Da muss es Fortbildungen geben, da muss es Moderation ge ben, da muss es im Grunde eine Prozessbegleitung geben. Denn dieses Verfahren, sozusagen ein eigenes Konzept der Schule entwickeln zu müssen, ist für die Schulen sehr unge wohnt.
Das wird auch Ihnen noch sehr viel Geduld abverlangen, weil Sie natürlich aus Ihrem klassischen Denken heraus zuerst im mer die Frage stellen: Wie groß ist die Klasse? Wie viele Zü ge hat die Schule? Welche Bücher werden gebraucht? Wann soll die Schule morgens beginnen? Wie wirkt sich das auf die Schülerbeförderung aus? Diese Fragen stellen Sie, anstatt zu nächst einmal folgende Fragen zu stellen:
Es wird sicherlich kein Einheitskonzept für die Gemein schaftsschule geben können, weil eine kleine einzügige Ge meinschaftsschule im ländlichen Raum möglicherweise eine andere Konzeption braucht als eine mehrzügige Gemein schaftsschule, die etwa aus einer Realschule in einer mittel großen Stadt hervorgegangen ist.
Dann werden wir bezüglich der benötigten Ressourcen, etwa zusätzlicher Lehrerstellen oder des sonstigen Bedarfs, sehr ge nau schauen müssen, wie die einzelnen Konzeptionen umzu setzen sind. Denn es macht keinen Sinn, hier eine einheitliche Bewertung für jeden Standort vorzunehmen.
Das Gute ist, Herr Röhm, dass wir bereits Schulen haben, die sich auch auf der Basis der bisherigen Lehrerzuteilung auf die sen Weg begeben haben und es schaffen – z. B. an einer ein zügigen Hauptschule –, eine individuelle Förderung sicherzu stellen,
die so interessant ist, dass dort auch viele Eltern ihre Kinder angemeldet haben, obwohl diese eine Realschulempfehlung haben. Dieser Schulbetrieb funktioniert ja. Insofern denke ich, wenn wir diese Erfahrungen bündeln, wenn wir das an die Standorte vermitteln, die sich entwickeln wollen, dann müs sen wir anschließend genauso individuell darüber reden, wel che zusätzlichen Ressourcen benötigt werden.
Diskussionen etwa über Klassenteiler und Klassengrößen sind schwierig, wenn man Schulen ausdrücklich ermuntern will, sich von den typischen Klassenverbandsorganisationen zu lö sen, jahrgangsübergreifend zu denken, in Lerngruppen zu den ken und entsprechende Schulformen einrichten zu wollen. Da her kommen wir mit diesen klassischen Betrachtungen nicht weiter. Am Ende können wir gern über die Lehrer-SchülerRelationen reden. Das ist sicher etwas, was sich da fassen lässt. Aber wir sind im Moment noch dabei, die Erfahrungen auszuwerten, die es im Land gibt, um hier zu einer Anhalts größe zu kommen.
Herr Staatssekretär, zur klassi schen Betrachtung gehört sicherlich die Frage nach der Qua lität. Qualität beschäftigt alle Akteure vor Ort, dort, wo Schul standorte bestehen oder auch – nach Ihrem Willen – neue Schulstandorte entstehen sollen.
Unabhängig davon, ob aus den bestehenden Werkrealschulen Gemeinschaftsschulen entstehen sollen oder ob die Werkre alschulen selbst als eigenständige Schulart einen gleichwerti gen mittleren Bildungsabschluss anbieten können, stelle ich die Frage: Wie bewerten Sie den Gesichtspunkt der Qualität? Werden diese Abschlüsse den KMK-Standards entsprechen? Sie wissen, dass die KMK-Standards unter den Bildungsstan dards von Baden-Württemberg liegen. Oder haben Sie die Ab sicht, an den bisherigen hochqualitativen Bildungsstandards Baden-Württembergs festzuhalten, auch in Ihrem neuen Sys tem? Bitte äußern Sie sich zur Qualität.
Es ist völlig klar: Wir halten an den Bildungsstandards fest und werden die Stan dards von keinem Abschluss senken, nur damit der entspre chende Abschluss von mehr Schülern erreicht wird. Vielmehr wollen wir die Rahmenbedingungen für die Schülerinnen und Schüler verbessern, damit mehr Schülerinnen und Schüler die se Qualität erreichen.
M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. G e o r g W a c k e r C D U – G r ö ß e d e r E i n h e i t s s c h u l e
Kultusministerin Warminski-Leitheußer kündigt bei verschie denen Gelegenheiten die Einführung der sogenannten Ge meinschaftsschule an. Welche Schülerzahl benötigt eine so genannte Gemeinschaftsschule zur Genehmigung?
Vielen Dank. – Ich bitte wiederum Herrn Staatssekretär Dr. Mentrup für die Landes regierung ans Rednerpult.
Sehr geehrter Herr Kol lege Wacker, wir sind noch dabei, herauszufinden, ob es für die Einführung einer Gemeinschaftsschule eine Mindestgrö ße geben wird, was die Zahl der Schülerinnen und Schüler an geht. Wir stellen fest, dass wir uns bei den Konzepten und der Qualität sehr stark an der Frage orientieren, ob es gelingt, im Rahmen des betreffenden Schulstandorts alle Bildungsstan dards anzubieten. Das ist das wichtigste Qualitätsmerkmal, und um dessen Überprüfung und Sicherstellung müssen wir uns bemühen.
Wenn Sie sich die verschiedenen Schulen im Land, die diese Voraussetzung gegebenenfalls erfüllen, einmal ansehen, dann finden Sie völlig unterschiedliche Gegebenheiten. Es gibt bei spielsweise eine kleine Hauptschule in Bergatreute, die ein gymnasiales Niveau auch deswegen anbieten und dies über prüfen kann, weil sie mit einem benachbarten Gymnasium ko operiert. Sie übernimmt immer auch die Arbeiten in den ent sprechenden Fächern aus diesem Gymnasium und überprüft so z. B., ob die Schülerinnen und Schüler die entsprechenden Leistungen auf gymnasialem Niveau erbringen. Diese Schu le würde sich von ihrer Konzeption her als einzügiger Stand ort einen gymnasialen Standard vorstellen können. Sie bietet ihn auch schon heute an.
Es gibt andere, zweizügige Standorte im Land, die uns die deutliche Rückmeldung geben, dass sie große Schwierigkei ten haben werden oder es als große Schwierigkeit empfinden, einen gymnasialen Standard in ihre Konzeption zu integrie ren.
So wird es sehr unterschiedliche Formen geben, wie man die ses Thema angeht. Wir werden mit Sicherheit eine Mindest schülerzahl für einen Schulstandort definieren müssen. Diese Zahl kann ich Ihnen aber heute noch nicht liefern.
Aber wir werden uns, wenn wir über eine Berechtigung ent scheiden wollen, aus diesem System mit der Frage nach der Zahl der Züge und mit diesen ganzen eher etwas altherge brachten Betrachtungen lösen müssen, weil diese Kategorien den entsprechenden Anforderungen der einzelnen Standorte nicht gerecht werden.
Es liegt eine Zusatzfra ge des Herrn Abg. Wacker vor. Erst kommt die Frage von Herrn Abg. Wacker, dann eine Zusatzfrage von Herrn Abg. Röhm.
Herr Staatssekretär, Sie werden sicher verstehen, dass diese Fragen die Menschen vor Ort be schäftigen, nachdem Ihre ersten Ankündigungen in wider sprüchlicher Weise erfolgt sind. Die Ministerin hat mehrfach behauptet, auch die kleinsten Schulen – so, wie Sie es eben auch dargestellt haben – hätten die Möglichkeit, sich zur Ge meinschaftsschule zu entwickeln. Frau Wissenschaftsminis terin Bauer hat dagegen in einer Sitzung des Wissenschafts ausschusses gesagt, nur größere Schuleinheiten könnten zu Gemeinschaftsschulen werden.
Deswegen bitte ich hier um eine Klarstellung, ob auch die kleinsten Schulen diese Entwicklung vornehmen können oder ob eher nur die größeren Schulen die Chance dazu haben. Da zu bitte ich um eine präzise Auskunft.
Wir ermuntern alle Schulstandorte, sich mit dieser Entwicklung zu beschäftigen. Es wird sich im Verlauf der Diskussionen zeigen, ob die ein zelnen Standorte das darstellen können oder nicht.
Es wird sicher kleine Schulen geben, die im Rahmen der Dis kussion feststellen, dass es unrealistisch ist, sich auf diesen Weg zu begeben. Aber es wäre unfair und entspräche auch nicht der neuen Kultur der Landesregierung, wenn wir von
vornherein bestimmten Standorten den Zugang zu dieser Dis kussion ganz verweigerten, indem wir sagten: „Ihr seid so klein. Ihr braucht euch damit gar nicht zu beschäftigen.“
Unser Ziel, Herr Wacker, ist: Wir wollen erreichen, dass Standorte in Zukunft interessanter werden und dadurch mehr Schülerinnen und Schüler akquiriert werden können, als das gegenwärtig der Fall ist. Damit können wir trotz zurückge hender Schülerzahlen viele Standorte halten, die wir ohne die ses neue Angebot überhaupt nicht halten könnten.
Lassen Sie mich noch eines hinzufügen: Dass es hier im Land Hauptschulstandorte mit 35, 40 oder 50 Schülern gab oder gibt, hat doch etwas damit zu tun, dass Sie die politische Ver antwortung nicht rechtzeitig übernommen haben, diese Ent wicklung in einer vernünftigen Richtung zu gestalten.
Vielmehr haben Sie sie ein Stück weit einfach toleriert, weil Sie sich mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort zum Teil nicht darüber auseinandersetzen wollten, was das anschlie ßend bedeuten könnte.
Herr Staatssekretär, ich ent nehme verschiedenen Äußerungen eine Gemeinsamkeit: Auch Sie wollen am Hauptschulabschluss festhalten. Könnten Sie dazu Stellung nehmen?
Die zweite Frage in diesem Zusammenhang: Welche Lernzeit gedenken Sie Kindern, die sich schwertun, an dieser Schule einzuräumen?
Dritte und abschließende Frage: Beabsichtigen Sie, auch ei ne sogenannte Flexklasse, eine flexible Klasse, nach dem Bei spiel Schleswig-Holsteins einzuführen? Wir haben sie einmal besucht; ich weiß allerdings nicht, ob Sie dabei waren. Aber Sie kennen den Vorgang.
Es ist ganz klar: Wir wollen als Abschlüsse an der Gemeinschaftsschule und damit als Standardabschlüsse im Land den Hauptschulabschluss, den Realschulabschluss und das Abitur anbieten. Ich habe schon gesagt, dass sich da an der Qualität nichts ändern wird. Wir bieten allen, die einen Hauptschulabschluss machen wollen, ein zehntes Schuljahr an. Das wird auch an einer Gemein schaftsschule so sein. Anders geht es gar nicht.
Grundlage für dieses Angebot einer zehnten Klasse, Herr Röhm, ist ja nicht, dass wir über Klassen- und Jahrgangszah len diskutieren wollen. Vielmehr ist die Idee, dass es für vie le sinnvoller wäre, den Hauptschulabschluss erst nach der
zehnten Klasse zu machen, anstatt einen sehr schlechten Ab schluss nach der neunten Klasse zu machen, ihn gar nicht zu machen oder den Abschluss erst anschließend in den entspre chenden Übergangssystemen mit einem damit verbundenen Schulwechsel zu erwerben.