Protokoll der Sitzung vom 11.10.2006

Dann, Herr Schmid, schützt diese Kulturgüterliste das Gut nicht vor dem Verkauf nach außerhalb von Baden

(Heiterkeit des Abg. Stefan Mappus CDU – Abg. Ute Vogt SPD: Aber Baden liegt in Deutschland! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Baden liegt in Eu- ropa, heißt es!)

und auch nicht nach außerhalb von Baden-Württemberg, sondern das ist eine Liste, die lediglich verhindert, dass die Kulturgüter nach außerhalb von Deutschland verkauft werden.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Aber die Marktgän- gigkeit wird deutlich eingeschränkt!)

Weil die Marktgängigkeit eingeschränkt wird, steht auch eine Entschädigung zu. So einfach ist die Geschichte also nicht.

Das heißt, zum Ersten kann man nicht die ganze Bibliothek unter Schutz stellen, sondern nur Einzelstücke, die wir ohnehin nicht abgeben wollen, und zum Zweiten stünde dann demjenigen, der eine Ertragsminderung hat, weil der internationale Markt nicht mehr zur Verfügung steht, eine Entschädigung zu. Bevor man also die Liste aufruft, sollte man sie kennen und auch die Bedingungen kennen, unter denen solche Objekte auf die Liste kommen.

Der Vorschlag, der jetzt hier diskutiert wird, zeigt insgesamt, dass wir mit einem relativ geringen Einsatz seitens des Landes einen hohen Gewinn an Kulturgütern für das Land haben werden: vom Schloss Salem bis hin zu Handschriften und zu Gemälden und der sogenannten Türkenbeute. Jeder, der einen anderen Vorschlag machen will, muss entweder Kulturgüter abgeben wollen oder Steuermittel einsetzen wollen. Jedenfalls wüsste ich keinen vernünftigeren Vorschlag als den, der jetzt auf dem Tisch liegt. Das sage ich gerade als jemand, der auch mit seinem Haus einen hohen Sachverstand in diese Dinge einbringen kann. Wir kennen die Bestände der Badischen Landesbibliothek und unserer Museen wahrscheinlich doch besser als viele andere – zumal sie ja zum Teil auch nicht zugänglich sind, was ihren Wert für die Wissenschaft aber nicht mindert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Heberer.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin erstaunt, welch schlechtes Gedächtnis man hier zum Teil hat, was die Vorgehensweise der letzen Wochen angeht. Man versucht, etwas zu vertuschen, was man doch noch vor Kurzem vorhatte. Es werden wohlfeile Worte für einen immer noch völlig intransparenten Vorgang gefunden. Es gibt ständig neue Informationen – auch heute hier in dieser Debatte.

Zuerst hatte der Besitzstand der Kulturgüter, die nicht dem Land gehören, einen Wert von 300 Millionen €; jetzt sind es 70 Millionen €. Es wurde bisher noch nie gesagt, heute zum ersten Mal

(Abg. Dr. Stefan Scheffold und Abg. Christoph Palm CDU: Zuhören!)

lesen, lesen in diesem Fall, doch, doch –,

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Das wurde im- mer gesagt!)

dass das Land die Schriften erwerben und erhalten möchte. Das wurde hier gesagt, und dafür möchte ich allen gratulieren, die das hier ausgesprochen haben. Aber man hat in der heutigen Debatte den Eindruck, dass sich in den vergangenen Wochen eine ganze Nation geirrt hat.

In der Frage des Handschriftenverkaufs und des Erhalts von Schloss Salem hatten wir uns nämlich mit mehreren Ebenen auseinanderzusetzen und werden das auch in Zukunft noch weiter zu tun haben: mit der finanzpolitischen Situation, der juristischen Frage – das wurde breit erörtert –, der kulturpolitischen Dimension, aber auch mit der Verfahrensfrage, der Gesinnung und der Art und Weise, wie das offenkundig komplexe Thema zu lösen ist bzw. wie versucht wird, es zu lösen. Man könnte auch sagen: Es ist die Moral der Geschichte.

In der aktuellen Pressemitteilung des Staatsministeriums heißt es, der Ministerpräsident wolle Maßnahmen ergreifen, um Schloss Salem und das Kulturgut der badischen Geschichte auf Dauer zu sichern. Das ist gut so. Hier sei ein jahrzehntelang schwelendes Problem zu lösen. Das ist in der Tat richtig. Das wurde hier festgestellt. Warum aber nach Jahrzehnten der Untätigkeit plötzlich diese unsensible, konzeptionslose Hast, meine Damen und Herren?

Zuerst sollte der Verkauf wertvoller Handschriften im Wert von 70 Millionen € am Landtag und an der Öffentlichkeit vorbeigemogelt werden. Nach Ruchbarwerden dieses Plans

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Was? – Abg. Stefan Mappus CDU: Das Schriftstück, das Sie vorlesen, ist nicht mehr ganz aktuell!)

ja, ich weiß, das haben einige schon vergessen – und dem weltweiten Aufschrei und Protesten von Wissenschaftlern aus Oxford, Yale, Cambridge, Harvard und aller Fachverbände und Kulturinstitutionen in der ganzen Republik begann das erste Zurückrudern.

Die neue Devise war nun: Es sollten nur noch Verkaufserlöse in Höhe von 30 Millionen € erzielt werden, um das Haus Baden zu entlasten. Über die 40 Millionen €, die zunächst in der Diskussion waren, um den Fortbestand der

Gebäude zu sichern, wurde nicht mehr diskutiert. Sie fielen unter den Tisch. Das ist jetzt wohl die zweite Tranche, über die diskutiert wird. Aber so erschreckt mussten die Akteure über das Entsetzen der Fachwelt, die den Deal nämlich nicht zu Unrecht als Barbarei, Banausentum, Teppichhändlertum und als kunsthistorischen Skandal bezeichnete, wohl gewesen sein, um so zurückzurudern.

(Beifall bei der SPD)

Der Finanzminister wehrte zu diesem Zeitpunkt jedes andere Finanzierungsmodell als abwegig und unfinanzierbar ab.

Der Ministerpräsident wiederum gab sich noch in der letzten Woche damit zufrieden, dass der Aufruhr ja nur im Feuilletonteil und nicht im Wirtschaftsteil der Zeitungen erscheine und damit für ihn ja auch irrelevant sei. Welcher Trugschluss, meine Damen und Herren, und welch entlarvende Peinlichkeit für ganz Baden-Württemberg, für ein Land mit einer stolzen, identitätsstiftenden Geschichte, deren hohe kulturelle Bedeutung beim Karlsruher Kulturkongress durch den Ministerpräsidenten noch mit großem Pathos gewürdigt wurde!

(Beifall bei der SPD)

Ich frage Sie, Herr Oettinger: War das etwa gar nicht so gemeint?

In diesem Zusammenhang tritt der Wissenschaftsminister zusammen mit seinem Finanzministerkollegen ausdrücklich dem Verdacht entgegen, ein Kulturbanause zu sein. Diese Frage können und wollen wir hier natürlich nicht beurteilen, meine Damen und Herren. Aber in meiner Heimatstadt Mannheim, wo gegenwärtig die kulturwissenschaftlichen Fächer an der Universität mit Billigung von Professor Frankenberg „demoliert“ werden sollen,

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Was?)

gibt es Menschen, die in diesem Vorgang durchaus einen Beleg für diesen Verdacht sehen.

Beim Verscherbeln der Kulturschätze aus Baden, das früher einmal die im innersten Europa gelegene Wiege der Kultur war,

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

nahm man nicht nur in Kauf, durch Herausnehmen und Absetzen der wertvollsten Blätter eine in sich zusammenhängende Sammlung zu zerstören und dadurch den verbleibenden Rest wertlos zu machen.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abgeordnete, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Ich gebe die Zeit noch dazu, die mir durch Zwischenrufe verloren gegangen ist.

(Heiterkeit – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das entscheidet der Präsident! – Zurufe von der CDU und der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Außerdem ist es – entschuldigen Sie – meine erste Rede vor diesem Parlament. Da braucht man ein bisschen mehr Luft, und es haben so viele vorhin etwas gesagt.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Dann hätte ich zehn Minuten länger reden dürfen!)

Ich bin gleich fertig. Das Wichtigste kommt ja noch.

(Zuruf des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP)

Nachdem Sie sich jetzt alle geäußert haben, fahre ich fort: Die Verantwortlichen sahen überhaupt nicht das politisch brisante Risiko, das bei einem Verkauf der Handschriften ins nichteuropäische Ausland entstanden wäre. Erst seit Kulturstaatsminister Bernd Neumann dieser Tage mit seinem strikten Machtwort zum Ausdruck brachte, dass er im Verkauf der Handschriften einen fahrlässigen Umgang mit unserem Kulturerbe sehe, den er aus kulturpolitischer Sicht für nicht vertretbar halte, kam es zu der entscheidenden Wende und entstand eine neue Handlungsstrategie.

(Lachen des Abg. Stefan Mappus CDU – Abg. Hei- derose Berroth FDP/DVP: Ist Ihre Redezeit abge- laufen oder nicht?)

Es gab aber keine erkennbare Umkehr und kein erkennbares Umdenken. Die heute publizierte Devise ist ein Dreisäulenmodell.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Haben wir eine festge- legte Redezeit, oder haben wir keine?)

Inhaltlich unverändert ist dabei, dass Verkäufe weiterhin nicht ausgeschlossen sind.

(Unruhe)

Ganz kurz: Diese drei Säulen beinhalten – –

(Zuruf des Abg. Stefan Mappus CDU)

Ja, ich weiß; ist okay. Sie dürfen nachher auch ein bisschen länger reden.