Protokoll der Sitzung vom 28.07.2010

Ein weiterer Punkt – darauf hat der Kollege Stickelberger dan kenswerterweise auch schon abgehoben –: Es geht um Ein

nahmeverluste in Höhe von 60 Millionen €. Diese 60 Millio nen €, Herr Minister, sind, wenn man den Etat des Justizmi nisteriums über die Jahre hinweg verfolgt, nicht gerade ein fach zu kompensieren. Wenn man dies aber immanent im Mi nisterium selbst machen will, dann sehe ich hierfür fast kei nen Weg. Deswegen ist die Forderung, die hier im Parlament auch mehrfach erhoben wurde, doch grundsätzlich richtig. Sie lautet: Wir brauchen eine Finanzierungskonzeption für dieses Gesetzesvorhaben, und zwar nicht erst in 10 oder in 20 Jah ren, sondern jetzt, da wir über dieses Gesetz abstimmen.

Dass wir Ihnen nicht immer Glauben schenken dürfen, haben wir heute beim Thema Bewährungshilfe schon gesehen. Auch dort sind Sie davon ausgegangen, dass es Effizienzrenditen von 10 bis 15 % gibt, durch die wir im Landesetat viel ein sparen könnten.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: So?)

Was haben wir jetzt gehört? Das Gegenteil ist der Fall, mei ne Damen und Herren. So kann parlamentarische Gesetzge bung in Baden-Württemberg mit uns jedenfalls nicht stattfin den.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Zwei oder drei weitere Punkte möchte ich noch ansprechen: Es geht natürlich für die betroffenen Menschen auch darum, wie sie, wenn sie nicht in die Freiberuflichkeit gehen, wenn sie Landesbeamte bleiben, mit 55 Jahren oder älter ihre Zu kunft planen können und welche Verwendung für sie vorge sehen ist.

Es geht um die Frage der amtsangemessenen Besoldung. Da zu haben Sie etwas gesagt. Sie haben von Zulagen gespro chen. Sie haben auch von Protokollnotizen geredet. Aber die Konkretisierung dieser Themen findet in diesem Gesetzent wurf nicht statt. Herr Kollege Wetzel, zur Gesetzgebung ge hören Transparenz und Klarheit. So verstehe ich Gesetzge bung. Wenn Sie die Gesetzgebung nebulös und nicht transpa rent machen – so machen Sie es – und viele Punkte offenlas sen, können Sie nicht davon ausgehen, dass Sie die Menschen mitnehmen können – die grüne Fraktion in diesem Parlament jedenfalls nicht.

Ein letzter Punkt, der erwähnt werden soll, ist die Frage, was mit den Versorgungsanwartschaften der Betroffenen passiert.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange zeigt.)

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Herr Kollege Hitzler, dazu haben wir etwas gehört. Zunächst einmal habe ich keinen Anlass, Ihnen nicht zu vertrauen. Es gibt aber ei nen berühmten Menschen, der einmal gesagt hat: „Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser.“ Man kann aber auch sagen: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Aber wenn Sie den Menschen jetzt zumuten, dass sie keine Versorgungsanwartschaftsrege lungen in dieses Gesetz aufnehmen, sondern auf ein Gesetz verweisen, über das wir morgen zu diskutieren beginnen und bei dem wir nicht sagen können, wie es verabschiedet wird, finde ich unfair und unzutreffend.

(Abg. Bernd Hitzler CDU: Wollen Sie etwa dagegen stimmen?)

Deswegen wird die Fraktion GRÜNE in der namentlichen Ab stimmung gegen dieses Gesetzesvorhaben stimmen. Den An trag der SPD-Fraktion auf namentliche Abstimmung tragen wir mit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich erteile Herrn Abg. Dr. Wetzel für die Fraktion der FDP/DVP das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirk lichkeit.“ Kurt Schumacher hat das einmal gesagt.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Ja, ja, gerade des wegen! Der Spruch passt aber nicht zu dem, was jetzt kommt! – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Finanzi elle Wirklichkeit!)

Schauen wir uns einmal die Wirklichkeit an. Wie sieht die Wirklichkeit bei der Notariatsreform aus? Ich möchte darauf hinweisen: Am 28. Juni 2007 hat der Europäische Gerichts hof ein Urteil mit weitreichenden Auswirkungen für das No tariatswesen gefällt. Die Richter haben nämlich entschieden, Gebühren, die ein verbeamteter Notar für die Beurkundung der Übertragung von Gesellschaftsanteilen erhebt und die auch nur teilweise dem Staat zufließen, seien eine richtlinien widrige Steuer und dürften damit grundsätzlich nicht erhoben werden. Sie haben gesagt, es handle sich dabei nicht um eine Gebühr. Denn eine Gebühr darf nur erhoben werden, wenn ei ne Kostendeckung besteht – Kostendeckungsprinzip. Vom Kostendeckungsprinzip ist dabei weit und breit nichts zu se hen. Deswegen handelt es sich um eine Steuer. Eine Gebühr wäre unzulässig.

Das heißt, die verbeamteten Notare haben in Sachen gesell schaftsrechtliche Beurkundung seit dem 28. Juni 2007 gratis gearbeitet. Es stellt sich die Frage, ob wir das weiter haben wollen. Wollen wir, dass sie weiterhin gratis arbeiten? Jeder, der Gebühren zahlen sollte, konnte sich mit Erfolg dagegen wehren.

Was sollte man machen? Welche Möglichkeiten gab es? Mei nes Erachtens gab es zwei Alternativen. Die eine Alternative ist, den Europäischen Gerichtshof einfach zu ignorieren und zu sagen: „Luxemburg ist weit weg. Das geht uns gar nichts an.“ Ich denke, dass wir alle hier im Saal sagen können: Das können wir nicht machen. Denn wir leben in einem Rechts staat. Außerdem könnte der Europäische Gerichtshof BadenWürttemberg durch ein weiteres Urteil zwingen, dieses Urteil auch anzuwenden. Das wäre die schlechteste Alternative.

Ich denke auch, bevor weiteres Unheil geschieht, sollten wir uns darum bemühen, dieses Urteil umzusetzen, insbesondere auch deswegen, weil der Europäische Gerichtshof den verbe amteten Notaren in Baden-Württemberg auch aus anderen Gründen kritisch gegenübersteht. Dabei geht es um das The ma Freizügigkeit. Es entspricht der europäischen Rechtspre chung, dass z. B. ein Franzose grundsätzlich auch in BadenWürttemberg den Beruf des Notars ausüben darf, auch ohne Beamter zu sein. Da haben wir ein weiteres Problem.

Gegen das freie Notariat wird vorgebracht, es gebe zu wenig Notare im ländlichen Raum. Ich denke, die Zeit wird zeigen, ob es zu wenige sind. Wenn es zu wenige sind, müssen eben mehr zugelassen werden. Dann haben wir das Problem gelöst.

Es wird weiter gefragt: Was machen die Notare ab dem 1. Ja nuar 2018?

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Genau!)

Die verbeamteten Notare können wählen, ob sie ein Notariat übernehmen wollen oder nicht. Die badischen Notare, die al le Richter sind oder die Befähigung zum Richteramt haben, können an einem Gericht als Richter arbeiten. Das ist kein Problem.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Was machen die anderen?)

Was machen die anderen? Die württembergischen Bezirks notare haben ebenfalls die Möglichkeit, ein Notariat zu über nehmen.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Mit 55 oder äl ter?)

Wenn sie sich nicht für das Notariat entscheiden, werden sie am Amtsgericht arbeiten und sich dort mit Nachlass- und Be urkundungsangelegenheiten befassen. Das haben sie bisher u. a. auch gemacht.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Wo ist das präzi siert?)

Zu den finanziellen Auswirkungen: Wenn uns der Europäi sche Gerichtshof zu dieser Reform zwingt,

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das tut er doch gar nicht!)

haben wir gar keine Möglichkeit, nach den finanziellen Aus wirkungen zu suchen. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als die Reform vorzunehmen.

Zur Grundbuchamtsreform: Wie sieht die Wirklichkeit aus? Gegenwärtig gibt es 657 Grundbuchämter. Das sind mehr als in allen übrigen 15 Bundesländern zusammen, die 580 Grund buchämter haben. Der Rechnungshof hat gemahnt und hat ge sagt, das Ganze sei zu teuer, wir müssten Änderungen vorneh men.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das sagt er bei den Amtsgerichten auch! Da macht ihr auch nichts!)

Wenn das elektronische Grundbuch eingeführt wird und das Ganze dadurch automatisiert und billiger wird, dann ist ganz klar, dass weniger Personal tätig sein wird. Irgendwo muss die Effizienzrendite ja herkommen.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Wie bei der Be währungshilfe!)

Sie arbeiten nach dem Motto „Wasch mich, aber ich bleibe trotzdem trocken“. Das ist das Problem bei Ihnen.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Aber jetzt hat man doch ein Beispiel, bei dem es gerade nicht funktio niert!)

Im Hinblick auf die Reform des Grundbuchwesens gibt es ver schiedene Alternativen. Man kann sich entsprechend den Landgerichtsbezirken auf 18 Grundbuchämter verständigen, man kann sich auch an die Amtsgerichtsbezirke halten. Wir haben uns für elf Grundbuchämter entschieden. Es wird ein modernes Grundbuchwesen sein. Jede Gemeinde und jeder Notar hat eine Einsichtsmöglichkeit.

Ich komme zum Schluss. Ich darf insbesondere darauf hin weisen, dass die Arbeit mit dem Grundbuch nach der Reform wesentlich bequemer ist. Es muss nicht umständlich schrift lich ein Grundbuchauszug angefordert werden. Vielmehr kann der betreffende Grundbuchauszug vom jeweiligen Notar über den Computer online angefordert werden.

(Abg. Helen Heberer SPD: Was ist mit den Grundak ten?)

Das ist also wesentlich bequemer. Das ist ähnlich wie beim Handelsregister, und das Verfahren funktioniert tadellos. Da zu sagen Sie nichts. Damals haben Sie auch kritisiert. Heute läuft es wunderbar und funktioniert.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das stimmt doch gar nicht!)

Die Arbeit mit dem Grundbuch wird künftig also für die Be teiligten wesentlich bequemer und einfacher sein,...

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordne ter, bitte kommen Sie zum Ende.

... und sie wird ins besondere für alle kostengünstiger.

Ich danke dem Justizministerium sowie den dort tätigen Mit arbeiterinnen und Mitarbeitern für die Erstellung dieses gu ten und für Baden-Württemberg weitreichenden Gesetzes.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.