In der Aussprache erteile ich nach § 83 a Abs. 3 der Geschäftsordnung Herrn Abg. Schmiedel für die Fraktion der SPD das Wort.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heutigen Tag geht eine Phase von 20 Jahren zu Ende, in der noch darüber diskutiert werden konnte, ob Stuttgart 21 kommt. Diese Frage wird heute entschieden, und das ist gut so.
Herr Ministerpräsident, Sie haben alle Argumente pro und kontra sowie mögliche Alternativen zu Stuttgart 21 präsentiert.
denn Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die Alternative zu Stuttgart 21 nichts wäre. Das wäre nichts; das wäre mindestens 20 Jahre lang nichts. Es gäbe dann nicht nur keine Planung, sondern es gäbe auch keine Träger und keine Finanzierung, und alles müsste von vorn beginnen. Das würde bedeuten, dass am Bahnknoten Stuttgart 20 Jahre lang nichts passiert.
Weshalb haben wir uns seit Jahren für dieses Projekt eingesetzt und stark gemacht? Wir wollen, dass der Verkehr in Europa zwischen den Zentren, zwischen den Metropolen auf mittlerer Distanz, das heißt über Strecken von 500, 600 oder 700 km, nicht mit dem Flugzeug
Deshalb haben wir uns übrigens auch so entschieden gegen die zweite Start- und Landebahn beim Flughafen ausgespro
chen. Denn wir wollen, dass wir von Baden-Württemberg aus die internationalen Flughäfen in München, in Frankfurt, aber auch in Zürich mit schnellen Zügen erreichen, sodass wir entsprechend der bisherigen Konzeption, den Stuttgarter Flughafen auf schon bestehende sowie auf weitere europäische Distanzen auszulegen, ausreichend bedient sind.
Wenn wir eine solche Konzeption verfolgen, heißt das aber auch, dass wir uns nicht mit der Tatsache abfinden können, dass vor 20 Jahren die letzte und bislang einzige Schnellbahnstrecke in Baden-Württemberg realisiert wurde, nämlich die Strecke zwischen Mannheim und Stuttgart. Seither ist Schluss, und seit diesem Zeitpunkt wird darüber diskutiert, wie die Verlängerung stattfinden soll.
Sie haben die Gründe dafür dargelegt, weshalb man sich für die Heimerl-Trasse entschieden hat. An diesen Gründen hat sich in den vergangenen 20 Jahren überhaupt nichts geändert.
Ich möchte ein weiteres Beispiel bringen: Wie schwierig es ist, heute zwei neue Gleise, die in bzw. aus Richtung Süden unbestritten notwendig sind, und zwar aus der Stadt heraus wie auch in die Stadt hinein, zu realisieren, zeigt ein Fall, den Sie, Herr Ministerpräsident, nicht aufgegriffen haben, nämlich das Beispiel Zürich. In Zürich gab es denselben Engpass.
In Zürich hatte man sich dafür entschieden, zwei neue Gleise oberirdisch quer durch die Stadt zu legen; man hat die Planungen vorangetrieben und hat die Bürgerschaft mit diesen Planungen konfrontiert. Was war das Ergebnis? Es kam zu einer ähnlichen Situation wie jetzt im Rheintal, nämlich zu einem Aufstand ohne Ende, weil die Bürger zu Recht gesagt haben: „Wir wollen unsere Stadt nicht durch neue Gleise und die gleichzeitig nötig werdenden 4, 5 oder 6 m hohen Lärmschutzmauern zerschneiden lassen.“ Daraufhin hat man in einer zweiten Planungsphase die Alternative entwickelt, mit der Streckenführung für die Fernbahn unter die Erde zu gehen.
Zurzeit entsteht also für die Fernbahn durch Zürich dasselbe, was wir mit Stuttgart 21 vorhaben. Es wurde eine Volksabstimmung durchgeführt mit dem Ergebnis einer Zustimmung von 80 %, weil die Bürger gemerkt haben, dass die Streckenführung unter der Erde verträglich ist, während es oberirdisch in einem so dicht bebauten Gebiet völlig unverträglich wäre, zwei weitere, neue Gleise hindurchzuführen.
Im Übrigen würde mich auch einmal interessieren, was jetzt eigentlich die grüne Position zur Schnellbahnstrecke ist, denn bis vor Kurzem haben Sie unisono die Haltung vertreten, dieses Vorhaben sei völlig unbestritten. Sie stehen dann aber in Wendlingen vor der Frage: Wie kommen die Menschen in die Stadt, wie kommt der Zug in die Stadt? Diese Frage können Sie bis heute nicht schlüssig beantworten. Haben Sie entdeckt, dass man jetzt auch gegen diese Strecke ist, dass sie „Luxus“ ist, dass man leicht darauf verzichten und sich dann mit der alten Strecke bescheiden kann, damit dieser Bahnknoten nicht realisiert wird?
Überrascht hat uns übrigens auch, dass Sie nicht nur gegen diese Schienenstrecke sind, sondern dass Sie – –
obwohl es da einen Bürgerentscheid mit einem positiven Ergebnis gab. Da haben Sie plötzlich entdeckt: Das ist auch ein Großprojekt mit Schiene; daraus kann man vielleicht auch Honig saugen.
Was wir Ihnen vorwerfen, ist, dass Sie sich letztlich nicht inhaltlich, sondern taktisch einstellen –
taktisch deshalb, weil natürlich mit jedem größeren Bauprojekt Widerstände verbunden sind und sich auf einer solchen Widerstandswelle auch gut surfen lässt, egal, ob man eine Alternative hat oder nicht.
(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Das ist richtig!)
Meine Damen und Herren, wir wollen ab dem heutigen Tag nicht mehr über das Ob reden – diese Frage ist entschieden –, sondern wir wollen über das Wie reden. Da gibt es, Herr Ministerpräsident und meine lieben Kolleginnen und Kollegen, jetzt natürlich weiteren Diskussionsbedarf. Wenn wir diese große Magistrale und mit der neuen Schnellbahnstrecke dieses tolle, schnelle Verkehrsmittel auf der Schiene haben, dann müssen wir die Frage beantworten: Wie kommen denn die Menschen zu diesem neuen Bahnknoten? Dann stellen sich natürlich die Fragen: Kann man die Frankenbahn so lassen, wie sie ist? Kann man die Gäubahn so lassen, wie sie ist? Kann man die Murrbahn so lassen, wie sie ist?
Wir sind uns sehr einig, was das dritte und vierte Gleis im Rheintal anbelangt. Aber was wir jetzt wollen, ist ein Gesamtkonzept Baden-Württemberg 21 auf der Schiene, das diesen neuen Knoten Stuttgart mit der Fläche in Baden-Württemberg verbindet. Dazu sind neue Anstrengungen nötig, und da sollten wir auch gemeinsam an einem Strang ziehen, damit wir das gegen mögliche Widerstände durchsetzen. Wir wollen das Schienenland Baden-Württemberg gestalten.
(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Klaus Herrmann CDU: Die Grünen sind be- stimmt auch dagegen!)
Wenn ich schon bei der Anbindung bin, dann muss ich doch noch einmal sagen, was uns wirklich umgehauen hat. Bei der letzten Diskussion zu diesem Thema haben Sie, Herr Kollege Kretschmann, ganz stolz gesagt: „Unsere Alternative kommt mit einem Bahnhof aus. Wir brauchen keine drei Bahnhöfe.“ Was haben wir gelernt? Wir haben gelernt, dass ein neuer Bahnhof schlecht fürs Land ist.
Wir sagen: Ein neuer Bahnhof am Flughafen, der als Umsteigebahnhof funktioniert, der einen Engpass im Regionalverkehr beseitigt – von dort gelangt man nämlich von der Wachstumsfläche Filderebene hinein in die Stadt –, ein schnelles öffentliches Verkehrsmittel, das angefahren wird, das mit anderen Regionalbahnen verknüpft ist, das von Bussen angefahren werden kann, ein neuer Bahnhof, der eine Engstelle im Verkehr löst – weil es diese Engstelle gibt, ist die B 27 jeden Tag voll und verstopft –, schafft ein öffentliches Angebot. Die Grünen aber sagen: Wir kommen ohne das aus.
Dasselbe gilt übrigens für den neuen S-Bahnhof, der auch neue Kapazitäten schafft. Heute drängen sich die Leute unterm Bahnhof; es ist dort beengt, er ist nicht mehr ausbaufähig. Der neue S-Bahnhof schafft neue Verknüpfungen und neues Potenzial. Dieses Potenzial, in dessen Realisierung wir jetzt gehen, optimal auszuschöpfen und dafür auch die notwendigen Mittel zu akquirieren, das sind unsere Aufgaben. Es geht nicht mehr um das Ob, es geht um das Wie. Es geht um eine attraktive Gestaltung auch um den Bahnhof herum. Auch da gibt es genügend Chancen, sich einzubringen
und sich zu beteiligen. Dazu laden wir alle ein. Es wäre schön und gut, wenn mit diesem Tag auch die Zeit beendet wäre, in der es einen Fundamentalwiderstand gab. Dieser hat sich durch die Entscheidung des heutigen Tages erledigt.
(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP/DVP – Zurufe der Abg. Bärbl Mielich und Franz Unterstel- ler GRÜNE)
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind in der CDU-Fraktion der Überzeugung, dass heute ein sehr, sehr guter Tag für BadenWürttemberg ist.
Deshalb möchte ich bei dieser Gelegenheit zuallererst sehr herzlich Dank sagen. Ich danke dem Ministerpräsidenten und seiner Regierung dafür, dass man trotz aller Anfeindungen, trotz aller auch nicht so ganz sauberen Aktionen, die liefen – das wurde ja gerade vorgetragen –, die Kraft, die Stärke und die Konsequenz gehabt hat, dieses komplexe Projekt zum Ende bzw. zum Bau zu führen. Dafür vielen herzlichen Dank.