Protokoll der Sitzung vom 30.07.2009

sondern dass die Schwachen letztlich auf der Strecke bleiben und nicht so gefördert werden können wie in einem differenzierten System.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! – Zuruf der Abg. Re- nate Rastätter GRÜNE)

Meine Damen und Herren, das sollten Sie sich auf der Zunge zergehen lassen. Ich habe auch lange unterrichtet. Wir haben eben schwache Leute, die aus unterschiedlichen Häusern kommen und gar nichts dafür können, dass es so ist, wie es ist. Umso mehr müssen wir sie daher gezielt individuell fördern, statt zu sagen: Einheitsbrei, wunderbar und schön.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, wir sprechen über Modelle und Schulpolitik. Wir sind uns als Liberale schon immer darin einig gewesen: Modelle sind gut. Wie gesagt: Sie müssen durchlässig und praktikabel sein, und sie müssen nach vorn gerichtet sein. Wir wollen keine alten Kamellen von vor zehn oder 20 Jahren. Sie müssen innovativ und dürfen nicht nach rückwärts gerichtet sein.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Sehr gut! Jawohl! Bravo!)

Meine Damen und Herren! Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aktuelle Debatte unter Tagesordnungspunkt 1 ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Industrielle und energiepolitische Chancen der Windenergie in Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion GRÜNE

Die Redezeiten betragen wie üblich fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Untersteller.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Baden-Württemberg ist mit seiner exportorientierten Wirtschaft, insbesondere mit der Automobilbranche, mit der Zulieferbranche, dem Maschinen- und

Anlagenbau, von der globalen Wirtschaftskrise, wie wir alle wissen, stärker als andere Regionen betroffen. Das ist gerade heute Morgen wieder in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft publiziert worden. Wir wissen, dass das Bruttoinlandsprodukt bei uns im Land in diesem Jahr wohl stärker als in anderen Regionen schrumpfen wird. Wir wissen, dass die Steuereinnahmen wegbrechen. Wir wissen, dass die Zahl der Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter in den letzten Monaten drastisch zugenommen hat, und es ist absehbar, dass wir in den nächsten Monaten auch mit drastisch steigenden Arbeitslosenzahlen zu rechnen haben.

Wer glaubt, dass es sich bei dieser Situation um eine konjunkturelle Delle handelt, der wird, wie ich meine, spätestens in den nächsten Monaten aufwachen. Ich meine, dass dann deutlich werden wird, dass wir gerade im Automobilbau und bei den Zulieferern derzeit mit weltweiten Überkapazitäten zu kämpfen haben und dass wir auch mit der Produktpalette Probleme haben, die unsere Anbieter in den letzten Jahren auf den Markt gebracht haben.

In einer solchen Krisensituation ist meines Erachtens die Politik umso mehr gefordert, neue Ansätze entweder selbst zu entwickeln oder solche Ansätze zu unterstützen, die geeignet sind, wegbrechende Wertschöpfung und wegbrechende Arbeitsplätze wenigstens teilweise aufzufangen.

(Beifall bei den Grünen)

Umso mehr wundere ich mich dann schon, wie man in Baden-Württemberg mit manchen Chancen, die sich bieten, tatsächlich umgeht. In der vergangenen Woche, am 23. Juli, hat der Geschäftsführer der Sparte „Power Systems“ des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, Thorsten Herdan, in einer Pressekonferenz herausgestellt, dass entgegen dem Abwärtstrend im Maschinen- und Anlagenbau, den wir hier wirklich sehr stark spüren, die ganze Windenergiebranche von der weltweiten Rezession derzeit kaum betroffen ist. Wörtlich heißt es in dieser Pressemitteilung:

Die Windindustrie steht in der Wirtschaftskrise wesentlich besser da als der Durchschnitt des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus.

Und bei uns in Baden-Württemberg? Vor drei Wochen etwa gab es den ersten Branchentag der Windenergie Baden-Würt temberg im Haus der Wirtschaft. Der Wirtschaftsminister und verschiedene Kollegen der anderen Fraktionen waren auch da. Wer auf diesem Branchentag war, hat vor allem zwei Dinge zu hören bekommen, nämlich Kritik aus der Industrie am Investitionsklima, das in Baden-Württemberg in diesem Bereich herrscht, und Kritik von den Unternehmen an der Genehmigungspraxis, die in unserem Land herrscht.

Anfang dieses Jahres hatte ich die Hoffnung, dass sich da etwas tut. Insbesondere die Äußerungen des Kollegen Scheuermann und des Kollegen Müller in der Öffentlichkeit und im Ausschuss, aber auch Äußerungen der Umweltministerin hatten eigentlich Hoffnungen geweckt, dass sich hier einiges ändert und dass insbesondere die Blockadepolitik, die wir seit Jahren erleben, aufgebrochen wird.

Die „Heilbronner Stimme“ titelte am 21. Februar:

Die CDU im baden-württembergischen Landtag lockert ihre Blockadehaltung.

Aus heutiger Sicht, fünf Monate später, muss ich Ihnen allerdings sagen: Wer gehofft hat, dass hier ein frischer Wind hineinkommt, sieht sich heute enttäuscht; wir haben bislang nicht einmal ein laues Lüftchen erlebt, was die Frage der Lockerung der Blockadehaltung im Bereich der Windenergie betrifft.

Ohne dass Sie wirklich erkennbar Änderungen in der Genehmigungspraxis vornehmen, werden wir aus dem Mauerblümchendasein, das die Windenergie in Baden-Württemberg nach wie vor fristet, nun wirklich nicht herauskommen.

Gestern hat der Wirtschaftsminister das Energiekonzept 2020 veröffentlicht. Wer da hineinschaut, wird im Bereich der Windenergie etwa Folgendes lesen: Das Land strebt an, die Windenergienutzung bis zum Jahr 2020 auf 1,2 Terawattstunden auszubauen. Derzeit haben wir 0,57 Terawattstunden. Das heißt, man will in den nächsten elf Jahren den Ertrag etwa verdoppeln. 1,2 Terawattstunden sind aber das, was das gerade einmal halb so große Land Rheinland-Pfalz bereits heute hat. Das zeigt doch nun wirklich, wie hier in diesem Land eine zukunftsträchtige Branche verhindert wird. Diese Haltung blockiert uns nicht nur energiepolitisch, sondern, wie ich gerade ausgeführt habe, auch wirtschaftspolitisch. Wir lassen industriepolitische Chancen durchgehen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Hans- Ulrich Sckerl GRÜNE: Die CDU gefährdet Arbeits- plätze!)

Die Unternehmen aus dem Land brauchen diesen Heimatmarkt, und zwar vor allem aus zwei Gründen: erstens aus Marketinggründen, zum Zweiten aber auch, um Neuentwicklungen hier vor der Haustür testen zu können. Darunter sind nicht irgendwelche Unternehmen, sondern – ich nenne einmal ein paar – da ist Liebherr in Biberach, da ist Lapp Kabel in Stuttgart, da ist Ziehl-Abegg in Künzelsau, da ist der Oehringer Ableger von Mahle Filtersystemen. Das heißt, mittlerweile sind namhafte Unternehmen in dieser Branche unterwegs, und Sie erlauben sich nach wie vor diese restriktive Haltung gegenüber der Windenergie. Ich verstehe es nicht mehr,

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Unglaublich!)

und ich denke, viele andere Kollegen hier im Haus auch nicht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die EnBW hat im Frühjahr eine Studie veröffentlicht, die deutlich gemacht hat, welche Chancen hier in diesem Bereich liegen würden. Aktuell gibt es 110 Unternehmen im Land – einige habe ich eben genannt –, die einen jährlichen Umsatz von 580 Millionen € im Bereich der Windenergietechnologien generieren. Insgesamt sind laut dieser Studie 4 300 Arbeitsplätze in diesem Bereich bereits heute vorhanden. Gleichzeitig sagt die Studie, wir hätten die Chance, bis zum Jahr 2020 in diesem Sektor die Zahl der Arbeitsplätze mindestens zu vervierfachen, nämlich auf bis zu 20 000. Gleichzeitig rechnet die Prognose mit einem Umsatzvolumen von 2 Milliarden €.

Herr Minister, wenn wir solche Chancen sehen – in solchen Krisenzeiten, wie wir sie gerade erleben –, dann ist es doch

Ihr Job, dafür zu sorgen, dass solche Prognosen auch zum Tragen kommen. Ich sehe nicht, wo Sie das tatsächlich machen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich habe dieser Tage einen Bericht erhalten, den Sie am 5. Juni an die Regionen verschickt haben. Da heißt es in dem ers ten Satz – ich zitiere –:

In Baden-Württemberg gibt es insbesondere in den Hochlagen des Schwarzwalds und der Schwäbischen Alb hervorragende Windkraftstandorte, die auch den Vergleich mit der Küste nicht zu scheuen brauchen.

(Zuruf von den Grünen: Aha! – Unruhe bei der CDU)

Auf Seite 4 steht dann in dem gleichen Bericht, wie es tatsächlich aussieht. Da ist nämlich Folgendes zu lesen: In acht Regionen waren 77 Vorranggebiete ausgewiesen. Von diesen 77 Vorranggebieten waren 32 bislang noch nicht mit Anlagen belegt. Von diesen 32 Vorranggebieten wiederum sind etwa ein Drittel, nämlich neun, mit der Begründung „unzureichende Windhöffigkeit“ nicht belegt. Das muss man sich einmal vorstellen! Das heißt, da werden Gebiete genehmigt, von denen man weiß, dass die Windhöffigkeit unzureichend ist. Für diese Gebiete findet sich kein Investor. Gleichzeitig schreibt man: „Eigentlich hätten wir bessere Standorte.“ So etwas nenne ich Chaos. Das wird den Möglichkeiten, die da bestehen, überhaupt nicht gerecht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Was daraus folgt, führe ich dann in der zweiten Runde aus.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: So sieht es in jedem Regionalplan aus! Das ist FDP-Wirtschaftspolitik! – Gegenruf des Abg. Ha- gen Kluck FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Nemeth.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen Tag vor der Sommerpause führen wir eine Aktuelle Debatte zum Thema Windkraft, beantragt von den Grünen.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Zum Thema „In- dustrielle Chancen der Windkraft“, Herr Kollege!)

Und zum Thema „Industrielle Chancen“. Herr Untersteller, Ihr Versuch war relativ durchsichtig. Das muss ich Ihnen schon sagen.

(Der Redner fühlt sich durch eine Fliege gestört.)

Herr Präsident, könnten Sie die Fliege hier wegnehmen?

(Heiterkeit)

Ordnungsdienst! Das ist wirklich ärgerlich. Die ist noch von Ihnen, Herr Untersteller.

(Heiterkeit)