Ich möchte deswegen zwei Punkte herausgreifen. Punkt 1 betrifft die Pflegeversicherung. Wir haben heute Morgen über die Veränderungen im Gesundheitssystem diskutiert. Es wird auch Veränderungen in der Pflegeversicherung geben.
Es wird angedacht, die Anschubfinanzierung für die 50 Pflegestützpunkte, für die vor allem unsere Fraktion im Land sehr gekämpft hat – gegen die heutige Staatssekretärin im Gesundheitsministerium –, zu kürzen bzw. wieder zu beenden. Das wäre für das Beratungsangebot, das wir in unserem Land dringend brauchen, natürlich fatal, vor allem nachdem Sie 1997 aus der Förderung der IAV-Stellen ausgestiegen sind und die se Beratung seitdem ausschließlich den Kommunen überlassen.
Darum waren wir froh, dass sich Ende letzten Jahres die Arbeitsgemeinschaft für die Pflegestützpunkte gegründet hat, dass man sich nach langem Zögern endlich doch entschlossen hat, in Baden-Württemberg Pflegestützpunkte einzurichten. Was ich Ihnen allerdings mit auf den Weg geben muss: Das kann man nun wirklich zügig machen, zügiger, als es bisher geschehen ist.
Da hätten die Landesregierung und das Sozialministerium aus unserer Sicht noch einmal eine ganz andere Aufgabe, zumal Sie selbst in der Antwort schreiben, dass der Bedarf an Beratung für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen immens groß ist, weil man – wie Sie vorhin richtigerweise gesagt ha
ben – dann, wenn man merkt, dass etwas vielleicht nicht mehr ganz in Ordnung ist, stark verunsichert ist. Sowohl die Betroffenen als auch die Angehörigen wissen nicht, wohin sich das entwickeln wird. Wir hätten es wirklich zügiger hinbekommen können, mit den Pflegestützpunkten ein Beratungsangebot auszubauen.
Noch einen Satz zu dem Aktionsprogramm: Nach all dem, was in der Antwort auf die Großen Anfrage steht und was zum Teil schon gemacht wird, sind wir der Auffassung, dass es unserem Land gut zu Gesicht stehen würde, wenn wir ein solches „Zehn-Punkte-Aktionsprogramm Demenz“ – zumal Sie die Inhalte in der Antwort auf die Anfrage schon formuliert haben – installieren würden, und zwar alle gemeinsam im Sinne einer besseren Betreuung und Versorgung von an Demenz erkrankten Menschen. Dies, glaube ich, würde uns allen gut zu Gesicht stehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Spätestens seit es den Film „Iris“ gegeben hat – Sie erinnern sich vielleicht an diesen Film über das Leben der englischen Schriftstellerin Iris Murdoch, in dem das Leben der an Demenz erkrankten Frau, die von ihrem Mann bis zum Tod gepflegt wurde, dargestellt wird –,
und seit Walter Jens, der bekannte Tübinger Rhetoriker, an Demenz erkrankt ist, ist das Thema Demenzerkrankung in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Es ist durchaus – da bin ich anderer Meinung als Sie, Herr Hoffmann – schon ein Stück weit enttabuisiert. Das finde ich gut. Wir müssen die Möglichkeiten, die wir jetzt haben, um in der gesellschaftlichen Debatte deutlich Flagge zu zeigen, stärker wahrnehmen als bisher.
Zunächst einmal: Die Fragen in der Großen Anfrage waren sehr gut gestellt, und die Antworten waren sehr umfassend. Es sind in der Tat Materialien, mit denen man sehr gut arbeiten kann. Dieser Meinung bin ich auch. Es gibt jetzt insgesamt auch Bewegung auf der Bundesebene. Es hat schon Bewegung beim Pflege-Weiterentwicklungsgesetz gegeben, mit dem die finanzielle Situation der Menschen mit Demenz deutlich verbessert worden ist, indem mehr Gelder zur Verfügung gestellt werden und beispielsweise auch die stationäre Betreuung verbessert wird. Dies geschieht dadurch, dass zusätzliche Betreuungskräfte ohne eine fachliche Pflegeausbildung für Menschen mit Demenz eingestellt werden können, um deren psychosoziale Betreuung zu verbessern.
Dennoch habe ich den Eindruck, dass sich das Land nach einer sehr guten Analyse bei der Beantwortung der Großen Anfrage letztlich doch leise davonmacht und sagt: Wir haben vor
allem eine moderierende Funktion; wir sind letztlich nicht gewillt, aktiv zu werden. Das ist schade, denn gerade jetzt gibt es eine Menge zu tun. Sie stehlen sich davon.
Ich nenne ein Beispiel: Wir haben im letzten Jahr das Landesheimgesetz verabschiedet. Damals haben wir schon sehr deutlich gemacht, dass die Kriterien der Qualitätssicherung und der Qualitätskontrolle in diesem Gesetz nicht umfassend genug sind und dass ausgerechnet die Wohngruppen für Menschen mit Demenz, die kleine Einheiten sind und die eine wohnortnahe Versorgung sichern, nicht unter das Landesheimgesetz fallen
Ich finde, dass das enorm wichtig ist, gerade dann, wenn wir auf dem Land bzw. in den Gemeinden kleine Einheiten wollen. Die Angehörigen von an Demenz erkrankten Menschen, die diese natürlich auch betreuen wollen, selbst aber stark verunsichert sind und Hilfe, z. B. eine gute Unterbringungsmöglichkeit, brauchen, wollen in der Tat wissen, was mit ihren an Demenz erkrankten Angehörigen passiert. Sie sind darauf angewiesen, dass sie sich darüber informieren können, wie gut oder wie schlecht solche Angebote tatsächlich sind. Deswegen ist es enorm wichtig, dass wir eine Nachbesserung beim Landesheimgesetz vornehmen.
Punkt 2: Bei den Pflegestützpunkten hat es – das hat meine Kollegin Altpeter eben schon ausführlich dargelegt; Herr Noll, Sie müssten es doch eigentlich wissen – wirklich ewig gedauert, bis sie überhaupt einmal auf den Weg gebracht worden sind. Da waren die Krankenkassen natürlich auch mit im Boot. Ich weiß, es war alles ein bisschen schwierig. Aber 50 Pflegestützpunkte für 44 Stadt- und Landkreise sind einfach unglaublich wenig.
Allein in meinem Landkreis gibt es nur einen einzigen Pflegestützpunkt für 50 Gemeinden. Man kann sich wohl ungefähr vorstellen, was das in der Konsequenz letztlich bedeutet und wie effektiv ein solcher Pflegestützpunkt arbeiten kann. Dieser hat mehr symbolische Bedeutung, als dass er tatsächlich gute Beratung leistet. Das heißt, da muss ganz deutlich und schnell nachgebessert werden.
Der dritte Punkt ist die Krankenhausplanung. Sie sagen hier in Ihrem Aktionsplan, es müssten z. B. verstärkt gerontopsychiatrische Abteilungen eingerichtet werden. Das haben Sie in der Hand. Sie können den Krankenhausplan verbessern und verändern und können sagen: Wir wollen, dass solche Abteilungen verstärkt, an mehr Krankenhäusern eingerichtet werden. Das könnten Schwerpunkte sein.
Das sind ganz konkrete Vorschläge, mit denen das Land auch aktiv werden könnte. Das würde ich mir wünschen.
Im neuen Koalitionsvertrag auf Bundesebene gibt es – das ist nun die Klammer zum Thema „Überarbeitung des Landes
heimgesetzes“ – den Vorschlag, dass Mehrgenerationenhäuser stärker in die Verbesserung der Versorgungssituation bei Demenzkranken und ihren pflegenden Angehörigen eingebunden werden müssen. Wenn das wirklich Praxis werden soll, dann brauchen Sie eine qualitätsgesicherte Umsetzung. Alles andere wird nicht funktionieren.
In diesem Sinn plädiere ich ganz stark für eine weitere Behandlung dieses Themas, und zwar vor allem dann, wenn es darum geht, das Landesheimgesetz zu novellieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Angenommen, Frau Präsidentin – aber nur angenommen –, ich hätte jetzt zu Ihnen „Herr Oberbürgermeister“ oder „Herr Landrat“ gesagt,
dann hätte die Mehrzahl der Mitglieder hier im Haus gesagt: Der hält seine erste Rede und ist nervös. Ein Teil von denen, die medizinisch vorgebildet sind, hätten vielleicht tiefer darüber nachgedacht und gesagt: Das ist der Anfang einer Demenz.
Denn genau das ist es. Das Kurzzeitgedächtnis geht als Erstes verloren. Ich hätte also praktisch vergessen, dass ich mit Ihnen seit acht Wochen hier im Landtag sitzen darf. Das Langzeitgedächtnis wäre noch da; ich würde mich daran erinnern, dass ich früher einmal in Anwesenheit des Oberbürgermeis ters oder des Landrats im Stadtrat oder im Kreistag eine Rede halten durfte.
Dann habe ich mich heute Morgen geprüft: Ich habe meinen Schlüssel gefunden, meinen Geldbeutel, meine Aktentasche mit der Tagesordnung darin. Meine Tests waren also erfolgreich: Ich bin noch fit.
Beim Betrachten der Ausführungen in der Antwort auf die Große Anfrage der CDU fallen einige Punkte ganz schnell ins Auge. Davon sind mit Sicherheit die Zunahme der Zahl der Demenzkranken im Zeitraum von 2000 bis 2010 um 30 % und die für 2010 bis 2020 prognostizierte Zunahme um 35 % zu nennen. Dabei fragt man sich zu Recht, insbesondere wenn man die absoluten Zahlen sieht – die Zahl der Demenzkranken liegt allein in Baden-Württemberg in der Größenordnung von immerhin 117 000 bis 197 000; das wurde vorhin schon erwähnt –: Wo leben diese Menschen, und wo sind sie untergebracht?
Meine Damen und Herren hier im Plenum, können Sie sich daran erinnern, dass Ihnen irgendwann beim Einkaufen je
mand begegnet ist, von dem Sie meinten, er sei an Demenz erkrankt, oder dass Sie beim sonntäglichen Mittagessen in einem Gasthaus jemanden sahen, von dem Sie dies glaubten? Diese Leute sieht man nicht und nimmt sie nicht wahr, aber sie sind da.
Ich habe eine schreckliche Nacht hinter mir: Ich habe geträumt, Hans sei langsam und qualvoll verdurstet. Er lag mit dicker, geschwollener Zunge im Bett und hat mich angesehen, als wolle er sagen: Warum hilfst du mir nicht? Als ich aufwache, frage ich mich wieder und wieder, was ich tun soll, denn mein Traum kommt nicht von ungefähr: Hans trinkt seit sieben Tagen fast gar nichts mehr! Er scheint nichts zu vermissen, …
In diesem Artikel beschreibt eine Ehefrau, die ihren seit Jahren an Demenz erkrankten Ehemann pflegt, ihre persönlichen Erfahrungen.
70 % aller Demenzkranken werden derzeit von ihren Angehörigen im häuslichen Umfeld gepflegt und betreut. Die Belastungen für die Angehörigen sind groß. Erschöpfungszustände und psychosomatische Erkrankungen der Betreuenden sind oft die logische Konsequenz. Das müssen Sie mir als jemandem, der zu Hause eine Apotheke führt, einfach abnehmen.
Deshalb scheint mir die Antwort der Landesregierung in die richtige Richtung zu gehen. Die Ausführungen zum „ZehnPunkte-Aktionsprogramm Demenz“ bringen das zum Ausdruck.
Es geht zum einen darum, Hilfestrukturen und Versorgungsformen zu entwickeln, die den Bedürfnissen sowohl der Erkrankten als auch der pflegenden Familienmitglieder oder Betreuer mehr entgegenkommen, als dies bisher der Fall ist. Es geht zum Zweiten darum, den Stellenwert der stationären Einrichtungen im Versorgungsnetz zu erhöhen.