Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Wir haben eine Menge Baustellen im Hochschulbereich. Wir haben in Baden-Württemberg eine gute Tradition, auch in der Forschungspolitik Pioniere zu sein. Wir haben in den Sechzigerjahren, damals noch unter Ministerpräsident Kiesinger, am massivsten die Universitäten ausgebaut. Anfang der Siebzigerjahre haben wir am massivsten die Fachhochschulen ausgebaut, Ende der Siebzigerjahre die Berufsakademien und Anfang der Achtzigerjahre die Steinbeis-Zentren gegründet, um diese Lücke zwischen Mittelstand und Forschung zu schließen, was aber bis jetzt nicht richtig gelungen ist.

Seit dieser Zeit ist bei uns nichts wirklich Bahnbrechendes in dieser Hinsicht mehr passiert. Das ist das Problem. Darüber müssen wir gemeinsam nachdenken. Und das wollen wir gern tun.

Knapp die Hälfte der 80 % Wirtschaftsbeteiligung an der Forschung – Sie haben auch noch einmal darauf hingewiesen – bezieht sich ausschließlich auf die Aufwendungen der Automobilindustrie. Das Statistische Landesamt schreibt dazu im neuesten „Forschungs- und Entwicklungsmonitor“ – ich darf das zitieren –:

Im bundesweiten Vergleich haben dagegen die … Spitzentechnologien in Baden-Württemberg, beispielsweise im Bereich des Luft- und Raumfahrzeugbaus oder der pharmazeutischen Industrie, eine vergleichsweise geringe quantitative Bedeutung.

Dies ist der Fall, weil es sich zu sehr auf die Automobilindus trie konzentriert und andere Bereiche vernachlässigt werden. Das sind jetzt alles keine persönlichen Bewertungen von mir, sondern das ist durch Zahlen, die man nachlesen kann, belegt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Schüle das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zwei Punkte ansprechen.

Erstens: Herr Kollege Prewo, Sie haben vorgetragen – jetzt relativ indirekt, vorher sehr direkt –, die Hochschulen in Baden-Württemberg seien unterfinanziert, nicht genügend finanziert. Sie haben aber mit keinem Wort erwähnt, wie ein Deckungsvorschlag aussehen könnte.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das macht die SPD nie! – Gegenruf des Abg. Dr. Stefan Schef- fold CDU: Das kann sie nicht!)

In keiner Rede der letzten Monate haben Sie das getan, heute auch wieder nicht. Deswegen kann ich sagen – beim Thema ETH hat der Minister Sie schon sachlich „zerlegt“ –: Wenn Sie hier sagen, unsere Hochschulen seien unterfinanziert, ohne aufzuzeigen, wo man einsparen oder woanders Schwerpunkte setzen kann, dann ist Ihre Kritik schlicht nicht glaubwürdig.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Rudolf Hausmann SPD)

Bei jedem Thema ist das so. Das lassen wir auch so nicht mehr stehen. Heute hätten Sie bei der Beratung des Nachtragshaushalts handeln können, da hätten Sie Vorschläge machen können. Ich erinnere auch daran, dass der Kollege Stober vorgebracht hat, bei den Studiengebühren müssten wir die weggefallenen Einnahmen von staatlicher Seite ersetzen, und zwar – so hat er wörtlich hier an dieser Stelle gesagt – mit Haushaltsresten, die wir für das Jahr 2009 zurückgelegt haben. Die sind jetzt aber vervespert. Was ist denn das für eine unsolide Haushaltspolitik! Das muss man einmal deutlich ansprechen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Kümmern Sie sich lieber um die Universitäten, als sich hier so auf- zuspielen!)

Zweiter Punkt: Herr Kollege Prewo – –

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Schüle, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Prewo zu?

Selbstverständlich.

Bitte, Herr Abg. Dr. Prewo.

Herr Kollege Schüle, wollen Sie damit sagen, dass wir zu arm seien, um unseren ererbten Standard und unsere Substanz in der Forschungspolitik halten zu können?

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Vorschlag!)

Wollen Sie damit sagen, dass wir das nicht bezahlen könnten, weil wir zu arm seien, und es deswegen bleiben lassen soll ten?

(Beifall bei der SPD – Abg. Werner Pfisterer CDU: Konkret woher?)

Herr Kollege Prewo, erstens: Bei den drei Sonderprogrammen, die wir heute aktuell diskutieren, weil sie Auswirkungen auf das Land Baden-Württemberg haben, ist außer der Position beim Pakt für Forschung und Innovation in der mittelfristigen Finanzplanung alles eingeplant bis auf 80 Millionen € für den Zeitraum 2011 bis 2015. Das werden wir auch noch hinkriegen – gemeinsam, wenn Sie mitmachen.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Prewo SPD)

Aber der entscheidende Punkt ist – darauf sind Sie wieder nicht eingegangen –, dass Sie – auch in Ihrer Kurzintervention – keine glaubwürdige Alternative zu unserer Finanzpolitik in der Abwägung mit der Hochschulpolitik gebracht haben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zurufe von der SPD)

Nein, nein, nein. Das lassen wir so nicht mehr zu.

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Unglaublich! – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: „Das lassen wir so nicht mehr zu“!)

Zweiter Punkt: Sie haben hier sehr wehmütig die Sechzigerjahre mit den Gründungen unter Ministerpräsident Kiesinger und vieles mehr angeführt. Auch wenn Rankings nicht alles sind,

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Aha!)

auch wenn wir mit Sicherheit, wenn wir gute Rankings haben,

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Was heißt immer „wir“?)

nicht außen vor lassen, dass man das eine oder andere, dass man vieles noch verbessern kann und muss, weil wir nämlich immer in einem Entwicklungsprozess sind – keine Frage –: Aber wenn Sie sich die Rankings anschauen, stellen Sie fest, dass sich die baden-württembergischen Universitäten in den letzten 15 Jahren im deutschlandweiten Vergleich deutlich nach oben abgehoben haben, in die richtige Richtung, noch besser als in den Sechzigerjahren!

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Studienboykott!)

Diese Entwicklung sollten Sie sich noch einmal genauer vergegenwärtigen, vielleicht auch in einem Gespräch mit dem Minister oder mit uns von der CDU-Fraktion. Wir laden Sie herzlich dazu ein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Für die FDP/DVPFraktion erteile ich Herrn Abg. Bachmann das Wort.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Da bleibt einem nichts erspart!)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Kollegin Mielich! Lassen Sie mich mit dem beginnen, was uns Kollege Prewo über Unterfinanzierung erzählt hat. Das ist spannend. Universitäten und andere Hochschulen sind eigentlich immer unterfinanziert, weil man ja gar nicht genug Geld in die Bildung investieren kann. Aber wie ich schon sagte und wie das der Kollege Schüle auch noch einmal deutlich gemacht hat: Wir stecken in Baden-Württemberg schon sehr viel Geld in die Bildung.

Aber schauen Sie doch einmal dahin, lieber Kollege Prewo, wo Ihre Genossen noch den Ministerpräsidenten stellen. Gucken Sie einmal, wo die Unterfinanzierung am größten ist, wo die Streiks am größten sind.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Gucken Sie nach Bremen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin.

(Zuruf der Abg. Helen Heberer SPD)

Damit können wir diesen Blödsinn zur Unterfinanzierung in Baden-Württemberg wohl zu den Akten legen.

Die Kollegin Bauer sprach die Stuttgarter Situation an. Ich habe mich extra nicht in die von Minister Frankenberg gelobte Heidelberger, sondern als Stuttgarter in die Stuttgarter Ecke gesetzt. Ich möchte aber doch noch eine Anmerkung machen. Ich denke, es muss in einem Land, in dem wir auf Hochschulfreiheit setzen, wie Minister Frankenberg das heute Morgen sagte, möglich sein, über einzelne Fakultäten, über einzelne Lehrstühle,

(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

über bestimmte Studiengänge, die nicht genug nachgefragt werden, bei denen die Qualität nicht so gut ist wie bei anderen, auch nachzudenken.

Wir, Kollege Löffler und ich, haben heute Morgen deutlich gemacht, dass wir uns eine andere Denkrichtung an der Universität Stuttgart wünschen würden. Aber ein Denkverbot auszusprechen, das kann es ja wohl nicht sein. Denn wenn wir wollen, dass sich Hochschulen autonom an die Spitze weiterentwickeln, müssen wir ihnen auch gewisse Spielräume geben, genau so, wie der Herr Minister dies heute Morgen deutlich gemacht hat.