Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Für uns schon!)

Dieser Haushalt reagiert nicht auf die Umwälzungen auf dem Agrarmarkt. Dieser Haushalt ist nicht strukturierend, sondern unverbindlich.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Der Verbraucherschutz ist nicht agierend, sondern reparierend. Der ländliche Raum ist vertreten, aber ohne klare Linie, ohne roten Faden. Wir verwalten noch immer, anstatt das zu gestalten, was die zukünftigen Ziele erfordern.

Jede Zeit braucht ihre eigene Lösung. Der Einzelplan 08 bleibt die Antwort auf die Lösung der Probleme der heutigen und der zukünftigen Zeit noch immer schuldig.

(Beifall bei der SPD – Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Man muss nur lesen!)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Dr. Murschel das Wort.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wenn das Finanzkonstrukt des Einzelplans 08 dadurch, dass es sehr, sehr viele Förderprogramme gibt, dass es Kofinanzierungen gibt, dass es Querfinanzierungen gibt, wirklich schwer zu durchschauen ist, bleibt dennoch eines ganz klar:

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Dieser Haushalt hat Kontinuität. Er wird gerade so weitergeführt wie bisher. Es ist ein „Weiter so wie bisher!“. Zwischen den Haushalten der Vergangenheit und dem jetzigen Vorschlag gibt es keine großen Unterschiede. Sie von der Regierung lassen sich hier vielleicht feiern. Aber angesichts der Herausforderungen der Haushalts- und der Finanzlage, der neuen Herausforderungen, die auch von der EU kommen, und der Situation bei den Landwirten enthält dieser Einzelplan keine Antworten; er gibt nur unzureichende Antworten auf das, was heutzutage gefragt ist.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Wo wollen wir denn in der Landwirtschaft hin, und wie sieht es real aus? Wir wollen eine Landwirtschaft, bei der die Bauern von ihrer Landbewirtschaftung und ihrer Tierhaltung leben können.

Herr Locherer, Sie haben vorhin kritisch angemerkt, die Grünen würden immer wieder in ein nostalgisches Bild einer Landwirtschaft abgleiten, von der heute niemand mehr leben kann. Faktisch ist es andersherum. Seit Jahren zeigt sich ein Höfesterben; seit Jahren können immer weniger Landwirte von dem leben, was sie auf ihrer Scholle verdienen. Sie sagen, dies sei die Struktur, dies sei Ihre Agrarpolitik und dies sei richtig. Sie sagen, man müsse lediglich investieren, um wettbewerbsfähig zu werden, und dann gehe es unseren Bauern gut. Selbst wenn der letzte Bauer seinen Hof geschlossen hat, wird das wahrscheinlich noch immer Ihre Argumentationsschiene sein.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Was ist Ihr Vor- schlag? – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Ich halte durch!)

Wir wollen, dass die Landwirte von ihrer Arbeit leben können. Hierfür werde ich noch Beispiele bringen. Wir wollen Qualität hineinbringen.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Wie?)

Wir wollen tiergerechte Bedingungen in den Vordergrund rücken. Wir wollen Genfreiheit als Markenzeichen, und wir wollen regionale Produkte unterstützen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das geht doch gar nicht! Jedes Tier hat Gene! – Vereinzelt Heiterkeit)

Sie wissen doch genau, was ich meine.

Die Welternährung, die vorhin bereits von meinem Vorredner angesprochen worden ist, werden wir nicht durch eine Intensivierung der Landwirtschaft in Europa oder Nordamerika retten. Der Weltagrarbericht hat eindeutig zum Ausdruck gebracht: „Business as usual is not an option.“

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Übersetzen!)

Das heißt, Ihr Ansatz, die Fortsetzung einer Landwirtschaftspolitik, die auf eine hohe Intensivierung mit all ihren negativen Folgen setzt – in Baden-Württemberg setzen wir, beispielsweise über die SchALVO, seit Jahrzehnten große Beträge für die Nitratreduzierung ein, um die Auswirkungen der Agrarpolitik zu bekämpfen, damit wir wieder „gesundes“ Wasser haben –, wird das Problem der Welternährung nicht lösen.

Im Gegenteil, es ist eine energieeffiziente Landwirtschaftsform geboten. Energieeffizienz bedeutet nicht die 12 000-Liter-Kuh im Stall mit allen Inputs, die diese Kuh braucht, die nur noch Maschine ist, was mit „tiergerecht“ nichts mehr zu tun hat. Energieeffizienz bedeutet vielmehr eine deutlich reduzierte Form der Landwirtschaft mit einer 6 000-Liter-Kuh, die, gemessen am wesentlich geringeren Input an Energie, eine wesentlich höhere Effizienz aufweist.

(Beifall bei den Grünen – Zurufe von der CDU)

Sie sollten auch einmal die Forschungsberichte lesen, die etwa von der Universität Hohenheim oder von anderen Agrarforschungseinrichtungen verfasst worden sind.

Wir haben Vorschläge gemacht, die darauf abzielen, strukturell etwas in diesem Haushalt zu verändern. Wir wollen zweistellige Millionenbeträge bei der Flurneuordnung einsparen.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Wo bitte?)

Das ist vorhin bereits angesprochen worden. Über 60 % der Mittel, die in die Flurneuordnung gesteckt werden, sind für den Wegebau vorgesehen. Deshalb frage ich, weshalb wir ein verstecktes Wegebauprogramm brauchen, das das Land finanziert. Das muss nicht sein.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Ich erkenne die positiven Aspekte einer Flurbereinigung durchaus an.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das heißt Flurneu- ordnung!)

Die Flurneuordnung soll ihren Zweck in der Verbesserung der Kulturlandschaft und der Bedingungen für die Landwirte haben. Wenn damit Wegebau verbunden ist, dann sollen das die Kommunen machen und hinterher auch finanzieren.

(Zuruf von der CDU: Und woher nehmen die das Geld?)

Zum Stichwort „Klimaschutz in der Landwirtschaft und bei der Nahrungsmittelproduktion“: Herr Locherer, Sie haben gesagt, wir dürften den Bogen beim Klimaschutz in der Landwirtschaft nicht überspannen. Darin klingt an: Bitte macht nicht allzu viel.

(Zuruf von der CDU: Es geht auch um Wettbewerbs- fähigkeit!)

Das ist genau das, was dabei herauskommt. Bei der Beratung des Einzelplans 07 hat der Wirtschaftsminister vorhin gesagt: Wir wollen 20 % des Stroms und 16 % der Wärme regenerativ erzeugen. Außerdem wollen wir 100 Bioenergiedörfer in der Zeitspanne XY. Na, klasse! Ob das nun ein ambitioniertes

Ziel ist, weiß ich nicht. Das ist ja wirklich gar nichts. Da überholen uns alle links und rechts und vorn und hinten und machen wesentlich mehr, und wir lehnen uns zurück und sagen: 16 % Wärme. Früher gab es einmal 100 % Regenerativwärme. So kommen wir dem Ziel nicht nahe,

(Beifall der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

das wir beim Klimaschutz in der Landwirtschaft erreichen wollen.

(Beifall bei den Grünen)

Wir wollen den Klimaschutz und die Landwirtschaft zusammenbringen. Die Landwirtschaft ist einerseits Opfer, andererseits aber auch Täter. So wurde im Rahmen des Forschungsprojekts „Klimarelevante Gase“ der Universität Hohenheim ermittelt, dass die landwirtschaftlich genutzten Flächen in Baden-Württemberg derzeit durchaus noch nicht, wie Sie meinten, Herr Locherer, als Senke für klimarelevante Gase fungieren und bis zu 10 % dieser Gase binden; vielmehr werden mindestens 10 % der Treibhausgase durch die Landwirtschaft freigesetzt. Hier zeigt sich derzeit also eine gegenläufige Entwicklung, und es besteht ein großes Potenzial, von 10 % plus auf 10 % minus zu kommen. Vorschläge gibt es dazu genügend. Die müssen in die entsprechenden Programme umgesetzt werden. Da nützt es nichts, zu sagen: Das haben wir doch alles im MEKA drin; das funktioniert doch alles.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Wie denn?)

Wir haben mit unseren Anträgen eine ganze Reihe von Vorschlägen eingebracht, die in Richtung Stickstoffoptimierung gehen: stickstoffsparende Produktion, mineralische Dünger, Einführung einer Stickstoffüberschussabgabe, konkrete Maßnahmen beim Grünland, Verbot des Umbruchs von Niedermooren und Anmooren, nachhaltige Produktion von Biomasse mit klaren Qualitätskriterien. Das geht weiter bei den Fragen, wie Regionalität stärker gefördert werden kann und wie der Fleischkonsum, sage ich einmal, auch von einer Landesregierung mitgesteuert werden kann.

Wir wollen

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Was?)

die Modulationsmittel nicht nur in die Milch fließen lassen. Denn angesichts der neuen Herausforderungen ist es ein Trugschluss, zu meinen, man könnte mit Umschichtungen in Höhe von ein paar Millionen Euro die Milchbauern zufriedenstellen. Das greift zu kurz; denn dieses Geld ist hinterher für Maßnahmen beispielsweise im Interesse des Klimaschutzes nicht mehr vorhanden. Das greift viel zu kurz. Damit wird einfach nur das Ventil ein bisschen geöffnet, damit die Landwirte, im konkreten Fall die Milchbauern, nicht so stark protestieren. Strukturell hilft das den Milchbauern nicht. Sie müssen hier in die Mengensteuerung hineingehen, und davor drücken Sie sich und versuchen, mit ein bisschen Geld, das hinterher an anderer Stelle fehlt, etwas zu erreichen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Schon einmal etwas von Marktwirtschaft ge- hört?)

Ja, genau. Sie wollen das mit marktwirtschaftlichen Methoden steuern, indem Sie Geld hineinpumpen. So viel Geld kön

nen Sie aber gar nicht hineinpumpen. Das Geld, das bundesweit zur Verfügung steht, würde gerade einmal reichen, um das auszugleichen, was in Baden-Württemberg notwendig ist – ganz zu schweigen von dem, was für die anderen Bundesländer notwendig ist. Das ist also Augenwischerei, was Sie da machen. Das bringt überhaupt nichts.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Sie brauchen wie viel?)