Protokoll der Sitzung vom 27.07.2006

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das ist bei dem Wetter gar nicht gesund! – Gegenruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Du hast ja nie eine an!)

Also Zustimmung beim Befund. Es ist ja klar, und es ist bekannt: Wir haben bezüglich Lärm ein erhebliches Umweltproblem; wir haben gerade in einem dicht besiedelten und industrialisierten Land wie Baden-Württemberg Probleme, die wir lösen müssen. Wir als CDU-Fraktion stehen zu dem von Ihnen angesprochenen Umweltplan. Dort steht sinngemäß drin: Die Lärmminderung hat politisch eine hohe Priorität.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Schöne Sprüche!)

Dennoch ist jetzt die Frage: Wie kommt man, ausgehend von dieser Erkenntnis, zum Ziel? Da folgen wir Ihnen nicht und werden deswegen Ihren Antrag ablehnen.

Zur Begründung: Wir müssen uns noch einmal vor Augen führen, worum es hier geht: Es geht um die Umgebungsrichtlinie der EU, also um ein zeitlich und inhaltlich gestaffeltes Verfahren, mit dem man in Ballungsräumen und an Hauptverkehrsstraßen mittels der Lärmkartierung, also der Feststellung, was Sache ist, schaut, wie es aussieht, und dann mit der Lärmaktionsplanung in die Umsetzung geht und prüft, was zu tun ist.

Jetzt sagen Sie – das entnehme ich Ihrem Antrag –, dass Sie der Festlegung von Auslösewerten ja nicht widersprechen. Ihnen sind die aber zu hoch. Dazu sage ich für unsere Fraktion ganz klar: Etwas, was gut auf dem Papier steht, aber in der Realität nicht umsetzbar ist, nützt uns nichts. Der Stellungnahme der Landesregierung ist ja zu entnehmen, dass wir es selbst bei den Werten, die der Verordnungsantrag vorsieht, mit einem Personenkreis von über 600 000 zu tun haben. Wenn Sie sich die schon bestehende und zu ergänzende Verordnung sowie die Entwürfe anschauen, sehen Sie, dass auf die EU-Richtlinie verwiesen wird. Wenn man sich anschaut, was in diesen Aktionsplänen und in diesen Lärmkartierungen alles enthalten sein muss, bekommt man eine ungefähre Vorstellung davon, was es für einen Aufwand bedeutet, so etwas zu erstellen.

Sie sagen, finanzielle Aspekte könnten kein Argument sein. Das erstaunt mich gerade auch vor dem Hintergrund der gestrigen Plenardebatte. Selbstverständlich spielt für das Land und auch die Kommunen – die werden nämlich davon betroffen sein – auch die Frage eine Rolle, was wir machen können. Sosehr es wünschenswert wäre – das habe ich versucht, deutlich zu machen –, eventuell noch mehr zu machen, können wir im Moment nicht alles machen.

Die Überlegung hinter dem Entwurf ist einfach die: Man konzentriert sich zunächst einmal auf die Bereiche, in denen wirklich die Schwerpunkte, die Probleme liegen. Es ist im Entwurf auch vorgesehen – insofern verstehe ich auch die Anmerkung nicht –, dass nach einem gewissen Zeitrhythmus das Ganze überprüft werden muss und dann geprüft werden muss, ob exakt die Werte, die Sie auch vorschlagen, durch Absenkung vorgesehen werden müssen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Nicht alles, was wünschenswert ist, ist für uns im Moment auch machbar. Uns ist es wichtiger, dass wir uns zunächst einmal auf die Schwerpunkte konzentrieren – da ist die Zahl von 600 000 Personen ja kein Pappenstiel, sondern ein erhebliches Problem, das zu bewältigen sein wird –, und damit sind wir schon gut beschäftigt. Dann wird zu überprüfen sein, was an weiter gehenden Maßnahmen zu tun ist.

Zusammengefasst: Wir verstehen die Intention Ihres Antrags, wir halten ihn aber im Sinne gerade der intensiver Betroffenen nicht für zielführend. Wir werden ihn deswegen ablehnen und unterstützen den Verordnungsentwurf, so wie er vorgelegt ist.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion erhält Frau Abg. Grünstein das Wort.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Viel grün heute!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Lusche, mit einer grünen Krawatte kann ich leider nicht dienen, aber vielleicht tut es mein grünes Anzügelchen ja auch.

(Abg. Ulrich Lusche CDU: Lind! – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Das müssen Sie dem Kollegen Walter sagen!)

Zuerst die gute Nachricht: Die SPD stimmt dem wichtigen und richtigen Antrag der Fraktion GRÜNE zu.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die schlechte Nachricht ist leider, dass wir uns schon wieder mit einem wirklich wichtigen Thema befassen müssen, das eigentlich längst in den entsprechenden Bundesgremien auf den richtigen Weg gebracht worden ist. Aber diese Landesregierung scheint irgendwie im Gehörgang eine leichte Verstopfung zu haben.

(Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: Oh!)

Denn wie sonst könnte es sein, dass Sie schon wieder einmal im Umweltbereich völlig lebensfern agieren?

Es ist schon gesagt worden, dass Lärm nicht nur belästigt. Er macht auch krank. Die Verkehre in der Luft und am Boden, aber auch viele von Lärm begleitete Maschinen sind zwar umweltfreundlicher und natürlich auch leiser geworden, nur frisst der stark gestiegene Gesamtumfang diese kleinen Fortschritte dann völlig auf.

Ich muss jetzt nicht wiederholen, was die Kollegin Dr. Splett sehr ausführlich und richtig vorgetragen hat. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung hat als Grenzwert für Mittelungspegel 65 dB(A) am Tag und 55 dB(A) bei Nacht empfohlen. Die WHO empfiehlt sogar langfristig noch weit niedrigere Werte.

Auch der Umweltplan Baden-Württemberg und damit die der Landesregierung zur Verfügung stehenden Fachleute plädieren für 65 dB(A) mittlerer Tageslärmimmission, die dann auch als Schwellenwerte für die Aufstellungspflicht von Lärmaktionsplänen dienen sollen.

(Abg. Ulrich Lusche CDU: Innerhalb der Umset- zungsfrist!)

Ich empfehle deshalb den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im entsprechenden Ministerium, die offensichtlich nicht zu den Fachleuten gehören, einmal diese Lektüre.

Mit ihrem Antrag im Bundesrat versuchen nun Bayern und Baden-Württemberg mit dem Etikett der Präzisierung diese Werte um jeweils fünf Dezibel zu erhöhen. Nun weiß jeder, der sich intensiv mit Lärmschutz und Lärmmessung auseinander gesetzt hat, dass Lärm schwierig zu erfassen, zu messen und zu quantifizieren ist. Das subjektive Empfinden, wann etwas als störend empfunden wird, hängt von vielen Faktoren ab. Wenn ich jetzt meine Stimme hier um

fünf Dezibel erhöhen würde, würden Sie mich wahrscheinlich aus dem Raum werfen lassen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Probieren Sie es einmal! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das kann nur der Präsident!)

Wir alle wissen auch, dass die Lärmempfindlichkeit in der Nacht erheblich höher ist als am Tag. Aus diesem Grund wird auch mit unterschiedlichen Lärmschutzanforderungen gearbeitet und natürlich auch genau vorgeschrieben, wie zu messen ist.

Nun argumentiert die Landesregierung, dass die Bundesregierung die Messung des Lärms an einer Hausfassade anders vorschreibt als die EU, was zur Messung höherer Lärmpegel führen würde. Ja glauben Sie denn wirklich, in Berlin sitzen nur Idioten?

(Abg. Ulrich Lusche CDU: Die zahlen es nicht!)

Gehen wir doch einmal davon aus, dass die Experten in Berlin ganz genau wissen, wovon sie reden. Sie hier in Baden-Württemberg wollen aber wieder einmal nur abgestufte, wachsweiche Schrittchen machen. Ihre Aussage, dass Sie sich mit einem abgestuften Vorgehen zunächst um die schlimmsten Lärmbelästigungen kümmern und um die anderen dann erst ab 2018 und deshalb im Bundesrat die Werte um jeweils fünf Dezibel höher setzten, zeigt wieder einmal, wie zaudernd und zögernd Sie in unserem Land mit wichtigen Themen umgehen.

Sie haben nicht einmal den Mut, unsere Bürgerinnen und Bürger vor krank machendem Lärm zu schützen. Was spräche denn dagegen, die Lärmkartierung und die Lärmaktionspläne genau so zu erstellen, wie die bundesgesetzliche Regelung dies vorschreibt?

Es ist selbstverständlich, dass die spätere Umsetzung mittels technischer Maßnahmen und baulicher Änderungen unter einem Haushaltsvorbehalt steht. Da gebe ich dem Kollegen Lusche zum Teil Recht. Man kann nicht alles finanzieren, was man gern möchte. Aber man muss es wenigstens versuchen, und Sie versuchen es ja nicht einmal.

(Zuruf des Abg. Ulrich Lusche CDU)

Im Rahmen der vorhandenen Mittel muss aber die Umsetzung erfolgen. Dann muss man das Geld dazu eben auch beschaffen. Denn es gibt wichtige und nicht ganz so wichtige Dinge im Land. Ich denke, der Lärmschutz gehört zu den ganz wichtigen.

Aber diese Landesregierung hat ja auch schon beim Feinstaub und den Luftreinhalteplänen sehr eindrucksvoll bewiesen, dass Sie solche Dinge gern auf die lange Bank schieben. Weil Sie niemandem wehtun wollen, nutzen Sie auch niemandem.

Deshalb schließen wir uns, wie gesagt, dem Antrag der Fraktion GRÜNE vollinhaltlich an und fordern Sie auf, die Bundesratsinitiative zur Abschwächung der Verordnung über die Lärmkartierung zurückzunehmen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die FDP/DVPFraktion erhält Herr Abg. Ehret das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Bevor es aus den Reihen der Grünen kommt: Auch ich habe als dritter Redner etwas Grünes an. Aber dies wird meine Fraktion nicht dazu bewegen, Ihrem Antrag zuzustimmen.

Frau Dr. Splett, wir sind uns einig – wir alle hier haben dies betont – über die Zielsetzung. Aber wir sind uns offensichtlich sehr uneinig über die Umsetzung, über die Frage, was wir für die Bevölkerung schnell erreichen können.

Es ist ganz klar – dies wird über alle Parteigrenzen hinweg vertreten –: Die Verminderung von Lärmemissionen muss zu den wesentlichen umweltpolitischen Themen der Zukunft zählen. Ich persönlich messe diesem Thema eigentlich noch größere Bedeutung bei als dem in der vorangegangenen Legislaturperiode heftig und viel diskutierten Thema Feinstaubbelastung.

Während wir bei der Luftreinhaltung in den vergangenen Jahrzehnten wesentliche Erfolge erzielen konnten, ist in puncto Lärm durch die allgemeine Verkehrszunahme eher eine Verschlechterung eingetreten. Wir von der FDP/DVPLandtagsfraktion begrüßen die grundsätzliche Entscheidung der EU, in besonders belasteten Gebieten Lärmkartierungen durchzuführen. Die Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie wird in sehr vielen Fällen erstmals eine spürbare Verbesserung bringen.

Ähnlich wie bei der Umsetzung der Feinstaubrichtlinie aber wird sich hier zeigen, dass ein schrittweises Vorgehen deutlich schneller Erfolge bringen wird. Für uns Liberale – das ist etwas Grundsätzliches – ist immer besonders wichtig, dass Maßnahmen, die in so genannten Aktionsplänen gefordert werden, auch dazu geeignet sein müssen, den gewünschten Erfolg herbeizuführen, sprich praktikabel und umsetzbar sein müssen,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

vor allem auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Das ist vom Kollegen Lusche und von der SPD auch so bestätigt worden. Dies nur als etwas Grundsätzliches am Rande.

Wir von der FDP/DVP sind mit der Landesregierung der Auffassung, dass es sinnvoll ist, zunächst die Lärmschwerpunkte anzugehen. Deshalb ist es richtig, dass die Landesregierung zunächst die besonders belasteten Gebiete erfasst und dort auch entsprechende Maßnahmen ergreift. Für diese zielgerichtete Intention sind die vom Umweltministerium vorgeschlagenen Lärmwerte auch angemessen. Wir werden – das ist sicher, Frau Dr. Splett – auch schon mit diesen Werten vor großen Herausforderungen stehen. Die Zahl 600 000 ist bereits genannt worden.