Andreas Stoch

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Herr Präsident, meine sehr geehr ten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es macht mich schon etwas betroffen – wenngleich manches na türlich auch zum Schmunzeln war, Herr Kollege Müller und Herr Kollege Scheuermann –, auf welchem Niveau Sie die Debatte über den 30. September 2010 hier führen.
Herr Kollege Scheuermann, die ersten Minuten Ihrer Rede kann ich vollumfänglich unterstreichen, nämlich insoweit, als auch ich sage, dass sowohl die Mitarbeiterinnen und Mitar beiter des Landtags und der Fraktionen als auch die Kollegin nen und Kollegen in diesem Untersuchungsausschuss sehr viel und sehr Gutes geleistet haben und in intensivster Arbeit ge mäß dem Auftrag des Untersuchungsausschusses gearbeitet haben.
Ich darf allerdings jedoch auf eines hinweisen, was mir als noch relativ jungem Abgeordneten doch etwas erstaunlich vor kam: Als es einmal in einer Sitzung darum ging, ob man be reits am folgenden Sitzungstag wieder zehn, zwölf, 14 Zeu gen vernehmen könne, ohne überhaupt schon die Protokolle
der vorherigen Vernehmungen vorliegen zu haben, und ich dann sagte, wir würden auf diese Weise dem Untersuchungs auftrag, den uns der Landtag erteilt hat, nicht gerecht, wurde mir entgegengehalten: „Wir haben doch gar keinen Untersu chungsauftrag.“
Das lässt doch tief blicken und zeigt, wie manche die Aufga be in diesem Untersuchungsausschuss wahrgenommen haben. Wir haben hier als Parlament den Auftrag, Regierungshandeln zu kontrollieren. Ich hatte in diesem Untersuchungsausschuss aber streckenweise den Eindruck, dass die Ausschussmehr heit nicht die Kontrolle als zentrales Motiv verfolgte,
sondern der Frage Vorrang einräumte: Wie kann ich Vorwür fe, wie kann ich berechtigte Fragen abwehren, verniedlichen oder kleinreden? Das wird dem Untersuchungsauftrag dieses Parlaments nicht gerecht.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wenn die Ministerien nach der Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses durch den Land tag am 27. Oktober 2010 bis zum Freitag, 26. November 2010, 20:00 Uhr, brauchen, um uns die Akten zu übergeben, dann frage ich mich, was in dieser Zeit mit den Akten passiert ist. Wenn wir am 29. November morgens um 9:30 Uhr mit der Vernehmung eines sehr wichtigen Zeugen, mit der Verneh mung von Herrn Stumpf, beginnen sollen, wie soll dieser Un tersuchungsausschuss aus Sicht der Regierung und aus Sicht dieses Parlaments seine Aufgabe erfüllen, wenn er die Mög lichkeiten dazu nicht bekommt?
Nun zum Auftrag des Untersuchungsausschusses. Wenn Sie die in dem Untersuchungsauftrag formulierten Fragen lesen, werden Sie sehr deutlich erkennen, dass für die SPD-Frakti on, die die Einsetzung des Untersuchungsausschusses bean tragt hat, insbesondere die Frage der politischen Einflussnah me und die Frage, wie es zu diesem schwarzen Donnerstag kommen konnte, im Mittelpunkt standen. Deswegen dürfen Sie durchaus meine Verwunderung erwarten, wenn ein Zeu ge wie Herr von Herrmann, den Sie zitiert haben, auf Antrag der CDU vor den Untersuchungsausschuss geladen wird, um dort quasi als jemand vorgeführt zu werden, der in dieser Be wegung eine extreme Rolle spielt.
Das ist polarisierend. Sie werden auch den vielen Bürgerin nen und Bürgern nicht gerecht, die auf legitime Weise ihren Willen, ihre politische Meinung zum Ausdruck bringen, wenn Sie Herrn von Herrmann als das Beispiel für die Gesinnung aller hinstellen. Das ist nicht korrekt.
Deswegen nochmals meine Frage: Wer hat diesen Untersu chungsausschuss, was seinen Auftrag angeht, denn ernst ge nommen? Das, was Herr Kollege Müller hier gerade ausge breitet hat, war eher im Stil einer Büttenrede.
Sie haben diesen Untersuchungsauftrag nicht ernst genom men. Ich zitiere, was gerade schon einmal zitiert worden ist. Wenn der Ministerpräsident sagt, solche Dinge dürften sich in Baden-Württemberg nicht wiederholen, dann wird ihm je der hier im Saal zustimmen. Dann müssen Sie aber auch die Frage stellen, wie es dazu kommen konnte. Dann müssen wir die Frage stellen, was seit Juni im Land Baden-Württemberg passiert ist, damit Menschen auf diese Art und Weise gegen ein Projekt protestieren, das vom Landtag beschlossen wur de.
Ich sage eindeutig: Ich zeige nicht mit dem Finger auf eine Seite – so, wie Sie es tun –, sondern ich frage beide Seiten: Was hätte anders laufen müssen, damit es nicht zu diesen Er eignissen gekommen wäre? Damit nähern wir uns dem Kern des Problems. Niemand kann bei der Frage eines Bahnhofs oder einer Bahnstrecke den Anspruch erheben, allein recht zu haben. Es ist unsere Pflicht, eine Debatte in der Sache argu mentativ zu moderieren und zu führen.
Mit dem Finger auf andere zu zeigen und sie als „Lügenpack“ zu bezeichnen, dient dieser Debatte nicht. Das dient auch nicht einer Lösung dieses Problems. Genauso wenig dient es aber einer Lösung des Problems, wenn Sie am Ende Ihrer Ausfüh rungen Schülerinnen und Schülern empfehlen, mehr für ihre staatsbürgerliche Bildung zu tun. Das wird dem Protest der Bürgerinnen und Bürger, der überwiegend auf legale Weise geäußert wird, nicht gerecht. Das muss diesen Menschen wie Hohn und Spott erscheinen.
Nun zur Frage der Notwendigkeit dieses Untersuchungsaus schusses. Herr Kollege Müller macht sich mehr Sorgen um die SPD als um seinen eigenen Laden. Das sollte er nicht tun. Dieser Untersuchungsausschuss wäre spätestens mit der Vor lage des Berichts des Innenministeriums auch von der SPDFraktion einstimmig befürwortet worden. Im Untersuchungs ausschuss hat sich im Nachhinein herausgestellt, dass das, was uns das Innenministerium auf unsere im parlamentarischen Antrag aufgeworfenen Fragen geantwortet hat, für die Lösung dieses Problems nicht zielführend war.
Wir haben festgestellt, dass dieser Untersuchungsausschuss notwendig ist. Dieser Untersuchungsausschuss, der unter ex trem schwierigen Bedingungen gearbeitet hat, hat drei we sentliche Fakten zutage gefördert.
Zum einen – das hat Herr Kollege Müller bereits ausgeführt – sind bei der Organisation dieses Einsatzes im Vorfeld, aber auch am Tag selbst auf der Ebene der Polizeiführung Fehler passiert. Ich darf auf eines hinweisen: Die SPD-Fraktion hat es als zentralen Punkt dieses Ausschusses angesehen, dass nicht die Polizei der Sündenbock oder der Prellbock für all das ist, was im Vorfeld falsch gelaufen ist.
Deswegen hat die SPD-Fraktion den Schwerpunkt auf die Fra ge gerichtet: Warum konnte es bei einer Polizei, die bis zu die sem 30. September, sowohl was die Polizeiführung als auch was die zahlreichen Beamtinnen und Beamten angeht, hervor
ragende Arbeit geleistet hat, zu dieser Situation kommen? Hier wurde auf Deeskalation gesetzt; hier wurde darauf gesetzt, dass man dem Recht zur Durchsetzung verhilft, aber den Men schen nicht mit brutaler Gewalt gegenübertritt. Für mich ist die entscheidende Frage: Wie konnte es am 30. September da zu kommen, dass die Situation gekippt ist und wir anschlie ßend die besagten Bilder hatten?
Lassen Sie mich einen 23-jährigen Polizeimeister zitieren, den ebenfalls Sie geladen hatten und der auch nichts über die po litische Einflussnahme sagen kann; denn auch Ihnen lag dar an, den 30. September im Untersuchungsausschuss hochzu halten. Dieser 23-jährige Polizeimeister war unter den Ersten im Park, und deren Auftrag war es, in kleineren Gruppen die Bäume davor zu schützen, dass sie bestiegen werden. Bereits nach zehn Minuten, gegen 10:20 Uhr, hat er festgestellt, dass Hunderte von Menschen, vor allem Jugendliche, in diesen Park geströmt sind. Er hat in frappierender Offenheit sinnge mäß erklärt: Wissen Sie, wir hatten gegen diese Übermacht von Menschen keine Chance; wir haben uns dann zu fünft um einen Baum gestellt, damit wir wenigstens etwas geschützt haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer junge Polizis tinnen und Polizisten unter diesen Bedingungen in solch ei nen Einsatz schickt, obwohl er weiß, dass an diesem Tag ei ne mit Risiken verbundene Jugenddemonstration stattfindet, und weiß, dass dieser Einsatztag bereits vorab öffentlich be kannt war, der handelt auch unverantwortlich gegenüber die sen jungen Polizistinnen und Polizisten.
Eine weitere Frage: Wie konnte es zu diesen Fehlern der ba den-württembergischen Polizei kommen, wie wir sie von ihr so nicht gewohnt sind? Wir haben eine Verschärfung der öf fentlichen Debatte im September festgestellt. Wir haben fest gestellt, dass vonseiten der CDU und des Ministerpräsidenten auf einmal von „Berufsdemonstranten“, von „Kriminellen“, von „Kommunisten“, die das Volk aufstacheln, die Rede war. Wir sprechen dabei von 80 000 Menschen, die bei den größ ten Demonstrationen im August auf die Straße gingen.
Es hat nicht in Ihr Bild gepasst, dass Menschen für ihre Mei nung auf die Straße gehen. Es hat nicht in Ihr Bild von der Stuttgarter Bürgergesellschaft gepasst. Deswegen haben Sie eine Schublade gebraucht. Mit dieser Schublade war dann auf einmal von „Berufsdemonstranten“ und von „kommunisti schen Aufhetzern“ die Rede. Was Sie hier als Interpretation vorgelegt haben, wurde der Situation aber einfach nicht ge recht.
Der Ministerpräsident sprach auf dem Landestag der Jungen Union davon, ihm sei der Fehdehandschuh hingeworfen wor den, und er habe diesen aufgenommen. Wenn er sagt: „Auf ins Gefecht“, können Sie an dieser martialischen Rhetorik durchaus erkennen, was in dieser Phase passiert ist.
Auf einmal ist eine Aggressivität in diese Auseinandersetzung gebracht worden, auch vonseiten der Politik.
Sie können jetzt entgegnen: „Als Reaktion.“ Ich sage nur: Da durch wird es nicht richtiger. Es ist Aggression in diese De batte gebracht worden, und im Untersuchungsausschuss ha ben wir Anhaltspunkte dafür gefunden, in welcher Weise die ser entsprechende Druck auf die Polizei ausgeübt wurde. Wir haben Aktennotizen gefunden, laut denen bei einer Bespre chung bei der Polizei die Rede davon war, dass der Minister präsident ein offensives Vorgehen erwartet. Was erwarten Sie dann von der Polizei? Erwarten Sie, dass sie die Samthand schuhe anzieht? Wir haben Aktennotizen aus dem Staatsmi nisterium, aus denen hervorgeht, dass nur im Notfall abgebro chen werden soll.
Jeder normale Mensch fragt sich doch, warum ein solcher Ein satz durchgezogen wird. Der 23-jährige Polizist hat auf mei ne Frage „Wann war Ihnen klar, dass das heute nichts wird?“ geantwortet: „Das war mir nach einer Viertelstunde klar.“ Wa rum wird dann ein solcher Einsatz durchgezogen? Warum wird ein Wasserwerfer eingesetzt – der angeblich gar nicht für diesen Zweck mitgeführt wurde –, um den Weg freizumachen?
Warum sind diese Mittel in dieser Weise eingesetzt worden? Warum hat man nicht gesagt: „Der Preis ist zu hoch; wir scha den dem Ansehen dieses Landes und dieser Landeshauptstadt Stuttgart in einer Weise, wie es letztlich bei keinem anderen Vorfall im Umfeld dieses Projekts der Fall war“?
Neben der Rolle des Ministerpräsidenten war auch die Rolle des Innenministers bzw. dessen nicht vorhandene Rolle sehr auffällig. Wir haben immer danach gesucht, wo der Innenmi nister bei der Vorbereitung des Polizeieinsatzes eine Rolle spielte. Wir haben leider nichts gefunden. Da stellen wir uns schon die Frage: Handelt ein Innenminister aus Desinteresse nicht, oder handelt ein Innenminister deswegen nicht, weil ihm der Ministerpräsident dies nicht zutraut und die Angele genheit an sich zieht – was man spätestens bei der Bespre chung im Staatsministerium am 29. September gesehen hat?
Am 29. September fand eine Besprechung im Staatsministe rium mit der Polizeiführung in Anwesenheit des Ministerprä sidenten und mehrerer Minister statt, wobei alle Risikofakto ren auf dem Tisch lagen und all das bekannt war, was am nächsten Tag traurige Realität wurde. In dieser Situation zu sagen: „Wir machen das so“, führt zu einer Mitverantwortung. Ich habe den Ministerpräsidenten gefragt. Wenn er gesagt hät te: „Wir können das nicht machen, das Risiko ist zu groß“, dann hätte dieser Einsatz an diesem Tag in dieser Form und mit diesem verheerenden Ergebnis nicht stattgefunden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Ministerpräsi dent, der dem Volk misstraut, ein Ministerpräsident, der sei nem eigenen Minister misstraut, der kann den Bürgern dieses Landes kein Vertrauen in eine gute Zukunft geben. Deswegen hat dieser Ministerpräsident die politische Verantwortung für
diesen missglückten Einsatz zu tragen, und deswegen hat die ser Ministerpräsident spätestens am Wahltag mit Konsequen zen für dieses missglückte Verhalten zu rechnen.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der vor uns liegt, verbindet zwei Komple xe, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben. Ich will mich zunächst einmal auf die Änderungen im Daten schutzrecht und vor allem auf die Organisation des Daten schutzrechts konzentrieren.
Wenn der Kollege Wetzel den Sachverhalt vollständig darge legt hätte, wäre zum Ausdruck gekommen, dass die Forde rung nicht erst mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. März 2010 auf die Tagesordnung kam. Wenn wir ehr lich sind, stellen wir vielmehr fest, dass es bereits vier oder fünf Legislaturperioden sind, in denen wir, die SPD-Fraktion gemeinsam mit der Fraktion GRÜNE, dies immer wieder ge fordert und klargemacht haben,
dass ein effektiver Datenschutz nur dann stattfinden kann, wenn der öffentliche und der nicht öffentliche Datenschutz in den Händen eines Datenschutzbeauftragten zusammengefasst sind.
Ich freue mich daher, dass durch diesen Gesetzentwurf dieser Schritt nun endlich bewältigt wird, wenngleich natürlich nicht an allen Stellen unsere Vorstellungen umgesetzt sind. Aber ich sage einfach einmal: Wenn man 80 oder 85 % seiner eigenen Vorstellungen im Gesetzentwurf wiederfindet, dann ist das durchaus ganz ordentlich.
Wir haben von vornherein gefordert, dass der Datenschutz zu künftig vor allem für den nicht öffentlichen Bereich beim Lan desdatenschutzbeauftragten angesiedelt ist und aus dem In nenministerium herausgelöst wird. Der Europäische Gerichts hof hat nochmals auf das notwendige Erfordernis der völligen Unabhängigkeit hingewiesen. Ich will jetzt nicht mehr die Beispiele aufzählen, die uns in der Vergangenheit gezeigt ha ben, dass das Innenministerium vielleicht nicht der richtige Ort war, um datenschutzrechtliche Verstöße gerade im nicht öffentlichen Bereich zu ahnden.
Wir wollen trotzdem in die Zukunft schauen und hoffen, dass beim neuen Landesdatenschutzbeauftragten, der dann für bei de Bereiche zuständig ist, auch genügend Ausstattung sowohl in sächlicher als auch in personeller Hinsicht vorhanden ist, damit dieser seinen wachsenden Aufgaben gerecht werden kann. Wir alle wissen und lesen es auch tagtäglich in den Zei tungen, wie wichtig gerade im nicht öffentlichen Bereich der Datenschutz wurde und in nächster Zeit noch werden wird. Denn durch die immer weiter zunehmende Wichtigkeit der neuen Medien, vor allem auch für junge Menschen – aber das betrifft alle Bürgerinnen und Bürger in unserem Land –, ist ein effektiver Datenschutz gerade im nicht öffentlichen Be reich für jeden von uns von großer Bedeutung.
Nicht umsonst hat das Bundesverfassungsgericht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als ein ganz wesentli ches Grundrecht bezeichnet. Wir können dieses nur wahren, wenn auch tatsächlich eine schlagkräftige Organisation vor handen ist, die sich um den Schutz dieses Rechts kümmert.
Dazu gehört aber, lieber Kollege Kluck, dass man dem Tiger auch ein paar Zähne gönnt. Die Zähne, das ist die Ahndung im Fall von datenschutzrechtlichen Verstößen. Genau da hat Ihr Entwurf ein großes Loch.
Wir haben nämlich die Situation, dass nach Ihrem Gesetzent wurf die Ahndung von datenschutzrechtlichen Verstößen bei einem Regierungspräsidium, nämlich dem Regierungspräsi dium Karlsruhe, liegen soll. Sie selbst schreiben in der Be gründung Ihres Gesetzentwurfs, dass in der Vergangenheit, gerade weil es relativ wenige Fälle gab, bei der Auslagerung dieser Zuständigkeit an die vier Regierungspräsidien ein Pro blem auftrat, was die Kompetenz angeht. Deswegen geben Sie doch in Gottes Namen dem Datenschutzbeauftragten, der die Kompetenz hat, beurteilen zu können, ob ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen von größerer oder ge
ringerer Bedeutung ist, die Möglichkeit, die Verstöße auch zu ahnden.
Wir sprechen hier nicht von der Vollstreckung, lieber Kol lege Kluck; das können Sie vielleicht noch unterscheiden. Die Ahndung, sprich eine Strafe zu verhängen, und die Vollstre ckung dieser Strafe sind zweierlei.
Deswegen machen Sie nur einen halben Schritt, wenn Sie jetzt bezüglich der Höhe der Strafe wieder die Regierungspräsidi en ins Spiel bringen.
Deswegen sind wir an dieser Stelle mit Ihrem Gesetzentwurf nicht einverstanden.
Jetzt darf ich zum Abschluss noch kurz auf das zweite Ele ment des Gesetzentwurfs zurückkommen, nämlich auf die Frage der Videoüberwachung. Für eine Videoüberwachung – das wissen wir, seit ein Bundesverfassungsgerichtsurteil vor liegt, das auf eine vergleichbare Regelung in Bayern Bezug nahm – brauchen wir eine gesetzliche Grundlage. Die SPDFraktion ist allerdings der Meinung, dass aufgrund der Inten sität des Eingriffs in die Grundrechtssphäre der Bürger diese Eingriffsregelung nur auf die Begehung von Straftaten bezo gen sein soll. Wir haben die Situation, dass Sie hier eigentlich nach dem Gießkannenprinzip vorgehen, indem Sie in Ihren Entwurf für einen neuen § 20 a auch Ordnungswidrigkeiten aufnehmen.
Da sagen wir: Das wird dem Grundrecht der Bürger auf Schutz der Privatsphäre nicht gerecht. Deswegen sind wir auch an dieser Stelle mit Ihrem Gesetzentwurf nicht einver standen.
Hinzu kommt noch die Tatsache, dass beim Thema Videoüber wachung aufgrund der Intensität des Eingriffs in die Freiheits sphäre die Frage der Dauer der Speicherung eine ganz wesent liche Rolle für uns spielt. Sie haben in Ihrem Entwurf eine Speicherzeit von vier Wochen vorgesehen. Das ist zu lang. Wir wollen, dass die Speicherzeit der Daten, die hier in gro ßer Menge erhoben werden, deutlich verkürzt wird und nicht vier Wochen beträgt.
Ich bitte Sie daher darum, dass wir bei den Beratungen bis zur zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfs in diesen von mir an gesprochenen Punkten eventuell noch einmal in die Diskus sion einsteigen, und würde mich freuen, wenn wir da zu ei nem gemeinsamen Ergebnis kämen.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr ge ehrten Damen und Herren! Ich darf an das anschließen, was der Kollege Pauli sagte. Auch wenn der Beratungszeitpunkt etwas spät ist,
haben wir heute eine sehr wichtige Entscheidung zu treffen. Heute findet die Vorunterrichtung des Landtags statt. Es geht aber um etwas, was fast jeden Menschen in unserem Land be trifft und berührt.
Es findet die Umstellung der bisherigen geräteabhängigen Ab gabe auf eine haushaltsabhängige Abgabe statt. Das ist für uns ein wichtiger Schritt. Dieser muss zum einen der soliden Fi
nanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dienen. Da gebe ich dem Kollegen Pauli recht. Ich denke, wir müssen im mer wieder darauf schauen, dass in unserem dualen System dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Rang zukommt, den er verdient. Denn es reicht nicht, wenn wir die Frage der In formationsvermittlung dem privaten Rundfunk überlassen. Wir brauchen einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Weiter ist für uns wichtig, dass für die Menschen nachvoll ziehbar ist, was mit ihren Gebühren passiert. Deswegen ist es für uns auch wichtig, dass durch das neue System – so hoffen wir – mehr Transparenz eintritt. Die bisherige Systematik mit der Geräteabhängigkeit war gerade im Hinblick auf die tech nische Entwicklung häufig schwer handhabbar. Sie hatte – auch das klang bereits an – die negative Konsequenz, dass die GEZ mit ihrer Kontrollpraxis in der ihr eigenen Art häufig auf deutlichen Widerstand und auf Unverständnis gestoßen ist.
Wir hoffen, dass dies zukünftig der Vergangenheit angehören wird und wir damit auch für die Menschen in unserem Land eine Erleichterung schaffen. Das ist für uns ein zentraler Punkt.
Dennoch haben wir in den letzten Wochen und Monaten im Rahmen der Beratungen und der Entwicklung dieses Staats vertragsentwurfs festgestellt, dass es in manchen Bereichen auch zu gewissen Verschiebungen und Mehrbelastungen kommt. Ich darf eines vorwegschicken: Nach der bisherigen und auch nach der zukünftigen Systematik kommen ca. 91 % des Gesamtgebührenaufkommens aus Privathaushalten und die restlichen ca. 9 % aus der Wirtschaft und dem öffentlichen Bereich. Aus dem zuletzt genannten Bereich erhalten wir al le – die Kollegen aus den anderen Fraktionen ebenfalls – häu fig Mitteilungen, in denen von erheblichen Mehrbelastungen die Rede ist. Wir glauben nicht, dass jedes dieser dort gemal ten Horrorszenarien tatsächlich eintritt. Teilweise war von Mehrbelastungen in dreistelliger Millionenhöhe die Rede. Dennoch sind wir der Meinung, dass bei den kleinen und mit telständischen Unternehmen, gerade auch beim Einzelhandel, eine gewisse Verschlechterung erfolgen wird.
Sehr geehrter Herr Kollege Pauli, da reicht es wahrscheinlich nicht aus, zu sagen: „Wir beschließen das jetzt einmal und evaluieren dann, wenn das Ganze in Kraft ist.“ Wenn wir schon heute erkennen, dass es zu Verschlechterungen kom men würde, dann sollten wir auch schon heute darauf hinwir ken, dass diese Verschlechterungen eben nicht eintreten.
Deswegen haben wir einen Antrag formuliert, der dies auf nimmt. Dieser konzentriert sich im Wesentlichen auf zwei Punkte.
Danke, Herr Kollege. „Schwammig“ ist, wenn man auf et was in der Zukunft verweist, was man eigentlich schon jetzt machen könnte.
Unser Vorschlag bezieht sich darauf, dass wir uns nicht auf die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, son
dern auf die Zahl der Vollzeitarbeitskräfte beziehen sollten. Das ist der eine Punkt.
Das würde nämlich zu einer Abmilderung bei Betrieben mit vielen Teilzeitbeschäftigten führen.
Des Weiteren würden wir, wenn wir den Betriebsbegriff an ders definieren, bei Betrieben mit vielen Filialen eine Erleich terung erreichen, und zwar nicht zulasten der Privathaushal te. Vielmehr muss diese Erleichterung innerhalb des Teils, den die Wirtschaft und der öffentliche Bereich beizutragen haben, geregelt werden.
Deswegen, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegin nen und liebe Kollegen, appellieren wir an Sie, unserem Ent schließungsantrag zuzustimmen. Wir gehen davon aus: Wenn wir es schaffen, die begehrten Änderungen – wir sind heute in der Voranhörung – noch vor Unterzeichnung der Staatsver träge einzuarbeiten, dann werden alle in der Zukunft sagen: Dieser Rundfunkänderungsstaatsvertrag war ein Fortschritt, und zwar für alle.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ei gentlich stehen wir hier vorn, um Marksteine zu setzen, über die wir uns dann ganz heftig streiten. Ich bin daher sehr er freut, dass wir uns heute eher auf das Einigende als auf das Trennende verlegen können.
Ich darf einführend kurz etwas zu den beiden von uns gestell ten Anträgen sagen, um anschließend auf das in den letzten Tagen zutage getretene Einigende zu kommen.
Wir haben schon vor eineinhalb Jahren den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich bei uns in Baden-Württemberg hin terfragt. Wir alle wissen, dass wir eine Trennung in den nicht öffentlichen Datenschutz und den sogenannten öffentlichen Datenschutz haben, was die Datenschutzaufsicht angeht.
Der Datenschutz, so wie wir ihn kennen, ist beim Landesda tenschutzbeauftragten angesiedelt. Er übt aber eben nur für den öffentlichen Datenschutz die Aufsicht aus. Demgegen über spielt sich der nicht öffentliche Datenschutz in einer Ab teilung des Innenministeriums ab.
In den letzten Jahren haben wir eine sehr starke Dynamik und auch eine Verschiebung der Gewichte erlebt, eine Dynamik, die eindeutig in Richtung des nicht öffentlichen Datenschut
zes geht, ohne dass hinsichtlich des öffentlichen Datenschut zes dadurch weniger zu tun wäre. Wir haben einfach das Phä nomen – auch dazu trifft das Innenministerium eine Aussage –, dass die Mittelausstattung, aber insbesondere auch die Perso nalausstattung in Baden-Württemberg, was den nicht öffent lichen Datenschutz angeht, aus unserer Sicht deutlich zu schwach ist. Das war für uns auch immer dann Anlass zu Kri tik, wenn es zu neuen Vorkommnissen kam, aufgrund derer jeder gesagt hat, da müsse vonseiten des Datenschutzes etwas passieren.
Wir erinnern uns an Vorkommnisse in den vergangenen ein einhalb Jahren. U. a. wurde nach dem Einbruch in eine Bä ckereifiliale festgestellt, dass ein Großbäcker seine Mitarbei ter aushorchen und ausleuchten ließ. Es gibt Fälle wie bei Daimler, was Bluttests angeht. Dabei besteht immer wieder auch eine rechtliche Unsicherheit im Bereich des Arbeitneh merdatenschutzes. Auch das ist für uns, was den nicht öffent lichen Datenschutz angeht, ein wichtiger Punkt, der in nächs ter Zeit angegangen werden muss, und zwar im materiellen Recht, um mehr Rechtssicherheit für die Arbeitnehmer, aber auch für die Arbeitgeber zu schaffen.
Darüber hinaus müssen wir konstatieren, dass es in unserem neuen Zeitalter eine große Problematik beim Datenschutz, bei der es auch um die neuen Medien geht, gibt. Als Beispiel un ter vielen haben wir das Thema Google in verschiedenen Aus formungen. Wir haben das Google-Street-View-Programm, bei dem wir in der öffentlichen Debatte auch Probleme haben, zuzuordnen, ob das noch vom öffentlichen Interesse gedeckt ist oder ob es das öffentliche Interesse überschreitet und ob wir bereits dabei sind, in die Privatsphäre des Einzelnen ein zudringen. Wir haben ein Programm wie Google Analytics, ein Programm, in dem quasi in Form einer Spionagesoftware Internetnutzer beobachtet werden, durch das Bewegungsbil der von Menschen erstellt werden, die über technische Daten auch dem Individuum zugeordnet werden können.
Das alles sind Punkte, die uns in dem Wollen bestärken, den nicht öffentlichen Datenschutz deutlich zu stärken. Daher ha ben wir im Mai 2010 ein Eckpunktepapier vorgelegt, das im Kern vorsieht, den nicht öffentlichen und den öffentlichen Da tenschutz endlich in einer Behörde zusammenzufassen. An lass dafür war neben dem, was ich geschildert habe, auch, dass der Europäische Gerichtshof festgestellt hat, dass die Daten schutzstruktur, wie sie in Deutschland wohl in fast allen Bun desländern besteht, nicht den Anforderungen des Europarechts genügt. Im Europarecht ist zwingend vorgesehen, dass die Da tenschutzbehörden in völliger Unabhängigkeit von Regierun gen, insbesondere auch von Ministerien, agieren.
Ich habe es einleitend gesagt: Nachdem der nicht öffentliche Datenschutz beim Innenministerium angesiedelt war und noch immer ist, ist ganz klar, dass diese Praxis nicht geeignet ist, um europarechtlichen Anforderungen zu genügen und Stan dards zu erfüllen. Diesem Zweck diente unser Eckpunktepa pier, in dem wir auch auf der Basis unserer deutschen Verfas sungstradition Vorschläge unterbreitet haben. Das sind Vor schläge, die zum einen eine Zusammenlegung, zum anderen aber auch eine deutlich bessere Ausstattung der neuen Behör de vorsehen. Denn, wie ich schon sagte, der Datenschutzbe auftragte wird, was den öffentlichen Bereich angeht, nicht we niger zu tun haben. Wir haben das Thema „Neue Personalaus weise“ und das Thema Gesundheitskarte. Auch in diesen Be
reichen gibt es vieles, was in nächster Zeit unter datenschutz rechtlichen Gesichtspunkten sehr kritisch betrachtet und ge würdigt werden muss. Aber hinzu kommt eben eine Fülle von Aufgaben im Bereich des nicht öffentlichen Datenschutzes.
Da sind wir der Meinung, dass das Ganze nur funktionieren kann, wenn wir, wie es auch in anderen Bundesländern gang und gäbe ist, darauf deutlich mehr Gewicht legen. Das müs sen wir tun. Aufgrund der Entwicklungen, was die Nutzung der neuen Medien angeht, haben wir daher immer auch ein Datenschutzproblem. Ich bin deswegen sehr froh, dass sich in den letzten Tagen in den Gesprächen auch mit der CDU und der FDP/DVP eine gemeinsame Basis ergeben hat, die zu ei nem gemeinsamen Antrag geführt hat, den wir heute stellen werden
und dem sich auch die Grünen anschließen können. Wir ha ben quasi ein gemeinsames Dach gebildet, unter dem sich al le wiederfinden, wenngleich – dazu komme ich in der zwei ten Runde – von unserer Seite ein deutlich stärkeres Gewicht auf verschiedene einzelne Punkte gelegt wird. Aber im Grun de sind wir uns einig. Es freut einen Oppositionsabgeordne ten, wenn er in einem gemeinsamen Änderungsantrag ca. 80 % seines Vorschlags wiederfindet. Das freut mich sehr.
Das Weitere folgt in der zweiten Runde.
Herzlichen Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich mache es kurz. Ihr Wort in Gottes Ohr, Herr Rech.
Sie haben schon im letzten Jahr ein Versprechen gegeben, das die Dienstrechtsreform anging. Damals sagten Sie uns zu, die Weihnachtsfeiertage durcharbeiten zu wollen. Dann waren wir doch damit einverstanden, dass Sie es nicht getan haben, und das Ergebnis wurde zeitnah präsentiert. Aber wir wollen nicht wieder Ihr Weihnachtsfest beeinträchtigen.
Uns geht es in der Tat darum, dass die Sache möglichst schnell auf den Weg kommt. Ich darf aber auf zwei, drei Punkte hin weisen, die sich heute noch nicht in dem Eckpunktepapier be finden, das wir beschließen werden, die aber für uns auch noch überlegenswert sind.
Auf der einen Seite verweise ich auf den Punkt, den wir in un serem Vorschlag angesprochen hatten, nämlich dass es keine Fach- und Rechtsaufsicht geben darf. Das tauchte auch gera de beim Herrn Innenminister auf. Außerdem sollte eine mög liche Dienstaufsicht nicht zu einer unmittelbaren oder mittel baren Einflussnahme auf Entscheidungen führen. Das Krite rium der völligen Unabhängigkeit heißt also: Es darf nicht nur keine Anweisung geben, was zu tun oder zu lassen ist, son dern es gilt auch, die Datenschutzbehörden nicht auf einem anderen Weg, z. B. durch eine zu schwache Ausstattung, da zu zu bringen, auf bestimmte Weise zu handeln.
In diesem Zusammenhang muss aus unserer Sicht noch ein weiteres Problem gelöst werden: Das ist die Frage, wie wir Verstöße gegen das Datenschutzrecht ahnden. Wir haben das Problem, dass der Datenschutz heute – so war es z. B. beim nicht öffentlichen Datenschutz, solange er dem Innenminis terium zugeordnet war – ein wenig den Eindruck eines zahn losen Tigers vermittelt. Wir wollen ganz sicher keine Daten schutzbehörde, die ein zahnloser Tiger ist. Wir wollen eine Datenschutzbehörde, die jedem, der gegen den Datenschutz verstößt, mit klaren Mitteln entgegentreten kann. Deswegen ist für uns wichtig, dass die Datenschutzbehörde auch die Möglichkeit hat, entsprechende Bußgelder zu verhängen, ei ne entsprechende Ahndung von Datenschutzverstößen vorzu
nehmen. Das ist für uns ein zentraler Punkt und steht im Mit telpunkt dessen, was wir zu entwerfen haben.
Uns reicht es nicht, wenn wir eine Datenschutzbehörde ha ben, die genügend ausgestattet ist, die auf Verstöße hinweist, aber dann handlungsunfähig ist, wenn dann die politische Ebe ne wieder dazwischenkommt und sagt: „Das machen wir aus politischer Opportunität nicht“ oder „Das machen wir“. Das heißt, ein zentraler Punkt für einen wirksamen Datenschutz ist, dass der Datenschutzbeauftragte auch die Möglichkeit hat, wirksam gegen Verstöße gegen das Datenschutzrecht vorzu gehen. Dann, glaube ich, haben wir etwas Gutes kreiert. Dann wird dieser Datenschutzbeauftragte sowohl im öffentlichen als auch im nicht öffentlichen Bereich effektive Arbeit leisten können.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Herr Staatsminister Reinhart hat be reits die wesentlichen Inhalte des Vierzehnten Rundfunkän derungsstaatsvertrags geschildert. Kollege Pauli hat den Kern bestand dieses Rundfunkänderungsstaatsvertrags ebenfalls wiedergegeben, nämlich das Thema JugendmedienschutzStaatsvertrag.
Wir müssen in diesem Zusammenhang auch einen Blick zu rück auf die Debatte werfen, die gerade im letzten Jahr um dieses Thema entflammt ist. Sehr häufig kommt ja das Thema Jugendmedienschutz dann in die politischen Gremien und die Parlamente, wenn irgendwelche Dinge passiert sind. Das ge schieht immer dann, wenn wir – etwa bei den tragischen Ge schehnissen in Winnenden – erkennen müssen, dass junge Menschen mit dem, was sie an Medien konsumieren, offen sichtlich teilweise nicht zurechtkommen. Dieses Problem be trifft übrigens nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern es betrifft natürlich auch manche Erwachsene.
Es ist daher ein Kernanliegen von uns, mit diesem Vierzehn ten Rundfunkänderungsstaatsvertrag auch Antworten auf die Herausforderungen zu finden, die uns diese neue Medienwelt geradezu täglich in neuer Form stellt.
Diese Debatte weist natürlich verschiedene Pole auf. Es gab in der sogenannten Netzgemeinde große Befürchtungen, dass durch Änderungen im Medienbereich, etwa durch Verschär fungen beim Jugendmedienschutz, auch die Freiheit im Netz beeinträchtigt wird. Anfangs gab es da Ansätze, die eher in Richtung Zensur gingen. Das waren Gedanken der ehemali gen Bundesfamilienministerin Frau von der Leyen. Diese Überlegungen sind nun zum Glück vom Tisch.
Nichtsdestoweniger – hier gebe ich dem Kollegen Pauli voll kommen recht – muss es für uns von zentraler Bedeutung sein, Jugendliche und Kinder vor jugendgefährdenden Inhalten – im Gesetz lautet die Formulierung „entwicklungsgefährden de Inhalte“ – zu schützen.
Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir, auch wenn wir immer wieder die Freiheit im Netz und die Freiheit der Informationsbeschaffung sowie die Freiheit der Meinungsäußerung im Sinn haben müssen, versuchen, auf diese Geschehnisse und die veränderten Gegebenheiten Ant worten zu finden.
Aber – ich sage ausdrücklich: aber – wir werden mit unseren gesetzlichen Regelungen der Entwicklung immer hinterher hinken.
Die letzte Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsver trags erfolgte im Jahr 2003. Wir haben seither eine Evaluie rung durchgeführt. Wenn Sie sich in das Jahr 2003 zurückver setzen und dagegen den heutigen Stand betrachten, dann wis sen Sie, dass nicht nur sieben Jahre ins Land gegangen sind, sondern dass bei der Mediennutzung durch Kinder und Ju gendliche, aber auch durch Erwachsene quasi epochale Ver änderungen stattgefunden haben. Für Jugendliche ist es heu te völlig normal, über soziale Netzwerke, über Mediennut zung vernetzt und verknüpft zu sein und dabei so gut wie je den Inhalt beziehen zu können. Für uns alle hier in diesem Parlament, die in einer anderen Zeit aufgewachsen sind, ist dies etwas, was uns teilweise etwas ratlos dastehen lässt.
Wir müssen trotzdem auf diese neuartigen Probleme Antwor ten finden. Wir müssen es schaffen – diese Aufgabe scheint mir weit über den Bereich des Jugendmedienschutz-Staats vertrags hinauszureichen –, den Menschen in unserem Land, vor allem Kindern und Jugendlichen, die Medienkompetenz zu vermitteln, die sie brauchen, um in dieser medialen Welt einen Weg zu finden, der ihnen auch Werte vermittelt.
Nur dann können wir in den nächsten Jahren mit Recht zu uns selbst sagen: Wir haben getan, was ging, um nicht wieder solch tragische Geschehnisse, wie sie z. B. in Winnenden ein getreten sind, erleben zu müssen.
Dazu gehört u. a. auch eine Evaluierung dessen, was wir heu te beschließen. Staatsminister Reinhart hat es gesagt: Spätes tens nach drei Jahren muss natürlich evaluiert werden, ob die Maßnahmen, die wir jetzt einführen, auch funktionieren. Wenn die Entwicklung aber so weitergeht, wie wir sie heute erleben, dann – das prophezeie ich – wird der Zeitraum von drei Jahren zu lang sein. Wir müssen uns dann wahrschein lich schon zu einem früheren Zeitpunkt – ich hoffe, das ge schieht im Einvernehmen – die Wirksamkeit dieser Maßnah men genau anschauen und überlegen, wie wir gegensteuern können.
Ich appelliere an uns alle, künftig den Bereich Medienkom petenzschulung bereits als Kernbestand des Bildungskanons in unsere Schulen zu bringen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es darf nicht sein, dass Medienkompetenz ein „Orchideenfach“ am Rande ist, das sich auf ein paar Unterrichtsstunden in der sechsten Klas se beschränkt.
Danke, Herr Kollege Pauli, für diesen Zwischenruf. Zent raler Bestandteil der Medienkompetenzschulung ist natürlich auch, die Eltern zu erreichen, die Hilfsmittel brauchen.
Damit sind wir wieder beim Jugendmedienschutz-Staatsver trag, der als ein Mittel neben verschiedenen anderen differen zierte Zugangssysteme vorsieht. Wir müssen es dennoch schaffen, sowohl bei den Eltern als auch und vor allem bei den Kindern und Jugendlichen die Fähigkeit herzustellen, sich in der heutigen medialen Welt zurechtzufinden und Werte zu er leben.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Her ren! Was wir jetzt vor uns haben, liest sich auf der Tagesord nung relativ unspektakulär: Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses zu der Mitteilung des Landesbe auftragten für den Datenschutz vom 1. Dezember 2009 – 29. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Daten schutz in Baden-Württemberg 2008/2009. Der sieht dann in der Summe so aus.
Er ist durchaus voluminös. Wenn Herr Bopp den Datenschutz beauftragten und sein Team bereits dafür gelobt hat, dass die Thematik Datenschutz im Land Baden-Württemberg, was die Behörden angeht, sehr fundiert und auch sehr detailliert auf gearbeitet wurde, so kann man sich dem nur anschließen. Des wegen möchte ich dem Datenschutzbeauftragten auch im Na men der SPD-Fraktion ganz herzlich für die Arbeit danken, die sehr aufschlussreich ist und die uns auch sehr deutlich er kennen lässt, wo es beim Datenschutz im öffentlichen Bereich noch erhebliche Probleme gibt.
Ich darf ebenfalls darauf verweisen, dass der Bericht wie auch die Stellungnahme des Innenministeriums dazu bereits im Ständigen Ausschuss beraten wurden. Auch dabei ist deutlich geworden, dass aus Sicht des Datenschutzbeauftragen insbe sondere zwei Themen – ich möchte anschließend noch zwei, drei zusätzlich erwähnen – einer stärkeren Beachtung bedür fen.
Das war zum einen das Thema Polizei. Ich gebe Ihnen recht, Herr Kollege Bopp, wenn Sie sagen, dass in der Polizeiarbeit auch ständig in Grundrechte eingegriffen wird und natürlich auch die Notwendigkeit besteht, sich mit Daten von Beschul digten oder von Opfern zu beschäftigen. Das Problem, das der Datenschutzbeauftragte in diesem Zusammenhang sehr deut lich angesprochen hat, war jedoch weniger das Thema der
Strafverfolgung oder der Verfolgung von Taten, sondern es war eher die Frage: Wie gehe ich mit den Daten über einge leitete Ermittlungsverfahren um? In dieser Hinsicht war eine Ungleichbehandlung festgestellt worden, die so eigentlich nicht akzeptabel ist.
Ich freue mich daher, dass auch das Innenministerium das er kannt hat und es abstellen möchte. Die Problematik war näm lich, wie man festgestellt hat, dass bei Ermittlungsverfahren, die gegen Polizeibeamte eingeleitet wurden, was die Einspei sung in die Datensysteme angeht, anders agiert wurde als bei den Ermittlungsverfahren gegen „normale Bürger“. Das geht natürlich nicht. Wenn bei Polizeibeamten eine besondere Schutzbedürftigkeit angenommen wird, dann muss man die se auch jedem Bürger zukommen lassen. Bisher gab es eine Unterscheidung, und der Landesdatenschutzbeauftragte hat sie angeprangert.
Der weitere Bereich – da wird es noch sehr viel drastischer –, der vom Landesdatenschutzbeauftragten als sehr kritisch be wertet wurde, sind die Schulen. Der Landesdatenschutzbeauf tragte, der in seinen Urteilen sehr abwägend und auch sehr be dacht ist, bezeichnete die Schulen in Sachen Datenschutz als „Notstandsgebiet“. Allein diese Formulierung muss uns auf horchen lassen.
Bei der Beratung im Ständigen Ausschuss – Kollege Bopp nahm Bezug darauf – waren auch Vertreter verschiedener Mi nisterien anwesend, u. a. auch aus dem Kultusministerium. Es war schon bezeichnend, dass auf die Anregung des Daten schutzbeauftragten hin, enger zusammenzuarbeiten, was auch dieses Thema angeht, um das Bewusstsein in der Kultusver waltung, in der Schulverwaltung zu stärken, als Reaktion ein Vertreter des Kultusministeriums mit der Aussage zu hören war, man habe erst kürzlich eine neue Verwaltungsvorschrift erlassen. Daraufhin war dann der Landesdatenschutzbeauf tragte durchaus – man hat es an seinem Gesichtsausdruck ge sehen – nicht guter Stimmung; ich sage dies einmal ganz vor sichtig. Denn er teilte dann mit, dass ihm Betroffene sagten, dass sie damit überhaupt nichts anfangen könnten. Sprich das, was da in Form einer Verwaltungsvorschrift an die Schulen geliefert wird, ist in der Praxis offensichtlich nicht umsetzbar.
Deswegen kann ich mich dem Appell des Landesdatenschutz beauftragten nur anschließen, durch eine sehr viel engere Zu sammenarbeit zwischen dem Kultusministerium und dem Landesdatenschutzbeauftragten – möglicherweise nach dem Beispiel der Polizei durch die Abordnung von Personal zum Landesdatenschutzbeauftragten – auf die erforderliche Sensi bilität hinzuarbeiten und den Schulen auch die richtigen Hilfs mittel an die Hand zu geben, um mit sensiblen Daten sehr viel sorgfältiger umzugehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kollege Bopp hat in weiser Voraussicht auch schon das eigentlich drängende Thema angesprochen: Der Landesdatenschutzbeauftragte hat in seinen Äußerungen ausgeführt, dass in Ländern, bei denen die Datenschutzaufsicht für den öffentlichen und den nicht öf fentlichen Bereich bereits zusammengelegt sind, inzwischen bereits ungefähr 80 % der Eingaben eher den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich als den im öffentlichen Bereich be treffen.
Das lässt uns natürlich auch eine Entwicklung erkennen, die für uns jetzt, in den nächsten Wochen und Monaten, von zen
traler Bedeutung sein muss. Denn die CDU – Sie haben das zu Recht gesagt – hat sich zu meiner Freude im vergangenen Herbst endlich dazu entschlossen, sich dem Antrag auf Zu sammenlegung des Datenschutzes für den öffentlichen und den nicht öffentlichen Bereich, den wir seit knapp 15 Jahren immer wieder in diesem Landtag stellen, anzuschließen. Ich bitte Sie, das als Chance zu nutzen, dem Datenschutz die Be deutung zukommen zu lassen, die er heute tatsächlich hat.
Hier auf den Zuschauerrängen sind viele Menschen, die tag täglich mit dem Thema Datenschutz konfrontiert werden. Sie sagten zu Recht, dass wir heute in einer Informationsgesell schaft leben, die einen derart schnellen Austausch von Infor mationen erlaubt, dass es dem Einzelnen kaum noch möglich ist, zu verfolgen, wo Daten über ihn überhaupt verfügbar sind.
Aus diesem Grund dürfen wir den Datenschutz nicht als Hemmschuh begreifen – häufig wird der Datenschutz ja als notwendiges Übel oder als Hemmschuh betrachtet –, sondern wir müssen es schaffen, dass der Datenschutz auch im Be wusstsein der Bevölkerung viel stärker verankert wird.
Denn die Nachteile, die durch einen fahrlässigen Umgang mit den eigenen Daten entstehen, sehen wir doch schon heute ganz offen. 50 % der Personalbeauftragten in Unternehmen sagen bereits heute, sie schauten ins Internet, bevor sie jemanden, beispielsweise einen Auszubildenden, einstellten. Im Internet schauen sie in den sozialen Netzwerken nach, was über die einzelnen Bewerber veröffentlicht ist. Diesen ist das zum Zeit punkt der Veröffentlichung nicht bewusst, aber wenn sie sehr sorglos – wie Sie es zu Recht sagen – mit ihren Daten umge hen, haben sie später die Nachteile zu tragen.
Lassen Sie uns daher diese Zusammenlegung, die sicherlich einer genauen Vorarbeit bedarf, als Chance begreifen, diesem Thema auch im Bewusstsein der Bevölkerung ein viel stärke res Gewicht zukommen zu lassen.
Im Zusammenhang mit dem Datenschutz wurde auch das The ma „Soziale Netzwerke“ angesprochen. Daneben gibt es zahl reiche andere datenschutzrelevante Themen. Es gibt Google Street View, wofür ein Fahrzeug durch Städte fährt und aus einer Höhe von 3 m in jeden Vorgarten „hineinleuchtet“. Ich meine, wir haben bis heute keine angemessene Antwort dar auf, wie wir mit dieser Datensammelwut umgehen.
Es gibt ein weiteres Thema, das in den letzten Monaten sehr viel Aufsehen erregt hat, nämlich das Thema Arbeitnehmer datenschutz. Wenn wir uns daran erinnern, was für Skandale es in den letzten Monaten gab, bei denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Daten teilweise unter Druck preisgaben, weil sie Angst hatten, eine Stelle sonst nicht zu bekommen, müssen wir klar erkennen, dass dies heute einer Regelung be darf. Deswegen ist das Thema Datenschutz auch insoweit für jeden und jede von zentraler Bedeutung.
Das sind nur wenige Punkte, die auch den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich betreffen.
Im Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten werden na türlich noch viele weitere angesprochen. Im Bereich der öf fentlichen Hand haben wir die Videoüberwachung. Wir haben im Bereich der öffentlichen Hand auch das Thema – der Jus tizminister ist gerade nicht da – Fußfessel. Auch hier wird sehr weit in den Bereich der persönlichen Integrität eingegriffen.
Wir müssen uns immer in einer klaren Abwägung überlegen, ob dieser Eingriff in die Grundrechte, in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gerechtfertigt ist und von dem Zweck getragen ist, den es verfolgt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Zusammen legung in einer gemeinsamen Institution – ich sage bewusst nicht „Behörde“ – bedarf einer sehr genauen Vorarbeit. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20. März dieses Jahres, von dem auch Herr Kollege Bopp sprach, lässt im Be reich der Aufsicht einige Fragen offen. Dieses Problem resul tiert daraus, dass beim Europäischen Gerichtshof nicht nur die deutsche Rechtstradition aufgenommen wird, sondern auch andere Rechtstraditionen eine Rolle spielen.
Wir müssen uns sehr genau anschauen, welches Modell wir heute auswählen, damit diese Institution allen Anforderungen des europäischen Rechts gerecht wird. Es bringt doch uns al len nichts, wenn wir heute eine Behörde kreieren, die dann in kürzester Zeit durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wieder als nicht zulässig, nicht legal oder wie auch immer er achtet wird.
Wir müssen also schauen, dass wir gemeinsam – ich biete Ih nen dabei die Zusammenarbeit an – diese Unabhängigkeit, die vom Europäischen Gerichtshof postuliert wird – auch im Hin blick auf aufsichtsrechtliche Fragen –, sicherstellen. Es geht hier um Fachaufsicht, Rechtsaufsicht und Dienstaufsicht. Das alles muss nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs sehr stark von Unabhängigkeit geprägt sein. Das heißt, auch das Modell Schleswig-Holsteins, das schon ein hohes Maß an Un abhängigkeit in sich birgt, genügt den Anforderungen eben nicht.
Daher müssen wir überlegen, wie wir möglicherweise auf Ba sis dieses Modells eine Weiterentwicklung schaffen. Deswe gen würde ich anregen, den Antrag der Grünen, Drucksache 14/6182, an den Ständigen Ausschuss und die anderen zustän digen Fachausschüsse zu überweisen und zum Anlass zu neh men, an dieser Stelle weiterzudiskutieren. Denn das darin ent haltene Wort „umgehend“ ist für mich von zentraler Bedeu tung. Bisher haben wir auf das Urteil des EuGH gewartet. Jetzt liegt es vor. Nun dürfen wir nicht anfangen, dieses Urteil, wie Kollege Bopp sagte, zu interpretieren. Denn Interpretieren hat immer auch etwas mit Hineindichten zu tun. Vielmehr müs sen wir dieses Urteil klar analysieren. Wir müssen dazu auch die europäische Rechtsvergleichung heranziehen.
Wenn wir das gemacht haben, sollte es uns noch in diesem Jahr gelingen, eine schlagkräftige Behörde, eine schlagkräf tige Institution zu schaffen, in der der Datenschutz für den öf fentlichen, aber auch für den nicht öffentlichen Bereich sein Recht und seine Geltung findet.
Dann, hoffe ich, können wir es schaffen, auch den Menschen in diesem Land, vor allem auch den jungen Menschen, das Gewicht und die Bedeutung des Datenschutzes zu vermitteln. Denn jeder Einzelne sollte sehr achtsam mit seinen persönli chen Daten umgehen.
Herzlichen Dank.
Herr Innenminister Rech, ich ha be eine Frage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Neure gelungen. Wie der Kollege Oelmayer sagte, haben wir schon lange auf den Entwurf bzw. die Eckpunkte gewartet. Im De zember hatten Sie uns versprochen, dafür Ihre Weihnachtsfei ertage zu investieren.
Wir sind also froh, dass wir heute so weit sind.
Meine Frage hat folgenden Hintergrund: Das Thema „Unter hälftige Teilzeit“ ist, glaube ich, unter allen Fraktionen rela tiv unumstritten. Die Regelung wäre sehr zu begrüßen. Denn das ist einfach eine Flexibilisierung im Sinne der Familien. Dazu liegen mir auf dem Tisch meines Abgeordnetenbüros mehrere Anfragen von Lehrern bzw. von Lehrerinnen vor, die wissen wollen, wie es mit dem 1. September 2010 aussieht. Ursprünglich hieß es, die Neuregelung würde eventuell zum 1. Juli in Kraft treten, dann wurde der 1. September 2010 ge nannt. In der Zeitung von heute wird es auch nicht ganz klar; dort spricht man von Januar bzw. April 2011.
Es würde mich interessieren, ob man nicht denen, die hier un mittelbar das Bedürfnis haben, so schnell wie möglich im Be reich „Unterhälftige Teilzeit“ ein Ergebnis zu erhalten, etwas sagen könnte. Könnte man deswegen schnell einen Zeitpunkt für das Inkrafttreten nennen? Das ist meine Frage an Sie.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich darf für die SPD-Landtagsfraktion eine Stellungnahme zum Fünften Tätigkeitsbericht des Innenminis teriums zum Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich abgeben.
Ich darf an dieser Stelle auf das hinweisen, was auch schon im Ständigen Ausschuss thematisiert wurde. Wir haben dort schon über verschiedene Aspekte des Themas „Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich“ diskutiert. Es ist eigentlich al
len Fraktionen des Landtags klar, wo hier Defizite bestehen und wo vor allem auch die Gefahren liegen.
Ich habe diesen Tätigkeitsbericht einmal in ausgedruckter Version mitgebracht.
Sie sehen bereits an der Dicke dieses Werks, dass das Innenministerium mit seinen durchaus begrenzten Mitteln in diesem Bereich Erhebliches geleistet hat. Wir haben uns schon im Ständigen Ausschuss für diesen Bericht bedankt. Sie können an seiner Dicke sehen, wie wichtig dieses Themengebiet ist und wie wichtig es auch in Zukunft sein wird. Sie können aber, wenn Sie sich mit diesem Tätigkeitsbericht beschäftigen, auch feststellen, dass dieses viele Papier, das da vollgeschrieben ist, in ganz wesentlichem Umfang eher einer Nacherzählung gleicht.
Eine Nacherzählung – erinnern wir uns an den Deutschunterricht zurück – ist ja etwas, bei dem man anfängt, sich einmal ein bisschen schriftlich zu äußern. Wir würden uns eigentlich nicht nur eine Nacherzählung der Probleme wünschen, die wir kennen, sondern viel eher ein Unterbreiten von Lösungsvorschlägen durch das Innenministerium für die Problemfelder, die immer größer werden. Vor allem wären uns Lösungsvorschläge recht, wie wir dem gesetzgeberisch begegnen können. Da sehen wir ganz erhebliche Defizite.
Wir haben hier in dieser Sammlung verschiedene Aspekte gestreift. Ein wesentliches Thema – der Kollege Bopp hat es angesprochen – ist der Arbeitnehmerdatenschutz. Wir erinnern uns an das, was in den vergangenen Wochen und Monaten in der Presse zu lesen war. Das muss einem eigentlich schon Angst machen.
Ein Beispiel: eine Landbäckerei, die 137 Filialen betreibt. Ein Einbrecher wagt es, eine Verkleidung von einer Wand zu reißen, und dummerweise kommt eine Kamera zum Vorschein. Es stellt sich heraus, dass sämtliche dieser 137 Filialen verkabelt und mit Kameras ausgestattet sind. Das zeigt die Dimension, die wir inzwischen erreicht haben. Wir haben außerdem Fälle bei Lidl, wir haben Fälle bei der Deutschen Bahn, wir haben Fälle bei der Telekom, bei denen wir Probleme im Bereich des Datenschutzes haben.
Wenn wir uns das von der Struktur her anschauen – der Datenschutzbeauftragte, der bisher für den Datenschutz im öffentlichen Bereich zuständig ist, und der Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich –, dann sehen wir, dass wir hier immer auch unmittelbar Betroffene haben. Beim Arbeitnehmerdatenschutz ist unmittelbar das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betroffen. Es reicht uns nicht aus, wenn im Koalitionsvertrag steht, dazu werde ein eigenes Kapitel im Bundesdatenschutzgesetz eingeführt.
Frau Leutheusser-Schnarrenberger, Herr Kollege – sie ist ja, glaube ich, eine Parteifreundin von Ihnen –, hat dies auch er
kannt und hat gesagt, man brauche eigentlich mehr, nämlich ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz.
Wir würden uns sehr freuen, wenn sich Frau LeutheusserSchnarrenberger gegen mögliche Widerstände bei der CDU oder auch bei der FDP/DVP-Landtagsfraktion in BadenWürttemberg durchsetzen könnte und diesen Weg auch gehen würde.
Zahlreiche Arbeitsrechtler sagen: „Wir brauchen hier etwas, bei dem es auch einen Kläger oder einen Beklagten geben kann.“ Wir haben die Struktur der Arbeitsgerichte. Wenn es im Bundesdatenschutzgesetz steht, dann ist das womöglich nicht als Rechtsanspruch formuliert. Das ist ein Thema, das für mich zwingend darauf hinführt, ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz einzuführen. Denn dann haben wir tatsächlich Rechtsschutzmöglichkeiten für die Betroffenen.
Das wäre wunderschön, Herr Wetzel.
Was nicht passieren darf – der Kollege Bopp hat es auch angesprochen –, ist, dass diese Zusammenlegung, auf die jetzt endlich auch die CDU gekommen ist,
nämlich zur Effektivierung den Datenschutz im öffentlichen und den im nicht öffentlichen Bereich zusammenzufassen, zum Sparen missbraucht wird. Wir fordern diese Zusammenlegung, seit es den Datenschutzbeauftragten gibt.
Die CDU hat lange gebraucht. Sie braucht bei anderen Themen vielleicht ebenfalls noch ein bisschen. Aber es wird klappen, sie wird zur Einsicht kommen. Hier ist sie zur Einsicht gelangt. Es darf aber nicht dazu kommen, dass die Mittel, die bisher für den Datenschutz im öffentlichen und den im nicht öffentlichen Bereich eingesetzt wurden – und zwar unwirtschaftlich in zwei verschiedenen Bereichen –, gekürzt werden. Denn die Aufgaben, die auf uns zukommen, vor allem beim Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich, sind derart groß und vielfältig, dass wir tatsächlich eine schlagkräftige Behörde, einen schlagkräftigen Datenschutzbeauftragten brauchen, der mit den notwendigen Personal- und Sachmitteln ausgestattet ist.
Aber ganz selbstverständlich.
Herr Kollege Kluck, ich kenne Otto Schily nicht persönlich. Aber ich glaube, er hätte sich, wenn er heute hier säße, meinen Argumenten angeschlossen.
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ich darf zum Schluss kommen. Wie gesagt – das ist der wichtige Punkt –, diese Zusammenlegung, die die CDU jetzt ebenfalls befürwortet, darf nicht dazu führen, dass wir dieses wichtige Rechtsgebiet, den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich, schwächen. Wir müssen ihn vielmehr stärken. Wir müssen dem Datenschutzbeauftragten, der heute auch hier ist, die notwendigen Mittel an die Hand geben, damit er seiner Aufgabe gerecht werden kann.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Minister Rech, das Problem, das Kollege Walter gerade angesprochen hat, stellt sich, meine ich, in einem etwas anderen Licht dar, wenn man sich das Schreiben der Daimler AG vom heutigen Tag anschaut. Darin wird schon ein Stück weit erklärt, warum es die Überprüfungen in dieser Form gab. Am Anfang kann man das noch nachvollziehen, wenn von einer Fürsorgepflicht bei bestimm ten Tätigkeiten die Rede ist, also etwa, wenn es um Tätigkeiten geht, bei denen die Mitarbeiter mit Lösungsmitteln in Berührung kommen. Den Mitarbeiter dann auf seine Allergieanfälligkeit oder Ähnliches hin zu testen, mag ja noch nachvollziehbar sein.
Auf der zweiten Seite dieses Schreibens steht aber der folgende Satz:
Vor allem bei Angestellten, für die keine potenziellen Gefährdungen im Arbeitsumfeld zu erwarten sind,
das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen; die Daimler AG sagt sogar selbst, dass es nicht anlassbezogen sein muss –
dient die freiwillige Blutuntersuchung der individuellen Gesundheitsvorsorge.
Ich glaube, an diesem Satz wird deutlich, wo das Problem liegt. Hier wird mit dem Rasenmäher an das Problem herangegangen. Den Bericht des Landesdatenschutzbeauftragten zur Überprüfung der Korruptionsbekämpfung der Stadt Stutt
gart kennen wir. Auch da war das Problem, dass man ohne Anlass mit dem Rasenmäher drüberging. Genau das ist doch ein Kernproblem des Datenschutzes.
Es ehrt Sie, wenn Sie sagen, dass Sie das zunächst einmal aufarbeiten und die Fakten ermitteln müssen. Eine rechtliche Bewertung des Sachverhalts ist aufgrund dieses zweiseitigen Schreibens aber schon heute möglich.
Deshalb noch einmal die Frage von Herrn Kollegen Walter: Was gedenken Sie zu tun? Vor allem möchte ich wissen, was die Landesregierung im Sinne eines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes zu tun gedenkt. Dies ist ein weiterer Fall, der sehr deutlich zeigt, dass wir ein solches Gesetz dringend und schnell brauchen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte mich in dieser Debatte über die Patientenverfügung zunächst einmal dem anschließen, was Kollege Wetzel einführend gesagt hat. Ich finde es erfreulich, dass der Bundestag in seiner Sitzung am 18. Juni nach einem fast sechsjährigen Diskussionsprozess eine für die Menschen in diesem Land, denke ich, ausgesprochen wichtige Entscheidung getroffen hat. Die Entscheidung, die Patientenverfügung auf eine rechtliche Grundlage zu stellen und auch in ihrer Konsequenz für alle Beteiligten durchschaubar und rechtssicher zu machen, ist für die Menschen in unserem Land, die z. B. von der Problematik der Pflegebedürftigkeit betroffen sind, von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Was Kollege Lasotta gerade ansprach, ist eben das Spannungsverhältnis, in dem sich die Diskussion bewegte. Die Diskussion bewegte sich letztlich auf der Grundlage von drei verschiedenen Gesetzentwürfen. Wenn wir uns die Unterschiede anschauen, stellen wir fest, dass diese im Wesentlichen darin begründet sind, dass die eine Gruppe den Lebensschutz höher ansetzt, während die andere Gruppe dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen mehr Gewicht verschaffen will. Wenn wir uns die Historie, die Entwicklung im Bürgerlichen Gesetzbuch gerade in diesem Bereich anschauen, sehen wir, dass das, was am 18. Juni passiert ist, einfach nur eine konsequente Weiterentwicklung dessen darstellt.
Als ich vor 20 Jahren mit meinem Jurastudium begann, ent hielt das Bürgerliche Gesetzbuch noch den Begriff „Entmündigung“. Das heißt, wir haben in der damaligen Situation das Recht des Einzelnen relativ niedrig eingestuft, dass seine Entscheidung in einer Phase, in der er eigentlich nicht mehr wirklich für sich selbst entscheiden kann, ernst genommen wird. Wir haben es damals geschafft, statt des Begriffs „Entmündigung“ und des darauf basierenden Begriffs „Vormund“ den Begriff „Betreuer“ einzuführen. Das Gesetz, über das wir sprechen und in dem der Sachverhalt nun geregelt wird, heißt ja auch „Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts“. Die Patientenverfügung betrifft also keine isolierte Rechtsfrage, sondern wir sprechen hier über das Betreuungsrecht. Gerade in diesem Feld traten in der Vergangenheit immer wieder Probleme auf.
Herr Lasotta sagt zu Recht, dass es Ärzte gibt, die in dieser schwierigen Situation, auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die richtigen Entscheidungen getroffen haben und dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen das notwendige Gewicht gegeben haben. Aber ich habe mit vielen Ärzten gesprochen, die in der bisherigen Situation, also ohne dieses Gesetz, eine erhebliche Rechtsunsicherheit verspürt haben.
Es geht auch nicht nur um die Sicht der Ärzte. Kollege Lasotta spricht als Arzt natürlich insbesondere auch aus dieser Perspektive. Es geht für mich ganz wesentlich zum einen um die Perspektive der Patienten,
die in einem Zustand, in dem sie noch selbst entscheiden können, auch mündig genug sind, eine Entscheidung darüber zu treffen, was in einer Situation passieren soll, in der sie selbst nicht mehr diese Entscheidung in Händen halten. Das ist der eine wichtige Punkt.
Die Bedeutung dieser Frage wird uns auch immer klarer, wenn wir sehen, dass durch die Fortschritte in der medizinischen Forschung, aber auch durch den demografischen Wandel immer mehr dieser Fälle auftreten werden, in denen diese Fragestellung virulent wird.
Wen wir aber in dieser Situation neben den Ärzten und Patienten ganz sicher nicht vergessen dürfen, sind zum einen die Betreuer, aber zum anderen – für mich ganz wichtig – auch die Angehörigen dieser Patienten. Was haben wir denn in der Vergangenheit gemacht? Wir haben die Verantwortung den Angehörigen zugeschoben. Wir hatten Situationen, in denen wir beispielsweise Wachkomapatienten hatten – in der Boulevardpresse wurde immer wieder über Sunny von Bülow berichtet, die 28 Jahre lang im Wachkoma lag – und in denen die Angehörigen, so meine ich, allein gelassen wurden. Das darf jedoch schlicht und einfach nicht passieren.
Ich denke, wenn wir den Menschen die Möglichkeit geben, sich in dieser sehr, sehr schwierigen rechtlichen Frage für einen Weg zu entscheiden, den sie, Herr Kollege Lasotta, sicher nicht leichtfertig irgendwann einmal zu Papier bringen – die Schriftform ist ja vorgeschrieben –, dann müssen wir das respektieren. Wir müssen das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen auch als Kernbestand seiner Rechte respektieren. Es gibt namhafte Verfassungsrechtler, die sagen: Innerhalb eines Rechtsträgers – jeder Mensch ist ein Rechtsträger; die Juristen sind mit ihrer Sprache manchmal etwas ungelenk –
kann keine Konkurrenz zwischen dem einen Ziel, dem Lebensschutz, und dem anderen Ziel, der möglichst starken Betonung des Selbstbestimmungsrechts, entstehen.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, freut es mich, dass der Deutsche Bundestag zu diesem Thema eine derart weitreichende Entscheidung getroffen hat, die über Fraktions- und Parteigrenzen hinweg sehr sachlich debattiert wurde. Deswegen halte ich das für einen weitreichenden Schritt in die Zukunft und für die Menschen in unserem Land.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir hatten die Debatte eigentlich unter dem folgenden Aspekt angefangen: Der Bundestag hat sechs Jahre lang über dieses Projekt diskutiert. Er hat es auch über Fraktionsgrenzen hinaus offen diskutiert und hat das Thema vor allem auch durch – ich sage es einmal so – zahllose Anhörungen von Sachverständigen, von Betroffenen von allen Seiten beleuchtet.
Wenn Herr Kollege Lasotta uns vorhin Beispiele versprochen hat, so ist er sie schuldig geblieben. Wenn er anspricht, dass die Ärzte in der Vergangenheit sorgsam mit diesem Thema umgegangen seien, dann muss ich schon fragen: Wer entscheidet denn – dies war in der Vergangenheit leider viel zu häufig der Fall – beim Vormundschaftsgericht? Beim Vormundschaftsgericht sitzt nämlich wieder ein Jurist, der sich mit Kunstprodukten beschäftigt, nämlich mit so etwas wie dem „mutmaßlichen Willen“.
Wir wollen doch, um den Menschen gerecht zu werden, dieses Kunstprodukt „mutmaßlicher Wille“ nur auf die Fälle einschränken, bei denen wir anders nicht weiterkommen. Warum muss ich einen mutmaßlichen Willen künstlich zu einer Zeit erzeugen, zu der der Mensch nicht mehr selbst die Entscheidung, seinen Willen bekunden kann, wenn ich die Chance habe, seinen wirklichen Willen zu erfahren?
Ich darf Sie bitten, bei der Debatte eines zu berücksichtigen: Wir sprechen gerade in einer Art und Weise über die Patientenverfügung, als ob das ein Formular aus dem Internet wäre, auf das man seine Unterschrift setzt oder eben nicht setzt. Die Patientenverfügung gibt alle Möglichkeiten, in jedem Einzelfall für sich selbst zu entscheiden, in welchen Situationen der behandelnde Arzt, der Betreuer und der Angehörige welche Entscheidung treffen soll. Das Thema der Reichweitenbegrenzung – das ist ein sehr abstrakter Begriff – ist die Beschränkung darauf, dass ich diesen Willen, sich nicht weiter behandeln lassen zu wollen, auf bestimmte Fälle reduziere. Zu diesem Zeitpunkt habe ich doch noch die Möglichkeit, meinen Willen selbst zu artikulieren und zu bilden.
Tun wir doch nicht so, als ob es nur d i e Patientenverfügung gäbe oder eben keine. Ganz wichtig ist mir auch – das haben Herr Kollege Wetzel und Justizminister Goll ebenfalls gesagt –, dass es jedem unbenommen ist, eine Patientenverfügung zu erstellen oder dies nicht zu tun. Ich denke aber, die Menschen, die es tun, denken in dieser Situation zum einen an das, was ihr eigener Wille ist, zum anderen aber auch sehr intensiv an ihre Angehörigen. Ich habe es vorhin gesagt.
Es wäre nicht richtig, die Angehörigen in dieser Situation allein zu lassen. Sie können nämlich nicht mehr fragen; sie sind
hin- und hergerissen zwischen lebenserhaltenden Maßnahmen und dem Ziel, den Betreffenden in Würde sterben zu lassen. Ganz vorn im Grundgesetz steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das würdige Sterben, das jeder selbst in der Hand halten muss, sollte auch jemandem zugestanden werden, der in dieser letzten Phase die Entscheidung nicht mehr selbst treffen kann, sondern der diese Entscheidung noch zu einem Zeitpunkt trifft, zu dem er sie bewusst treffen kann.
Ihre Aussage war auch: Was ein 20-Jähriger bei Erstellung einer Patientenverfügung entscheiden würde, kann sich ändern. Das ist unbenommen. Aber bleiben wir doch einmal realistisch. Wann entscheiden sich Menschen dafür, eine Patientenverfügung zu errichten? Justizminister Goll hat diesen Zeitpunkt noch nicht erreicht. Er hat vorhin gesagt, er habe noch keine gemacht.
Ich denke daher, dass der Appell des Kollegen Noll auch da auf Gehör treffen wird.
Aber bei einem Testament, Herr Kollege Lasotta, ist es doch genau das Gleiche. Bei einem Testament geht es um den Willen über den Tod hinaus. Das Testament bleibt – wenn ich mich nicht zwischendurch entscheide, es zu ändern – in Kraft, ob ich es mit 18 oder mit 80 errichte. Deshalb sollten wir da keinen künstlichen Unterschied herbeireden, und wir sollten diese Phase, in der der Mensch nicht mehr für sich selbst entscheidet, nicht dazu nutzen, ihn zum Objekt zu degradieren. Denn das machen wir in der Praxis. Wir sollten vielmehr daran denken, dass der Mensch, der Einzelne im Rahmen seines Selbstbestimmungsrechts das Subjekt sein muss, der allein Entscheidende.
Was Sie vorhin zu den Problemen vorgetragen haben, ist alles richtig. Wir sollten aber eines betonen: Nach dieser sechsjährigen Debatte, die geführt wurde, wäre es bei Weitem schlechter, kein Gesetz zu haben, als eine Entscheidung für eine gesetzliche Grundlage zu treffen.
Gestatten Sie mir noch eine abschließende Bemerkung. Es ist richtig, dass Bundestagsabgeordnete aus allen Fraktionen schließlich zu dieser Zweidrittelmehrheit beigetragen haben. Ich habe es sehr bedauert, nachdem insbesondere der ZöllerVorschlag von vielen Abgeordneten der CDU und der CSU unterstützt worden war, dass in der letzten Abstimmung lediglich ein Mitglied der CDU/CSU-Fraktion dem Gesetzentwurf schließlich zugestimmt hat. Ich hoffe dennoch, dass wir am kommenden Freitag – da liegt die Sache zur Entscheidung im Bundesrat – eine breite Mehrheit für das Gesetz haben.
Es ist nicht zustimmungspflichtig. – Ich hoffe, dass wir den Menschen mit diesem Gesetz, das der Bundestag am 18. Ju
ni beschlossen hat, eine Perspektive geben, dass wir die Menschen nicht allein lassen, und zwar sowohl die Patienten als auch deren Angehörige, als auch die Betreuer und Ärzte. Deswegen ist das eine wichtige Entscheidung gewesen.
Herzlichen Dank.