Wir begrüßen auch, dass räumliche, organisatorische und per sonelle Trennungen von der üblichen Verwaltung vorgesehen
sind. Das ist im Gesetz sehr detailliert ausgeführt. So hoffen auch wir, dass mit solchen Maßnahmen eine rechtsstaatliche Umsetzung des Zensusgesetzes 2011 gewährleistet ist.
Ich komme jetzt zum Hauptpunkt aus unserer Sicht, nämlich zu den Kosten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Herr Staatssekretär Dr. Scheffold hat ausgeführt, dass auf BadenWürttemberg insgesamt 80 Millionen € zukommen werden. Die Städte und Gemeinden erhalten 29,5 Millionen €. Das ist ein Verhandlungsergebnis, das mit den kommunalen Landes verbänden erzielt wurde. Ich gehe davon aus, dass dies von den kommunalen Landesverbänden gut verhandelt worden ist. Übrigens geht man bundesweit davon aus – damit man diese Zahlen wieder einmal hört –, dass dieser Zensus Bund und Länder 527 Millionen € kosten wird, also mehr als eine hal be Milliarde Euro.
Ich habe es erwähnt: Die Kommunen in Baden-Württemberg sollen 29,5 Millionen € erhalten. Dabei handelt es sich nur um diejenigen Kommunen, meine sehr verehrten Damen und Her ren, die Standorte von Erhebungsstellen werden. Die übrigen Kommunen gehen leer aus.
Bereits im Oktober habe ich nachgefragt, wie man sich dies vorstellt. Als Antwort hat man mir gegeben:
Nach den Regelungen des Gesetzes zur Vorbereitung ei nes registergestützten Zensus einschließlich einer Gebäu de- und Wohnungszählung 2011... gehören die jeweils nach Landesrecht für das Meldewesen, für die Grundsteu er, für die Führung der Grundbücher und für die Führung der Liegenschaftskataster zuständigen Stellen sowie die Finanzbehörden und Versorgungs- und Entsorgungsbe triebe zu den auskunftspflichtigen Stellen, die zur Über mittlung von Daten zum Aufbau des Anschriften- und Ge bäuderegisters verpflichtet sind.
Dafür erhalten die Kommunen durch die Übermittlung der Datensätze – die meisten brauchen dazu noch die Rechenzen tren – keinen Ausgleich. Das heißt, wir haben hier verschie dene Seiten: Diejenigen Kommunen, die Erhebungsstellen werden, erhalten Geld. Die anderen Kommunen, auf die auf grund des Zensusgesetzes 2011 aber auch Mehrbelastungen zukommen, sollen nichts erhalten. Ich bin der Auffassung, dies sollte man im zuständigen Ausschuss etwas intensiver disku tieren.
Diskutiert werden muss auch, dass bei den Erhebungsstellen überhaupt nicht gesagt werden kann, welche Kosten letztend lich tatsächlich anfallen. So haben sich Städtetag und Gemein detag – zu Recht, wie ich meine – vorbehalten, dass diese Kos ten nach der Durchführung des Zensus 2011 überprüft wer den sollen, weil man heute keine Ahnung hat, was sie tatsäch lich kostet. Denn das ist der erste Zensus, der in dieser Art und Weise durchgeführt wird, also nicht als komplette Volksbefra gung, sondern als kleine Volksbefragung, wenn ich das so nen nen darf.
Insgesamt signalisieren wir, dass wir dem Gesetz wohlwol lend gegenüberstehen – allerdings mit diesen Fragen, die sich noch auftun und auf die wir gern eine Antwort hätten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist sicherlich wünschenswert, dass ei ne Kommune, ein Land, ein Staat verlässliche Planungsdaten hat: Größe der Bevölkerung, Gebäudezahl, Wohnungszahl usw. Trotzdem ist im Jahr 2010 mit fortgeschrittener Technik auch in diesem Bereich die Frage erlaubt: Brauchen wir, wenn auch nur in Teilbereichen, dafür noch immer eine Volkszäh lung alten Typs, oder sind wir nicht längst in der Lage, die notwendigen Erkenntnisse und die Planungssicherheit mit ei nem rein registergestützten Zensus zu erlangen?
Diese Frage hat der Bundesgesetzgeber leider nicht schlüssig beantwortet. Vielmehr hat er ein Sowohl-als-auch beschlos sen. Jetzt haben wir im Grunde einen registergestützten Zen sus – das ist ein Fortschritt –, aber ergänzt um die Komponen ten Gebäude- und Wohnungszählung. Davon wird in BadenWürttemberg rund ein Drittel der Bevölkerung betroffen sein; allein bei der Haushaltsbefragung sind das 1,1 Millionen Bür gerinnen und Bürger.
Expertinnen und Experten haben im Vorfeld die Frage gestellt: Wieso brauchen wir diese Stichprobe im Umfang von 10 %? 5 % würden auch ausreichen. Wieso müssen wir in unnötiger Weise Bürokratie aufbauen, Kosten produzieren und Bürge rinnen und Bürger in Anspruch nehmen, zumal die Auskunfts verweigerung bußgeldbewehrt sein wird? Die Auskunft wird verpflichtend gemacht. Für den Fall einer Verweigerung wird ein Bußgeld in der Größenordnung von bis zu 5 000 € ange droht.
Wie gesagt: Wir sind davon überzeugt – darüber könnte man intensiv diskutieren; leider gibt es diese Möglichkeit auf Lan desebene nicht mehr –, dass man mit einem registergestütz ten Zensus zu ebenso planungssicheren Ergebnissen kommt wie mit einer Volkszählung.
Dennoch ist es notwendig und muss es erlaubt sein, dass vor der Beschlussfassung über ein Ausführungsgesetz des Landes kritische Fragen beleuchtet werden. Wir sind auch unbedingt dafür, dass dies in den Ausschussberatungen erfolgt. Es darf nicht nur eine „Schnellschussberatung“ übermorgen im Fi nanzausschuss geben, nach der kurz vor der Sommerpause die Zweite Beratung erfolgt, woraufhin das Gesetz dann beschlos sen ist.
Wie gesagt: Die Frage nach dem Stichprobenumfang von 10 % ist für uns bis heute nicht schlüssig beantwortet worden. Wenn wir diesem Ausführungsgesetz zustimmen sollen, brau chen wir auf diese Frage eine Antwort – auch unter Kosten gesichtspunkten. Der Kollege Heiler hat diese Frage zu Recht kritisch aufgeworfen. Es geht um einen Kostenumfang von 80 Millionen € in Baden-Württemberg. Das ist angesichts der gegenwärtigen Situation der öffentlichen Kassen nicht einfach ein „Nullthema“. Vielmehr ist das ein Thema, das man in die sem Zusammenhang aufmerksam beobachten muss.
Warum wurde das Zensusgesetz und in seiner Folge auch das Ausführungsgesetz in Baden-Württemberg – ohne Not, sagen wir – entgegen der EU-Verordnung erweitert? Warum wird in Deutschland im Gegensatz zu anderen EU-Ländern die Reli
gionszugehörigkeit erfragt? Warum ist dieses Merkmal ein unverzichtbarer Bestandteil einer kleinen Volkszählung?
Warum ist die Auskunft, ob man Mitglied einer anerkannten Religionsgemeinschaft ist, verpflichtend, und warum ist eine Auskunftsverweigerung bußgeldbewehrt?
Das sind Fragen, die in Teilen der Bevölkerung auch mit Blick auf die Volkszählung im Jahr 1987 erneut großes Misstrauen hervorrufen. Wir werden das in den nächsten Wochen und Mo naten in der Diskussion deutlich merken.
Auch die Frage nach dem Migrationshintergrund – sie wird in der EU-Verordnung nicht verlangt – macht für den eigent lichen Planungszweck des Staates erkennbar keinen Sinn, ist aber Bestandteil der kleinen Volkszählung 2011.
Auch ist für uns bis zum heutigen Tag die Frage nicht beant wortet: Sind die notwendigen organisatorischen Vorausset zungen für die Datenerhebung in sensiblen Sonderbereichen wie Krankenhäusern, Heimen und ähnlichen Einrichtungen tatsächlich geschaffen worden? Werden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtsurteils aus dem Jahr 1983 dabei im Verhältnis 1 : 1 umgesetzt?
Diese Fragen sind für uns offen. Deswegen nützt es nichts, Herr Kollege, immer nur zu versichern, dass das Statistikge heimnis und der Datenschutz gewahrt seien. Vielmehr muss jetzt einmal dargelegt werden – dazu bedarf es einer seriösen und gründlichen Beratung –, dass das im Vollzug auf der kom munalen Ebene im Land Baden-Württemberg in den Erfas sungsstellen auch tatsächlich passiert. Da gibt es aus unserer Sicht Klärungsbedarf. Wir möchten diese Klärung gern zu sammen mit Ihnen durchführen. Ich glaube, das sind wir un seren Bürgerinnen und Bürgern schuldig.
Aus diesem Grund halten wir es für notwendig und beantra gen das auch, dass sich neben dem Finanzausschuss wegen der besonderen Verantwortung und Rolle der Kommunen im Zusammenhang mit der kleinen Volkszählung auch der Innen ausschuss mit dieser Frage befasst und sie ergänzend berät. Dem Finanzausschuss soll die Federführung zukommen. Ge mäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung bitten wir Sie, Herr Präsident, über diesen Antrag abstimmen zu lassen.
Herr Präsident, mei ne sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es bei dem Zensusgesetz? Es geht in der Tat um eine Volkszählung und um die Umsetzung eines
Bundesgesetzes. Ich darf daran erinnern: Die letzte Volkszäh lung in der Bundesrepublik stammt aus dem Jahr 1987, in der ehemaligen DDR aus dem Jahr 1981. Von 1981 bzw. 1987 bis heute hat sich natürlich einiges getan. Ich erinnere nur an die deutsche Einheit. Aus diesem Grund ist es wichtig, klare und bessere Zahlen zu haben.
Die fortgeschriebenen Zahlen werden mit wachsendem Ab stand zur letzten Volkszählung immer unsicherer. Wir brau chen aber verlässliche Bevölkerungszahlen und weitere Grunddaten für die politischen und natürlich auch für die wirt schaftlichen Entscheidungen. Also wäre eine Volkszählung erneut erforderlich. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf diejenigen, die das damals mitgemacht und die Diskussion um das Volkszählungsgesetz miterlebt haben, daran erinnern, was das für Probleme bereitet hat. Ich denke, dass die Alternative Zensusgesetz, also eine Schätzung dieser Zahlen, wie man auch sagen kann, heute wesentlich angeneh mer ist.
Erfolgen wird die Auswertung der Melderegister und die Aus wertung von Daten der Bundesagentur für Arbeit sowie von Daten zum Personalbestand der öffentlichen Hand. Eine pos talische Befragung wird bezüglich der Gebäude und der Woh nungen erfolgen. Ferner werden Stichproben zur Sicherung der Datenqualität durchgeführt.
Herr Kollege Sckerl, Sie haben gefragt: Warum 10 %, warum nicht 5 % oder möglicherweise 2 %? Das hat mit der Statis tik zu tun, genauer gesagt mit dem Gesetz der großen Zahlen: Je mehr Personen befragt werden, desto sicherer ist die Da tengrundlage und desto zuverlässiger sind die Zahlen.
Dann haben Sie gefragt: Warum wird u. a. nach dem Migra tionshintergrund gefragt? Ich denke, dass auch das sehr wich tig ist. Wir wollen doch, dass die Menschen mit Migrations hintergrund bei uns gut integriert sind und dass sie hier ein gutes Fortkommen, auch in der Bildung, haben. Deswegen ist es erforderlich, zu wissen, wie hoch der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund tatsächlich ist.
Diese gesetzlichen Forderungen müssen nun in landesgesetz liche Regelungen umgesetzt werden. Die Arbeiten werden im Wesentlichen vom Statistischen Landesamt, von Gemeinden mit 30 000 und mehr Einwohnern sowie von den Landrats ämtern durchgeführt. Die Kosten werden den Gemeinden und den Landkreisen aufgrund des Konnexitätsprinzips erstattet. Problematisch ist natürlich momentan die Kostenerhebung. Das haben Sie, Herr Heiler, richtig gesagt. Die Kosten kön nen momentan nur geschätzt werden. Aber die kommunalen Landesverbände sind mit der jetzigen Gesetzesvorlage einver standen und sagen: Danach rechnen wir ab und machen eine Kalkulation. In einem Wirtschaftsbetrieb würde man sagen: eine Nachkalkulation. Ich denke, dass das gut und richtig ist.
Sie, Herr Kollege Sckerl, haben datenschutzrechtliche Prob leme vorgebracht. Ich denke, dass diese weniger anzuspre chen sind. Der Datenschutz ist natürlich ein Problem, aber ich darf Sie daran erinnern: Unser Landesdatenschutzbeauftrag ter, Herr Klingbeil, ist mit dem Gesetz einverstanden. Er hat
Wir können also dem Gesetz leichter Hand zustimmen und es auch in der nächsten Finanzausschusssitzung beraten.
Es ist der Vorschlag gemacht worden, den Gesetzentwurf vor beratend im Innenausschuss zu behandeln. Ich habe mich ge rade mit dem Vorsitzenden des Innenausschusses, Herrn Kol legen Heiler, unterhalten. Er sieht kein Problem, den Gesetz entwurf morgen in der Ausschusssitzung zu behandeln. Die Tagesordnung umfasst bisher lediglich sieben Punkte. Dann würde ich vorschlagen, dass der Gesetzentwurf morgen Mit tag im Innenausschuss beraten wird, und dann folgt die feder führende Beratung im Finanzausschuss. Sind Sie damit ein verstanden?