Protokoll der Sitzung vom 04.06.2014

Herr Präsident! Lieber Herr Kunzmann, wir wollten mit der Auswahl des heutigen The mas der Aktuellen Debatte eigentlich Ihnen gegenüber etwas freundlich sein. Diese Freundlichkeit wird jedoch nicht erwi dert. Denn Ihnen fällt nichts anderes ein, als immer wieder am WTPG herumzunörgeln.

(Zuruf von der CDU: Landespolitik!)

Das erinnert etwas an Ihre Haltung zur Bildungspolitik. Auch dort fällt Ihnen nichts Eigenes ein. Auch dort gibt es immer nur Genörgel und Rumgenöle. Das machen Sie nun auch beim WTPG.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Die Ministerin hat gerade zu Recht darauf hingewiesen – dies kann ich nur unterstreichen –, dass wir, wenn wir Ihre Anträ ge, Ihre Forderungen in Sachen WTPG umgesetzt hätten, im

Hinblick auf neue Wohnformen die schlechtesten Standards in ganz Deutschland hätten. Das wollen wir nicht. Wir wol len keine Dumpingpflege.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Sehr gut!)

Insofern bleiben wir dabei – das zeigen auch die Rückmel dungen, die ich immer wieder bekomme; ich bin viel in Pfle geeinrichtungen unterwegs –, dass es uns gelungen ist, ein ausgewogenes Gesetz zu schaffen, das die Interessen der zu Pflegenden, der Angehörigen und auch der Leistungsanbieter, der großen und der kleinen Träger, in einen guten Einklang bringt.

Wenn Sie demnächst den Ihrer Partei angehörenden Bundes minister Gröhe wieder sehen, übermitteln Sie ihm bitte nicht nur unseren Dank, sondern auch unsere Forderungen. Ich ha be vorhin bereits einige genannt. Ich kann nun noch einige er gänzen. Nehmen Sie unsere Forderung nach weiteren Verbes serungen bei der Beratung, nach einem weiteren Ausbau der Pflegestützpunkte – auch bei uns im Land – mit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nehmen Sie mit, dass auch dem Grundsatz „Prävention vor Rehabilitation vor Pflege“ mehr Rechnung getragen werden muss, dass die geriatrische Reha nach wie vor leidet, dass ei ne bedarfsgerechte Versorgung und insbesondere eine leis tungsgerechte Vergütung in der Reha erforderlich ist. Nehmen Sie auch mit, dass er bitte Manuela Schwesig unterstützen soll, die im April einen Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung für pflegende Angehörige angekündigt hat. Die Überschrift hierzu lautet „Familienpflegezeit“.

Dies sind einige Forderungen, die wir in Richtung Bundesge sundheitsminister noch ergänzend anfügen können.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Ich möchte noch einen letzten Satz sagen. Frau Kollegin Mie lich, in meinem ersten Beitrag habe ich das Thema Pflegevor sorgefonds auch deshalb nicht angesprochen, weil ich weiß, dass die Bundes-SPD eher dagegen war und dass die Beitrags erhöhung um 0,5 Prozentpunkte nicht ausreichen wird, um ei nen Vorsorgefonds aufzubauen. Wir sehen, dass das Geld ei gentlich dringend im System gebraucht wird. Wie Sie aber auch aus eigener Erfahrung wissen, lebt eine Koalition vom Kompromiss.

(Heiterkeit des Abg. Manfred Lucha GRÜNE – Zu ruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Deshalb wurde dieser Vorsorgefonds in das Pflegestärkungsge setz aufgenommen. Inhaltlich sind wir ganz bei Ihnen. Pers pektivisch brauchen wir die Bürgerversicherung, auch in der Pflege. Das bleibt das Ziel der SPD. Da sind wir ganz bei Ih nen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die FDP/DVP-Fraktion spricht Kollege Haußmann.

Sehr geehrte Frau So zialministerin, ich möchte kurz darauf eingehen, dass Sie ge sagt haben, die FDP-Gesundheitsminister hätten die Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs nicht umgesetzt. Das ist rich tig. Dieses Vorhaben wurde nicht umgesetzt. Es war eines der Ziele. Als man aber das Bundesgesundheitsministerium über nommen hat, hat man in der gesetzlichen Krankenversiche rung eine Finanzlücke von über 11 Milliarden € festgestellt. Angesichts dieser finanziellen Situation noch zusätzliche Leis tungen abzubilden ist schwierig.

Die Situation ist jetzt aber, dass es in der gesetzlichen Kran kenversicherung 2013 um die 30 Milliarden € an Überschüs sen gibt. Auch in der Pflegeversicherung gibt es mit über 5 Milliarden € eine gute Rücklage. Auf dieser Grundlage lässt sich jetzt natürlich wirklich etwas aufbauen. Wie ich vorhin bereits gesagt habe, ist es außerordentlich wichtig, es sehr schnell anzugehen, da dies eine sehr komplexe Materie ist. Dies wollte ich zum Hintergrund anführen.

Im Übrigen hatte die SPD viele Jahre die Möglichkeit, bei die sem Thema voranzugehen, da sie über viele Jahre das Gesund heitsministerium geführt hat. Damals ist in diese Richtung auch nichts passiert. Das möchte ich hier einmal festhalten.

Ich möchte noch darauf eingehen, dass wir darauf achten müs sen, dass nicht einfach gesagt werden kann: „Wir holen uns die Pflegekräfte aus dem Ausland.“ Der Dachverband Ent wicklungspolitik hatte in einem interessanten Artikel im Ma gazin „Südzeit“ auf die Problematik hingewiesen, dass in den Ländern, aus denen Fachkräfte zu uns kommen, Schwierig keiten auftreten. Deswegen kann meines Erachtens der Man gel bei uns nicht einfach durch ausländische Fachkräfte abge deckt werden.

Beim WTPG warten wir nun einfach die nächsten zwei Jahre ab, wie sich die Situation entwickelt. Dann werden wir das Gesetz evaluieren. Wir sind froh, dass es die Prüfberichtsre gelung enthält. Dann werden wir dies auch bewerten. Ich glau be, dann zeigt sich, ob dies wirklich ein gutes Gesetz ist, wo ran viele Zweifel haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, mir lie gen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist Tagesord nungspunkt 1 abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Verdrängung des regionalen mittelstän dischen Handwerks – die grün-roten Pläne zur Änderung der Gemeindeordnung – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP

Das Präsidium hat auch hier eine Redezeit von 40 Minuten festgelegt, in der üblichen Verteilung auf die Fraktionen.

Ich darf auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung verweisen, wonach die Debatte in freier Rede zu führen ist.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Grimm für die Fraktion der FDP/DVP.

Herr Präsident, sehr geehr te Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Jahr 2005 hat die christlich-liberale Landesregie rung eine Neufassung der Gemeindeordnung umgesetzt, die für den Mittelstand eine deutliche Verbesserung darstellt. Durch die Regelung der verschärften Subsidiarität wurde vie len kleinen Unternehmen überhaupt erst der Zugang zu Auf trägen ermöglicht. Von dieser Regelung haben alle profitiert, da Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen und entspre chend Steuern gezahlt wurden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Diese Regelung drohen Sie nun wieder abzuschaffen.

Gleichzeitig haben wir das Örtlichkeitsprinzip im Energiebe reich gelockert, um Stadtwerken eine Handhabe zur Umset zung der Energiewende zu geben. Trotzdem wurde uns hier in diesem Haus unter dem Deckmantel der Energiewende die Rückkehr zur einfachen Subsidiarität unterbreitet.

Bedenken Sie bitte, was das für den Mittelstand bedeutet. Die Beweislastumkehr fordert vom privaten Anbieter, nachzuwei sen, dass sein Angebot besser und effizienter als das der staat lichen Konkurrenz ist. Das ist für kleine und mittlere Unter nehmen in der Regel nicht zu schultern.

Dabei geht die tatsächliche wirtschaftliche Betätigung kom munaler Unternehmen schon heute weit über die Daseinsvor sorge hinaus, und das deutschlandweit. Zwischen 2000 und 2010 hat die Zahl kommunaler Unternehmen um über 23 % zugenommen. Während ihr Umsatz im Bundesdurchschnitt bei jährlich 3 000 € pro Einwohner liegt, beträgt er in BadenWürttemberg 6 500 €. Das ist eine Menge Geld, das der regi onalen Wirtschaft vorenthalten wird.

Was machen die kommunalen Firmen? Sie vermieten Fahrrä der an Touristen, bieten Garten- und Hausmeisterdienste an, planen und bauen sogar für andere Kommunen Immobilien und ganze Quartiere. Da stellt sich schon die Frage: Gibt es Ihrer Meinung nach für diese Aufgaben nicht auch Kompe tenzen im privaten Bereich?

Dies alles geschieht unter Ausnutzung unfairer Wettbewerbs vorteile. Es ist bekannt, dass Unternehmen, die Kommunen als Hafter im Hintergrund haben, günstigere Kreditkonditio nen erhalten.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Grimm, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schwarz?

Nein. Erst mal zuhören.

Doch stellte der Bund der Steuerzahler fest, dass dadurch auch größere Risiken eingegangen worden sind. Für das Jahr 2011 wurden mit 5,9 Milliarden € aus öffentlichen Mitteln defizi täre Unternehmen subventioniert. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Gerade die Energiewende, die ja der vorgebliche Grund Ihrer Rolle rückwärts ist, birgt große Risiken. Dessen sind sich die Verantwortlichen oft gar nicht bewusst, denke ich. Da wird in Gaskraftwerke investiert, und hinterher reiben sich die Ge meinderäte verwundert die Augen, dass sich solche Kraftwer ke heutzutage überhaupt nicht mehr rechnen. Da versucht man

sich vorbildlich in der Kraft-Wärme-Kopplung, und dann müssen die Stadtwerke die finanziellen Folgen einer unaus gegorenen EEG-Novelle tragen.

Zweiter Wettbewerbsvorteil: die Umsatzsteuerbefreiung. Na türlich erbringen kommunale Unternehmen eine Leistung günstiger, wenn ihnen 19 % der Kosten erlassen werden. Er bringen sie diese Leistung aber nicht für die eigene Kommu ne, sondern als Beistandsleistung, dann ist der Tatbestand der Wettbewerbsverzerrung erfüllt.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Der Bundesfinanzhof hat dieser Praxis schon 2011 einen Rie gel vorgeschoben, aber bis heute findet das Urteil keine An wendung, weil es immer noch nicht im Bundessteuerblatt ver öffentlicht ist. Herr Finanzminister Schmid, Sie haben dem Handwerk Ihre Unterstützung bei der raschen Behebung die ses unhaltbaren Zustands zugesagt. – Er ist jetzt leider nicht da, aber ich würde ihn gern fragen, wann und wie er die Waf fengleichheit zwischen kommunalen und privaten Dienstleis tern schaffen möchte.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Oder wird nun mit der Aufweichung des § 102 der Gemein deordnung stattdessen noch eins draufgesetzt?