Protokoll der Sitzung vom 28.07.2010

(Abg. Norbert Zeller SPD: Vielleicht können Sie noch auf die Frage eingehen: Weshalb die Gymnasi en nicht?)

Das war noch eine Fra ge.

Diesen Punkt habe ich vergessen. Ganz herzlichen Dank.

Ich bin der Ansicht, dass wir mit der jetzigen Reform das The ma „Weiterentwicklung der Lehrerausbildung“ nun nicht für die nächsten hundert Jahre ad acta legen. Die Aufgabe wird sich selbstverständlich zum geeigneten Zeitpunkt auch für die Ausbildung der Lehrer an den Gymnasien und an den beruf lichen Schulen stellen, die von dieser Reform noch nicht um fasst ist. Ich gehe davon aus, dass die Lehrerausbildung und das Studium im Lehramtsbereich zu den Themen gehören werden, die uns in den nächsten Jahren immer wieder beschäf tigen werden. Deswegen sind die Lehrämter an den Univer sitäten von einem Weiterentwicklungsprozess nicht ausge nommen. Wir gehen hier aber zunächst einen gebündelten Weg der Weiterentwicklung der Lehrämter an den Pädagogi schen Hochschulen.

Eine weitere Frage, von der CDU-Fraktion Frau Kollegin Lazarus.

Frau Ministerin, eine spezielle Frage: Seitens der Wirtschaft wird immer wieder die Klage

erhoben, dass die Auszubildenden im Land nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen könnten. Dabei wird der Schwar ze Peter oft den Schulen zugeschoben.

Es gibt gerade aktuell wieder eine Resolution des Handwerks tags vom Juli, in der die Handwerksvertreter ihre begründete Sorge zum Ausdruck bringen, dass die Gewinnung von in aus reichendem Maß qualifiziertem Nachwuchs – darauf liegt die Betonung – sehr schwierig ist. Diese Resolution wurde vor wenigen Tagen verabschiedet.

Die Grundlagen dafür – ich habe es nicht Deutsch und Ma thematik genannt; das klingt für die Grundschule etwas hoch trabend; es geht um Lesen, Schreiben und Rechnen – werden in der Grundschule gelegt. Als Mathematikerin habe ich im mer gesagt, die Schüler müssen in der Grundschule auch das Handwerkliche erlernen, also nicht zuerst die Mengenlehre – das ist heute schon passé –, sondern zuerst das Handwerkli che. Ist das in der Ausbildung der Lehrkräfte auch so ange legt, also ganz konkret und nicht nur theoretisch?

Ich darf das Ganze in einen größeren Zusammenhang stellen. Der eine Aspekt war jetzt sehr fachspezifisch, der andere be trifft die Frage nach der sozialen Kompetenz, die die Lehrer, um überhaupt unterrichten zu können, mitbringen müssen und die man mitunter vom Fachlichen trennen muss. Das betrifft alle Schularten, aber in ganz besonderem Maß die Grundschu le und den Sekundarbereich.

Man muss zunächst einmal selbst feststellen können, ob man für das Unterrichten geeignet ist. Das ist keine Selbstverständ lichkeit. Das Praxissemester ist eine Möglichkeit, dies festzu stellen. Welche weiteren Möglichkeiten gibt es, bzw. wie wird sichergestellt, dass die Lehrer, die in die Schule gehen, von ihrer sozialen Kompetenz her wirklich geeignet sind? Was sieht die neue Prüfungsordnung hierbei vor?

Bitte, Frau Ministerin.

Herr Präsident, sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich möchte mit dem zweiten Punkt beginnen. Ich glaube, wir kön nen gar nicht genug tun, wenn es darum geht, jungen Men schen, die sich für ein Lehramtsstudium interessieren, klarzu machen, dass dieser Beruf ganz stark mit personaler Kompe tenz zu tun hat. Es gibt hier viel fachliche Kompetenz, sowohl erziehungswissenschaftlich als auch fachspezifisch und fach didaktisch. Es gibt aber ebenso die Notwendigkeit der perso nalen Kompetenz; Sie haben es soziale Kompetenz genannt.

Dem Erfordernis der personalen Kompetenz tragen wir in der Neuordnung der Lehramtsstudiengänge dadurch Rechnung, dass wir einen Orientierungstest am Eingang des Studiums verpflichtend vorschreiben, dass wir eine Praxisphase von mindestens zwei Wochen vor dem Studium oder während des ersten Semesters verpflichtend vorschreiben und dass wir das dritte oder vierte Semester verpflichtend zu einem Praxisse mester machen.

Ich will aber deutlich darüber hinausgehen. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir den jungen Menschen sagen: Verschafft euch bitte so früh wie möglich über diese nun vorgeschriebenen Pflichtelemente hinaus einen Einblick in den Unterrichtsalltag

und in die Schulpraxis und fragt euch kritisch, ob ihr tatsäch lich auch von der Person her dafür geeignet seid. Gestatten Sie mir, dies auf einen begrifflichen Nenner zu bringen: Leh rer oder Lehrerin zu sein heißt, einen Beziehungsberuf zu ha ben, nicht einen Beruf, in dem es nur um Fachinhalte geht. Wer nicht in der Lage ist, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen, ist in diesem Beruf fehl am Platz.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Deshalb bitte ich die jungen Menschen, sich über die neuen Pflichtelemente hinaus bei allen möglichen Gelegenheiten Rückmeldungen zu holen. Dazu gehören natürlich etwa die Tätigkeit als Jugendleiter oder andere Tätigkeiten, die man bereits während der Jugendphase ausüben kann. Das ist mei ne Empfehlung. Die anderen Dinge, die wir verpflichtend vor schreiben, habe ich bereits erwähnt.

Darüber hinaus führen die Pädagogischen Hochschulen bei der Vergabe von Lehramtsstudienplätzen Auswahlverfahren durch. Dort werden weitere Aspekte der personalen Kompe tenz abgefragt.

Ich darf auf Ihre erste Frage zurückkommen. Auch wenn Sie als Mathematikerin sicherlich bestens wissen, dass wir in der Grundschule nicht von Mathematik sprechen sollten, so will ich doch deutlich sagen, dass wir die Grundlagen für ein spä teres Verständnis der Mathematik und für mathematisches Können in der Grundschule legen. Sie haben es übersetzt mit Lesen, Schreiben und Rechnen. Ich will dies natürlich unter stützen, aber gleichzeitig möchte ich sagen: Aus dem Rech nen muss später Mathematik werden. Das geht umso besser, je besser der Lehrer und die Lehrerin an der Grundschule auch in Mathematik qualifiziert sind.

Deswegen schreiben wir in der Neuordnung die Bereiche Deutsch und Mathematik als Schwerpunktbereiche für das Grundschullehramtsstudium verpflichtend vor. Es ist mir sehr wichtig, dass wir uns dazu bekennen – Sie haben es angedeu tet –, dass es Grundkompetenzen gibt, die man nicht gering achten sollte und die man später kaum mehr erwerben kann.

Im Übrigen wird von der Wirtschaft häufig kritisiert, dass sich jemand mit rudimentären Kenntnissen in diesen Bereichen bis zu einem Schulabschluss durchschlagen kann. Wir wollen dies verhindern. Deswegen sind Deutsch und Mathematik ver pflichtend. Das ist ein klares Bekenntnis zu diesen Grundkom petenzen in der Anlage des Lehramtsstudiums.

Für eine weitere Zu satzfrage, eine Frage der Fraktion GRÜNE, erteile ich Frau Kollegin Rastätter das Wort.

Frau Ministerin Schick, es ist natürlich sehr erfreulich und wir begrüßen es als Fraktion, dass die Dauer der Lehramtsstudiengänge auch für das Pri marschullehramt auf ein angemessenes Niveau von acht Se mestern angehoben wird und diese Studiengänge damit auf gewertet werden, dass mehr Wert auf die Fachlichkeit gelegt wird, gleichzeitig aber auch die bildungswissenschaftlichen Anteile gestärkt werden. Das ist sehr wichtig, gerade im Hin blick darauf, dass Lehrer und Lehrerinnen professionell aus gebildet werden, damit sie in der Lage sind, die Beziehungs ebene zwischen sich und den Schülern auszubauen.

Vor allem die Hochschulen beschäftigt jedoch die Frage, wie die Prüfungsordnungen künftig ausgestaltet werden. In den vergangenen Jahren sind extrem viele Prüfungsordnungen auf den Weg gebracht worden. Eine Prüfungsordnung jagte die nächste. Noch bevor ein Jahrgang an der Hochschule sein Stu dium abschließen konnte, kam wieder die nächste Prüfungs ordnung.

Die Hochschulen wünschen sich, dass die Prüfungsordnun gen als Rahmenordnungen ausgestaltet werden und bei der Lehrerausbildung nicht wieder so enge Korsette angelegt wer den, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Dies betrifft die Stärkung der Autonomie sowie die Verbesserung der Mög lichkeiten der Hochschulen, verstärkt innovative Akzente in der Lehrerausbildung zu setzen.

Sind Sie bereit, diese Wünsche der Hochschulen entgegenzu nehmen und Rahmenvereinbarungen abzuschließen, statt en ge Vorgaben in der Prüfungsordnung zu machen?

Die Bildungswissenschaften des neuen Hauptschul-, Werkre alschul- und Realschullehramtsstudiengangs sind für den Un terricht von Jugendlichen im Alter von 10 bis 17 Jahren, also für das Sekundarstufenlehramt, angelegt. Weshalb kann man dann nicht gleich Nägel mit Köpfen machen und in Richtung eines Sekundarstufenlehramts gehen, das alle Schularten be inhaltet? Dadurch würde die Flexibilität des Lehrereinsatzes verbessert werden. Heute haben wir oftmals das Problem, dass für bestimmte Schularten in der Sekundarstufe keine Lehr kräfte gefunden werden. Es ist jedoch wichtig, dass in allen Schularten Fachlichkeit und qualifizierte Pädagogik sicherge stellt werden. Deshalb bietet es sich doch an, für die Sekun darstufe I ein übergreifendes Lehramt zu schaffen.

Bitte, Frau Ministerin.

Herr Präsident, sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich darf mit dem zweiten Punkt beginnen. Es ist für alle Schüle rinnen und Schüler wichtig, dass sich hohe Fachlichkeit mit hoher erziehungswissenschaftlicher Kenntnis und – das füge ich hinzu – mit personaler Kompetenz paaren. Aus diesen Merkmalen wird wahrscheinlich ein guter Lehrer bzw. eine gute Lehrerin „gebacken“.

Gleichwohl sind wir der Ansicht, dass wir in unserem diffe renzierten Schulsystem nicht von einem Sekundarstufenlehr amt sprechen, sondern von einem Lehramt, das sich an Schul typen und Bildungsabschlüssen orientiert. Deswegen die Zu sammenfassung zu einem gemeinsamen Lehramt für Haupt-, Real- und Werkrealschulen, aber nicht das von Ihnen ange deutete Sekundarstufenlehramt. Ich denke, dahinter steckt ei ne andere Bildungskonzeption. Vielleicht können wir später noch darüber sprechen.

Ich will zu Ihrer ersten Frage kommen. Mir ist sehr wohl die Situation von Hochschulen bekannt, die mit unterschiedlichen Prüfungsordnungen arbeiten müssen. Seien Sie versichert, dass wir die Prüfungsordnungen in enger Abstimmung mit dem MWK so gestalten werden, dass die Pädagogischen Hochschulen möglichst wenig Energie in das Abarbeiten von mehreren verschiedenen Prüfungsordnungen zur gleichen Zeit stecken müssen, sondern ihre gesamte Energie – das ist aller dings auch meine Erwartung – in die Qualifizierung junger

Menschen investieren können, die ein Lehramt anstreben. Was auch immer sinnvoll und menschenmöglich ist, werden wir tun.

Ich unterstreiche Ihre Auffassung: Die Hochschulen sollen die Lehrer qualitativ und inhaltlich ausbilden und sich nicht par allel dazu oder gar hauptsächlich beim Juristischen aufhalten. Ich bin also Ihrer Ansicht, und wir werden in dieser Richtung weitergehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte nur noch einmal die Reihenfolge klar stellen: Wir sind gehalten, bei der Regierungsbefragung nach Fraktionen vorzugehen. Es geht immer nach Fraktionen, aber nicht danach, wann man sich gemeldet hat. Das wollte ich nur noch einmal klarstellen.

Nachdem sich die Fraktion der FDP/DVP nicht gemeldet hat, kommt wieder die SPD-Fraktion dran, und zwar Herr Kolle ge Kaufmann. Dann kommt von der CDU-Fraktion Frau Kol legin Kurtz, wenn die Zeit noch reicht. Denn die halbe Stun de ist gleich um.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wenn wir das ge wusst hätten, hätten wir uns gemeldet!)

Bitte, Herr Kollege Kaufmann.

Frau Ministerin, Sie haben die Bedeutung der Qualität der Ausbildung an den Hochschu len unterstrichen. Das kann ich nur unterstützen, insbesonde re was den Erwerb sonderpädagogischer Fachkompetenz be trifft; Sie haben es dargestellt.

Jetzt frage ich Sie: Kennen Sie die Situation beispielsweise an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg mit dem Schwerpunkt Sonderpädagogik? Dort gibt es erhebliche Un ruhe unter den Studierenden. Uns erreichen Briefe mit dem Inhalt, dass das Lehrangebot, von dem ja letztendlich die Qua lität abhängt, nicht im notwendigen Umfang vorhanden ist. Dort stellt sich inzwischen die Frage, ob man auf die Prüfung noch adäquat vorbereitet ist, wenn entsprechende Vorlesun gen ausfallen.

Ich höre, dass insbesondere an dieser Hochschule die Vakan zen mittlerweile als Finanzierungsinstrument eingesetzt wer den, sodass ein erheblicher Mittelanteil über die Vakanzen ein gespart wird. Dieser Ausfall wird durch Lehraufträge kom pensiert, die allerdings nicht im notwendigen Umfang ein Äquivalent für die Studierenden darstellen.

Wie gehen Sie mit dieser Situation um? Ist Ihnen das bekannt? Wie sehen Sie die Situation im nächsten Semester?

Bitte, Frau Ministerin.

Herr Präsident, Herr Abgeordneter! Ich gehe vertrau ensvoll mit dieser Situation um, die in den Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst fällt. Ich verzichte auf weitere Ausführungen zu dieser Frage, da sie nicht vom Kultusministerium zu beantworten ist.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber von der Regierung! – Abg. Gunter Kaufmann SPD: Ich habe gefragt, wie Sie damit umgehen!)

Ich habe gerade gesagt: Ich gehe vertrauensvoll damit um, weil ich sicher bin, dass beim zuständigen Ministerium die entsprechenden Vorkehrungen getroffen werden, diese Situa tion, wie auch immer sie sich darstellen mag – wohlgemerkt, sie betrifft nicht mich –, so zu gestalten, dass sie positiv ist.

Eine weitere Zusatzfra ge, Frau Abg. Kurtz.

Frau Ministerin, Sie haben vorhin gesagt: Wir wollen die Ausbildung der Lehrerinnen und Leh rer nicht dazu benutzen, eine Schulstrukturdebatte zu führen. Ich bin ganz mit Ihnen einig: Auf den Inhalt kommt es an. Das heißt, Schule ist so gut, wie der Unterricht ist, und der Unter richt ist im Grunde so gut, wie ihn die Lehrerinnen und Leh rer machen.

Sie haben jetzt skizziert, wie das Grundschullehramt inhalt lich gestaltet werden soll, und haben einiges dazu ausgeführt. Man hat schon den Eindruck, dass viele neue Herausforde rungen auf die Lehrerinnen und Lehrer in den Grundschulen zukommen, auch weil wir sagen: Auf die frühe Bildung, auf die frühe Prägung kommt es an. Wir legen ganz großes Ge wicht auf die frühe Förderung.

Sie haben die Diagnosefähigkeit angesprochen. Sie haben ge sagt, die Lehrkräfte müssten Brücken zur frühkindlichen Bil dung und zu den weiterführenden Schulen schlagen können. Wir wissen, dass die interkulturelle Kompetenz ganz wichtig ist und in Zukunft sogar noch wichtiger sein wird. Wir brau chen noch mehr Medienkompetenz, auch in den Grundschu len; Sprachkompetenz sowieso, Projektkompetenz – was es da alles an komplizierten Begriffen gibt.