(Abg. Volker Schebesta CDU: Warum muss er das? Das muss er doch nicht! Nur die, die dafür sind, müs- sen das!)
Und er sagt: Möglicherweise wird das auf eine Struktur hinauslaufen, die Hauptschulen, Realschulen und Werkrealschulen einschließt. Deshalb bitte er das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, eine weiter gehende Perspektive aufzuzeigen. Ich bitte Sie, Herr Kultusminister Rau, heute hier diese weiter gehende Perspektive aufzuzeigen, die auch eine Forderung des Städtetags ist.
Abschließend möchte ich betonen: Wir möchten natürlich auch erreichen, dass die Lehrerbildung verstärkt am Prinzip der individuellen und differenzierten Förderung ausgerichtet wird. Wir brauchen ein echtes Stufenlehramt für die Sekundarstufe I. Das haben wir hier schon eingefordert. Das ist zu
kunftsfähig. Das verbessert die Möglichkeiten für den Einsatz der Lehrerinnen und Lehrer und ermöglicht auch, dass Lehrerinnen und Lehrer künftig den Blick auf das Kind richten
und nicht auf die Struktur. Sie zwingen nämlich mit Ihrer vorgegebenen Schulstruktur dazu, dass Lehrerinnen und Lehrer das Kind nach der Frage beurteilen: Passt es zu meiner Schulart? Ich möchte erreichen, dass die Lehrerinnen und Lehrer künftig einen wertschätzenden, akzeptierenden Blick auf jedes Kind richten und sagen:
(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das machen wir schon heute! – Zurufe der Abg. Hagen Kluck und Dr. Fried- rich Bullinger FDP/DVP)
(Der Redner bringt Abg. Renate Rastätter GRÜNE ein Blatt ihres Manuskripts zum Platz. – Zuruf: Sonst hätten Sie eine falsche Rede gehalten! Genau! – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Vielleicht hätten Sie die gleiche Rede halten können! Das wäre auch nicht schlecht gewesen!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der heute abschließend zu beratende Gesetzentwurf zur Werkrealschule ist, wie ich meine, gut durchdacht. Seine Stärke besteht vor allem darin, Herr Zeller, dass er offen ist für Entwicklungen und flexible Lösungen vor Ort, indem er auf zu enge und starre Vorgaben verzichtet. Ich meine, dass die neue Werkrealschule das Zeug hat, ein echtes baden-württembergisches Erfolgsmodell zu werden.
Die Werkrealschule gibt der Hauptschule und – was viel wichtiger ist; Frau Rastätter, Sie haben darauf hingewiesen, dass es auf das Kind ankommt, auf die Schülerinnen und Schüler – vor allem den Hauptschülern und Hauptschülerinnen eine echte Zukunftsperspektive.
Worin bestehen nun die Vorzüge der neuen Werkrealschule? Hier ist zunächst das berufspraktische Profil zu nennen, durch das die Schüler schon früh Einblicke in verschiedene Berufe erhalten, die sie später vielleicht ergreifen, und schon gewisse Fertigkeiten erwerben können. Natürlich können sie danach aber auch einen anderen Beruf ergreifen. Diesen Know-howZuwachs verdankt die neue Werkrealschule vor allem den Berufsfachschulen, zu deren Schülern nun auch die Werkreal
schüler in Klasse 10 gehören werden. Auf die Berufsfachschulen kommt damit eine erheblich größere Verantwortung in diesem neuen System zu. Sie übernehmen eine wichtige Aufgabe, die letztlich auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung ist. Sie haben sich bereit erklärt, dies zu übernehmen. Dafür gebührt ihnen unser aufrichtiger Dank.
Ich möchte allen Unkenrufen zum Trotz an dieser Stelle auch ausdrücklich betonen, dass die zweijährigen Berufsfachschulen nach wie vor bestehen bleiben.
Das zweite große Plus der neuen Werkrealschule besteht in einer möglichst individuellen Förderung aller Schüler. Das haben Sie, Frau Rastätter, gefordert. Nur so erhalten mehr Schüler als bisher eine reelle Chance für einen mittleren Bildungsabschluss. Das wird nur gelingen – davon sind wir überzeugt –, wenn wir möglichst früh – da sind wir uns auch einig – beginnen, Stärken auszubauen und bei Defiziten entsprechend gegenzusteuern.
Deshalb erhalten die Schulen Stunden für Deutsch und Mathematik zugewiesen, die sie in den Klassen 5 und 6 einsetzen können. Es folgen für die nächsten Klassen zusätzlich zehn Wochenstunden, welche je nach den Erfordernissen vor Ort – Schulautonomie! – beispielsweise für Förderkurse oder zur Berufsorientierung eingesetzt werden können.
Wichtig ist vor allem auch die Perspektive der demografischen Entwicklung. Durch sinkende Schülerzahlen wird sich das Zahlenverhältnis von Lehrern zu Schülern verbessern. Ein Drittel dieser sogenannten demografischen Rendite, Herr Zeller, bleibt der jeweiligen Schule erhalten. So viel zur Rechnung von Herrn Stächele.
Jede Werkrealschule kann auf Antrag – das ist ganz in Ihrem Sinn – eine Ganztagsschule werden. Da rennen Sie bei mir sowieso offene Türen ein.
Vonseiten der FDP/DVP legen wir Wert darauf, dass der Abschluss der Werkrealschulabsolventen ein echter mittlerer Bildungsabschluss ist, gleichberechtigt mit den anderen mittleren Bildungsabschlüssen. Er hat ein eigenes, berufspraktisch orientiertes Ziel. Aber für den Übergang ins berufliche Gymnasium, Frau Rastätter, gelten die gleichen Anforderungen und Bedingungen wie für alle anderen Bewerber mit einer mittleren Reife.
Betonen möchte ich auch – das war uns Liberalen in den Verhandlungen immer sehr wichtig –, dass der Hauptschulabschluss in der Tat erhalten bleibt. Wer die entsprechenden Prüfungen absolviert hat, hat ein Abschlusszeugnis in der Hand, das etwas wert ist. Das gilt auch für diejenigen, die in Klasse 10 der Werkrealschule überwechseln.
Hier bin ich dankbar, Herr Minister Rau, dass das Ministerium unsere Anregungen aufgegriffen hat, dass alle – auch diejenigen, die in Klasse 10 weitermachen – die Hauptfachprüfungen als Zentrale Klassenarbeiten mitmachen und mitschreiben. Auch wenn er oder sie es nicht bis zur Werkrealschulprüfung schafft, geht dieser Schüler oder diese Schülerin – das war uns ganz wichtig – nicht ohne Abschluss von der Schule ab.
Schließlich glaube ich auch, dass der Übergang von Klasse 9 nach Klasse 10 sinnvoll geregelt ist – Sie haben es selbst gesagt –: Wenn die Klassenkonferenz der Auffassung ist, dass ein Schüler oder eine Schülerin erwarten lässt, dass er oder sie zwar den Notendurchschnitt von 3,0 nicht erreicht, aber trotzdem den Werkrealschulabschluss schafft, dann darf er oder sie in die Klasse 10 gehen. Letztlich ausschlaggebend ist die pädagogische Einschätzung der Klassenkonferenz. Die betroffenen Lehrer kennen den Schüler oder die Schülerin bes tens. Deshalb ist die Entscheidung bei ihnen, wie ich meine, am besten aufgehoben.
Meine Damen und Herren, die Zweizügigkeit darf und kann – so ist unsere Überlegung – kein Dogma sein. Denn Lösungen vor Ort müssen – Herr Zeller, Sie haben das auch gesagt – immer Vorrang haben.
(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE – Abg. Norbert Zeller SPD: Sie schließen das doch aus!)
Nur so bietet die Werkrealschule eine Perspektive zur Weiterentwicklung für unsere Hauptschulen, auch und gerade im ländlichen Raum, wo die Mehrzahl der Hauptschulen einzügig ist und bleiben wird. Wir sind deshalb froh, dass es gelungen ist, die Zweizügigkeit so auszugestalten, dass kleinere Standorte Kooperationen eingehen und eine gemeinsame Schule, verteilt auf mehrere Standorte, bilden können.
Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass dies nach diesem Gesetzentwurf nicht nur für die Klassen 5 bis 7, sondern auch ab Klasse 8 möglich ist.
Gleichzeitig war es uns wichtig, zu betonen, dass auch einzügige Hauptschulen weiterbestehen können und keine Schule – das steht ausdrücklich im Gesetz – gegen den Willen des Schulträgers geschlossen wird. Diese Hauptschulen erhalten dieselben Förderungen wie die Werkrealschulen. Das sind vor allem die Wochenstunden für die von Ihnen angesprochene individuelle Förderung und für ein Wahlpflichtfach.
Damit besitzt der Gesetzentwurf die Offenheit und auch die Flexibilität, die notwendig sind, um vor Ort die jeweils beste Lösung zu finden.
Meine Damen und Herren, das Gesetz bildet den Rahmen, nicht weniger, aber natürlich auch nicht mehr. Entscheidend wird nun sein, was die Verantwortlichen vor Ort in den Schulen und Kommunen daraus machen.
Deshalb fordere ich an dieser Stelle nachdrücklich dazu auf, die neue Werkrealschule in der kommenden Zeit positiv zu kommunizieren.
Meine Damen und Herren, geben Sie den Hauptschülern eine Zukunftschance. Sie, die Hauptschüler, haben es verdient.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erreichen heute ein sehr wichtiges Etappenziel bei der Weiterentwicklung unserer Schulen. Mit der Beschlussfassung in Zweiter Beratung stellt der Landtag die Weichen dafür, dass die Werk realschule ab dem nächsten Schuljahr beantragt und in den Folgejahren an vielen Orten in Baden-Württemberg eingeführt werden kann.
Diese zweite Etappe wird auch sehr wichtig sein, aber der Weg, den wir bis hierher gegangen sind, war schon sehr prägend für das, was wir heute beschließen können. Wir haben ausführliche Beratungen im Parlament und mit Partnern außerhalb des Parlaments geführt. Vieles hat sich im Laufe der Zeit entwickelt. Es ist auch richtig, dass die einzelnen Entwicklungsstadien deutlich gemacht werden können, wenn man ein solches Konzept vorlegt.
In der Anhörung haben wir eine breite Resonanz erhalten, eine Resonanz wie noch nie in einem Anhörungsverfahren.