Protokoll der Sitzung vom 04.06.2014

Ich darf noch ein Zitat aus der Stellungnahme zu dem Antrag der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 15/5129, hinzufügen. Darin hatten wir das Thema „Vorfälligkeitsentschädigung in der Sozialversicherung“ angesprochen, und die Sozialminis terin antwortete:

In Bezug auf die gesetzliche Krankenversicherung darf die aktuell positive Finanzsituation nicht darüber hinweg täuschen, dass sich diese bereits in absehbarer Zeit deut lich verschlechtern wird, da Einnahmen über den Gesund heitsfonds und Ausgaben weiter auseinandergehen wer den. Auch in der gesetzlichen Rentenversicherung zeigt die Tendenz eindeutig, dass sich die aufgrund der guten Konjunktur- und Arbeitsmarktlage gegenwärtig feststell baren Haushaltsüberschüsse mittelfristig nicht versteti gen werden. Eine Erhöhung der Beitragssätze würde die Wirtschaft stärker belasten als eine einmalige Entlastung durch einen späteren monatlichen Zahlungstermin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, was haben Sie denn jetzt gemacht? Sie haben den Rentenversicherungsbei trag, der von 18,9 auf 18,3 % gesenkt werden sollte – die Ar beitgeber und die Arbeitnehmer wären dadurch um 6 Milliar den € entlastet worden –, unverändert gelassen. Sie haben den Beitragssatz nicht gesenkt. Generationengerechtigkeit sieht anders aus, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Deswegen, wieder zurückkommend auf die Landespolitik, sa ge ich: Die Enquetekommission „Pflege“, die sicherlich Lö sungsansätze suchen und finden wird und die die Unterstüt zung aller Landtagsfraktionen hat, ist ein guter Ansatz. Küm mern wir uns um die Dinge im Land Baden-Württemberg und nicht um bundespolitische kleine Schritte eines Pflegestär kungsgesetzes.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

Für die Landesregierung spricht Frau Sozialministerin Altpeter.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die heutige Debatte gilt einem Gesetz, dessen Bedeutung allen Anwesenden be wusst sein dürfte. Die Säulen unserer sozialen Absicherung – dazu gehört auch die Pflegeversicherung – bedürfen der lau fenden Anpassung. Die Maßnahmen im Pflegestärkungsge setz, die ab 2015 in Kraft treten sollen, sind umfangreich, sind unumgänglich, sind lange erwartet worden, aber sie sind nur ein Anfang.

Mit dem in diesem Gesetz enthaltenen Maßnahmenpaket wer den wichtige Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag von SPD und CDU/CSU umgesetzt. Das Gesetz leistet somit ei nen wichtigen Beitrag zu einer verbesserten Pflege und Be treuung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich denke, wir sind uns auch darin einig, dass wir in der im Koalitionsvertrag vereinbarten Bund-Länder-Arbeitsgruppe, deren Mitglied ich bin, die Rolle der Kommunen bei der Pfle ge noch weiter ausbauen wollen, weil uns daran gelegen ist, eine wohnortnahe Versorgung sicherzustellen, eine Versor gung dort, wo die Menschen leben, nämlich in der Kommu ne.

Am Freitag werden wir dazu in Berlin erste Schritte beraten. Unser Anspruch ist es, Sozialräume so zu entwickeln, dass pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich in ihrem ge wohnten Umfeld, in der eigenen Häuslichkeit verbleiben kön nen.

Deshalb begrüßen wir es sehr, dass die bestehenden Betreu ungsleistungen der ambulanten Pflege ausgebaut werden. Wir begrüßen es auch, dass Entlastungsleistungen, wie beispiels weise das Einkaufen zugunsten Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen, eingeführt werden.

Allerdings ist es insbesondere in Baden-Württemberg, wo es bereits nahezu 800 niedrigschwellige Betreuungsangebote gibt, wichtig, dass Betreuung und Entlastung nicht getrennt, sondern innerhalb einer Angebotsstruktur realisiert werden. Dafür werden wir uns im Gesetzgebungsverfahren einsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Wir begrüßen auch, dass Unterstützungsleistungen wie die Kurzzeit- und die Verhinderungspflege, die Tagespflege und die Nachtpflege ausgebaut und vor allem besser miteinander kombiniert werden sollen. Denn der Pflegebedürftige der Zu kunft braucht ein vielfältiges Angebot und damit auch vielfäl tige Leistungen.

Außerdem muss es darum gehen, Pflegebedürftige und pfle gende Angehörige gleichermaßen zu entlasten.

Durch die Leistungsverbesserungen, die ab 2015 greifen sol len, wird auch die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verbes sert. Der Gesetzgeber plant zudem, bei der kurzfristig notwen digen Planung der Pflege eines Angehörigen künftig Lohner satzleistungen für eine zehntägige bezahlte Auszeit vom Be ruf einzuführen. Meine Damen und Herren, es ist allerhöchs te Zeit, dass dies eingeführt wird.

In Pflegeheimen werden über Anpassungen beim Personal schlüssel die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte von bisher 25 000 auf bis zu 45 000 erhöht werden kann. Das verbessert den Pflegeall tag und die Qualität der Versorgung in den stationären Ein richtungen. Das stellt natürlich auch für die Pflegekräfte eine ganz wichtige Entlastung dar.

Ich meine, das erste Pflegestärkungsgesetz ist ein erster Schritt, um gute Pflege zu sichern, gute Arbeit für Pflegefachkräfte zu ermöglichen und Pflegeinfrastruktur weiter auszubauen.

Sehr geehrter Herr Kunzmann, lassen Sie mich noch einige Worte zu Ihren Einlassungen sagen. Wahrscheinlich haben Sie vergessen, dass wir uns in Berlin in einer Großen Koalition befinden. Insofern sind die Regelungen, die mit dem Pflege stärkungsgesetz in Kraft treten, Folgen einer gemeinsamen Vereinbarung und sind nicht allein auf der Wiese Ihres Ge sundheitsministers gewachsen. Wenn das so gewesen wäre, dann hätten Sie in den vergangenen Legislaturperioden schon einiges mehr auf den Weg bringen können.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Wenn Sie sich schon nicht in Berlin auskennen, dann sollte man davon ausgehen, dass Sie sich wenigstens in unserem Bundesland Baden-Württemberg auskennen.

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Aber auch das scheint nicht der Fall zu sein. Sie bringen immer wieder das Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz, das WTPG, hier auf das Tablett und machen uns Vorwürfe, die nicht, aber auch wirklich gar nicht haltbar sind. Das Gegenteil ist der Fall. In Wahrheit wollten Sie mit dem Wohn-, Teilhabe- und Pfle gegesetz die bundesweit niedrigsten Standards in der Pflege setzen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von der CDU: Quatsch!)

Wenn Sie sich auch nicht in Baden-Württemberg auskennen, dann wäre es vielleicht ganz gut, wenn Sie sich wenigstens in Ihrer näheren Umgebung auskennen würden.

(Zurufe von der CDU)

Dazu sei Ihnen nur gesagt, dass im nächsten Monat in Pfullin gen eine anbieterorientierte WG mit acht Bewohnern unter der Trägerschaft eines großen Trägers eröffnet wird. Sagen Sie mir doch einmal, wie das zu Ihrer Aussage passt, dass die Regelungen des WTPG nicht notwendig seien.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Lieber Herr Haußmann, dass die FDP pflegebedürftig ist, ist mittlerweile republikweit bekannt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Hat sich das zu Ihrem Redenschreiber herumgesprochen?)

Dass Sie sich mittlerweile als Härtefall in Pflegestufe III be finden, hat Ihre Rede deutlich gemacht. Sie fordern, einen neu en Pflegebedürftigkeitsbegriff einzuführen. Da muss ich Sie fragen: Was haben denn Herr Rösler und Herr Bahr in den ver gangenen Jahren gemacht, außer groß herauszuproleten, man wolle ein Jahr der Pflege und einen „Pflege-Bahr“ – whatever it means – einführen?

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wie hat wer es ausgesprochen?)

Es ist sehr bemerkenswert, dass Sie hier den ehemaligen Chef der Deutschen Rentenversicherung sozusagen als Zeugen ge gen die Rentenpläne der Bundesregierung ins Feld führen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Als Exge nossen!)

Ich finde, es wäre gut, sich vorher entsprechend zu informie ren. Der werte Herr ist mit 62 Jahren aus dem Dienst ausge schieden. Insofern kann man nicht davon reden, dass das Ren teneintrittsalter vollständig erreicht wurde.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Aha! – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: So reden Sie über Ihre Genos sen!)

Lassen Sie mich noch ein Wort zur Situation der häuslichen Krankenpflege sagen, die in der Tat teilweise in erheblichen Problemen steckt, auch in Baden-Württemberg. Viele ihrer Leistungen können nicht refinanziert werden. Ich habe mich dieser Problematik bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt an genommen und habe einen runden Tisch zur häuslichen Kran kenpflege in Baden-Württemberg unter Beteiligung aller Ak teure ins Leben gerufen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Dabei sind wir mittlerweile insoweit einen Schritt weiterge kommen, als die Kostenträger sehen und sagen, dass die Fi nanzierung erhöht werden muss. Dies erfordert allerdings auf

der anderen Seite eine entsprechende Transparenz, sodass auch nachvollzogen werden kann, wo die Knackpunkte sind, die es zu verbessern gilt.

Wir werden uns beim runden Tisch „Pflege“ im Juli das nächs te Mal treffen. Ich bin guter Dinge, dass wir mit dem, was wir in der Pflegeenquete beraten, sowie mit dem runden Tisch zur häuslichen Krankenpflege und mit dem runden Tisch zur Si tuation in der Pflege einen großen Schritt weiterkommen wer den.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zurück zum Pflege stärkungsgesetz. Nur zur Erinnerung: Der jetzt beschlossene Gesetzentwurf ist nur ein erster Schritt hin zum Ziel einer um fassenden Pflegereform. Zentraler Bestandteil der zweiten Stufe wird die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbe griffs sein. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir von neuen Pflegegraden ausgehen, die für die Höhe der Sachleistungen und der Geldleistungen entscheidend sind und die dann auch eine differenzierte Einstufung der Pflegebedürftigen erlauben.

Wir wollen die Stärkung und den Ausbau der Rolle der Kom munen bei der Pflege, weil sie den direkten Bezug zu den Menschen haben. Damit wird voraussichtlich ab 2017 ein wei terer Schritt getan, um die soziale Pflegeversicherung teilha beorientiert und zukunftssicher zu gestalten.

Ich werde in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe in diese Rich tung arbeiten und die Interessen der Menschen in BadenWürttemberg vertreten. Auf der einen Seite geht es darum, häusliche Pflege zu stärken, weil es unser aller Wunsch ist, so lange wie möglich im häuslichen Umfeld zu bleiben. Auf der anderen Seite geht es auch darum, die Rahmenbedingungen in den stationären Einrichtungen so zu gestalten, dass auch dort ein Leben nahe an der Häuslichkeit möglich ist. Ich den ke, wenn wir uns überlegen, wie wir es selbst haben wollten, ist dies der richtige Weg. Wir gehen mit großen Schritten dem Ziel entgegen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die SPD-Fraktion spricht noch einmal Kollege Hinderer.

Herr Präsident! Lieber Herr Kunzmann, wir wollten mit der Auswahl des heutigen The mas der Aktuellen Debatte eigentlich Ihnen gegenüber etwas freundlich sein. Diese Freundlichkeit wird jedoch nicht erwi dert. Denn Ihnen fällt nichts anderes ein, als immer wieder am WTPG herumzunörgeln.