Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Lieber Kollege Bopp, ich gehöre dem Land tag schon einige Jahre an. Auf einen Tag habe ich bisher ver geblich gewartet. Egal, wie richtig und wichtig ein Antrag von uns war: Ich habe noch nie vonseiten der Regierung oder der Regierungsfraktionen gehört, dass er zum richtigen Zeitpunkt eingebracht worden wäre. Ich glaube, das wird auch weiter hin so sein, egal, welchen Antrag wir stellen werden.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Woran liegt das wohl? – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ein mal überlegen, woran das liegt! – Vereinzelt Heiter keit)
Den Vorschlag des Kollegen von der SPD greife ich gern auf. Ich habe auch von Kollegen der CDU und der FDP/DVP Zu stimmung signalisiert bekommen, unseren Antrag an den Ständigen Ausschuss zu überweisen. So können wir es gern machen. Dann können wir auf der Grundlage dieses Antrags im Ständigen Ausschuss über die Gesamtthematik diskutie ren.
Worüber wir uns einig sind, Kollege Bopp, ist: Wir brauchen eine ganz anders geartete Behörde. Wir dürfen nicht nur zu sammenlegen. Vielmehr muss die Unabhängigkeit dieser Be hörde, wie wir – zumindest drei Fraktionen dieses Hauses – sie schon seit vielen Jahren immer gefordert haben, nun end lich gewährleistet sein. Das seinerzeit zu erwartende Urteil des EuGH hat die CDU in ihrem Umdenkprozess maßgeblich unterstützt. Wir sind froh, dass wir da jetzt alle gemeinsam diesen Weg beschreiten werden.
Ich gebe der CDU-Fraktion auch dahin gehend recht, dass es sinnvoll ist, bundesweit eine einheitliche Lösung zu finden, damit es nicht weiterhin eine Zersplitterung gibt, wie wir sie in der Vergangenheit hatten. Man sieht, wie angreifbar das ist.
Von meinem Vorredner wurde darauf hingewiesen, dass ei nerseits viele Menschen in unserer Gesellschaft darauf be dacht sind, dass ihre Daten geschützt sind und eine informa tionelle Selbstbestimmung stattfindet, dass aber andererseits im Alltag oft sehr leichtfertig, ohne darüber nachzudenken, mit diesen Daten umgegangen wird.
Einer der Mitbegründer von Facebook, Herr Zuckerberg, hat verkündet, Datenschutz sei ein Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert. Wir sollten uns einig sein, dass dem nicht so ist, sondern dass der Datenschutz vor dem Hintergrund, dass im mer mehr Daten zur Verfügung stehen, dass das Netz bekannt lich nichts vergisst, dass alles, was da einmal drin ist, kaum mehr herauszubekommen sein wird, weiterhin einen sehr gro ßen Stellenwert in unserer Gesellschaft hat.
In einem Bericht der Stiftung Warentest war zu lesen, wie we nig gerade in sozialen Netzwerken – das war der Tatbestand
der Untersuchung – auf Datenschutz Wert gelegt wird. Zwar heißen sie „Soziale Netzwerke“, aber im Grunde genommen geht es dabei um sehr profitable Unternehmen. Damit soll Geld verdient werden. Das Geld wird verdient, indem eben mit Daten von Leuten gehandelt wird, die ihre Daten oft leichtfertig eingeben.
Es gibt noch andere Beispiele. Ich habe es hier an dieser Stel le schon mehrfach erwähnt. Um ein paar Punkte bei Karstadt oder irgendwo anders zu bekommen, lässt man sich eine Pay back-Karte geben. Es gibt zwar Untersuchungen, dass dadurch überhaupt nichts billiger wird, aber man ermöglicht dadurch, leicht nachzuvollziehen, wann und wo etwas eingekauft wird und was eingekauft wird. Diese Daten sind wieder sehr inte ressant für diejenigen, die gezielt Werbung an bestimmte Ad ressaten schicken wollen. Auch damit muss man einfach bes ser umgehen.
Wir haben gehört, dass Google jetzt unsere IP-Adressen an derthalb Jahre lang speichern will. Da geht es natürlich auch darum, die Daten zu verkaufen. Ich kann allen nur empfeh len, nicht mehr zu googeln. Es gibt jetzt eine gute Alternati ve. Sie nennt sich „ixquick.de“ – daran ist der Chaos Compu ter Club beteiligt –, „die datenschutzfreundlichste Suchma schine der Welt“. Die kann ich Ihnen nur empfehlen. Dort wird keine IP-Adresse gespeichert. Das heißt, wir alle können täg lich im Umgang mit unseren Rechnern dafür sorgen, dass mit unseren Daten besser umgegangen wird.
Lassen Sie mich jetzt noch zwei Punkte ansprechen. Herr Klingbeil hat – dafür bin ich ihm sehr dankbar; heute ist Herr Diekmann von der Behörde da – im Ständigen Ausschuss sehr deutlich gemacht, dass es noch erhebliche Defizite gibt. Dar auf wurde bereits hingewiesen. Der Schulbereich wurde – das kann man nicht oft genug wiederholen – als Notstandsgebiet bezeichnet. Das heißt, dort gibt es erheblichen Nachholbedarf in Sachen Datenschutz, und wir alle sind aufgefordert, zusam men mit dem Innenministerium und mit der Kultusbehörde möglichst schnell Abhilfe zu schaffen.
Das Gleiche gilt auch für den Hinweis der Behörde – auch da für sind wir dankbar –, was die Videoüberwachung im nicht polizeilichen Bereich – Schulen, Freibäder usw. – anbelangt. Auch hierfür gibt es keine gesetzliche Grundlage. Herr Mi nister, Sie haben angekündigt, dass bis Mitte des Jahres eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns heute erklären würden, wie weit Sie mit den Vorbereitungen sind, ob dieser Zeitplan eingehalten wird und vor allem welche Änderungen Sie in dieses novel lierte Landesdatenschutzgesetz hineinschreiben wollen.
Ganz wichtig ist uns – ich muss noch einmal darauf eingehen – die Zusammenlegung. Wir haben darüber diskutiert, und wir haben Vorgaben von der europäischen Ebene. Es geht natür lich darum, dass hier nicht nur eine Zusammenlegung mit der personellen Ausstattung stattfindet, die wir bisher in BadenWürttemberg hatten.
Wir alle wissen – ich habe es beim Tagesordnungspunkt zum Thema Theater schon erwähnt –, wie schlecht es um unsere Finanzen im Landeshaushalt bestellt ist. Für die Zusammen legung gab es im Grunde genommen jährlich einen Antrag, den wir immer gemeinsam gestellt haben; manchmal haben
wir abwechselnd einen solchen Antrag gestellt. Nach vielen Jahren kommt diese Zusammenlegung, aber sie hat nur dann ihren Sinn und wird nur dann eine wirklich gute und schlag kräftige Behörde ergeben, wenn wir die neue Behörde perso nell entsprechend ausstatten. Eine Zusammenlegung allein reicht nicht. Das ist der erste Schritt.
Eine reine Zusammenlegung reicht aber auch deshalb nicht – das ist ein ganz wichtiger Schritt –, weil wir die Unabhängig keit dieser Behörde sichern müssen. Wenn es auf ein Modell hinausläuft, das über das Modell Schleswig-Holsteins hinaus geht, das bisher in Deutschland das beste und fortschrittlichs te war, Herr Kollege Bopp, dann sind wir die Letzten, die sich dem verwehren werden.
Aber wir brauchen ebenfalls – das halte ich für unbedingt not wendig – die richtige personelle Ausstattung. Im Ständigen Ausschuss hat es keine einzige Fraktion gegeben, die nicht die Notwendigkeit und Wichtigkeit des Datenschutzes betont hat. Deswegen möchte ich an alle appellieren, dass, wenn wir den nächsten Haushalt aufstellen und es zur Zusammenlegung und damit zur Schaffung dieser neuen Behörde kommt, dann auch die entsprechende personelle Ausstattung erfolgt. Sicher lich können wir nicht alle Wünsche erfüllen, die sich aus den Aufgabenbereichen ergeben, aber es muss eben die notwen dige Grundlage geschaffen werden.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hin weisen – ich habe das schon im Ausschuss getan –: Wir ha ben – das haben die Fälle Lidl, Daimler und was es in den letz ten Monaten und Jahren in Baden-Württemberg sonst noch gab – sehr viele große Unternehmen, die in Baden-Württem berg ihren Hauptsitz haben. Wenn dann in diesen Betrieben irgendetwas passiert, sind wir als Land Baden-Württemberg automatisch dafür zuständig, so wie beispielsweise für Goog le Street View die Hamburger Datenschutzbehörde zuständig ist, weil Google Germany in Hamburg residiert. Das heißt, wir haben hier eine ganz besondere Verantwortung.
Die von mir genannten Beispiele zeigen auch: Die schlechte personelle Ausstattung, die wir bisher im Innenministerium haben, ermöglicht nur, zu reagieren. Es kann nicht einmal Stichproben geben. Doch das muss sich ändern, damit wir künftig einen effektiven Datenschutz – auch Arbeitnehmerda tenschutz – bekommen.
Deswegen nochmals mein Appell: Seien Sie alle dabei, wenn es darum geht, diese Behörde schlagkräftig zu machen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, meine sehr ver ehrten Damen und Herren Kollegen! An erster Stelle möchte ich persönlich und auch im Namen der Fraktion der FDP/DVP nochmals dem Landesbeauftragten für den Datenschutz herz lich danken. Als Vertreter ist Herr Diekmann anwesend. Herz lichen Dank für den guten, wertvollen und ausführlichen Be richt. Der liest sich insbesondere schön und leicht.
Ihre Behörde leistet einen sehr wertvollen Beitrag zur Ge währleistung des Datenschutzes im öffentlichen Bereich. Nicht nur bei der Lektüre des Berichts fällt auf: Das Thema Datenschutz, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat zurzeit eine erfreuliche Aufmerksamkeit und große Aktuali tät, auch im öffentlichen Bereich. Das Bundesverfassungsge richt – daran darf ich an dieser Stelle noch einmal erinnern – hat kürzlich in seinem Urteil über das Vorratsdatenspeiche rungsgesetz dem Datenschutz den Rücken gestärkt, die jetzi gen Regelungen aus dem Vorratsdatenspeicherungsgesetz für nichtig erklärt und hohe Anforderungen an eine zukünftige Speicherung und Nutzung gestellt. Das war, wie ich finde, ein großer Sieg der Grundrechte und des Rechtsstaats. Herzlichen Dank an das Bundesverfassungsgericht.
Das Bundesverfassungsgericht hat damit alle Politiker daran erinnert, dass Datenschutz ein Grundrecht ist und dementspre chend behandelt werden muss. Dieses Grundrecht dürfen wir auch nicht nach Kassenlage behandeln.
Der Europäische Gerichtshof hat im letzten Monat die Bun desrepublik Deutschland verurteilt, weil die Aufsicht über die Datenschutzstellen der Länder die Unabhängigkeit des Daten schutzes infrage gestellt hat. Datenschutz ist damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht nur irgendein Annex, son dern ein Grundrecht, das zu beachten ist. Er kann also auch nicht einfach über Bord geworfen werden.
Aktuell wird ein Klageverfahren vor dem Bundesverfassungs gericht angestrengt, und zwar von offenbar schon über 22 000 Klägern. Es geht um eine Klage gegen das Verfahren über den elektronischen Entgeltnachweis ELENA. Die Aufmerksam keit, die der Datenschutz derzeit genießt, ist besonders erfreu lich, denn Datenschutz ist – ich habe es schon gesagt – ein Grundrecht.
In den letzten elf Jahren schienen datenschutzrechtliche Fra gestellungen allerdings kein großes Problembewusstsein mehr in der Bevölkerung ausgelöst zu haben. Dies hat mich als Li beralen in den letzten Jahren schon sehr verwundert. Schließ lich, zur Erinnerung, meine sehr verehrten Damen und Her ren: Blenden Sie zurück zum Jahr 1983. Damals gab es das Bundesverfassungsgerichtsurteil über die geplante Volkszäh lung. Hunderte von Bürgerinitiativen wurden gebildet, es wur de zum Boykott aufgerufen, allen voran – das muss man na türlich sagen – die Grünen. Aber um die Grünen ist es beim Datenschutz in den letzten Jahren ruhig geworden.
(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: Ja, ja! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Was soll denn jetzt dieser Quatsch?)
Um Sie ist es leise geworden, insbesondere in der Zeit, als Sie in Regierungsverantwortung in Berlin waren.
(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Oh! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So ist es! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Mottenkiste!)
Umso erfreulicher ist es, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass diese Forderungen nach dem Datenschutz heute wieder gutes Gehör finden.
Schwerpunktmäßig kann man zu den Erfolgen sagen: Zu nächst ist es wichtig, dass der Datenschutz für den öffentli chen und der Datenschutz für den nicht öffentlichen Bereich in Baden-Württemberg zusammengelegt werden. Gerade vor dem Hintergrund der zahlreichen Datenschutzskandale im pri vaten Bereich – Sie haben das vorhin schon erwähnt – wird klar: Wir brauchen dringend eine unabhängige, schlagkräfti ge und personell angemessen ausgestattete Datenschutzauf sicht als Kontroll- und Aufsichtsbehörde für die Wahrung der Bürgerrechte.