Protokoll der Sitzung vom 25.06.2014

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Bauer.

Verehrter Herr Präsident, meine Damen und Her ren! Ich freue mich sehr und finde es schön, dass dem aufge rufenen Thema eine Aktuelle Debatte gewidmet ist. Das The ma ist zwar nicht neu – Solidarpakte gibt es in diesem Land seit fast 18 Jahren –, aber das Thema ist hochaktuell, denn wir verhandeln zurzeit über eine Nachfolgeregelung, und das The ma ist ohne Zweifel von großer Bedeutung für unsere Hoch schullandschaft in Baden-Württemberg. Deswegen ist es schön, dass es die Gelegenheit gibt, heute darüber zu sprechen.

Wenn man sich die Debatte anhört, fragt man sich: Warum klagen eigentlich die Hochschulen über die Hochschularten hinweg über die Zustände und die finanziellen Ausstattungen, die sie vorfinden? Warum protestieren die Studierenden drau ßen? Sie haben doch einen Pakt und werden auch wieder ei nen bekommen. Was haben sie eigentlich für ein Problem? Ich glaube, auch die interessierte Öffentlichkeit fragt sich das durchaus. Man hat den Eindruck, dass auch hier im Parlament eine gewisse Unklarheit herrscht, worüber eigentlich geklagt wird.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE, auf die CDU zeigend: Nur da drüben!)

Ich bin mir sicher, die Klagen werden zu Recht geführt. Wenn ich recht gehört habe, bestehen die Klagen nicht darin, dass man sich einfach Sorgen macht, was in dem neuen Vertrag stehen wird. Vielmehr werden die Klagen über Missstände ge führt, über Probleme in der Finanzierung, wie wir sie heute vorfinden.

Deswegen sage ich – auch wenn Sie es nicht gern hören –: Fakten muss man sich erst einmal anschauen. Man kann sie nicht ignorieren, und man kann sie auch nicht anschreien. Wenn wir über die derzeitigen Missstände der Grundfinanzie rung unserer Hochschulen reden, dann reden wir über den lau fenden Solidarpakt, der nunmehr in das achte Jahr seines Be stehens kommt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das ist der zweite Pakt seiner Art; vorher gab es einen Pakt, der zehn Jahre gültig war. Natürlich müssen wir – und tun es auch gerade gemeinsam mit den Hochschulen – bilanzieren: Was hat es gebracht? Was sind die Stärken gewesen – die gab es auch –, und was sind die Schwächen und Probleme, die mit dem bestehenden Vertragswerk gewachsen sind und die wir mit dem neuen Vertragswerk korrigieren werden?

Lassen Sie mich vorweg eines sagen: Ich werde immer wie der von der Presse gefragt: Wie finden Sie denn, dass draußen die Rektoren zusammen mit den Studierenden protestieren? Ich kann Ihnen sagen: Ich finde, es ist gut, wenn sich Hoch schulleitungen und Studierende um ihre Probleme kümmern und artikulieren, welche Probleme sie vorfinden.

(Beifall der Abg. Gabi Rolland SPD)

Meine Analyse ist: Die Klagen und die Sorgen, die formuliert werden, werden zu Recht formuliert. Wir arbeiten gemeinsam daran, für die Zukunft Verbesserungen herbeizuführen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die Klage wird zu Recht geführt, weil es insbesondere im letz ten Jahrzehnt in mehrfacher Hinsicht Scherenbewegungen ge geben hat. Erstens gibt es die Schere zwischen den enorm wachsenden Studierendenzahlen und einer eingefrorenen Grundfinanzierung für unsere Hochschulen. Nachdem – Herr Dr. Schmidt-Eisenlohr hat das schön ausgeführt – Ende der Neunzigerjahre die Grundfinanzierung erst einmal gesenkt wurde, ist sie im Solidarpakt II in einer Zeit eingefroren wor den, in der die Studierendenzahlen wie nie zuvor gewachsen sind. Deswegen haben wir heute in der Tat eine deutlich schlechtere Relation zwischen der Grundfinanzierung und der Anzahl der Studierenden. Dies ist dringend zu korrigieren.

Zweitens: Es gibt eine weitere Scherenbewegung, die nicht minder dramatisch ist. Die Schere öffnet sich zwischen Uni versitäten und anderen Hochschulen einerseits und außeruni versitären Forschungseinrichtungen andererseits. Zum Glück haben wir in den vergangenen Jahren relevante Aufwüchse bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen erlebt. Es gab über die verschiedenen Pakte – Bund und Länder wa ren daran beteiligt – regelmäßig fünfprozentige Aufwüchse in der Finanzierung. Von der früheren Regierung wurden die Universitäten und die anderen Hochschulen mit diesen Hand lungsspielräumen nicht ausgestattet, sodass sie sich heute im Vergleich zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen in einem enormen Wettbewerbsnachteil befinden. Auch diese Lücke gilt es ein Stück weit zu schließen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Deshalb – wir können es Ihnen nicht ersparen – müssen wir als Ausgangspunkt darüber reden, was in den vergangenen 18 Jahren an Problemlagen entstanden ist.

Sie haben angemahnt, frisches Geld ins System zu geben. Wir werden frisches Geld in die Hand nehmen. Das müssen wir tun;

(Zuruf von der FDP/DVP: Ja!)

denn insbesondere im Energiebereich gibt es einen enormen Nachholbedarf, weil auch an dieser Stelle das Geld für die Universitäten gedeckelt war, während die Kosten enorm ge wachsen sind. Aber ich möchte auch betonen: Es geht nicht nur um frisches Geld, sondern es geht durchaus auch um die Frage, welche Handlungsspielräume und welche Gestaltungs möglichkeiten man den Hochschulen gibt, damit sie mit dem Geld effizient umgehen können. Das war das Hauptproblem des aktuellen, noch laufenden Solidarpakts. Denn alles zusätz liche Geld, das in den Universitäten und den anderen Hoch schulen vonseiten des Landes angekommen ist – das sind kei ne irrelevanten Summen, das wollen wir nicht verschweigen; es ist nicht so, dass das Ausbauprogramm „Hochschule 2012“ nicht stattgefunden hätte –, sind Mittel gewesen, die nicht fle xibel, verlässlich und nach eigener Schwerpunktsetzung frei einsetzbar waren und die insbesondere für dauerhafte, unbe fristete Personalmaßnahmen schlecht zu verwenden waren.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Ja! So ist es!)

Das ist aber der Kern bei den Universitäten und den anderen Hochschulen: 80 % der Kosten sind Personalkosten. Wenn

man dann den Hochschulen Geld gibt, das sie nur begrenzt dafür einsetzen können, macht man einen Fehler.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Nicht anders ist es übrigens bei den Studiengebühren. Da re den wir nicht über irrelevante Summen, sondern über enorm hohe Summen und auch wachsende Summen, die wir durch die Qualitätssicherungsmittel ersetzt haben. Wir haben die Qualitätssicherungsmittel analog zu den Studiengebühren auf gesetzt, allerdings mit einer dynamisch wachsenden Kompo nente. Auch diese Mittel sind – so, wie sie bislang verwendet werden – nur in sehr begrenztem Umfang für unbefristete Per sonalmaßnahmen zu verwenden, also für die Berufung auf Professuren, für die unbefristete Anstellung von wissenschaft lichem Personal, auch von Personal für den nicht wissen schaftlichen Dienst, der für die Hochschulen wichtig ist. Für all diese Bereiche sind nur 30 % dieser Mittel einsetzbar, und das ist ein Problem.

Wir werden dieses Problem beheben, wenn wir diese soge nannten Zweitmittel in Grundfinanzierung umwandeln. Nur dann kann die Hochschule selbst entscheiden, wofür sie die ses Geld braucht, kann es langfristig einsetzen und kann lang fristig planen, ihre eigenen Schwerpunkte setzen sowie dau erhafte und nachhaltige Personalpolitik machen.

Ich möchte Sie deshalb bitten, das Thema „Umwandlung von Zweitmitteln in Grundfinanzierung“ nicht gering zu schätzen. An diesem Punkt geht es um die Frage, ob Hochschulautono mie, Freiräume und Hochschulfreiheit überhaupt wahrgenom men werden können. Deswegen wird es ein Charakteristikum unseres Paktes sein, dass wir die Grundfinanzierung substan ziell verbessern werden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, auch etwas zum The ma Bund zu sagen. In der Tat hat uns der Bund über eine lan ge Strecke im Unklaren gelassen, wie die sogenannten Bil dungsmilliarden eingesetzt werden und wie viel davon beim Land Baden-Württemberg ankommt. Jetzt haben wir – das ist noch nicht einmal einen Monat her – Klarheit, wie das umge setzt werden soll. Das hilft schon einmal ein Stück weiter. Die komplette Übertragung der Anteile des BAföG auf den Bund beläuft sich bundesweit auf 1,1 Milliarden €, die jährlich frei werden. In Baden-Württemberg sind es, je nachdem, wie man es rechnet, jährlich zwischen 71 Millionen € und 117 Millio nen € Entlastung für das Land. Das ist eine Möglichkeit, die wir nutzen werden. In der Landesregierung und auch zwischen den Regierungsfraktionen besteht völlige Einigkeit, dass die se gewonnenen Spielräume vollständig für ihren Zweck ein gesetzt werden, damit sie Schulen und Hochschulen zugute kommen. Da müssen Sie sich keine Sorgen machen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Aber die Offenlegung der Verwendung der sogenannten Bil dungsmilliarden hat neue Probleme aufgeworfen, die ich hier auch betonen möchte. Der „Hochschulpakt 2020“ beispiels weise ist nach allem, wie wir rechnen und versuchen, die Zah len zu interpretieren, nicht ausfinanziert, sondern es tut sich für diese Legislaturperiode des Bundes, bis zum Jahr 2017, eine Finanzierungslücke von 1 Milliarde € auf, Mittel, die im

Vergleich zu den bisherigen Zahlungen künftig nicht vorhan den sind. Ich frage die Fraktionen: Was tun Sie dafür, dass die Bundesregierung die fehlende Milliarde auftreibt? Ich glau be, Sie müssen noch einmal bei Herrn Schäuble nachfragen, ob die Schatulle wegen der 1 Milliarde € für den Hochschul pakt 2020 nicht noch einmal geöffnet wird.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wenn Sie schon fragen, wie wir mit dieser Finanzierungslü cke umgehen, dann fragen Sie bitte auch, wie der Bund wei ter damit verfahren will, wenn es um die Finanzierung der Programmpauschalen geht, die derzeit in Höhe von 20 % auf jedes erfolgreich eingeworbene Forschungsprojekt gezahlt werden. 20 % Overheadkosten sind eine direkte Entlastung und Unterstützung unserer forschungsstarken Universitäten insbesondere bei der Grundfinanzierung. Bislang kannibali siert das Einwerben von Drittmitteln die Grundfinanzierung, weil jedes eingeworbene Projekt natürlich Infrastrukturkos ten auslöst. Diese 20 % Overheadkosten sind also enorm wichtig, damit die Grundfinanzierung nicht beeinträchtigt wird.

Was macht die Bundesregierung? Sie finanziert die Pro grammpauschalen mittelfristig nicht weiter. Das sind jährlich 46 Millionen €, die bei den baden-württembergischen Hoch schulen fehlen. Ich bitte Sie sehr, nicht zu übersehen, dass die Klärung der Frage, wie 5 Milliarden € in das Land kommen, zwar hilfreich ist, dass aber die Finanzierung nicht ausreicht, um selbst das bisherige Level der Finanzierung für den „Hoch schulpakt 2020“ und die Programmpauschalen künftig halten zu können.

Wenn wir über die Probleme beim Zusammenwirken mit dem Bund reden, spielen wir nicht Pingpong, Herr Abg. Bullinger, sondern wir werden unsere Aufgaben machen. Wir sind nicht in Verzug, sondern genau in dem Plan, den wir verabredet ha ben. Die Verhandlungen über den neuen Pakt werden, wie ver abredet, im Oktober begonnen. Im Sommer werden wir die Eckpunkte konsentieren, die Details werden wir in der zwei ten Jahreshälfte klären. Rechtzeitig werden wir ein neues Ver tragswerk auf den Weg bringen. So, wie verabredet, werden wir das umsetzen.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

An diesem Punkt habe ich überhaupt keinen Dissens mit dem Finanzminister.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir sind in guten Gesprächen und würden uns freuen, wenn Sie alle daran mitwirken, dass wir einen guten neuen Pakt schaffen, der insbesondere in Sachen Grundfinanzierung un seren Hochschulen eine bessere Basis gibt, als es bislang der Fall ist, damit sie Hochschulautonomie auch leben können und nachhaltig agieren können.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich das Wort Herrn Kollegen Dr. Bullinger.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe in meiner vorherigen Re de einige konkrete Fragen gestellt, allerdings keine konkreten Antworten bekommen. Ich hätte zwei, drei Dinge schon gern gewusst, Frau Ministerin, die Sie jetzt nur am Rande ange sprochen haben.

Ich liebe Zahlen und Fakten. Deshalb die Frage: Wie soll die Erhöhung der Grundfinanzierung im Land nun aussehen? Da fehlen mir die konkreten Zahlen. Auch hierzu haben Sie nichts genannt.

Zweitens würde mich auch interessieren: Werden die Pro grammmittel 1 : 1 in die Grundfinanzierung überführt, oder wie ist das geplant?

Drittens: Wie langfristig – das frage ich natürlich auch in Richtung CDU in Berlin – sollen die Gelder gewährt werden? Ist das tatsächlich, Herr Schmiedel, nur eine rot-schwarze Ein tagsfliege bis zur nächsten Bundestagswahl 2017? Es wäre schon wichtig, das zu wissen. Wenn wir hier jetzt einen Dop pelhaushalt planen und die Vorgaben für das Jahr 2020 ins Au ge fassen, wäre es schon interessant, da ein kleines bisschen mehr zu erfahren.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Schwarz-Gelb war ei ne Eintagsfliege!)

Herr Ministerpräsident – der Herr Ministerpräsident geht je des Mal, wenn ich eine Frage stelle, hinaus; das ist aber nicht abgesprochen –, eine ganz konkrete Frage lautet: Wie stehen Sie zu der Forderung der FDP, dass die Länder in diesem Be reich, für diese wichtige Aufgabe für die gesamte Bundesre publik einen größeren Anteil am Mehrwertsteueraufkommen erhalten sollten? Wie stehen Sie eigentlich dazu? Es wäre doch auch eine konkrete Forderung, zu sagen: Langfristig muss die se Aufgabe, die wir hier für die gesamte Republik und für die einzelnen Bundesländer erfüllen, wirklich auf solide Beine gestellt werden.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Das ist an Schwarz-Gelb gescheitert!)

Ich glaube, darüber sollten Sie in diesem Haus auch einmal Auskunft geben.