dem wir uns eigentlich einig sein müssten, ist, dass die Zahl der Alleinerziehenden zugenommen hat. Genau das haben wir auch abgefragt. Wir haben in der heutigen Debatte über Daten und Zahlen geredet und nicht auf die Tränendrüse gedrückt.