Vielleicht können wir uns wenigstens darauf einigen, dass der Wirtschaftsstandort Nummer 1 der Bundesrepublik Deutsch land zumindest autark sein sollte, wenn es um die Verwen dung von Strom geht.
Das heißt im Umkehrschluss: Wenn ich bis zum Jahr 2022 wie Sie komplett aus der Kernkraft aussteigen möchte, dann muss ich, Stand heute – –
Das sind die Steigerungsraten, die wir beim Strom mit Sicher heit haben werden – Stichwort E-Mobility und anderes mehr. Wir sollten vielleicht auch einmal darüber reden, woher die Energie kommt. Sie kommt halt nicht nur aus der Steckdose, wie Sie immer glauben machen wollen. Aber selbst wenn wir keine Steigerungsrate hätten, hieße das, dass wir 67 % des Stroms bis zum Jahr 2022 anders erzeugen müssten.
Es gibt doch nur drei Möglichkeiten: Entweder Sie importie ren Strom, oder Sie decken diesen Bedarf durch erneuerbare Energien, oder Sie decken ihn durch fossile Brennstoffe. Im portieren will ich nicht, weil sich das auf den Preis auswirkt. Dass wir in diesem Volumen erneuerbare Energien bereitstel len könnten, behauptet kein Mensch.
Ich halte es einfach für unverantwortlich, dann zu sagen: Das Thema Klimawandel ist plötzlich vom Tisch – ausgerechnet bei den Grünen –, wir decken diesen Bedarf jetzt einmal mit fossilen Brennstoffen.
Wer aus der Kernkraft aussteigen möchte, muss auch Fakten dazu nennen, wie wir die Brücke schaffen wollen. Darum geht es in der aktuellen politischen Diskussion.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE – Gegenruf von der CDU: Walter, zuhören!)
Ich möchte Versorgungssicherheit, aber ich möchte vor allem Bezahlbarkeit. Ich möchte nicht, dass die Schere sich zulas ten der Bezieher von unteren und mittleren Einkommen, die wir eigentlich entlasten müssten, aber gerade nicht entlasten können, genau in die andere Richtung öffnet und dass der Preis im Prinzip bei Grundgütern des täglichen Bedarfs wie z. B. der Energie nach oben geht.
Sie weisen doch zu Recht in diesem Punkt schon heute dar auf hin, dass wir mit die höchsten Strompreise in Europa ha ben. Dann können Sie doch nicht dafür sein, dass sie weiter nach oben gehen.
Lassen Sie uns deshalb – da bitte ich Sie am heutigen Tag aus drücklich um Unterstützung – ideologiefrei darüber diskutie ren, wie wir weiterhin am Kurs festhalten, zu einem bestimm ten Zeitpunkt ohne Kernkraft auskommen zu können, wie wir diesen Übergang aber mit einem längeren Übergangszeitraum so hinbekommen, dass er ökonomisch sinnvoll, für die Ver braucher bezahlbar und insgesamt – übrigens auch mit Blick auf den Klimawandel – einfach gut ablaufen kann. Das ist meine herzliche Bitte. Ich kämpfe in Berlin dafür.
Ich finde es schon putzig, dass ausgerechnet der Fraktionsvor sitzende der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg zum größten Fan des Bundesumweltministers wird. Das ist in Ord nung. Damit kann ich leben.
Aber ich bitte Sie einfach darum, dass Sie mir in einem Punkt folgen, meine Damen und Herren. Ich habe meinen Amtseid auf die Interessen des Landes Baden-Württemberg abgelegt und nicht auf die Satzung irgendeiner Partei oder auf das, was manche dort propagieren.
(Oh-Rufe von der SPD und den Grünen – Wider spruch bei der SPD und den Grünen – Vereinzelt Bei fall)
Sie sollten ebenfalls auf die Interessen des Landes eingehen – um das bei dieser Gelegenheit auch einmal zu sagen. Bei ei nem Kernkraftanteil von 50 % an der Gesamtstromerzeugung können Sie diesen Harakiri-Kurs, den Sie hier propagieren, nicht weiterverfolgen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Jür gen Walter GRÜNE: Das ist Quatsch! – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist unsinnig! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP zu SPD und Grünen: Ihr habt doch die Kernkraft ausgebaut!)
Um Ihnen vielleicht eine kleine Vorfreude bei diesem Thema zu nehmen, bei dem Sie immer glauben, dass Sie eine Riesen mehrheit in der Bevölkerung auf Ihrer Seite hätten, möchte ich Ihnen noch eines sagen: Laut einer aktuellen Umfrage von Emnid im Februar 2010
sind 70 % der Deutschen der Meinung, dass man so bald wie möglich, aber bei einer Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken – resultierend aus dem Status quo – energie politisch agieren muss.
(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Bitte? Das hat jetzt niemand verstanden! – Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Was?)
Es ist also keinesfalls so, wie Sie immer agitieren und glau ben machen wollen, dass knapp unter 100 % der Bevölkerung der Meinung seien, dass man die Kernkraftwerke sofort ab schalten muss. Die Menschen in diesem Land sind sehr viel intelligenter, als Sie glauben machen wollen.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: Jawohl! So ist es! – Abg. Jür gen Walter GRÜNE: Sie reden sich um Kopf und Kragen!)
Ich bleibe übrigens ausdrücklich bei dem Vorschlag, den mein Amtsvorgänger gemacht hat, weil ich ihn immer unterstützt habe und aus tiefster Überzeugung auch weiterhin unterstüt zen werde,
(Oh-Rufe von der SPD und den Grünen – Abg. Mar tin Rivoir SPD: Jetzt wächst aber eine lange Nase! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Sie lügen! – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)
nämlich dass wir mindestens 50 % der zusätzlichen Erträge im Zuge einer Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken di rekt in die schnellere Erforschung und Einführung erneuerba rer Energien investieren sollten. Ich sage ganz offen, dass ich kein Fan einer Steuer auf Brennelemente bin.
Ich möchte, dass wir mit den Erträgen aus der längeren Lauf zeit von Kernkraftwerken erneuerbare Energien schneller vo ranbringen. Das macht in Deutschland politisch Sinn, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der CDU: Bravo! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP: Jawohl!)
(Oh-Rufe von der SPD und den Grünen – Abg. Jür gen Walter GRÜNE: Lassen Sie es lieber bleiben! – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Der ist vergiftet!)
wobei ich eines auch einmal sagen möchte: Wenn ich das, was Sie vorhin vorgetragen haben, als Gesang apostrophieren müsste und die Maßstäbe des European Song Contests anle gen würde, dann könnte ich sagen, dass Sie noch nicht einmal aus Island einen Punkt bekommen hätten und dass der Saal danach leer gewesen wäre, wenn wir Sie nach Oslo geschickt hätten.
(Heiterkeit bei der CDU und der FDP/DVP – Oh-Ru fe von der SPD und den Grünen – Abg. Jürgen Wal ter GRÜNE: Lena ging auf die Gesamtschule und re det gescheiter daher als ihr!)
Dass Baden-Württemberg als das Land, das wie kein anderes Bundesland von dieser Wirtschaftskrise betroffen war, erho benen Hauptes auf dem Weg aus einer beispiellosen Krise ist, das hat es seinen klassischen Stärken zu verdanken:
den Bürgerinnen und Bürgern, den unglaublich vielen hoch innovativen mittelständischen Unternehmen, auch den – das sage ich noch einmal ausdrücklich – Gewerkschaften, die in der Krise exzellent kooperiert haben, wie ich dies bis dato so nicht gekannt habe, seiner Innovationskraft und vor allem ei ner Politik ohne Ideologien für die Mitte dieser Gesellschaft.
Diese Politik für die Mitte bleibt richtig, meine Damen und Herren. Da können Sie von den Grünen und der SPD noch so laut schreien: Mitte, Mittelstand, Maß, Berechenbarkeit und Ausgleich gehören seit jeher – das wissen Sie auch – zu den klassischen Stärken baden-württembergischer Politik.