Protokoll der Sitzung vom 16.07.2014

Meine Damen und Herren, worum geht es? Die Visumpflicht für Menschen aus Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien ist seit 2009 bzw. 2010 aufgehoben. Das heißt, die Menschen, die zu uns kommen, werden nicht durch Schlep perbanden eingeschleust, sondern reisen mit dem Omnibus. Die Zahl der Flüchtlinge ist von 4 800 im Jahr 2010 auf pro gnostizierte 23 000 im Jahr 2014 gestiegen. Es zeichnet sich also nahezu eine Verfünffachung ab.

Deswegen ist die Überlegung, sichere Herkunftsstaaten zu de finieren, zunächst einmal nicht abwegig, sondern entspricht einem berechtigten Anliegen

(Beifall der Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU und An dreas Glück FDP/DVP – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Moment –, weil die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat nicht bedeutet, dass jeder, der aus einem solchen Staat kommt, generell kein Asylrecht hätte. Vielmehr bedeutet das, dass zu vermuten ist, dass diese Staaten, mit denen man freundschaft lich verbunden ist, keine Unrechtsstaaten sind.

Wenn aber ein Ausländer aus einem solchen Staat glaubhaft macht, dass Tatsachen vorliegen, die die Annahme begründen, dass er aus politischen Gründen oder aus Gründen, die die Rasse oder das Geschlecht betreffen, verfolgt wird, dann wird er auch weiterhin einen Asylantrag stellen und ein Asylver fahren erhalten können.

Insofern muss man zur Kenntnis nehmen, dass auch dies ein Teil der Verhandlungen ist. Im Übrigen ist noch nichts abge lehnt worden. Deswegen stört mich auch der Zeitpunkt dieser Debatte. Herr Kollege Schwarz hat bereits angesprochen, dass wir mitten in den Verhandlungen sind. Wie es in der Politik üblich ist, muss es am Ende einen Kompromiss geben, der zahlreiche Interessen miteinander verbindet.

Das Problem ist ja nur von der Tagesordnung genommen wor den. Es ist kein Beschluss in der Sache gefasst worden. Des wegen möchte ich Sie darum bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass alle Gesichtspunkte zum Tragen kommen werden und die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind. Solange verhandelt wird, besteht kein Anlass für eine Aktuelle Debat te mit einem Titel, mit dem der Eindruck erweckt wird, wir würden die Kommunen nicht entlasten.

(Abg. Peter Hauk CDU: Mit wem verhandeln Sie denn? – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Wir entlasten die Kommunen. Kollege Schwarz hat es ange sprochen.

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Das ist immer noch anhängig, und es wird diskutiert.

(Abg. Peter Hauk CDU: Im Bundesrat!)

Unterlassen Sie die Vorwürfe! Selbstverständlich entlasten wir die Kommunen. Wir lassen die Kommunen selbstverständlich nicht im Stich; denn der grundgesetzliche Auftrag, Menschen in Not zu schützen und menschenwürdig unterzubringen, gilt auch für die Kommunen und für das Land.

Zudem erhöhen wir die Sätze, wie dies gefordert wurde, da mit die Kommunen die Möglichkeit haben, die Flüchtlinge sachgerecht unterzubringen. Außerdem passen wir das Pro gramm zur Förderung der Integrationsarbeit an. Ferner unter stützen wir den Bund bei der Änderung des Baurechts, sodass Kasernen und Konversionsgelände in dieser Sondersituation zur humanen Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt werden können. Dabei sind wir auf einem guten Weg. Erwecken Sie also nicht den Eindruck, in diesem Bereich wer de nicht genug getan, nur um kurzfristig eine Schlagzeile zu erzielen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Sie können sicher sein: Wir lassen die Kommunen nicht im Stich. Wir werden aber nicht wie Sie politisches Kapital aus dem Elend von Flüchtlingen schlagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Kollege Glück.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann sich ja die Frage stel len, was das Thema „Arbeitsmöglichkeiten für Asylbewerber“ oder das Thema „Sichere Herkunftsstaaten“ in einem Landes parlament überhaupt zu suchen hat. Die Antwort ist einfach: Das betrifft eine Blockadepolitik der Grünen im Bundesrat. Vor allem das, was die Grünen hier abziehen, zeugt von jah relanger Erfahrung als Blockadepartei.

(Oh-Rufe von den Grünen)

Deutschland kommt seiner Verantwortung bei der Flüchtlings aufnahme nach. Das Asylrecht ist sehr wichtig. Immerhin ha ben im Jahr 2013 in Deutschland rund 120 000 Menschen Asyl beantragt. Im Vergleich dazu waren es in Großbritannien 30 000 Menschen und in Italien gerade einmal 28 000 Men schen.

In der Europäischen Union nehmen wir eine führende Rolle ein. Das ist die Rolle, die wir einnehmen wollen. Aus diesem Grund ist es gut, dass wir unserer Verantwortung bei der Flüchtlingsaufnahme gerecht werden.

Am 30. April dieses Jahres beschloss die Bundesregierung ei nen Gesetzentwurf mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist nicht meine Aufgabe, die Große Koalition in Berlin zu loben. Trotzdem will ich sagen, dass ich diesen Gesetzentwurf eindeutig für richtig halte.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Matthias Pröfrock CDU)

An dieser Stelle hätte eigentlich auch die SPD mitklatschen müssen. Sie waren immerhin daran beteiligt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wir klatschen dann, wenn wir wollen, und nicht dann, wenn Sie wollen!)

Unumstritten dürfte die Erleichterung des Arbeitsmarktzu gangs für Asylbewerber sein. Wir von der FDP haben bereits in der Vergangenheit dafür gekämpft und in Bundesverant wortung erreicht, dass die Dauer des Arbeitsverbots auf neun Monate abgesenkt wurde. Jetzt sind es nur noch drei Monate. Das halten wir für einen Schritt in die richtige Richtung.

Dieser Gesetzentwurf muss jetzt noch vom Bundesrat gebil ligt werden. Im Bundesrat ist aber keine Mehrheit dafür in Sicht; denn für den Aufschub – nicht zwingendermaßen für die letztendliche Ablehnung, Herr Sakellariou – sorgen die Grünen, die in sieben Bundesländern Regierungsverantwor tung tragen.

Herr Kollege Schwarz, Sie haben vorhin gesagt, dass in Ba den-Württemberg die Bedingungen, unter denen Flüchtlinge untergebracht werden, verbessert werden sollen. Das begrü ßen wir auch. Das haben wir damals auch dementsprechend goutiert. Sie können sicher sein, dass ich allein aus medizini schen Gründen – Sie kennen meinen anderen Beruf – schon mehrfach in Asylbewerberheimen war. Deshalb habe ich mich immer für die Anhebung der Quadratmeterzahl eingesetzt. Die steigenden Flüchtlingszahlen, die weder der Bund noch das Land beeinflussen können, in Kombination mit dem Anspruch, Flüchtlinge zukünftig besser unterzubringen, stellen die Kom munen aber vor große Herausforderungen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Glück, gestatten Sie ei ne Zwischenfrage des Kollegen Lede Abal?

Am Schluss gern.

Nun müssen wir alles tun, damit die Kommunen mit dem von der Politik geforderten doppelten Anspruch zurechtkommen. Auch wenn jetzt noch keine abschließende Ablehnung im Bundesrat vorliegt, ist allein schon die Verzögerung, die ent steht, für unsere Kommunen schlimm genug. Das darf nicht sein.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die Umsetzung des Asylrechts kann nur so gut sein, wie das Asylrecht vor Ort in unseren Städten und Gemeinden gelebt wird. Ich bin froh und schon ein bisschen stolz, dass die Un terbringung insgesamt so gut funktioniert. Wir alle sollten Dank an diejenigen sagen, die dafür sorgen, dass es so gut funktioniert: die Hilfsorganisationen, die Kirchen, die Mitar beiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinden, die Vereine so wie die Bürgerinnen und Bürger, die einfach anpacken, etwa Benefizveranstaltungen durchführen, Kleidung verteilen oder was auch immer tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Grünen, Sie sind gerade dabei, durch solche Blockadepolitik diese Bereitschaft und diese Akzeptanz aufs Spiel zu setzen. Denn diesen En thusiasmus vor Ort beantworten Sie

(Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

mit kleinkarierter Parteitaktik. Sie zündeln. Denn die Einstu fung von Staaten wie Mazedonien, Bosnien-Herzegowina oder Serbien als sichere Herkunftsstaaten wäre eine Erleich terung für die Kommunen. Sie ist auch gerechtfertigt. Bei die sen drei Ländern haben wir Anerkennungsquoten von 0,3 %.

Auch nach einer solchen Veränderung gibt es, wie Kollege Sa kellariou gesagt hat, eine Einzelfallprüfung. Die gibt es dann trotzdem noch. Das bedeutet ja nicht, dass dann alle Asylan träge abgelehnt würden. Gerade für unsere Kommunen bräch te diese Gesetzeslage eine Erleichterung. Asylverfahren könn ten schneller ablaufen, und die Tatsache, dass wir den Kom munen die Flüchtlingsaufnahme mit einer Pauschale vergü ten, darf für Sie nicht Anlass sein, in diesem Bereich zu bum meln.

Sie handeln mit dieser Blockade auf Kosten unserer Kommu nen; aber Sie handeln mit dieser Blockade genauso gegen die Flüchtlinge, die ein Asylrecht, ein Recht auf Anerkennung ha ben und in ihrem Herkunftsland – anders als in den genann ten drei Ländern – tatsächlich eine Verfolgung von Leib und Leben befürchten müssen.

Eine letzte Bemerkung zur SPD: Trotz der offensichtlichen Notwendigkeit und Richtigkeit dieses Gesetzes – Herr Kolle ge Sakellariou, man hat herausgehört, dass Sie im Herzen schon mit der Großen Koalition denken –, trotz der Tatsache, dass Sie auf Bundesebene an diesem Gesetz mitgearbeitet ha ben, trotz der Tatsache, dass Sie diejenigen sind, die in die sem Land eine Integrationsministerin stellen, schweigen Sie dazu.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Hör mal! Die hat gere det! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sind Sie gleich mit der Rede fertig, die Sie vorlesen?)

Deswegen mein Appell an die SPD und Ministerin Öney: Emanzipieren Sie sich von dieser Blockadepolitik der Grü nen! Erkämpfen Sie eine Zustimmung, und ermöglichen Sie, dass die Umsetzung des so wichtigen Asylrechts in BadenWürttemberg auch weiterhin funktionieren kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie jetzt noch die Zwi schenfrage des Kollegen Lede Abal? – Bitte schön.

Lieber Kollege Glück, Sie haben sich gerade zu dem vorliegenden Gesetzent wurf der Großen Koalition in Berlin bekannt. Mich würde ein Aspekt interessieren, den Sie gerade nicht angesprochen ha ben: Wie stehen Sie denn als dem Namen nach liberale Partei zu der Ausweitung der Gründe für die Inhaftnahme, die letzt lich bedeutet, dass über die Hälfte aller Flüchtlinge in Haft genommen werden könnten?

Herr Kollege Lede Abal, je des Gesetz lebt davon, wie man es vor Ort lebt. Wenn man be trachtet, wie gut die Asylaufnahme bisher bei uns funktioniert, und wenn ich dann sehe, was Sie verursachen, indem Sie die ses Gesetz blockieren, muss ich ganz ehrlich sagen: Sie sind

auf dem falschen Dampfer, und Sie brauchen nicht uns als li berale Partei zu hinterfragen.

Vielen Dank.