Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

b) Wie viele Lebensmittelbetriebe gibt es im Land, die seit

der Umsetzung der Verwaltungsreform weniger als einmal im Jahr kontrolliert worden sind?

Zur Beantwortung der Anfrage erteile ich Frau Staatssekretärin Friedlinde GurrHirsch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Ich beantworte die Anfrage der Kollegin Haller-Haid namens der Landesregierung wie folgt:

Zunächst möchte ich feststellen: Es gibt keine spezielle Statistik für derartige Vorgänge, weshalb es auch kein vollständiges Zahlenmaterial gibt. Im Trend stellen aber auch wir einen Rückgang der Zahl der Strafanzeigen fest.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, die Unterhaltungen nach außerhalb des Plenarsaals zu verlegen. Hier ist kaum noch zu verstehen, was gesprochen wird.

Mit den Staatsanwaltschaften und den Vertretern der unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden wurden die mutmaßlichen Gründe für den Rückgang der Anzeigen erörtert. Dabei hat sich herausgestellt, dass ein wesentlicher Grund in den gesetzlichen Änderungen liegen dürfte. So wurden zahlreiche nationale hygie nerechtliche Bestimmungen und damit auch mögliche Straftatbestände im Zusammenhang mit dem neuen, im Jahr 2006 erlassenen EU-Hygienepaket aufgehoben, z. B. die Hackfleischverordnung, die auch jeder ehrenamtlich Tätige hinreichend kannte. Hierauf lag seinerzeit auch ein Schwerpunkt bei den Anzeigen, die über den WKD eingegangen sind.

Sehr geehrte Damen und Herren, abgesehen von den gesetzlichen Veränderungen bei den Straftatbeständen sind die Vorgaben des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum an die Lebensmittelbehörden ganz eindeutig. In der gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum, des Justizministeriums sowie des Innenministeriums, die die Grundlagen für die Zusammenarbeit der Verwaltungs- und Strafrechtsbehörden im Bereich der Bekämpfung von Verstößen gegen den gesundheitlichen Verbraucherschutz schafft, ist festgelegt worden, dass bei Fakten, die geeignet sind, den Verdacht einer Straftat zu begründen, die Strafverfolgungsbehörden zwingend zu unterrichten sind.

Das wird jetzt im Vorfeld auch gemacht. Im Zweifel sollte die Staatsanwaltschaft in einem Verdachtsfall lieber einmal mehr als einmal zu wenig informiert werden. Hierzu finden jetzt auch schon Besprechungen statt.

In dieser Verwaltungsvorschrift sind auch regelmäßige Besprechungen der Lebensmittelüberwachungsbehörden mit den Staatsanwaltschaften auf der Ebene der Regierungsbezirke vorgesehen, um sich gegenseitig über die Belange der Lebensmittelüberwachung zu unterrichten und sich gegenseitig dafür zu sensibilisieren. Nach Rückmeldung der zuständigen Behörden werden diese Besprechungen regelmäßig durchgeführt und werden auch sehr gut angenommen.

Das sind für uns die Gründe, warum es hier weniger Strafanzeigen gibt. Der Wegfall der Hemmschwelle, bereits im Vorfeld mit der Staatsanwaltschaft in Kontakt zu treten, und eine durch die Verwaltungsvorschrift unkompliziertere Zusammenarbeit haben, denke ich, eine hohe Sachlichkeit in die Thematik gebracht.

Zu Ihrer zweiten Frage gebe ich namens der Landesregierung folgende Antwort: Zunächst möchte ich sagen, dass die Frage eigentlich falsch gestellt ist. Die Häufigkeit der Kontrollen in Lebensmittelbetrieben wird bei uns in Baden-Württemberg – da waren wir federführend – auf der Grundlage von Risikobeurteilungen festgelegt. Das heißt also, hier werden einzelne Betriebe spezifisch auf den Hygienezustand, auf die baulichen Voraussetzungen und das bestehende Eigenkontrollsys tem hin bewertet. Aus diesen Kriterien heraus leitet sich dann die Kontrollfrequenz ab.

Der Rahmen des Systems der Risikobeurteilung ist überdies auch über die allgemeine Verwaltungsvorschrift als Rahmenüberwachung des Bundes für alle Länder verbindlich vorgegeben. Hiernach gibt es bei den Betrieben in Abhängigkeit von ihrem betrieblichen Risiko ein breites Spektrum zwischen

der täglichen Kontrolle bis hin zu einer Kontrollhäufigkeit von in der Regel einmal in drei Jahren.

Einige Betriebsarten wie der Getränkehandel sind zwar auch zu kontrollieren, aber ich meine, es ist sehr leicht nachzuvollziehen, dass es wenig Sinn machen würde, dort immer wieder zu kontrollieren, da diese Betriebe ohnehin zumeist nur mit geschlossenen Flaschen handeln, für die die lebensmittelrechtliche Zuständigkeit beim Hersteller liegt. Andere Händler von nicht kühlpflichtig verpackten Lebensmitteln werden bei diesem System möglicherweise alle fünf Jahre mit einer Kontrolle zu rechnen haben.

Betriebsarten mit einem höheren Risiko, z. B. Betriebe zur Herstellung von leicht verderblichen Fleischerzeugnissen – ich nenne hier noch einmal das Beispiel Hackfleisch oder mariniertes Fleisch, Frischwurst und anderes –, sind so kategorisiert, dass sie zumindest einmal im Vierteljahr kontrolliert werden müssen. Dann, wenn ein Betrieb kein schlüssiges Eigenkontrollsystem hat oder in anderer Weise auffällig ist, kann eine Kontrolle auch täglich stattfinden.

Ich denke, dass das eine sehr zielorientierte Vorgehensweise ist. Deswegen ist es auch nicht möglich, zu sagen, hier gebe es eine Statistik und auf dieser Basis könne eine Datenabfrage gestartet werden. Es gibt keine Standardisierung.

Frau Abg. HallerHaid, Sie hatten noch eine Nachfrage. Bitte sehr.

Frau Staatssekretärin, Sie sagten, die Betriebe würden regelmäßig kontrolliert. Allerdings kommt man auch dann auf eine hohe Anzahl von Kontrollen, wenn man beispielsweise Stände unter freiem Himmel kontrolliert. Man könnte also auf den Weihnachtsmarkt gehen und auf einen Schlag 200 Kontrollen durchführen. Mit solchen Methoden erhöht man natürlich die Zahlen in der Statistik.

Wie wollen Sie verhindern, dass die Landratsämter – möglicherweise schon aus Gründen der Personalknappheit – genau so vorgehen? Das ist meine erste Frage.

Meine zweite Frage ist: Kann es sein, dass die Zahl der Kontrollen auch deshalb zurückgegangen ist, weil die Landrats ämter möglicherweise ein hohes Interesse daran haben, die Bußgelder selbst zu verhängen, und auch aus diesem Grund Anzeigen an Polizei oder Staatsanwaltschaft nicht in dem entsprechenden Umfang weitergeben? Wenn Betriebe daraufhin jedoch tatsächlich nicht kontrolliert werden – das betrifft nicht nur Getränkehändler, sondern meines Wissens auch andere Betriebe –, dann verleitet das …

(Glocke der Präsidentin)

Ich bitte Sie, sich kurz zu fassen, Frau Kollegin.

… meiner Meinung nach zu einer Art Schludrigkeit, da man doch damit rechnen kann, dass keine Kontrollen erfolgen.

Frau Kollegin Haller-Haid, ich möchte sagen, mich befremdet schon, dass

Sie bei der hohen Verantwortung, die wir als oberste Behörde für die Lebensmittelkontrolle haben, so etwas in unserem Land für möglich halten, dass Sie hier also eine gewisse Beliebigkeit unterstellen. Tatsache ist, dass wir deswegen risikoorientiert vorgehen, weil die Zahl der Lebensmittelkontrolleure – das sei zugegeben – auf der Ebene der Landratsämter und der Stadtkreise nicht üppig ist. Darüber haben wir – auch mit Ihnen, Kollegin Kipfer – schon häufig gesprochen.

Ich möchte ebenso feststellen, dass ich als Vertreterin des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum sehr froh bin, dass in diesen Wochen oder Tagen eine Regelung im Benehmen mit den unteren Verwaltungsbehörden gefunden wurde, nämlich dass in den nächsten drei Jahren weitere 66 Lebensmittelkontrolleure ins System gegeben werden. Das ist immerhin ein Drittel mehr. Welche Landesverwaltung kann schon sagen, dass sie eine Erweiterung des Personalbudgets um 30 % erfahren hat?

Daher waren wir schon immer gezwungen, unser Personal sehr effizient einzusetzen. Das haben vor allem die Landrats ämter mit einem sehr großen Verantwortungsgefühl gemacht. Ich möchte hier nicht unterstellen, dass irgendwelche Einnahmequellen, die dem Landratsamt zugutekommen, eine Rolle gespielt hätten. Ich habe Ihnen die beiden Gründe genannt. Ansonsten gibt es sicherlich auch die Möglichkeit, dass das eine oder andere in den Bereich der Ordnungswidrigkeit fällt.

Das Wort hat Frau Abg. Kipfer für eine weitere Nachfrage.

Frau Staatssekretärin, um die Möglichkeit der Anzeige von Straftaten gegen das Lebensmittelrecht zu erleichtern, wurde auch von Ihrem Haus vor einigen Jahren infolge der Fleischskandale vorgeschlagen, dass Mitarbeiter entsprechender Betriebe vor Nachteilen geschützt werden, wenn sie ihren Betrieb anzeigen, wenn sie denn wissen, dass in diesem Betrieb Straftaten begangen werden. Können Sie mir sagen, wie dieser Vorschlag weiter gediehen ist? Er wurde auch von Ihrem Minister unterstützt.

Darüber ist auf bundespolitischer Ebene im Bundesrat diskutiert worden; das fand keine Mehrheit.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Gott sei Dank! – Abg. Birgit Kipfer SPD: Im Bundesrat?)

Vielen Dank. Damit ist die erste Mündliche Anfrage beantwortet.

Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 2 auf:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. D r. F r i e d r i c h B u l l i n g e r F D P / D V P – W a g e n m a t e r i a l a u f d e r M u r r t a l b a h n S t u t t g a r t – N ü r n b e r g

Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

(Beifall des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD)

Frau Präsidentin! Ich frage die Landesregierung:

a) Welche Bahnstrecken wurden im Nahverkehr Baden-Würt

tembergs bisher und werden bis 2016 mit neuem Wagenmaterial ausgestattet?

b) Ist es möglich, den Nachrüstungsprozess beim Wagenmaterial so zu gestalten, dass zeitnah mindestens zwei oder vier Zugpaare auf der Murrtalbahn nachgerüstet werden und somit zu den Hauptpendlerzeiten ein zumutbares SPNV-Angebot gewährleistet werden kann?

(Beifall des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Köberle für die Beantwortung der Anfrage.

Liebe Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ihre Anfrage zur Murrtalbahn, lieber Kollege Bullinger, beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

In den letzten Jahren kamen auf einer ganzen Reihe von Bahnstrecken neue Fahrzeuge zum Einsatz. Ich kann Ihnen einmal die 17 Strecken nennen oder Ihnen das schriftlich zukommen lassen – wie Sie es wollen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Lassen Sie es mir schriftlich zukommen!)

Aber ich glaube, es ist sehr beeindruckend, dass im Lauf der letzten Jahre fast flächendeckend im ganzen Land investiert wurde.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Außer Murrtalbahn!)

Ja, außer bei der Murrtalbahn.