Protokoll der Sitzung vom 09.12.2009

bei der digitalen Einsichtnahme weg. Das ist für uns natürlich schon ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Bewertung. Aber dazu werden wir in der nächsten Zeit sicher noch einiges hören.

Auch was die „On-Demand“-Abfrage angeht, stellt sich die Frage: Ist es praktikabel, dass man sozusagen erst digitalisiert, wenn ein bestimmter Zugriff auf das jeweilige Grundbuch gewünscht wird? Wir sind noch sehr skeptisch, wie das in der Praxis ablaufen wird.

Wir machen mit, aber uns liegt daran, dass das System auch in Zukunft, wie es bisher beim alten System der Fall war, bürgernah ausgestaltet ist.

Einen letzten Punkt möchte ich ansprechen. Wir erwarten natürlich auch die Klärung der Standorte, aber nicht in Bezug auf die eigentliche Standortfrage, sondern im Hinblick auf die Frage: Wie steht es mit den Gebäuden? Wie steht es mit der räumlichen Unterbringung? Hierüber werden wir im Lauf der Zeit ebenfalls noch Aufschluss erhalten müssen.

Vor allem fragen wir: Was passiert mit dem Personal? Bisher haben wir kompetentes Personal in den Grundbuchämtern. Wir haben staatliche Grundbuchämter, die über gutes Personal verfügen. Diese Mitarbeiter werden kaum in der Lage sein, an den neuen Standorten tätig zu sein, weil die räumlichen Abstände häufig zu groß sind. Darüber hätten wir auch im Interesse der Beschäftigten gern Klarheit.

Es gibt also eine Fülle von Fragen, die jetzt partiell durch den Bericht der Landesregierung beantwortet sind, aber eben nicht ausreichend; vielmehr wirft dieser Bericht eher neue Fragen auf.

Weil das Ganze im Fluss ist und dynamisch ist, Herr Minister, hätte ich einen Vorschlag: Unser ursprünglicher Antrag ist natürlich durch den Zeitablauf überholt. Unserem Änderungsantrag ist durch Ihre Mitteilung teilweise Rechnung getragen worden. Wenn Sie bereit wären, dem zuständigen Ausschuss in drei bis vier Monaten einen Zwischenbericht über den aktuellen Stand zu geben – auch über die Fragen der räumlichen Unterbringung und des Personals –, dann wären unsere Anträge für heute erledigt, und wir könnten, glaube ich, im Interesse aller Beteiligten und aller Fraktionen die Sache weiter klären und im Auge behalten.

Bis zum Jahr 2018 werden sich noch viele Fragen auftun. Es wäre sicher sinnvoll, wenn das Parlament diesen Prozess aktiv begleiten könnte.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hollenbach für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Stickelberger, ich bin Ihnen für Ihren Beitrag und Ihre sehr sachliche Betrachtung des Themas „Digitalisierung der Grundbücher“ sehr dankbar. Ich bin Ihnen auch sehr dankbar dafür, dass Sie heute nicht darauf bestehen, dass über Ihren Antrag detailliert diskutiert oder abgestimmt wird.

Sie haben gesagt, die Digitalisierung der Grundbücher sei ein Kraftakt. Dem kann ich nur beipflichten. Das ist für mich wirklich ein Jahrhundertwerk, das in der Justizverwaltung vollzogen werden muss. Es ist ein Jahrhundertwerk im wahrs ten Sinn des Wortes, denn die Grundbücher, mit denen noch heute in den mehr als 650 Grundbuchämtern unseres Landes gearbeitet wird, stammen aus dem Jahr 1900. Bei der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahr 1900 hat sich auch dieses Recht verändert. Seitdem hat sich im Prinzip kaum etwas verändert.

Die meisten Grundbücher sind noch heute in Folioformat mit handschriftlichen Eintragungen. Diese Eintragungen fußen zum Teil noch auf alten Güterbüchern und Servitutenbüchern. Das sind Begriffe, mit denen viele junge Leute gar nichts anzufangen wissen. Es sind aber immerhin Bücher, die in der Praxis fast jeden Tag noch in die Hand genommen werden müssen.

Nun kommt dieser Quantensprung – so kann man es schon nennen – „Digitalisierung der Grundbücher“. Es sind mehr als 6 000 – Entschuldigung, Herr Minister: sechs Millionen.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: 6 000 wäre kein Problem! – Zuruf des Abg. Klaus Herrmann CDU)

6 000 wäre wenig. – Das macht die Sache natürlich kompliziert. Zudem haben wir in Baden-Württemberg ein sehr differenziertes System. Wir haben nämlich drei verschiedene Ausgangsbasen: Im Württembergischen sind die Grundbuch ämter bei den Notariaten angesiedelt,

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Da sind wir gut dabei!)

zum Teil auch bei den Kommunen; im Badischen werden die Grundbücher zum größten Teil in kommunalen Grundbuch ämtern gelagert und bearbeitet, und schließlich gibt es dort auch noch elf staatliche Grundbuchämter. Schon allein aufgrund dieser Komplexität kann die Digitalisierung nicht reibungslos und problemlos verlaufen.

Aber in den vergangenen Jahren ist hier meines Erachtens viel Klarheit geschaffen worden. Ausgehend von einer gutachterlichen Äußerung des Rechnungshofs, von Herrn Munding, die 2006 abgegeben wurde, befassen sich auch der Ständige Ausschuss und der Finanzausschuss mit diesem Thema.

Es hat sich sehr viel geklärt. Auch wir haben viele Fragen gestellt, und wir werden auch noch viele Fragen stellen. Wir wissen, dass die Umstellung und die Umschreibung der Grundbücher eine große Herausforderung für das Personal ist. Das kann nicht reibungslos gehen.

Insbesondere für die Kommunen im badischen Landesteil hat man versucht, mit einem kleinen Bonus von 6 € je digitalisiertem Grundbuch Anreize zu schaffen. Ich höre immer wie

der, wenn man in den Kommunen nachfragt: Zum Teil wird es gemacht, zum Teil wird es eben auf die Seite gelegt, weil man sagt: Mit den 6 € pro Grundbuch können wir diese Arbeit nicht leisten. Aber man kommt voran. Wir haben jetzt endlich ein Ziel, nämlich das Jahr 2017, 2018.

Man hat vor allem auch eine Entscheidung getroffen – das möchte ich besonders betonen –, nämlich diese elf Standorte auszuwählen. Über die Frage, ob die Standorte richtig gewählt sind oder nicht, Herr Stickelberger, kann man immer unterschiedlicher Meinung sein. Ich könnte mir manches auch anders vorstellen. Aber irgendwann muss man zu Potte kommen. Irgendwann muss man sagen: So wird es gemacht.

Der Minister hat sogar einmal gesagt, am liebsten wäre ihm ein einziges Grundbuchamt in Baden-Württemberg. Auch das wäre denkbar.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber nicht in Tauberbi- schofsheim!)

Das könnte auch in Tauberbischofsheim sein.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Reutlingen!)

Aber ich denke, das sollte keine ideologische Frage sein. Vielmehr hat man sich jetzt auf elf Standorte geeinigt. Die sollte man angehen. Jetzt erwarten wir auch von der Justizverwaltung eine deutliche Katalogisierung, anhand der wir sehen, was an den einzelnen Standorten gemacht werden muss und wie die Umstellung vollends vollzogen werden kann.

Wir können dem Vorschlag von Herrn Stickelberger voll und ganz folgen. Wir bitten um Berichterstattung, und wir werden das auch positiv begleiten und hoffen, dass wir spätestens im Jahr 2018 ein ganz modernes Grundbuch in Baden-Württemberg haben, ein System, das dann mindestens wieder 120 Jahre hält.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Ich erteile für die Fraktion GRÜNE Herrn Abg. Oelmayer das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Themen Grundbuch und „Digitalisierung der Grundbücher“ beschäftigen den Landtag und die zuständigen Gremien im Landtag schon seit geraumer Zeit. Ich will zwei Bemerkungen vorweg machen.

Die Konzentration auf elf Standorte, welche auch immer dies dann sind – ich freue mich natürlich, dass Ulm dabei ist; das sage ich ganz offen; ich freue mich auch, dass Mannheim dabei ist; das ist keine Frage – –

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Eben nicht! – Abg. Walter Heiler SPD: 120 km weg!)

Es ist nicht dabei. Ich entschuldige mich für den Versprecher. – Herr Minister, diese Konzentration finde ich richtig klasse, weil Sie diese bei anderen Institutionen der Justiz, etwa wegen angeblich mangelnder Bürgernähe etc., grundsätzlich ablehnen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Strafvollzug! Alles nach Ulm!)

Deshalb finde ich es toll, dass Sie hier den Schritt gewagt haben. Ob es elf oder zwölf Standorte sind, spielt keine zentrale Rolle, aber die Konzentration ist wichtig. Warum ist sie wichtig? Sie ist wichtig, weil sie für mehr Effizienz sorgt, weil sie – das kommt auch in der jüngsten Mitteilung der Landesregierung zum Ausdruck – dazu beiträgt, dass die Betriebskos ten am Schluss, wenn ich es richtig im Kopf habe, im Vergleich zur bisherigen Struktur um über 2,4 Millionen € niedriger sein werden.

Gestatten Sie mir, auch zu dem Antrag, den die SPD-Fraktion heute zur Debatte gestellt hat und der im Übrigen ziemlich genau ein Jahr alt ist – wohingegen die Stellungnahme der Landesregierung zur Entwicklung der Digitalisierung relativ neu ist –, ein paar Anmerkungen zu machen.

Man muss zwischen Württemberg und Baden klar differenzieren. Zum 30. Juni 2009 war in Württemberg eine Erfassungsquote von immerhin 69 % erreicht. Im Jahr 2012 bzw. 2013 soll komplett digitalisiert sein. Das heißt, dahinter steckt eine ganz ordentliche Effizienz. Dennoch stellt sich eine Frage, die Sie, Herr Minister, vielleicht gleich heute beantworten können. Sehr zur Effizienzsteigerung beigetragen hat die zentrale Erfassungsstelle, angesiedelt beim Amtsgericht in Stuttgart. Nun haben Sie in Ihrer Stellungnahme ausgeführt, es sollten zwei weitere hinzukommen. Sicher hat auch das Parlament ein Interesse daran, zu erfahren, wo diese dann sein sollen. Ich denke, das betrifft das württembergische Rechtsgebiet.

Unmittelbar folgen muss dann das badische Rechtsgebiet. Dort ist es deswegen komplexer, weil die staatlich Beschäftigten es geschafft haben, ihrer Aufgabe, zu digitalisieren, zu 94 % gerecht zu werden, während es im kommunalen Bereich nach den Zahlen, die Sie jetzt geliefert haben, gerade einmal 35 % sind. Das heißt, in der Summe sind dort bis dato gerade einmal 50 % digitalisiert. Da stehen also noch eine ganze Menge Herausforderungen an.

Die kommunale Selbstverwaltung ist natürlich ein hohes Gut. Sie haben versucht, Anreize zu schaffen, indem für jedes digitalisierte Grundbuch 6 € gezahlt werden. Darauf haben die Kommunen nicht alle so euphorisch reagiert, dass sie gleich gesagt hätten: Wenn wir 6 € pro Grundbuch bekommen, dann sind wir sofort dabei und sind auch bis zum Jahr 2012 fertig. Nein, von 340 Kommunen haben es nur 119 zugesagt. Sie haben jedoch angekündigt, Sie wollten dennoch das Gesetzgebungsverfahren für dieses „6-€-Gesetz“ zum Beginn des kommenden Jahres realisiert wissen. Mich würde interessieren, ob diese 6 € Ihrer Auffassung nach tatsächlich zu einer Effizienzsteigerung führen. Es dürfte wohl schwierig werden, die Digitalisierung bis zum Jahr 2017 oder 2018 – was ja die Zielsetzung ist – abzuschließen.

Zum Schluss hin noch eine Frage, die auch der Kollege Stickelberger bereits angesprochen hat, nämlich zum Thema Fremdvergabe. Natürlich hätte uns interessiert – Sie haben es ausgeführt: es gab intensive Gespräche, und es wäre, wenn überhaupt, nur dann sinnvoll und legitim, wenn durch private Träger wirklich effizienter gearbeitet werden könnte und dort tatsächlich Einsparungen erfolgten –, welche Institutionen dies betrifft und wann das geschehen soll.

Ganz zum Schluss noch folgende Anmerkung – ich habe es schon erwähnt –: Diese digitalisierte Form wird aus meiner

Sicht trotz der Konzentration der Standorte zu mehr Bürgernähe führen, und zwar deswegen, weil dann jeder Bürger seinen Grundbuchauszug digital von zu Hause aus am Computer abrufen kann. Insofern wird die Digitalisierung der Grundbücher tatsächlich zu mehr Bürgernähe beitragen. Entsprechendes wünsche ich mir auch bei anderen Rechtsorganisationen in unserem Land. Dann könnten wir über das Thema Bürgernähe gern noch einmal generell diskutieren und dabei vielleicht auch Einvernehmen erzielen.

Wir sind also dabei, und wir unterstützen auch das Anliegen des Kollegen Stickelberger, über diese Thematik gegebenenfalls noch einmal intensiv in einer der nächsten Sitzungen des Ständigen Ausschusses zu diskutieren, um dort Gelegenheit zu erhalten, einzelne Fragen noch einmal eingehend zu erörtern. Die Stellungnahme der Landesregierung zum vorliegenden Antrag umfasst allein schon zwölf oder 13 Seiten, und das kann in fünf Minuten nicht erschöpfend abgehandelt werden.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Ende.

Ja, Frau Präsidentin, ich komme gleich zum Schluss.

Aber angesichts der Summe von 50 Millionen € ist es, meine ich, richtig und wichtig, dass sich das Parlament intensiv um diese Thematik kümmert und sich hierüber auch intensiv von der Regierung informieren lässt.

(Beifall bei den Grünen)