Protokoll der Sitzung vom 08.07.2009

Unsere Polizei – das muss man sagen – trifft bei ihrer Tätigkeit auf eine Riesenbandbreite an Aufgaben, die zu bewältigen sind. Das geht vom Fahrraddiebstahl bis hin zum NATOGipfel. All diese Tätigkeiten, die in diesem Spektrum liegen, sind letztendlich zu bewältigen. Die Polizei hat sich um Kapitalverbrechen ebenso zu kümmern wie um die Aufnahme von Verkehrsunfällen. Sie hat sich mit Internetbetrügern auseinanderzusetzen, hat aber auch Schwertransporte zu begleiten. Sie ermittelt in Wirtschaftsdelikten, aber auch im Bereich der Kinderpornografie. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Dies tut sie gerade in Baden-Württemberg in einer außerordentlich angespannten Personalsituation, die allerdings über das Land, über die Polizei nicht per Zufall hereingebrochen ist, sondern in den zurückliegenden Jahren von der Landesregierung ganz bewusst in Kauf genommen wurde, nämlich durch die Personalreduzierung bei der Polizei mit all den ne

gativen Folgen, die die Kolleginnen und Kollegen der Polizei auf den Polizeirevieren auszuhalten haben.

Sie haben sich zugegebenermaßen dann auf Druck der SPD in diesem Haus, aber auch auf Druck Ihrer eigenen Parteibasis, auf Druck der Städte und Gemeinden und nicht zuletzt auf Druck der Polizei doch bewegt und haben einen Einstellungskorridor geschaffen – Jahre zu spät, muss man sagen –, um den negativen Folgen noch entgegenzuwirken. Sie haben natürlich auch noch die Riesenaufgabe zu bewältigen, trotz der Pensionierungen, die in den kommenden Jahren in einer gro ßen Anzahl anstehen – plus Ihr Stellenabbauprogramm –, nämlich von bis zu 8 000 Kräften bis zum Jahr 2020, die Personallage zu stabilisieren.

Ich prophezeie Ihnen: Dies werden Sie nicht kompensieren können. Wir werden im Gegenteil in den nächsten zwei bis drei Jahren mit einer weiteren Personalreduzierung auf dem Land, in den Revieren, in den Polizeiposten rechnen müssen.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Sie werden mittelfristig gerade einmal den Rand des Kraters erreichen, den Sie selbst geschaffen haben, und dies, obwohl die Herausforderungen, die Anforderungen an die Polizei ständig größer werden.

Was macht die Landesregierung in dieser Situation? Sie tut nichts anderes, als ständig auf diese Tatsache hinzuweisen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben es angesprochen: Der Personaleinsatz z. B. bei Fußballspielen nimmt dramatisch zu. Was macht die Landesregierung? Sie beruft einen Fußballgipfel ein –

(Abg. Thomas Blenke CDU: Kritisieren Sie das?)

mit einem äußerst mageren Ergebnis. Es wurde gerade einmal vereinbart, jetzt vor Ort unter Federführung der Kommunen Ausschüsse zu bilden. Dann hat man vereinbart: In einem Jahr trifft man sich wieder. Sie haben z. B. auf Vorkommnisse zu Beginn dieses Jahres bei einem Fußballspiel in Mannheim nicht reagiert, bei dem gerade einmal die Hälfte aller eingesetzten Polizeikräfte mit einem Schutzhelm ausgestattet waren. Im Gegenteil, das Innenministerium hat die lapidare Antwort gegeben: „Wir sind dran. Aber dazu braucht man leider auch Geld.“ Mehr geschah bislang nicht.

Kriminelle, meine Damen und Herren, sind heutzutage technisch auf dem neuesten Stand. Was hat die Landesregierung gemacht? Sie hat in den zurückliegenden Jahren im Bereich der Sachkosten massiv die Mittel gekürzt. Dass unsere Polizeibeamtinnen und -beamten heutzutage ihre Privathandys benutzen, um kommunikativ auf dem neuesten Stand zu sein, ist keine Seltenheit, sondern Alltagsrealität. Dass mit einem großen Teil der Polizeicomputer nicht aufs Internet zugegriffen werden kann, ist ebenso fragwürdig wie all die anderen Maßnahmen, die im technischen Bereich gemacht worden sind.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Die Tatsache, dass man mit einem großen Teil der Polizeicomputer nicht ins Internet gelangen kann, kommentiert das In

nenministerium – wie ich meine, relativ abschätzig – mit dem Satz: „Man kann sich darüber streiten, ob Beamte googeln können müssen oder nicht“ – gerade so, als ob diese den Computer als Spielzeug betrachteten.

Die Präsenz der Polizei ist häufiger gefragt denn je. Was macht die Landesregierung? Sie zwingt die Polizei zur Erledigung von Aufgaben im Rahmen des Nichtvollzugsdienstes, hält sie also von den Bürgern, von der Straße letztendlich fern und ist auch unfähig – das will ich so deutlich sagen –, die im Land völlig unterschiedliche Reduzierung des Nichtvollzugsdienstes – da haben wir ja gravierende Unterschiede in den einzelnen Landesteilen – endlich wieder auszugleichen, obwohl Sie das bereits seit Monaten zugesagt haben.

Bei der Kriminalprävention wachsen die Aufgabenbereiche. Sie wären in der Summe insgesamt eigentlich wichtiger denn je. Was macht die Landesregierung? Sie ist nicht einmal bereit, dafür im Haushalt eigenes Geld einzustellen, sondern nutzt zeitlich befristet die Landesstiftung hierfür und gibt auch heute noch keine Antwort, wie sie gedenkt, all diese guten präventiven Maßnahmen letztendlich fortzuführen.

Ich frage nochmals: Was macht die Landesregierung? Sie versucht mit dieser Aktuellen Debatte, von diesen Unzulänglichkeiten abzulenken und, noch schlimmer, dies im zweiten Teil der Aktuellen Debatte als „Erfolgsmodell Baden-Württemberg“ zu verkaufen. Kollege Blenke, in der ersten Runde scheint mir dies nicht gelungen zu sein.

(Beifall bei der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Diese Debatte wurde nicht von der Landesregierung beantragt, Herr Kollege!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Sckerl.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Innere Sicherheit – Erfolgsmodell Baden-Württemberg“: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP/DVP, wer heute von einem Erfolgsmodell sprechen will, muss auch Erfolge vorweisen. Im Bereich der inneren Sicherheit sind es im Wesentlichen zwei große Bereiche, bei denen man sich bewähren muss. Man muss Gutes für die Polizei tun, man muss dafür sorgen, dass die Polizei nicht nur gut ausgestattet, sondern auch hoch motiviert ist und ihren Job unter guten Rahmenbedingungen machen kann. Das tun Sie nicht, sage ich. Sie haben die Polizei jahrelang vernachlässigt und haben an diesem Punkt Defizite; Sie sind bei der Polizei weit von einem Erfolgsmodell Baden-Württemberg entfernt.

(Beifall bei den Grünen)

Der zweite Punkt ist: Wenn man innere Sicherheit praktiziert, erlässt man Gesetze und verhängt Maßnahmen gegen Bedrohungen und gegen Kriminalität, die zwingend immer in Freiheitsrechte von Bürgerinnen und Bürgern eingreifen. Da muss man in der Lage sein, mit großer Sensibilität und Sorgfalt diesen Spannungsbogen zu halten. Wenn man auf die letzten Monate schaut, stellt man fest, dass alle Ihre Gesetzesvorhaben – und die FDP/DVP war immer dabei – in Karlsruhe letztendlich an wichtigen, zentralen Punkten gescheitert sind. Beim Polizeigesetz und bei der Speicherung von Telekommunika

tionsdaten weiß der Innenminister jetzt schon, dass er sein Gesetz umschreiben muss, weil das Thema Vorratsdatenspeicherung eine klare Antwort finden wird. Beim Kfz-KennzeichenScreening mussten Sie Ihren Gesetzentwurf umschreiben, Herr Minister, weil Sie auch da weit über das Ziel hinausgeschossen sind.

(Minister Heribert Rech schüttelt den Kopf.)

Das letzte und aktuellste Beispiel war der Entwurf zum Versammlungsgesetz, den Sie mittlerweile auch in den Reißwolf stecken konnten, weil er verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht geworden ist.

Wer derartige Gesetzesarbeit hier im Landtag vorlegt, hat keine Berechtigung, von einem „Erfolgsmodell Baden-Württemberg“ in der inneren Sicherheit zu reden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Zum Thema Polizei hat der Kollege Gall das Richtige gesagt. Man ist wirklich geneigt, zu sagen: Die Polizei macht in diesem Land einen guten Job, obwohl Sie regieren.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jetzt einmal lang- sam!)

Meine Damen und Herren, ich frage mich manchmal: Woher nehmen die Kolleginnen und Kollegen draußen noch die Motivation? Wir sind ja ständig draußen. Gerade am Wochenende habe ich es wieder im Rhein-Neckar-Kreis erlebt: Tagsüber ein Einsatz bei einer Nazidemonstration, abends auf dem Hockenheimring beim Metallica-Konzert. Kolleginnen und Kollegen der Polizei sind da bis zu 16 Stunden im Einsatz. Da hören Sie schöne Sachen über die Motivation und darüber, wie lange das noch gut gehen wird, wann denn endlich eine Entlastungsoffensive kommt und wann all die Versprechungen der Landesregierung Wirklichkeit werden. Aber es ist erst einmal nichts in Sicht.

Machen wir uns da nichts vor. Der atmende Stellenkörper, Herr Kollege Blenke, ist das wie eine Monstranz vor sich hergetragene, bislang jedoch unerfüllte Versprechen einer Dienstrechtsreform, einer echten Polizeireform. Gleichzeitig wissen wir mittlerweile, dass jeder achte Polizeibeamte in BadenWürttemberg einer Nebenbeschäftigung nachgehen muss. Also meine Chancen, abends in meiner Gemeinde meinen „Lieblingspolizisten“ hinter dem Tresen beim Bedienen zu treffen, sind in den letzten Jahren offensichtlich gewaltig gestiegen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Was ist Ihr Lieblings tresen?)

Wenn das eine Zukunftsperspektive für den Polizeiberuf in Baden-Württemberg sein soll, frage ich mich, in welcher Welt Sie eigentlich leben. Da gibt es offensichtlich Bedarf. Da haben Sie in den letzten Jahren nichts getan. Das gilt für den Bereich Personaltableau insgesamt. Der Personalabbau geht ja weiter. Er geht bis zum Jahr 2010. Wir haben die Spitze dessen, was Sie beschlossen haben, noch gar nicht erreicht.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Die Spitze heißt in diesem Fall Talsohle!)

Das heißt, die richtig großen Belastungen kommen in diesem Jahr, kommen im nächsten Jahr, kommen im übernächsten Jahr, und erst 2012, Herr Innenminister, wirkt Ihr viel zu spät beschlossener neuer Einstellungskorridor mit den bis zu 800 Anwärterinnen und Anwärtern für jedes Jahr. Da sind Sie einfach Jahre zu spät gekommen, um eine echte Entlastung für eine stark belastete Polizei anzubieten. Massive Überalterung,

(Zuruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU)

immer größere Diskrepanzen zwischen Sollstärke und Iststärke, Dienstunfähigkeitszeiten, all das bekommen wir auf den Revieren ständig serviert. Das sind die Alltagsprobleme der Polizei. Dafür haben Sie bisher keine Antworten und Konzepte vorgelegt, sondern immer nur Bekundungen und Absichtserklärungen.

Auch beim Thema Gewalt – was Kollege Blenke sagte, entspricht der Wahrheit – sind Sie ratlos. So stelle ich mir eine erfolgreiche innere Sicherheit in Baden-Württemberg vor!

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Sie sind ja genauso rat- los!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kluck.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Jetzt wird wieder zur Sache gesprochen!)

Herr Kollege Sckerl!

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Oh, er kann den Na- men sagen!)

Aber erst muss ich sagen: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Sckerl, das war ja nun wieder einmal ein Höhepunkt an Verdrehung.

(Unruhe bei der SPD und den Grünen)

Wenn Sie sagen, alle unsere Gesetze seien in Karlsruhe gescheitert, möchte ich Sie an Folgendes erinnern: In Karlsruhe ist noch kein Gesetz gescheitert, das von dieser Regierungsmehrheit hier beschlossen wurde. Gescheitert sind Gesetze, die die rot-grüne Koalition oder die schwarz-rote Koalition in Berlin beschlossen haben. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie der Landesregierung vorwerfen, sie vernachlässige die Polizei, weise ich das zurück. Das ist nicht wahr; das können Sie anhand der Zahlen und der verschiedenen Maßnahmen genau nachvollziehen.