Erstens: Nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Frau Bundeskanzlerin mittlerweile ebenfalls – im Einvernehmen mit dem Herrn Finanzminister, in einer Koalition im Bund, der Sie angehören – den Ankauf dieser Daten befürwortet?
Zweitens: Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir nichts dagegen haben, dass diese Forderungen verfolgt und eingetrieben werden, sondern dass wir kritisiert haben, dass Sie in der Landesregierung bisher nicht in der Lage waren, dies effektiv zu verfolgen?
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Was hat das mit dem Haushalt zu tun? – Gegenrufe von der SPD, u. a. Abg. Ingo Rust: Das ist Geld! – Unruhe)
Ich will auf die Geschichte mit der CD hier nicht weiter eingehen. Die Diskussion geht durch die Parteien. Ich selbst würde sie nicht kaufen. Aber das steht hier nicht zur Debatte.
Vielmehr steht hier zur Debatte, den Versuch zu unternehmen – in diesem Fall auf zweifellos legale Art –, dass die Gemeinschaft durch das Hereinholen von Forderungen wieder an ihr Geld herankommt,
und in diesem Fall auch einmal mit einem Partner zusammenzuarbeiten. Da könnten Sie genauso Ihren Arzt fragen: „Warum schreiben Sie mir nicht selbst die Rechnung? Warum gibt es eine Privatärztliche Verrechnungsstelle?“ Es gibt heute Unternehmen, die darauf spezialisiert sind, Forderungen einzubringen. Das ist nicht unbedingt das Geschäft des Arztes. Es ist auch nicht unbedingt das Geschäft des Staates, jede Forderung selbst weiterzuverfolgen. Hier können spezialisierte Unternehmen freundliche Mahnungen schreiben. Das wirkt übrigens schon jetzt. Wir brauchen nicht länger darüber zu diskutieren. Sie werden demnächst Zahlen hierzu erhalten. Herr Abg. Dr. Wetzel hat hierzu eine Anfrage gestellt.
Das Geld ist bereits in der Kasse. Wir können es brauchen. Wir können es für neue Aufgaben brauchen. Sie sind angesprochen worden. Ich nenne als Beispiel das Konzept zum Umgang mit besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern (KURS). Dieses Konzept ist im Rahmen des aktuellen Haushalts hinzugekommen. Wir werden jetzt rückfallgefährdete Straftäter nach der Entlassung noch ein Stück weit durch die Behörden beobachten. Sie werden nicht öffentlich angeprangert, aber sie werden durch die beteiligten Institutionen ein Stück weit beobachtet, damit sie nicht in den falschen Zusammenhängen wieder auftauchen, damit nicht – einen solchen Fall gab es im Bundesgebiet – ein rückfallgefährdeter Sexualstraftäter im Schwimmunterricht bei Kindern auftaucht. Das darf nicht passieren.
Wir werden durch zusätzliche Mittel, die noch auf der Zielgeraden der Haushaltsberatungen beschlossen worden sind – vielen Dank dafür –, die Anstrengungen zur Therapie von rückfallgefährdeten Tätern erheblich verstärken können.
Wir gehen neue Wege – weil manchmal auch der Vollzug eine schädliche Wirkung haben kann –, wenn jemand seine Geldstrafe nicht bezahlen kann. Wir werden hier die Fußfessel ausprobieren. Aber die Fußfessel wird nicht in Konkurrenz mit dem Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ treten. Denn das Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ bauen wir gleichzeitig noch stärker aus.
Wir versuchen, die Allgemeinheit durch einen resozialisierungsorientierten Vollzug vor Straftaten zu schützen. Aber dieser Vollzug – darauf kommt es mir an – ist auch sicher. Da habe ich an einer Stelle in der Debatte schon aufgehorcht. Wer z. B. behauptet, dass durch ein Konzept wie in der Vollzugsanstalt Offenburg die Sicherheit leide, der macht eine gefährliche Bemerkung, weil er Ängste schürt, die völlig unbegründet sind.
In Frankreich werden seit Jahrzehnten 22 Anstalten nach demselben Konzept wie in Offenburg geführt. In diesen Anstalten ist die Sicherheit tendenziell höher als in deutschen Anstalten. Übrigens ist die französische Vollzugsphilosophie nicht so stark resozialisierungsorientiert wie die unsrige;
Aber Sie können nicht behaupten, dass in den Anstalten, die so geführt werden, mehr passierte. Es ist doch ein bisschen witzig, wenn Sie sich da auf den auch von mir hoch geschätzten Bund der Strafvollzugsbediensteten berufen. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten wird natürlich verbandsmäßig zu der Aussage neigen, dass nur seine Mitglieder kochen, waschen und die Gebäude instand halten können.
Das können aber auch andere. Insofern ist das Ganze wenig sensationell. Aber wir können uns auch nicht zum Sprachrohr einer berufsständischen Vereinigung machen. Das können Sie als Opposition. Das machen wir nicht.
Das machen wir auch beim Richterbund nicht, wobei Sie die Diskussionen, die wir teilweise mit dem Richterbund hatten, im Grunde genommen völlig verzerrt dargestellt haben. Ich weiß nicht, ob wir die Zeit haben, hier noch einmal darauf einzugehen. Ich nenne Ihnen nur ein Beispiel, worüber wir mit dem Richterbund diskutiert haben, was übrigens auch zeigt: Es ist ja nicht so, dass hier ein schlechter Draht vorhanden wäre. Dafür werden Sie nirgendwo im Land eine Bestätigung finden. Aber es gibt natürlich Themen, bei denen man auch einmal unterschiedlicher Meinung ist.
Beispielsweise sind die Oberlandesgerichte bis heute der Überzeugung, dass jemand nur dann in die Beförderungsstufe R 2 – das ist das erste Beförderungsamt – kommen kann, wenn er am OLG erprobt worden ist. Das ist die Meinung der Praxis. Wir haben gesagt: Was ist denn, wenn er ein paar Jahre beim Bundesverfassungsgericht oder beim BGH war? Das sind Gerichte, die bei uns im Land ihren Sitz haben. Alle anderen Bundesländer akzeptieren, dass man, um ins erste Beförderungsamt zu kommen, auch vielleicht ein paar Jahre beim BGH oder beim Bundesverfassungsgericht dienen darf. Aber unsere Richterschaft – mittlerweile ist es mir egal; ich streite nicht darüber – ist der Meinung, dass jemand selbst dann, wenn er beim BGH und beim Bundesverfassungsge
richt war, noch zum OLG muss, bevor er ins erste Beförderungsamt kommen kann. Das sehe ich anders. Aber das sind die Diskussionen, um die es da geht. Diese mögen Sie dann in dem Sinn aufgreifen, dass ein schlechter Kontakt vorhanden sei. Aber hier darf man wirklich nicht von schlechtem Kontakt reden, weil es nicht so ist.
Ich komme nachher noch zum Begriff des Discounter-Staatsverständnisses. Wir haben kein Discounter-Staatsverständnis. Auch da gibt man sich ein bisschen der Lächerlichkeit preis. Wenn Sie die Aufgabenerfüllung bundesweit vergleichen, werden Sie niemanden finden, der sagt, wir hätten bei uns den Staat irgendwo so abgebaut, dass die Aufgabenerfüllung leiden würde.
Das geht ebenso an der Realität vorbei wie der Hinweis, lieber Herr Oelmayer, dass wir den Gerichten doch Freiheit geben sollten. Die dezentrale Budgetierung ist längst eingeführt. Wir schreiben ihnen nicht vor, welche Kommentare sie zu kaufen haben. Sie müssen einmal in ein Amtsgericht gehen und sich erkundigen, wie es in den Amtsgerichten wirklich aussieht.
Noch wenige Sätze zu der Forderung, die immer wieder kommt, wir sollten die Zahl der Amtsgerichte reduzieren.
Sie vergleichen an dieser Stelle Äpfel mit Birnen. Man kann die Zahl der Grundbuchämter ohne Weiteres reduzieren. Sie nehmen eine technische Aufgabe der Datenspeicherung und -auskunft wahr. Das können Sie beliebig konzentrieren. Aber ich würde dringend davor warnen, die Rechtsprechung der Amtsgerichte zu konzentrieren.
Der Kollege Zimmermann hat bei dem Wort „Bürgernähe“ ein bisschen gekichert. Aber es gibt eine bestimmte Bürgernähe, die eine Rolle spielt. Ob z. B. ein Jugendlicher vor einen Amtsrichter kommt, den er kennt, dem er im Alltag in überschaubaren örtlichen Zusammenhängen begegnet, oder ob der Jugendliche dann, wenn er ein Delikt begangen hat, zum Amtsgericht in die 40 km entfernte Kreisstadt fährt und den Leuten sagt: „Ich gehe dorthin zum Einkaufen“, und gar niemand weiß, was passiert, das ist ein himmelweiter Unterschied.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: So ist es! – Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)
Ich plädiere da sehr für Kleinräumigkeit und für die Erhaltung des sozialen Kontakts. Trotzdem müssten wir einen Abbau vornehmen, wenn er etwas bringen würde.
Ich habe mich schon in den ersten ein, zwei Jahren meiner Amtszeit mit dem damaligen Rechnungshofpräsidenten zusammengesetzt, um dieses Thema zu erörtern.
Nein, das hat er eben nicht. Das Gespräch hat damit geendet, dass uns allen eigentlich klar war, dass für den Abbau von maximal 27 bis 30 Stellen der Verlust an Bürgernähe ein ganz, ganz schlechtes Geschäft wäre, wenn wir Rechtssicherheit und eine wirklich funktionierende Justiz haben wollen. Deswegen ist das Thema zu Recht ad acta gelegt worden, weil der Abbau wenig bringen, aber viel schaden würde.
Noch zwei weitere Themen zum Abschluss. Besonders erfreulich ist, dass wir etwas für die Familien tun können. Wir haben den Durchbruch geschafft. Wir haben zum ersten Mal behördennahe Kinderunterbringungsmöglichkeiten in der Justiz in Stuttgart und in Tübingen. Andere Plätze, andere Ministerien werden folgen. Ich glaube, dass das Land auch eine Verpflichtung gegenüber der Belegschaft hat, familienfreundlich zu sein, damit die Bediensteten ihre Kinder behördennah unterbringen können. Wir werden zusätzliche Telearbeitsplätze schaffen. Auch das ist eine familienfreundliche Maßnahme.
Die Bedeutung der Familie darf ich an dieser Stelle noch ein bisschen in den Vordergrund rücken. Ich erinnere an das Projekt – es gehört in den Bereich des Integrationsbeauftragten –, bei dem wir landesweit versuchen, die Eltern noch stärker an der Erziehung ihrer Kinder zu beteiligen. Wir setzen da vor allem bei Familien mit Migrationshintergrund, aber auch bei anderen Familien an. Wir wollen die Familien auf sanfte Art dazu bringen, dass sie die Verantwortung für ihre Kinder möglichst gut wahrnehmen.
Warum machen wir das? Dabei kann ich ein bisschen an die Frage nach dem Staatsverständnis anknüpfen. Wer jetzt noch nicht gemerkt hat, wie dringend wir darauf angewiesen sind, dass Aspekte, die im gesellschaftlichen Bereich geregelt werden können, dort auch geregelt werden, wer jetzt noch nicht gemerkt hat, dass sich der Staat hoffnungslos überfordert, wenn er meint, nur durch eine staatliche Intervention sei etwas gut geregelt, dem ist nicht zu helfen.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Lauter hoffnungslose Fälle! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)
Wir müssen dringend schauen, dass klassische Institutionen im gesellschaftlichen Bereich, wie die Familie, funktionsfähig bleiben und gestärkt werden, weil alles, was kommt, wenn sie nicht gestärkt werden, schlechter und teurer ist. Man muss es beim Namen nennen.
Damit bin ich beim letzten Stichwort, nämlich beim Ehrenamt. Auch das ist ein solches Thema, eine Frage nach dem Staatsverständnis. Wir freuen uns, dass wir in der Justiz so viel Ehrenamt haben. Die meisten wären überrascht, wenn alles aufgezählt würde, was in der Justiz ehrenamtlich passiert, gerade im Strafvollzug. Da sind natürlich die ehrenamtlichen Richter und die Vereine für Straffälligen- und Bewährungshilfe zu nennen. Das wird jetzt gerade bei der Bewährungshilfe offenkundig.
Ich weiß wirklich nicht, was man gegen die Form, in der wir es jetzt betreiben, überhaupt einwenden kann. Wir haben einen freien Träger als Partner, der das Personal um 40 hauptamtliche Stellen verstärkt hat, der uns schon jetzt 300 Ehren
amtliche gebracht hat, und zwar mit noch weiter steigender Tendenz, obwohl mir alle Leute erzählt haben: „Da bekommen Sie doch niemanden, der das macht.“ Wer jetzt noch seine Augen davor verschließt, dass sich die Situation bei der Bewährungshilfe im Land verbessert hat, auch dem ist leider nicht zu helfen.