Protokoll der Sitzung vom 30.07.2009

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kürzlich ist uns vom Statistischen Landesamt der Innovationsindex 2008 vorgelegt worden. Darin können wir nachlesen, dass Baden-Württemberg weiterhin die höchste Innovationsfähigkeit in der EU aufweist. Das ist sicherlich richtig,

(Beifall des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP)

wenn alle Großunternehmen wie Daimler, Bosch, Voith, ZF Friedrichshafen usw. einbezogen sind. Wir haben also nach wie vor eine innovationsfähige Wirtschaft. Wir bedauern, dass man das von der Landesregierung nicht behaupten kann. Das haben die letzten zwei Plenartage – wir sind ja fast am Ende angelangt; insofern kann man dieses Fazit ziehen – ganz klar bewiesen.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Waren Sie nicht anwesend, Frau Kollegin?)

Ich erinnere nur an die Debatte zum vorigen Tagesordnungspunkt über das Thema „Bildungspolitik und Werkrealschule“ oder an die Debatte, die wir heute zum Thema „Potenziale der Windkraft“ hatten. Insofern könnte man sagen: Es ist gut, wenn der Ministerpräsident selbstkritisch zu der Einschätzung kommt, dass er externe Beratung braucht, um die eigene Innovationsfähigkeit zu verbessern. Leider hat der Ministerpräsident mit der Einrichtung des Innovationsrats aber nicht eine Beratung der Landesregierung beabsichtigt, was ihre eigene Politik betrifft. Vielmehr soll sich der Innovationsrat lediglich mit der Frage befassen, was die wirtschaftliche Innovationsfähigkeit in unserem Land voranbringen kann.

Die Kollegen haben schon darauf hingewiesen, dass uns, nachdem der Start einigermaßen holprig war, nun nach eineinhalb Jahren am 22. Juli eine Zwischenbilanz vorgelegt wurde. Das ist ziemlich viel Papier. Meine Vorredner sind schon

auf das eingegangen, was darin steht. Interessant für uns Grüne ist, was nicht darin steht. Auf Seite 6 findet man nämlich, dass sich der Innovationsrat erst in den nächsten Monaten mit dem Thema „Ökologie und Ökonomie“ und mit der Steigerung der Innovationskraft kleiner und mittlerer Unternehmen befassen wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Wir sind uns in diesem Haus einig – Herr Kollege Löffler hat ja auch gesagt, dass es um das Thema „Zukunftsbranchen und Zukunftstechnologien“ geht –, dass dabei das Thema „Ökologie und Ökonomie“ ganz weit oben auf der Agenda stehen muss. Das ist ja nicht nur unser Credo. Auch der Bundespräsident wirbt dafür, und der VDI-Präsident hat in der vorletzten Woche anlässlich der Gründung eines Kompetenzzentrums für Effizienztechnologien gesagt:

Deutschland ist schon heute Exportweltmeister in der Umwelttechnik. Diese gute Position müssen wir in den relevanten Technologien ausbauen, denn bis 2020 wird sich der weltweite Umsatz bei Umwelttechnologien verdoppeln. Deutschland muss zum Leitmarkt für Ressourceneffizienz werden.

Genau das wünschen wir uns auch für Baden-Württemberg. Deshalb hat das Thema „Ökologie und Ökonomie“ eine weit höhere Priorität, als es bislang innerhalb des Innovationsrats und auch von der Landesregierung wahrgenommen wird. Hier muss dringend nachgearbeitet werden.

(Beifall bei den Grünen)

Das gilt selbstverständlich auch für den zweiten Themenbereich, nämlich die Frage: Wie kann die Innovationskraft kleiner und mittlerer Unternehmen gesteigert werden? Wir wissen, dass dies eines der großen Probleme ist. Kollege Prewo hat gerade in seiner Analyse schon darauf hingewiesen, dass wir zusammen mit den Großunternehmen, mit den Weltmarktführern in Baden-Württemberg sehr gut aufgestellt sind, dass wir aber gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen doch noch deutliche Probleme haben.

Dies belegt auch die Studie, die alle bekommen haben, mit dem Titel „Mittelstandsfinanzierung: Neue Wege aus der Krise“. Die IHK Region Stuttgart bzw. das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung hat sich mit der Innovationsfähigkeit von KMU beschäftigt. Es macht Sinn, dass wir uns mit dieser Frage im Wirtschaftsausschuss noch einmal ausführlich beschäftigen. Das können wir leider heute hier nicht tun.

Beide Themen wären unseres Erachtens vordringlich gewesen.

Kollege Löffler hat gesagt, wir hätten das Sofortprogramm für die MINT-Absolventen kritisiert. Das ist nicht richtig. Vielmehr steht in unserer Presseerklärung aus der letzten Woche, dass wir das Sofortprogramm ausdrücklich begrüßen und für eine gute Idee halten. Aber zur Innovationsfähigkeit gehören eben nicht nur die MINT-Fächer, sondern auch andere Fächerkombinationen. Die Krise trifft alle Absolventen gleichermaßen. Wir brauchen das Potenzial der Absolventen unterschiedlichster Fachrichtungen gleichermaßen in der Zukunft. Inso

fern sollte die Landesregierung auch diese nicht im Regen stehen lassen

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Nichts anderes ha- be ich gesagt! – Gegenruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

und nicht nur für die Absolventen der MINT-Fächer ein Sofortprogramm auflegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss nochmals zum Aspekt brachliegender Potenziale: Der Innovationsrat hat 55 Mitglieder. Darunter sind sieben Frauen. Die Empfehlung, die im Bereich der MINT-Fächer gilt, nämlich den Anteil der Frauen zu erhöhen, gilt gleichermaßen für Gremien und Beiräte, die von der Landesregierung eingesetzt werden, und für den Innovationsrat. Die Kompetenzen, Qualifikationen und Erfahrungen von Frauen würden auch dem Innovationsrat guttun. Darauf kann die Landesregierung nicht länger verzichten.

(Beifall der Abg. Theresia Bauer, Renate Rastätter und Brigitte Lösch GRÜNE)

Unser Fazit: Grundsätzlich ist es richtig, an der Innovationsfähigkeit der Wirtschaft unseres Landes zu arbeiten, aber es gibt noch einiges zu verbessern.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Rainer Pre- wo SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Fauser für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Innovation ist Zukunft. Unsere mittelständische Wirtschaft ist für uns von größter Bedeutung. Wir wissen, dass uns im Moment eigentlich das Handwerk und der Mittelstand in vielen Bereichen durch diese Wirtschaftskrise hindurchziehen.

Ich finde es schön, dass Frau Sitzmann auch betont hat, dass die Metropolregion Stuttgart im Grunde genommen europaweit und weltweit die Nummer 1 in der Technologieentwicklung ist. Dies – das muss man betonen – kommt ja nicht von ungefähr, sondern beruht auf einer langjährigen vernetzten Arbeit. Seit über 20, 30 Jahren arbeiten wir an diesem System, um unsere Wirtschaft, unsere Universitäten und unsere Forschungseinrichtungen voranzubringen. Ich möchte in diesem Zusammenhang erwähnen: Wir haben die meisten MaxPlanck-Institute und die meisten Fraunhofer-Institute. Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung arbeitet nicht nur in Freiburg, sondern auch in Stuttgart und Ulm sehr erfolgreich.

Ich möchte betonen: Manche Statistiken, die vonseiten der SPD angeführt werden, sind so einfach nicht haltbar. Wir haben – das weiß ich aus meiner Erfahrung mit vielen kleineren Unternehmen – hier Weltmarktnischenführer, die außerordentlich bedeutend sind.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Das bestreitet auch nie- mand!)

Die tauchen weniger auf, weil sie das nicht so sehr publizieren. Wir haben hier auch Unternehmen – da können Sie sich wirklich vor Ort kundig machen –, die Patente nicht anmelden, weil ihnen das zu teuer und zu langwierig ist und weil sie damit Wissen offenlegen müssten, und das wollen sie nicht. Deshalb entstehen dazu ganz verzerrte Stellungnahmen. Jede Statistik, die ich lese, ist anders. Darauf kann ich mich nicht verlassen.

Ich möchte mich vorab ganz herzlich bei den renommierten, prominenten Persönlichkeiten und Fachleuten bedanken, die sich immer wieder für den Innovationsrat bzw. -beirat oder die Zukunftskommission zur Verfügung stellen. 1992 haben wir mit der Zukunftskommission angefangen. Die Arbeit des Innovationsbeirats wird seit 2007 durch den Innovationsrat fortgesetzt. Es ist einfach nicht richtig, dass wir da seit Jahren schlafen würden, sondern diese Thematik wird von der Regierung und vom Landtag sukzessive seit Jahren bzw. Jahrzehnten vorangetrieben.

Die Verzahnung von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur trägt zur Nachhaltigkeit und Rückbindung an relevante gesellschaftliche Entwicklungen bei. Die Prosperität BadenWürttembergs hängt von unseren Arbeitsplätzen und von unseren Unternehmen ab. Wie gesagt, hier dürfen wir die Mittelständler auf keinen Fall vergessen.

Ich möchte betonen: Wer heute wirklich intelligent ist und lieber bei einer Bank im Vorstand arbeitet oder vielleicht bei einer großen Firma ins mittlere oder gehobene Management einsteigt, anstatt sich selbstständig zu machen, der hat mit seiner Rente normalerweise ausgesorgt. Wer sich heute als kleiner Mittelständler selbstständig macht, der muss zuerst seine Beiträge zur Krankenkasse und zur Rentenversicherung verdienen, und arbeitslosenversichert ist er auch nicht. Daher werden sich Leute, die vorausschauend denken und sich über ihre Zukunft Gedanken machen, nicht leichtfertig selbstständig machen. Hier besteht das Problem, dass diesen Leuten, kaum dass sie etwas verdienen, große Teile des Geldes, das sie brauchen, um ihre Altersversorgung zu sichern, über die kalte Progression wieder genommen werden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich halte die Empfehlung aus Mannheim für äußerst sinnvoll, ein Sofortprogramm aufzulegen und Perspektivmaßnahmen zu ergreifen, damit MINT-Absolventen jetzt wirklich übernommen werden, damit man sie nicht in die Arbeitslosigkeit fallen lässt und eine drohende Abwanderung verhindert. Wir brauchen diese wichtigen Fachkräfte, wenn sich die wirtschaftliche Situation etwas gebessert hat, sofort wieder auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb ist es hervorragend, dass man hier etwas tut.

Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten Jahren gemeinsam mit der Wirtschaft massiv für das Image der Naturwissenschaften geworben. Wir haben es bei den Schülern verbessert. Wir haben inzwischen glücklicherweise auch einen größeren Frauenanteil in diesen Fachbereichen. Wir müssen diese positive Entwicklung auch für die Zukunft weiter vorantreiben.

Mir wären in diesem Zusammenhang auch mehr Lehrerinnen im naturwissenschaftlichen Bereich an den Schulen sehr wichtig.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

Denn wie sagte bereits Albert Schweitzer?: „Man lernt nur durch ein Vorbild.“ Hier brauchen wir wirklich Vorbilder.

Meine Damen und Herren, der Innovationsrat zielt u. a. auf die Weiterentwicklung von „Industry on Campus“. Da hat Herr Prewo, wie wir in der Zeitschrift „Der Selbständige“ lesen konnten, an Forschungshäuser an Hochschulen gedacht. Das ist sehr vernünftig. Das ist zum Teil auch bereits geschehen. Wir brauchen selbstverständlich eine weitere Verzahnung.

Ich darf Ihnen noch eines sagen: Die Steinbeis-Stiftung hat bei vielen Mittelständlern einen hervorragenden Ruf

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Jawohl!)

bei der Verbindung und dem Austausch von Forschung und Wissenschaft mit kleinen und mittleren Unternehmen.

Ich möchte Ihnen jetzt nicht den ganzen Katalog vorlesen, den der Innovationsrat vorgelegt hat, denn meine Redezeit ist bereits überschritten. Es sind aber gute Ideen dabei. Diese werden wir auf jeden Fall aufgreifen. Ich halte es wirklich für lächerlich, unser Land dauernd mieszureden.

Ich danke.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf: So ist es!)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Dr. Birk.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der von der Landesregierung eingerichtete Innovationsrat ist notwendig, wichtig und mit Perspektive angelegt. Er befindet sich in der Tradition von Vorgängergremien, die für das Land Baden-Württemberg erfolgreich gearbeitet haben, die Empfehlungen abgegeben haben, die auch umgesetzt werden. Deshalb bin ich mir sicher, meine Damen und Herren, dass der jetzt eingerichtete Innovationsrat – er hat bereits erste Empfehlungen abgegeben – auch in seiner weiteren Arbeit wertvolle Anregungen für die Technologiepolitik, für die Forschungspolitik und für die Unternehmenspolitik, aber auch darüber hinaus für weitere Bereiche des Landes Baden-Württemberg abgeben wird.

Lassen Sie mich zunächst einmal auf das Argument eingehen, das in der Kritik von Herrn Prewo angeklungen ist, dass Baden-Württemberg vielleicht nicht mehr so innovationsaktiv und innovationsfreudig sei, wie das in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Herr Kollege Prewo, die Zahlen allein sprechen gegen Ihre Diagnose. Baden-Württemberg ist nach wie vor das Land, das die meisten Forschungsmittel des Bundes für die Infrastruktur nach Artikel 91 b des Grundgesetzes abholt.

Das machen wir vor allem deshalb, weil wir eine starke Forschungsinfrastruktur in Baden-Württemberg haben. Wir haben Universitäten, wir haben Fachhochschulen, wir haben die Duale Hochschule. Wir haben viele außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, wirtschaftsnahe Forschungseinrichtungen. All diese Einrichtungen bilden ein dichtes Netz für