Protokoll der Sitzung vom 29.07.2009

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Die „Süddeutsche Zeitung“ sagt das!)

Begründet wird dies damit – man muss sich das einmal vorstellen –, dass nur sozial integrierte Straftäter in den Genuss dieser elektronischen Aufsicht mittels Fußfessel kämen. Kollege Sakellariou sagte, sogenannte randständige Täter, die oh

ne Arbeitsplatz, Wohnung und Telefonanschluss seien, würden in diesen Genuss nicht kommen, und aus diesem Grund soll der Gesetzentwurf abgelehnt werden.

Herr Kollege Sakellariou, wir als Regierungsfraktionen wollen ja gerade, dass sozial integrierte Täter sozial integriert bleiben.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Jawohl!)

Wir wollen, dass diese Täter nicht aus der Familie herausgerissen werden,

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das wollen die Sozi- aldemokraten!)

sondern dass sie bei ihren Familien, ihren Kindern bleiben und zu Hause ihre Strafe absitzen können. Das ist doch sinnvoller, als dass ich sie aus der Familie herausreiße.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Das geht doch schon heute!)

Die SPD geht wieder einmal nach dem Rasenmäherprinzip vor: Alle sind gleich, egal, was passiert. Ich verweise jedoch auf Artikel 3 des Grundgesetzes und sage: Gleich ist gleich und ungleich ist ungleich. Aber das übersehen Sie, davon haben Sie noch nichts gehört. Jedenfalls ist das nicht zu erkennen.

Es steht auch nicht in Konkurrenz zum Projekt „Schwitzen statt Sitzen“. Ich habe Ihnen letztes Mal ad hoc ein Beispiel für einen Fall aufgezeigt, dass jemand eben nicht „schwitzen“ kann, sondern „sitzen“ muss. Wer 60 Stunden in der Woche arbeitet, kann nicht zusätzlich andere Arbeiten tätigen.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Aber dann kann er seine Geldstrafe bezahlen!)

Nein, dann kann er es eben nicht.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Herr Kollege, wenn er die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, dann kann er eben nicht bezahlen.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Dann kann er aber am Wochenende arbeiten!)

Nach 60 Stunden Wochenarbeitszeit arbeiten Sie dann auch noch weiter?

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Aber hallo!)

Es ist meines Erachtens eine sinnvolle Ergänzung.

Ich bin schon ein bisschen traurig, dass sich die SPD diesem Modellversuch entzieht.

(Zuruf des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD)

Herr Kollege, Ihre Kollegen, die hessischen Genossen, sind viel weiter.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das weiß ich aber nicht, ob die weiter sind!)

Mitte der Neunzigerjahre hat sich die hessische Justizministerin Christine Hohmann-Dennhardt diese Idee zu eigen gemacht. Sie war die Initiatorin, die es in Hessen auf den Weg gebracht hat. Das waren nicht die Liberalen, das waren nicht die Christdemokraten, sondern es waren die Genossen in Hessen, die es auf den Weg gebracht haben.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Hessen vor!)

Ein Weiteres, Herr Kollege Oelmayer. Der Nachfolger von Frau Hohmann-Dennhardt, Herr Kollege Rupert von Plottnitz, hat es weiter bearbeitet und zum Gesetz gemacht. Also auch die Grünen – –

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Aber der hat auch kein Einfallstor zur Privatisierung gemacht! Nehmen Sie das doch einmal zur Kenntnis! So plump kriegen Sie mich nicht! – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP)

Halt, Herr Kollege, langsam. Er hat die elektronische Fußfessel als dritten Weg des Strafvollzugs zwischen Gefängnis und Bewährungsstrafe angesehen.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das haben wir doch gar nicht bestritten!)

Dabei sollten sorgfältig ausgesuchte Ersttäter, z. B. Autofahrer unter Alkoholeinfluss, auf diese Weise von negativen Einflüssen der „Subkultur“ im Knast bewahrt werden und die Chance bekommen, bei ihren Familien und Freunden zu bleiben und den Arbeitsplatz zu behalten.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Das ist aber eine ganz andere Regelung!)

Herr Kollege von Plottnitz hat recht.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Das, was ihr hier regelt, regelt nicht solche Fälle!)

Die Hessen gehen sogar noch viel weiter. Die Hessen bringen es als Weisung bei Strafaussetzung und Strafrestaussetzung zur Bewährung, innerhalb der Führungsaufsicht und im Rahmen eines Gnadenerweises sowie als Maßnahme bei Aussetzung des Vollzugs eines Haftbefehls. Die gehen also noch viel weiter.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das geht gar nicht! – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Das ist aber nicht unser Gesetz! – Abg. Reinhold Gall SPD: Sie sollten Ihr Gesetz richtig lesen! Das steht doch gar nicht drin!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sollten es den Hessen nachtun und hier zustimmen.

Ich danke Herrn Justizminister Professor Goll für das gute Gesetz und seinen Mitarbeitern für die gute Arbeit. Ich bin mir sicher, dass dieses Gesetz nach Ablauf des Modellversuchs zum unbefristeten Gesetz werden wird, weil es eine gute Sache ist. Ich stelle fest, dass Sie sich täuschen, dass Sie auf dem Holzweg sind.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Justizminister Professor Dr. Goll das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass wir mit dem, was wir bei dem Modellversuch zur elektronischen Aufsicht im Strafvollzug erproben, ein bestehendes System sinnvoll ergänzen und abrunden – um mehr geht es eigentlich nicht –, nachdem wir die Zuständigkeit dafür bekommen haben, die Sache selbst zu regeln. Es geht um einen Modellversuch. Man kann im Laufe des Modellversuchs immer noch sehen, ob sich Befürchtungen bewahrheiten oder nicht.

Bevor ich noch auf wenige Punkte eingehe, möchte ich mich zunächst bedanken. Ich bedanke mich bei allen für die Diskussion, die wir geführt haben, auch im Ständigen Ausschuss. Ich bedanke mich natürlich insbesondere bei den die Regierung tragenden Fraktionen, die entschlossen sind, diesem Gesetzentwurf heute zu einer Mehrheit zu verhelfen.

Ich gehe in wenigen Sätzen noch auf die Diskussion ein, damit hier im Haus verständlich wird, warum wir diesen Modellversuch durchführen wollen und warum wir die Einwände nicht für durchgreifend halten.

Zu den Zielgruppen. Da, möchte ich sagen, bin ich, was die SPD betrifft, schon ein bisschen enttäuscht, lieber Herr Sakellariou. Wir haben so oft versucht, Ihnen zu erklären, was es mit den Zielgruppen des Entwurfs auf sich hat. Aber ich habe manchmal den Eindruck, bei Ihnen soll in jedem Fall Nein gesagt werden.

Personen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe erhalten haben, sind eine der drei Zielgruppen, wenn auch vielleicht nicht die wichtigste. Was sollen wir z. B. mit einer Frau machen, die, weil sie ihre Geldstrafe nicht bezahlen kann, ersatzweise vier Wochen in den Vollzug kommen soll? Da sagen Sie, Sie bestünden darauf, dass diese Person gemeinnützig arbeitet. Ich sage, es ist besser, sie bleibt daheim und betreut ihre Kinder, weil sonst die Kinder die Bestraften sind.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Genauso gibt es ältere und kranke Menschen, die die Arbeit im Sinne von „Schwitzen statt Sitzen“ nicht mehr erledigen können. Ich habe es oft betont, und ich betone es auch hier: „Schwitzen statt Sitzen“, gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafe, wird von uns weiter gefördert, weiter aufgebaut. Das wurde bei uns in den letzten Jahren so umfassend aufgebaut wie in keinem anderen Bundesland. Wir werden da auch weitermachen, sehen aber keine wirkliche Konkurrenz zwischen diesen beiden Formen.

Fast noch wichtiger ist mir die Möglichkeit, beim Übergang in die Freiheit eine Stufe des Hausarrests vorzuschalten. Vorhin wurde zitiert, wichtig seien Menschen, die den Weg am besten begleiten könnten. Unter Umständen kann gerade die Familie den Betroffenen in der Phase des Übergangs vom Strafvollzug in die Freiheit, etwa für einen Zeitraum von acht Wochen, am allerbesten begleiten.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Man muss heraus- finden, ob das so ist!)

Was will man eigentlich gegen den Versuch mit 25 Personen, bei denen der Hausarrest für die Phase des Übergangs vom Vollzug zur Freiheit erprobt wird, sagen? Ich brauche dazu eine Menge Fantasie.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Aber das ist doch keine Kriminalitätsverhinderung!)