Protokoll der Sitzung vom 29.07.2010

Die Förderung von Kleingruppen ist bereits erwähnt worden. Damit haben auch kleinste Einrichtungen die Möglichkeit, entsprechende Anträge einzureichen. Außerdem haben wir ein kompaktes Fördersystem mit etwa vier Wochenstunden, mit dem Kinder individuell gefördert werden können.

Ferner entwickeln wir qualitative Maßstäbe. Dabei setzen wir Mittel für die Qualifizierung von Fachkräften ein. Außerdem verständigen wir uns mit den Trägern auf einen inhaltlichen Kompass, nach dem die Sprachförderung durchzuführen ist. Damit setzen wir nicht nur das Abwicklungsverfahren sozu sagen verwaltungstechnisch vereinfacht um, sondern vollzie hen auch einen deutlichen qualitativen Sprung nach vorn.

Wir haben den Anschluss an die Grundschulen im Blick. Denn die Sprachförderung muss natürlich auch in der Grundschule fortgesetzt werden. Die Sprachförderung ist in der Grundschu le selbstverständlich Bestandteil des Unterrichts. Daneben ha ben wir eine Verwaltungsvorschrift, in der Regelungen für die Vorbereitungsklassen zur Sprachförderung und für Vorberei tungskurse getroffen sind. Dafür gibt es auch eine entspre chende Anzahl von Klassen bzw. Gruppen, sodass sich die Sprachförderung nahtlos an die Sprachfördermaßnahmen an schließt, die wir bisher im vorschulischen Bereich angeboten haben.

Ich sage zum Schluss: Die qualitative Entwicklung haben wir sehr wohl im Blick. Die Voraussetzungen dafür sind geschaf fen, sowohl materiell als auch konzeptionell. Selbstverständ lich werden wir das Sprachstandsdiagnoseverfahren, das ver pflichtend ist, auch qualitativ weiterentwickeln. SETK 3-5 hat

eine Schwachstelle, die zu Recht erwähnt wurde, nämlich den Bezug zu Kindern mit Migrationshintergrund. Hier findet in diesen Wochen auch eine Weiterentwicklung statt, sodass wir nahtlos auch eine Weiterentwicklung von SETK 3-5 einfügen können.

In diesem Sinn bin ich den Fraktionen insgesamt sehr dank bar dafür, dass wir zumindest in diesem Bereich einen breiten Konsens haben. Ich möchte Sie auch dazu auffordern, uns in der qualitativen Weiterentwicklung diesbezüglich wohlwol lend und gern auch kritisch zu begleiten. Denn in der Frage der individuellen Sprachförderung ziehen wir, glaube ich, in der Tat an einem Strang.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Bei der qualitativen Weiterentwicklung sind wir alle im selben Boot. Da gebe ich Ihnen in der Tat recht, Herr Staatssekretär. Aber die qualitative Weiterentwick lung bietet natürlich ein breites Feld von Interpretationen.

Ich möchte noch einmal klarlegen, was uns wichtig ist. Indi viduelle Förderung im Mittelpunkt: Ja. Aber ich glaube, da für müsste es mehrere Möglichkeiten geben. Das strikte Fest halten an der Kopplung der Sprachförderung an den Sprach test im Rahmen der ESU ist falsch. Es ist vielmehr richtig, zu sagen: Wir wollen eine Entkopplung der finanziellen Förde rung von Sprachfördermaßnahmen von den Ergebnissen der Einschulungsuntersuchung; denn Sprachförderung – das tra ge ich seit Jahren wie ein Mantra vor mir her – sollte so früh wie möglich beginnen, am besten mit dem ersten Tag, an dem ein Kind eine Kindertageseinrichtung betritt.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Ich möchte auch sagen: Es gibt immer die Unterscheidung zwischen alltagsintegriertem Ansatz und intensiven Unterstüt zungsangeboten. Da gibt es einfach verschiedene Möglich keiten.

Um auch noch einmal die Umfrage der Caritas zu zitieren: Die Caritas-Umfrage hat ergeben, dass die pädagogischen Fachkräfte vorausgesagt haben – über Beobachtung und Do kumentation –, dass fast alle Kinder eine intensive Sprachför derung brauchen. Ich glaube, es würde unserer pluralen Ge sinnung einfach guttun, zu sagen: Es gibt unterschiedliche An sätze, die man akzeptiert, die man auch fördert, um Sprach fördermaßnahmen finanziert zu bekommen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch eine Frage an das Sozialministerium zu richten. Wir haben auch einen Antrag zum Thema Einschulungsuntersuchung auf der Tagesordnung. Darin hatten wir gefragt, was Kollegin Krueger vorhin auch angeschnitten hat – aber sie hat auch bloß die Frage gestellt, ohne eine Antwort zu bekommen –: Wer kommt denn für die Finanzierung von Fördermaßnahmen z. B. bei Auffälligkei ten im Bereich der Motorik auf? Im Bereich der Sprache ha ben wir das geklärt. Im Bereich der Sprache erfolgt eine

Sprachförderung; dafür gibt es Geld; das steht jetzt im Lan deshaushalt. Aber für die anderen Auffälligkeiten, z. B. bei der Motorik: Wer kommt denn für Fördermaßnahmen in die sem Bereich auf? Diese Frage haben wir gestellt, doch sie ist leider nicht beantwortet worden. Aber vielleicht reicht die Zeit jetzt aus, um eine Antwort auf diese Frage zu bekommen. Da es eine Stellungnahme des Sozialministeriums war, stelle ich diese Frage auch an die Sozialministerin.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Mentrup.

Herr Wacker, Sie haben von den 30 % aus der Prognose gesprochen, aus der wissenschaft lichen Begleituntersuchung. Das sind just die 30 %, mit de nen wir vor zehn Jahren einmal in die Diskussion eingestie gen sind, als nämlich bei den ersten Gesundheitsämtern bei der Einschulungsuntersuchung die Sprache mit einbezogen wurde. Ich weiß dies, da Mannheim dazugehört hat und da schon genau diese 30 % Kinder mit Sprachförderbedarf her ausgekommen sind. Deshalb decken sich die damaligen Er gebnisse mit Ihrer Prognose.

Man kann jetzt sagen: Nach zehn Jahren ist es schön, dass we nigstens die Hälfte dieser Kinder eine Sprachförderung indi vidueller Art bekommt. Man kann aber auch sagen: Es ist viel leicht noch ein bisschen wenig, wenn nach zehn Jahren nur die Hälfte der Kinder eine solche Förderung bekommt. Ge nau das ist das Ergebnis der Caritas-Umfrage in Verbindung mit den Zahlen, die auch in Ihrer eigenen Vorlage stehen.

In einem Punkt bin ich falsch verstanden worden. Es geht uns im Gegensatz zu den Grünen nicht darum, Frau Krueger, das standardisierte Spracherhebungsverfahren aus der Einschu lungsuntersuchung herauszunehmen, sondern ich finde das zu diesen Zeiten völlig in Ordnung. Ich finde auch, dass Kinder, die über eine Beziehung in einer Kindertagesstätte gut geför dert sind, nicht überfordert sind, wenn dann in Begleitung ei ner ihnen bekannten Erzieherin mit jemand Fremdem eine Un tersuchung erfolgt. Ich finde, das kann man diesen Kindern zumuten. Das ist auch für die Vergleichbarkeit und die Wis senschaftlichkeit der Untersuchung absolut notwendig.

Aber – das war meine Forderung und auch die Forderung der Kollegin Lösch –: Wenn durch Beobachtung oder durch an dere Testverfahren schon im dritten oder vierten Lebensjahr im Kindergarten festgestellt wird, dass es einen Sprachförder bedarf gibt, dann ist unser beider Forderung, dass man die er forderliche individuelle Sprachförderung dann auch schon zu diesem Zeitpunkt beantragen kann.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das ist aber ein Wi derspruch!)

Sollte das dann dazu führen, dass man bei der Einschulungs untersuchung feststellt, man brauche keine Sprachförderung mehr, dann ist dies umso besser. Sollte sich dann trotzdem noch ein weiterer Sprachförderbedarf ergeben, gibt es auch im letzten Jahr noch eine Förderung.

Schließlich zeigt auch Ihr Antrag, gemäß dem Sie diese Sprachförderung in der Grundschule weiterführen wollen,

deutlich, dass Ihnen klar ist, dass mit einem Jahr Sprachför derung nicht alles aufgeholt werden kann. Warum soll ich nicht schon individuell früher beginnen können, wenn ich ge nau weiß, dass ein solcher Bedarf vorhanden ist?

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Dann braucht man auch keinen Test mehr!)

Diese Frage können Sie uns nicht beantworten. Diese Frage gilt zumal, da, je früher ich anfange, auch immer mehr in kür zerer Zeit mit weniger Mitteln zu erreichen ist. Das wissen wir nun wirklich aus allen diesen Untersuchungen.

Ich will Ihnen an einem Beispiel deutlich machen, warum es da jetzt nicht des Arztes bedarf, der erst eine Diagnose stellen muss,

(Zuruf der Abg. Andrea Krueger CDU)

und wir uns auch nicht auf den Orientierungsplan zurückzie hen können. Denn der Orientierungsplan wird erst ab Herbst überall schrittweise in dem Umfang eingeführt werden kön nen, in dem sich die Personalsituation verbessert. Ich kann heute nicht davon ausgehen, dass dies überall sofort in vol lem Umfang erfolgt.

Ich will Ihnen aber an einem Beispiel deutlich machen, dass selbst das komplette Umsetzen des Orientierungsplans oft nicht ausreicht und ich nicht unbedingt vorher eine Diagnose brauche. Da würde ich gern Ihren Ministerpräsidenten als Kronzeugen anführen, den ich jetzt aber leider nicht persön lich fragen kann. Herr Mappus hat vor wenigen Wochen eine Kindertagesstätte in Mannheim besucht, die deswegen immer gern gezeigt wird, weil dort in Räumen der jüdischen Gemein de durch einen katholischen Träger überwiegend muslimische Kinder betreut werden.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr gut!)

Herrn Mappus wurde dargestellt, dass von den 42 Kindern, die derzeit diese Kindertagesstätte besuchen, 36 Kinder beim Eintritt in die Kindertagesstätte kein Wort Deutsch konnten. Die Erzieherinnen und Erzieher haben sehr eindrücklich dar gestellt, dass sie jetzt versuchen, mit Instrumenten von „Sag’ mal was“ vom ersten Tag an eine möglichst integrierte, aber auch auf das einzelne Kind zugeschnittene Sprachförderung im Rahmen des Alltags umzusetzen, dass sie dies aber eigent lich erst ab dem dritten Kindergartenjahr können, wenn sie die zusätzlichen Mittel aus der Sprachförderung beantragen kön nen.

Meine Damen und Herren, in einer solchen Situation brauche ich kein SETK 3-5, um festzustellen, dass ich zusätzliches Personal und zusätzliche Ressourcen brauche – es kann auch dasselbe Personal mit mehr Stunden sein –, um eine solche Situation in einer Kindertagesstätte mit 42 Kindern, von de nen 36 Kinder 16 verschiedene Muttersprachen haben, allein mit einem Orientierungsplan...

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Dr. Men trup, bitte kommen Sie zum Ende.

... – es ist mein letzter Satz –, der noch nicht einmal eingeführt werden konnte, zu bewäl tigen.

Ich denke, Sie sind noch eine Antwort auf die Frage schuldig, wie Sie in solchen Situationen mit zusätzlichen Mitteln hel fen können. Das letzte Jahr vor der Einschulung ist dafür zu spät. Deswegen bleiben wir bei unserer Forderung, dies bitte von der ESU zu entkoppeln und dann, wenn es Sprachförder bedarf gibt, sofort individuelle Sprachförderung möglich zu machen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das Wort erteile ich Frau Ministerin Dr. Stolz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die neu konzipierte Einschulungsuntersuchung hat in den letzten beiden Jahren viel Aufmerksamkeit erfah ren. Das zeigt auch die Fülle der Anträge.

Aber ich will noch einmal etwas zu der Frage sagen: Was wollten wir mit dieser Einschulungsuntersuchung? Wir woll ten, dass alle Kinder in einem rechtzeitigen Abstand zum Schulbeginn einmal in Augenschein genommen werden, und zwar unter verschiedenen Blickwinkeln: unter einem medizi nischen Blickwinkel, unter dem Blickwinkel der Eltern – des wegen sind die Eltern einbezogen – und unter dem pädagogi schen Blickwinkel der Erzieherinnen. Wir wollen damit alle Kinder erreichen, auch diejenigen, die eben nicht in den Kin dergarten geschickt wurden; solche Kinder gibt es leider noch immer. Das ist auch ein Thema des Kinderschutzes. Diese ESU hat also viele Aspekte. Wir haben uns da auf den Weg gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Dass das nicht von heute auf morgen im vollen Ausmaß und in vollendeter Perfektion möglich sein wird, war uns allen klar. Dass das in einem Jahr, in dem erst einmal zwei Jahrgän ge untersucht werden müssen, holprig geht und nicht völlig rund läuft, war auch uns klar. Die Schwierigkeiten, die in den Anträgen genannt sind, haben wir also durchaus sehenden Au ges wahrgenommen. Es ist aber nicht so, dass wir sie ohne Not in Kauf genommen hätten. Uns war klar: Es wird ein schwieriges Jahr sein, aber die Schwierigkeiten werden zu lö sen sein.

Wo stehen wir heute? Im Untersuchungsjahr 2008/2009 sind insgesamt mehr als 110 000 Kinder untersucht worden. 40 000 Kinder wurden nach der alten Konzeption untersucht. Das sind diejenigen Kinder, die im Sommer 2009 eingeschult wur den. Damit ist dieser Übergangsjahrgang ungefähr zur Hälfte untersucht worden. Die eine Hälfte dieses Jahrgangs ist also untersucht worden, die andere nicht.

Weitere 70 000 Kinder des Einschulungsjahrgangs 2010 sind in diesem Jahr nach Schritt 1 der neuen Konzeption untersucht worden. Das entspricht etwa drei Vierteln dieses Jahrgangs.

Dieser Jahrgang ist also auch nicht in vollem Umfang unter sucht worden.

Aber für beide Jahrgänge war angestrebt, vor allem die Kin der zu untersuchen, bei denen sich Eltern, Erzieherinnen und Erzieher oder Lehrkräfte Sorgen um deren Entwicklung ge macht haben. Man hat also schon eine gewisse Auswahl ge troffen, um sicherzustellen, dass Kinder, die diese Untersu chung wirklich brauchen, diese auch bekommen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen: Das war ein Riesenkraftakt des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Wer die Potenziale des öffentlichen Gesundheitsdienstes kennt – al lein schon die Schwierigkeiten, Ärzte zu gewinnen –, der weiß diese Leistung zu schätzen. Ich möchte an dieser Stelle dem öffentlichen Gesundheitsdienst noch einmal ein ganz herzli ches Dankeschön sagen. Das war ein Riesenkraftakt.