Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Da wollen wir hin – nicht irgendwo anders hin.

Diese Vergleiche hat es übrigens gegeben. Betrachten wir einmal die Achtzigerjahre, und zwar nicht nur die Regierungszeit von Rot-Grün vor einigen Jahren. In den Achtzigerjahren gab es einen Bundesfinanzminister namens Stoltenberg, der eine dreistufige Steuerreform durchgeführt hat. Ich erinnere mich auch noch gut an die Situation vor 20 Jahren, als wir gesagt haben: „Die Einheit kommt“, und als wir gesagt haben: „Die wirtschaftliche Situation ist gut; die Kassen sind voll.“ Das war das Ergebnis einer Steuerreform und nicht das Ergebnis von Steuererhöhungen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Deshalb ist und bleibt es richtig: Wenn wir wirtschaftliches Wachstum wollen, dann muss das Geld nicht in die Hände des Staates kommen; dieses Geld muss vielmehr Freiräume schaffen, dieses Geld muss in die Hände der Verbraucher, in die Hände der Familien, in die Hände der Unternehmen gelangen, damit sie investieren können.

Das ist der richtige Weg. Deshalb wird Baden-Württemberg dieses Wachtumsbeschleunigungsgesetz ganz bestimmt nicht blockieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Aktuelle Debatte unter Tagesordnungspunkt 2 ist damit beendet.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zu dem Staatsvertrag zur Ausführung von Artikel 91 c GG – Drucksache 14/5490

Das Präsidium hat folgende Redezeit festgelegt: nach der Begründung durch die Regierung in der Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Zur Begründung durch die Landesregierung erteile ich Herrn Staatssekretär Köberle das Wort.

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir alle erinnern uns an die Föderalismuskommission II, die im März dieses Jahres ein ganzes Bündel von Maßnahmen beschlossen hat. Zu diesen Maßnahmen gehört auch die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Informationstechnik und der Informationsnetze. Der hierfür seinerzeit ebenfalls beschlossene neue Artikel 91 c des Grundgesetzes und das Gesetz über die Verbindung der informationstechnischen Netze des Bundes und der Länder sind bereits im August 2009 in Kraft getreten.

Mit dem Gesetzentwurf, den Ihnen die Landesregierung heute vorlegt, geht es um die Ratifizierung des Staatsvertrags über die Errichtung des IT-Planungsrats und über die Grundlagen

der Zusammenarbeit beim Einsatz der Informationstechnologie in den Verwaltungen in Bund und Ländern. Den Wortlaut dieses Staatsvertrags kennen Sie. Er war Gegenstand der Plenarsitzung am 8. Oktober. Die Regierungschefs aller Länder und der Bundesinnenminister haben den Staatsvertrag inzwischen paraphiert.

Was regelt dieser Staatsvertrag? Ich will die drei wichtigsten Punkte herausnehmen.

Erstens: Er soll Bund und Ländern ermöglichen, bei der Errichtung und dem Betrieb informationstechnischer Systeme zusammenzuwirken. Vor allem geht es um einheitliche Standards und Sicherheitsanforderungen, die wiederum Voraussetzungen für gemeinsame Projekte sind.

Zweitens geht es um ein gemeinsames Verbindungsnetz von Bund und Ländern auf der Basis der vorhandenen Netze. Wir wissen schon heute, dass wir damit einen Netzbetrieb erreichen werden, der noch wirtschaftlicher und noch sicherer sein wird.

Drittens will ich die Einrichtung eines IT-Planungsrats als beschließendes Bund-Länder-Organ ansprechen. Der IT-Planungsrat soll die Zusammenarbeit im Bereich der Informationstechnik koordinieren. Er soll gemeinsame IT-Standards beschließen und konkrete E-Government-Projekte steuern. Der IT-Planungsrat wird Mehrheitsentscheidungen treffen können, wenn der Bund sowie elf Länder einem Vorhaben zustimmen. Die zustimmenden Länder müssen mindestens zwei Drittel der Finanzierungsanteile an dem Königsteiner Schlüssel abbilden.

Der IT-Planungsrat wird über eine beim Bundesinnenminister angesiedelte Geschäftsstelle verfügen, die von Bund und Ländern gemeinsam getragen wird. Wir gehen davon aus, dass für die Finanzierung dieser Geschäftsstelle sowie jetzt schon anlaufender Projekte ein Mehraufwand von jährlich ca. 400 000 € auf das Land Baden-Württemberg zukommen wird. Weitere Kosten können aus konkreten Projekten entstehen. Allerdings müssen Investitionen in E-Government-Projekte das Ziel haben, Verwaltung insgesamt wirtschaftlicher zu machen. Das gilt übrigens auch für die Kundenseite, für die Bürgerinnen und Bürger und für die Wirtschaft. Sie sollen auf einfacherem und damit für sie kostengünstigerem Weg Verwaltungsdienstleistungen verlangen können und diese auch erhalten.

Die kommunale Seite wird im IT-Planungsrat mit beratender Stimme vertreten sein. Sie hat dennoch sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene die Sorge geäußert, dass Entscheidungen des IT-Planungsrats weitreichende Folgen für die IT der Kommunen haben könnten, ohne dass dies in der Stimmgewichtung im IT-Planungsrat zum Ausdruck käme. Außerdem könnten diese Entscheidungen die kommunalen Kassen belasten.

Diese Sorgen der kommunalen Seite nehmen wir sehr ernst. Uns ist die Einbindung der kommunalen Seite in den Meinungs- und Entscheidungsbildungsprozess ein wichtiges Anliegen. Wir haben deshalb die ressortübergreifenden Koordinierungsgremien im Bereich der Informationstechnik, nämlich den Landessystemausschuss und den Arbeitskreis Informationstechnik, um Vertreter der kommunalen Landesverbände erweitert.

Zu den möglichen finanziellen Auswirkungen möchte ich anmerken, dass Beschlüsse des IT-Planungsrats nicht unmittelbar eine Bindungswirkung entfalten, wie dies etwa bei Gesetzen der Fall ist. Diese Wirkung haben sie letztlich erst dann, wenn sie landesrechtlich umgesetzt werden. Das Land wird vor Entscheidungen des IT-Planungsrats selbstverständlich darauf zu achten haben, ob das Konnexitätsprinzip greifen könnte.

Die Neuaufstellung der IT-Steuerung durch den IT-Planungsrat ist kein Selbstzweck. Wirtschaft und Bürger erwarten selbstverständlich ein durchgängiges und alle Verwaltungs ebenen umgreifendes E-Government-Angebot. Es ist keine Frage, dass die IuK im Land und in den Kommunen auch künftig von den jeweils für IuK Zuständigen gestaltet wird.

Sinnvollen Abstimmungen und Standards können wir uns auf Bund-Länder-Ebene jedoch nicht verschließen. Die elektronische Kommunikation von Bürgern und Unternehmen mit der Verwaltung wird nach meiner Überzeugung zunehmend selbstverständlich werden. Der hier vorgestellte rechtliche Rahmen als Grundlage für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern mit dem IT-Planungsrat wird ländergrenzenübergreifende Standards und Regeln ermöglichen. So wird z. B. ein Bürger, der in Ulm oder in Mannheim wohnt, jedoch als Arbeitnehmer oder als Unternehmer in Neu-Ulm oder in Ludwigshafen tätig ist, Verfahren diesseits und jenseits des Rheins bzw. der Donau nach einheitlichen Mustern abwickeln können.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der Staatsvertrag wird zum 1. April 2010 in Kraft treten, wenn bis zum 31. März 2010 die Ratifikationsurkunden von mindestens 13 Vertragspartnern vorliegen. Ich bitte Sie, dem vorliegenden Gesetzentwurf zuzustimmen und damit die Unterschrift unseres Ministerpräsidenten unter den Staatsvertrag zu ratifizieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Wolf.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den etwas hitzigen Debatten des heutigen Vormittags scheint mir dieses Thema nun durchaus geeignet, wieder zu einem großen Konsens in diesem Hohen Haus zu kommen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE und Abg. Peter Hofe- lich SPD: Abwarten! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Man soll den Tag nicht vor dem Ende der letzten Re- de loben!)

Herr Staatssekretär Köberle hat, denke ich, den Inhalt des Staatsvertrags, um den es heute geht, umfassend dargelegt. Er hat nochmals ausgeführt – ich will mich dem anschließen –, dass der Ausgangspunkt eine Grundgesetzänderung im Zuge der Föderalismusreform II war, die sich mit der Informationstechnik als einer der bedeutendsten Infrastrukturen des 21. Jahrhunderts auseinandersetzte. Damit wurde Sorge dafür getragen, dass Deutschland der erste Staat ist, der Strukturregelungen für die Informationstechnik mit Verfassungsrang ausstattet.

Das ist die Basis, auf der wir heute über den Staatsvertrag beraten, der die Einrichtung eines IT-Planungsrats und die Abstimmung von Gesprächen und Diskussionen auf unterschiedlichen Ebenen – Bund, Land und Kommunen – vorsieht.

Ich möchte unserem Innenministerium dafür danken, dass dabei insbesondere auch die Belange und die Vorbehalte der kommunalen Landesverbände aufgegriffen worden sind.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Na ja! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Lobet und danket!)

Die Vorbehalte der kommunalen Landesverbände gingen in die Richtung, dass in den IT-Planungsrat in gleicher Weise auch kommunale Vertreter aufgenommen und die kommunalen Interessen gewahrt werden müssen. Das ist zugesagt. Natürlich müssen gemäß dem Konnexitätsprinzip auch gegebenenfalls entstehende Mehrkosten übernommen werden. Das alles ist den Kommunen zugesagt worden, und deshalb können wir seitens der CDU-Fraktion unsere Zustimmung zu diesem Staatsvertrag in Aussicht stellen.

Meine Damen und Herren, ich möchte doch noch einmal die Bedeutung des Staatsvertrags unterstreichen. Es geht hier nicht nur formal um die IT-Strukturen. Es geht vielmehr vor allem darum, dass wir eine Entwicklung, die sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten auf Bundes-, auf Länderebene und auf der Ebene der Kommunen vollzogen hat, nicht nur der freiwilligen Praxis überlassen, sondern dass wir hier verbindliche, verlässliche und schnellere Strukturen einziehen. Dem ist mit der Grundgesetzänderung und der darauf basierenden staatsvertraglichen Regelung Rechnung getragen. Insofern signalisiere ich, dass wir seitens der CDU-Landtagsfraktion diesem Staatsvertrag unsere Zustimmung erteilen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hofelich.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Er stimmt auch zu!)

Werter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Die Informations- und Kommunikationstechnik ist die Infrastruktur der Zukunft. Deswegen ist es richtig, dass wir ihr – ähnlich, wie das bei Eisenbahnen der Fall war und wie das beim Luftverkehr der Fall ist – auch Verfassungsrang geben, dass sie im Grundgesetz genannt wird. Dieser Staatsvertrag zu Artikel 91 c des Grundgesetzes ist notwendig und überfällig. So weit reicht der Konsens, Herr Kollege Wolf, in jedem Fall.

Wir haben es in der Informationstechnik in Baden-Württemberg mit einem Dickicht von Verantwortlichkeiten zu tun. Wir haben horizontale Kompetenzen, bei denen alle Länder in ihren jeweiligen Fachgebieten, etwa bei der Polizei, jeweils eigene Anwendungen eingeführt haben, und wir haben vertikale Kompetenzen, bei denen – etwa im Bereich der Steuerverwaltung – Fachlösungen umgesetzt wurden, die mit großer Mühe zusammengebracht worden sind und nicht immer optimal sind. Wir haben eine Situation, dass wir in Baden-Würt temberg wie in Deutschland insgesamt ein Dickicht von Lö

sungen haben, bei denen wir nicht sicher sind, ob es wirklich die weltbesten sind und ob das der Standard ist, der in der Welt heute gefragt ist.

Wenn sich Delegationen von Politikerinnen und Politikern kundig machen wollen, gehen sie auf der Suche nach Vorbildern heute nach Österreich und schauen sich das dort an, gehen sie nach Wisconsin und schauen sich das dort an bzw. gehen sie in andere Teile der Welt, um sich zu informieren. Deutschland ist nicht der Platz, den man bei informationstechnischen Lösungen im öffentlichen Dienst als vorbildlich betrachtet. Dies ist die Situation.

Das neue Gesetz hebt darauf ab, dass wir etwas ändern. Spätestens mit E-Government, mit der Tatsache, dass die Benutzer bei der Informationstechnik im öffentlichen Dienst genauer hinschauen, dass sich IT nicht mehr irgendwo in Rechenzentren anonym abspielt, sondern dass sie zum Benutzer, zum Bürger gebracht wird, ist die Informationstechnik auch beweispflichtig geworden, dass sie funktioniert, und zwar in unserem Land wie in Gesamtdeutschland.

Deswegen sage ich an dieser Stelle: Es ist richtig, dass wir das Thema aufnehmen; es ist aber auch richtig, dass wir es kritisch daraufhin beleuchten, was sich auch bei uns im Land verändern muss. Dazu will ich ein paar Sätze sagen.

Zunächst einmal zum Gesetz selbst. Der IT-Planungsrat ist das zentrale Steuerungsinstrument, das von Bund und Ländern eingeführt wird. Das ist richtig. Der IT-Planungsrat löst auch bisherige Gremien ab, die etwa nur aufgesetzt waren, wie etwa die Staatssekretärsrunde Deutschland-Online und vor allem der KoopA, der im Grunde genommen die IT-Referenten von Bund und Ländern über viele Jahrzehnte vereinigt hat. Insofern ist das ein Akt der Vereinfachung, wenn das tatsächlich auch gelebt wird.

Bei den Aufgaben, Herr Staatssekretär, haben Sie darauf hingewiesen, was gemacht wird. Ich will an dieser Stelle nur sagen, was ich für besonders bedeutsam halte. Ich finde es bedeutsam, dass man vom Einstimmigkeitsprinzip zum Prinzip der qualifizierten Mehrheit kommt. Ich finde es bedeutsam, dass wir im Bereich der Interoperabilität in Zukunft vermeiden können, dass es Medienbrüche gibt. Das ist insbesondere für den Benutzer wichtig. Ich finde es auch wichtig, dass Bund und Länder bei den Vergabeverfahren möglicherweise eine andere Vorgehensweise wählen können und auch gemeinsam eine Bewirtschaftung vornehmen können. Das sind wichtige Fortschritte.

Es gibt Einwände, die wir auch nachlesen können. Ein Einwand betrifft den Datenschutz. Daher ist weiterhin – das gilt für die künftigen Beratungen im Ausschuss – eingehend über die Missbrauchsgefahr zu debattieren, weil wir es mit großen Datenmengen zu tun haben.

Es ist völlig klar, dass wir auf die Kosten achten müssen. Sie beziffern die Zusatzkosten für das Land auf 400 000 €. Diesen Beitrag erbringt nicht jedes Land. Hier bitten wir auch um eine klare Begründung.