Protokoll der Sitzung vom 25.11.2009

während sich die Landesregierung über Jahre hinweg, Herr Kollege Blenke, hauptsächlich mit Scharmützeln mit der Bundesebene beschäftigt hat, anstatt ihre Anstrengungen in diesem Bereich zu forcieren. Ich kann Ihnen schon jetzt sagen: Den von Ihnen vorgegebenen Zeitplan für eine vollständige und flächendeckende Einführung eines funktionierenden Digitalfunks werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht einhalten können.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Ich dachte, es geht um das Personal!)

Mir fällt beim Stichwort Technik auch das Thema Internet ein. Jeder Ganove nutzt natürlich das Internet, aber nicht jeder unserer Polizeibeamten im Land kann das Internet nutzen, weil die Landesregierung nach wie vor der Auffassung ist, dass nicht jeder Polizeibeamte googeln können müsse – gerade so, als ob die damit spielen würden, statt Recherchen zu betreiben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, man kann die allgemeine Ausstattung der Polizei ansprechen, bei der ich anerkennen will – keine Frage –, dass zumindest in Teilbereichen den Wünschen der Polizei oder, besser gesagt, der Notwendigkeit der Einsatz- und Ersatzmittelbeschaffung Rechnung getragen wurde. Aber wir wissen natürlich – alle, die Polizeidienststellen, Polizeiorganisationen besuchen, wissen das –, dass die gesamte Polizei quer durchs Land über unzureichende Haushaltsmittel klagt und die Haushaltsansätze nur eingehalten werden können, indem auf dringend erforderliche Ersatzmaßnahmen verzichtet wird. Jüngstes Beispiel war das Polizeipräsidium Stuttgart, das an die Öffentlichkeit gegangen ist.

Die Haushaltsansätze können nur eingehalten werden – in diesem Bereich wahrscheinlich nicht einmal dann –, wenn – Beispiele wurden genannt – etwa auf die Ertüchtigung von Telekommunikationsanlagen verzichtet wird oder auch auf den Kauf von Pferden und Hunden, welche sich in der Vergangenheit in vielen Einsatzlagen als wertvolle Helfer der Polizei –

das will ich ausdrücklich dazusagen – bewährt haben. Nicht nur die Polizeibeamtinnen und -beamten in diesem Land werden älter, sondern auch die Pferde und Hunde der Polizei, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Und die Minister! – Abg. Thomas Blenke CDU: Auch die Ab- geordneten werden älter, Herr Kollege Gall!)

Ja, hoffentlich.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Von Tag zu Tag! – Abg. Thomas Blenke CDU: Und manche sehen ganz schön alt aus!)

Meine Damen und Herren, der wichtigste Bereich, der Kern ist natürlich die Personalausstattung oder, anders ausgedrückt, die zahlenmäßige Aufstellung gegenüber denen, die sich nicht rechtskonform verhalten oder gar kriminell sind. Auch dies hat etwas mit Augenhöhe zu tun: die zahlenmäßige Aufstellung und die damit verbundenen negativen Begleiterscheinungen wie mangelnde Präsenz, Zunahme von Gewalt gegen Polizei, aber auch die körperliche und die psychische Belas tung der Polizeibeamten.

Natürlich werden Sie nachher – da bin ich mir ziemlich sicher – wieder argumentieren, dass Arbeitszeitverlängerung und anderes – das Stichwort Lebensmittelkontrolle wird sicherlich kommen – eine rechnerische Stellenminimierung mit sich gebracht hätten. Was Sie aber nicht zur Kenntnis nehmen wollen, ist, dass in den zurückliegenden Jahren gesellschaftliche Entwicklungen und Herausforderungen auf die Polizei hereingebrochen sind – so kann man sagen –, die viel Kapazität, in erster Linie viel Personal, binden.

Wir alle wissen – das weiß auch ich –, dass die Probleme, die aus verstärktem Alkoholkonsum, aus der Möglichkeit des Zugangs zu Waffen oder aus dem Fehlen von Werten in der Gesellschaft resultieren, nicht allein von der Polizei gelöst werden können. Darin sind wir uns einig. Tatsache bleibt aber, dass die Polizei immer wieder punktuell und strukturell als Erste mit den Auswirkungen dieser Problematik konfrontiert wird. Dem Polizeibeamten und der Polizeibeamtin hilft es in der konkreten Situation gar nichts, sich dann über Verantwortungen in anderen Bereichen zu unterhalten. Denn sie sind an der Front und haben mit dem Problem umzugehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Außer Acht lassen Sie offensichtlich auch den Personalbedarf, den neue Kriminalitätsfelder wie Kreditkartenbetrug im Internet, Wirtschaftskriminalität oder – jüngstes Beispiel – Wettbetrügereien mit sich bringen.

Ein Stichwort will ich anfügen: die Überwachung von Sexualstraftätern. Auch dies wird zusätzliches Personal binden, das die bisherigen Ressourcen einfach nicht hergeben.

Diese berechtigten Forderungen der Polizei – wir machen doch nichts anderes, als diese in den parlamentarischen Raum zu transportieren – nennen Sie – Herr Minister, Sie haben dies wiederholt getan – Rezepte von gestern. Was Sie aber schuldig bleiben, ist, zu sagen, wie Sie denn den Problemen in der Realität begegnen wollen, mit welchen Maßnahmen Sie den Beamtinnen und Beamten helfen wollen. Im Gegenteil, trotz

dieser gegenwärtigen Situation wird sich Ihr Stellenabbauprogramm in den Jahren 2010 und 2011 fortsetzen. Alles, was Sie in den vergangenen Jahren veranlasst haben, wirkt nach, bevor überhaupt daran zu denken ist, dass die Verbesserungen, die eingeleitet wurden, greifen können. Sie verweigern Hilfe, indem Sie nicht wie versprochen dafür sorgen, dass zumindest der regional völlig unterschiedliche Stellenabbau im Nichtvollzugsdienst entsprechend ausgeglichen wird.

Sie sorgen bei der Polizei für zusätzliche Missstimmung, indem Sie zulassen – man könnte vielleicht auch sagen: veranlassen –, dass es Einsatzkräfte gibt, die beim NATO-Gipfel Überstunden über Überstunden gemacht haben und bis heute – Anfang Dezember – keinen Euro Entschädigung dafür auf ihrem Konto haben. Eine Firma, meine Damen und Herren, oder andere Teile des öffentlichen Dienstes könnten es sich nicht leisten, so mit ihren Beamtinnen und Beamten oder ihren Beschäftigten umzugehen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Walter Heiler SPD: Ja!)

Wir, aber vor allem die Polizeibeamtinnen und -beamten erwarten von Ihnen, Herr Minister, heute konkrete Aussagen, was Sie ganz konkret zu tun gedenken, um der angespannten Personalsituation Rechnung zu tragen und vor allem auch die schlechte Stimmung zu verbessern. Sie erwarten zu Recht auch eine saubere Begründung dafür, warum Sie heute – davon ist mit großer Wahrscheinlichkeit auszugehen – unseren Antrag auf Neueinstellungen im Nichtvollzugsdienst, was unmittelbar und sofort Hilfe geben könnte, ablehnen werden.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Mack – Entschuldigung, Herrn Abg. Blenke für die Fraktion der CDU.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Auch ein guter Mann! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Jetzt wird wie- der zur Sache gesprochen!)

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist keine Schande, mit dem Kollegen Mack verglichen zu werden; im Gegenteil.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Der ist halt ein biss- chen schöner! – Heiterkeit)

Sie kommen ja auch noch.

(Heiterkeit – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Es gibt noch immer Steigerungen!)

Die Polizei in Baden-Württemberg leistet mit einer zugestandenermaßen dünnen Personaldecke Spitzenarbeit. Die beiden SPD-Anträge, die dieser Debatte zugrunde liegen, zielen im Ergebnis auf eine verbesserte Personalausstattung bei der Polizei. Ich sage dies auch deshalb, weil sich aus Ihrer Rede, Herr Kollege Gall, nicht komplett erschlossen hat, worum es Ihnen tatsächlich geht.

(Abg. Walter Heiler SPD: Was? – Abg. Rainer Sti- ckelberger SPD: Wir haben das schon verstanden! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie haben mehr Vorkenntnisse, Herr Stickelberger!)

Als Polizeisprecher habe ich eine gewisse Sympathie dafür. Ich fühle mich auch als Lobbyist der Polizei. Aber ich gehöre einer Regierungsfraktion an. Daher muss ich auch die Ausgabeseite von Anträgen im Auge behalten und das Ganze sehen. In diesem Zusammenhang, muss ich sagen, handelt es sich leider am Ende um typische Oppositionsanträge,

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Jetzt aber!)

die zwar eine schöne und auch nachvollziehbare Forderung, aber kein Wort zur Finanzierung enthalten.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es! Wie bei den Hochschulen! Wie bei allem!)

Zunächst zu dem Antrag, der den Tarifbereich bzw. den Angestelltenbereich betrifft. Im Jahr 2005 wurden im Rahmen der Verwaltungsreform alle Teile der Landesverwaltung mit einer sogenannten 20-prozentigen Effizienzrendite belegt. Es gab eine Ausnahme: Das ist der Polizeivollzugsdienst. Der Tarifbereich der Polizei wurde ebenfalls mit dieser Einsparauflage belegt. Nun hat sich herausgestellt, dass diese Einsparauflage bei der Polizei in der Tat ausgesprochen harte Folgen hat. Deswegen wurden auch Konsequenzen gezogen. Die Renditevorgabe wurde nämlich korrigiert und auf gut 10 % halbiert. Außerdem werden Maßnahmen entwickelt, um einen Ausgleich zwischen den Dienststellen vornehmen zu können.

Meine Damen und Herren, der Beschlussteil Ihres Antrags Drucksache 14/3358 beinhaltet zwei Forderungen. Erstens fordern Sie, den Stellenabbau im Nichtvollzugsbereich zu stoppen. Das wird bis Ende 2009, also in wenigen Wochen, erfolgt sein. Insofern hat sich das erledigt. Zweitens möchten Sie den Personalbestand auf das alte Niveau aufstocken. Das würde Millionensummen kosten. Diesen Teil des Antrags werden wir ablehnen. Es bleibt bei der vorherigen Entscheidung.

Zu dem Antrag, der den Vollzugsbereich der Polizei betrifft, muss ich Ihnen eines sagen: Sie vergleichen die Sollpersonalstärke mit der Istpersonalstärke und leiten daraus die Forderung ab, den Personalbestand aufzustocken. Darin liegt – das werfe ich Ihnen gar nicht vor; den Fehler machen viele – ein methodischer Fehler. Die Sollstärke ist die Personalstärke, bei der berücksichtigt ist, dass Fehlzeiten entstehen. In der Sollstärke sind Urlaub, Fortbildung, Ausbildung und all dies mit berücksichtigt. Das heißt: Eine Sollzahl wird faktisch niemals erreicht. Vielmehr muss man die Istzahlen anschauen. Das muss man einfach um der Korrektheit willen sagen.

Sprechen wir das Thema Personalabbau an: Es geht in der Tat um 612 Stellen, die abgebaut werden müssen. Das ist das Äquivalent, der Gegenwert der Wochenarbeitszeitverlängerung um eine Stunde von 40 auf 41 Stunden. Das macht rechnerisch diese 612 Stellen aus, die jetzt in der Tat abgebaut werden müssen. Die anderen Stellen – Kollege Gall, Sie haben angesprochen, dass Sie erwarten, dass ich das sage; ich nenne jetzt nicht die einzelnen Bereiche –, die abgebaut werden, werden deshalb abgebaut, weil es bei der Polizei die entsprechende Aufgabe nicht mehr gibt. Das gehört zur Wahrheit mit dazu.

Deswegen muss man ein Weiteres sagen: Wenn Sie bemängeln, dass dieses Äquivalent der 41. Wochenstunde umgelegt

wird, dann muss ich Ihnen sagen, dass es auch schon einmal gegenteilige Zeiten gab. Da wurde die Arbeitszeit vor etlichen Jahren von 40 auf 38,5 Stunden reduziert. Die Polizei hat dafür zusätzlich einen Ausgleich bekommen. Ich glaube, es waren ca. 700, 750 Stellen. Als die Arbeitszeit wieder erhöht wurde, hat man diese Stellen belassen. Das ist eine echte Personalverstärkung der Polizei. Das wird heute leider gar nicht mehr erwähnt.

Meine Damen und Herren, in der Tat brauchen wir in der derzeitigen Situation vor allem eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Wir müssen die Arbeitszeiten vor allem daran orientieren, wann die Bürger die Polizei brauchen. Da brauchen wir auch eine Flexibilität – die ist vorhanden –, eine Flexibilität der jeweiligen Beamten. Wer sich für den Polizeiberuf entscheidet, der weiß, dass die Ausübung dieses Berufs an 365 Tagen im Jahr und rund um die Uhr stattfinden kann. Wer diesen Beruf ergreift, ist auch mit diesem Einsatzspektrum einverstanden, und deswegen kann auch die Bereitschaft zum flexiblen Einsatz erwartet werden.

Wir erwarten jetzt allerdings Vorschläge – wir hoffen, dass sie kommen –, wie Anreize geschaffen werden, dass in den Zeiten, in denen es wirklich unangenehm ist, in denen es starke Belastungen gibt, ein Anreiz besteht, die Arbeit dann durchzuführen, wenn sie gebraucht wird.

Lassen Sie mich noch einen Satz zum Einstellungskorridor sagen. Wir haben über Jahrzehnte hinweg ein Einstellungsverhalten gehabt, das völlig disharmonisch war. Jeder Einstellungswelle folgt 40 Jahre später eine Pensionierungswelle; vor einer solchen stehen wir heute, und die schafft uns massiv Probleme. Deswegen haben wir, die Koalitionsfraktionen, in einer großen Leistung mit dem Beschluss des Einstellungskorridors nicht nur zusätzliche Stellen geschaffen – bis zu 1 300 bis zum Jahr 2013 –, sondern viel wichtiger war, weil nachhaltig langfristig wirkend: Wir haben einen Einstieg in eine Verstetigung des Einstellungsverhaltens geschaffen, weg von den Wellenbewegungen mit all ihren Problemen, hin zu einem harmonischen Einstellungsverhalten.

Meine Damen und Herren, mittel- und langfristig sind wir in Baden-Württemberg gut aufgestellt.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Die Bürger in Baden-Württemberg können sich darauf verlassen, dass sie weiterhin von der besten und leistungsfähigsten Polizei, die es in Deutschland gibt, geschützt werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle und Abg. Helmut Wal- ter Rüeck CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Sckerl für die Fraktion GRÜNE.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)