Protokoll der Sitzung vom 08.10.2014

Vor allem, meine Damen und Herren, wollen wir keine Wirt schaftsstruktur, wie es sie etwa in Sachsen gibt, wo nämlich irgendwelche Leuchttürme stehen wie Dresden oder Leipzig, oder in Niedersachsen mit Hannover, Oldenburg oder Göttin gen, während ansonsten flaches Land ist.

Insgesamt stehen wir gut da. Waren im letzten Jahrhundert vor allem die Autobahnen und Bildungseinrichtungen die Moto ren der Wirtschaft, ist es heute das schnelle Internet. BadenWürttemberg verfügt dank schwarz-gelber wie auch grün-ro ter Bemühungen bei der Entwicklung der Breitbandanschlüs se über eine gute Ausgangsposition – ich sage: Ausgangspo sition. Rund drei Viertel der Haushalte verfügen über mindes tens 50 Mbit/s; die Unterschiede sind jedoch extrem. Über die Hälfte der Unternehmen beklagen sich über eine unzureichen de Versorgung. Auch wenn wir im Vergleich der deutschen Länder, wie gesagt, ganz ordentlich dastehen, gilt es also, ver stärkte Anstrengungen zu unternehmen.

Wenn bei uns im Ort ein Dienstleister im Rathaus wegen ei ner möglichen Ansiedlung im Gewerbegebiet anfragt, wenn jemand im Vorort einer Gemeinde ein Unternehmen gründen will oder im Ortskern einen Altbau für die Schaffung neuer Arbeitsplätze erwerben möchte, ist die erste Frage, die gestellt wird, nicht: „Wie viele Biotope habt ihr am Ort?“ oder: „Gibt es auch Juchtenkäfer?“ Er fragt: „Wie schnell ist euer Daten netz?“ Und dann kommt er, oder er kommt nicht.

(Vereinzelt Beifall)

Er fragt: „Wie ist der Anschluss zum örtlichen Straßen- und Autobahnnetz?“ Weitere Fragen sind: „Wie schaut es mit dem ÖPNV aus?“, „Habt ihr familienfreundliche Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen?“, „Sind die wichtigen Dinge der Daseinsvorsorge vorhanden?“

Das sind die Fragen für den ländlichen Raum; das sind die Fragen für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg. Nur wenn im hinteren Schwarzwaldtal, im kleinen Weiler an der unteren Jagst, in einer kleinen Ortschaft im Odenwald das

schnelle Internet angeboten wird, werden sich dort die Betrie be halten oder ansiedeln. Beeinflusst werden auch private Ent scheidungen, wenn es darum geht, dort zu bleiben, dort an sässig zu werden oder als junger Mensch nach dem Studium wieder zurückzukommen. Es muss halt der Ingenieur auch in einem kleinen Weiler weltweit korrespondieren können, und zwar genauso schnell wie in den Metropolen. Das ist das Ziel, um unser Land weiterhin zu stabilisieren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, der Ausbau des Stromnetzes, des Gasnetzes, der Wasserversorgung und der Abwasserentsor gung oder der Straßen benötigte Jahrzehnte. Die Entwicklung des Internets verlief jedoch explosiv. Da müssen wir jetzt al le gemeinsam einmal ehrlich sein: Wir haben diese Geschwin digkeit unterschätzt. Deshalb gilt es jetzt, nicht zu kleckern, sondern zu klotzen. Niemand soll sich herausreden, meine Da men und Herren, weder hier im Raum noch in Berlin im Par lament: Das wurde von allen unterschätzt, und da gibt es Nachholbedarf.

Deshalb begrüße ich außerordentlich, was im Augenblick in Berlin unternommen wird, um bis zum Jahr 2018 alle Haus halte auf 50 Mbit/s zu bringen, und ich begrüße auch die end lich gegebene Zusage der Industrie, den Ausbau für 80 % der Haushalte selbst zu finanzieren. Schon heute sind die genann ten Mittel, die vom Bund kommen, positiv anzuerkennen. Die oberste Aufgabe, bislang vor allem unterversorgte Gebiete an das Breitbandnetz zu bringen, ist vordringlich.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße die verstärkten Anstrengungen der jetzigen Regierung. Aber ich frage Sie schon auch: Was haben Sie eigentlich in den letzten drei Jah ren mit dem vielen Geld gemacht, das zur Verfügung stand? So kurz vor den nächsten Landtagswahlen riecht dies nun schon nach Stimmenkauf. Trotzdem: Das Problem, meine Da men und Herren, haben Sie damals nicht erkannt, aber eine späte Erkenntnis ist ja auch eine Erkenntnis.

(Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Meine Damen und Herren, für den Wirtschaftsstandort Ba den-Württemberg, für die Stabilisierung des ländlichen Raums ist es also wichtig und richtig, dass man vor allem nicht nur Leerrohre legt, sondern eben auch mit der entsprechenden Ka pazität ans Netz gehen kann. Gerade in den ländlich gepräg ten Gemeinden, die bisher nicht antragsberechtigt waren, weil sie am Rande eines Verdichtungsraums liegen und daher for mell nicht dem ländlichen Raum zuzurechnen sind, muss jetzt nachgesteuert werden.

Zum Abschluss möchte ich noch einmal klarstellen: Das schnel le Internet ist die Aorta für die Zukunft des exzellenten Wirt schaftsstandorts Baden-Württemberg.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung spricht der Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Bon de.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Kommunikation ist das wichtigste Bindeglied in un serer zunehmend globalisierten Welt. Ohne Kommunikation sind unsere Lebensqualität, unser wirtschaftlicher Wohlstand und vor allem unsere Verständigung über die Grenzen hinweg nicht mehr vorstellbar. Das Internet ist zu einem modernen Verkehrsträger geworden. Es ermöglicht unabhängig vom Al ter und unabhängig vom Wohnort Teilhabe an der Gesellschaft und am Wirtschaftsgeschehen. Der Zugang zu guten Übertra gungsraten, also einer hohen Netzqualität, einer hohen Ge schwindigkeit sowohl beim Down- wie beim Upload, ist da bei ein entscheidender Faktor, übrigens auch ein entscheiden der Faktor für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ge rade ein wirtschaftlich starkes Land wie unseres ist existenzi ell auf diese Infrastruktur angewiesen. Gerade aufgrund un serer Wirtschaftsstruktur, die in der Fläche stark ist – es gibt starke Unternehmen in der Stadt und in ländlichen Räumen –, sind wir darauf angewiesen, dass viele an das Breitbandnetz angebunden sind.

Breitbandnetze sind Kernbestandteile der Infrastruktur hier in Baden-Württemberg, und wir, unser Flächenland, nehmen im Vergleich zu den anderen Ländern in dieser Hinsicht die Spit zenposition ein. Der TÜV, der den Breitbandatlas erstellt hat, hat gerade aktuell im Auftrag der Bundesregierung analysiert: 40 % der Haushalte in Baden-Württemberg haben inzwischen die Möglichkeit, Bandbreiten von über 50 Mbit/s zu nutzen.

Herr Abg. Deuschle, Sie haben die Frage gestellt: Was ist ei gentlich von 2011 bis 2013 in Baden-Württemberg passiert? Das beantworte ich Ihnen gern. Wir haben in Baden-Württem berg aus der Zeit der Vorgängerregierung eine Breitbandiniti ative übernommen,

(Abg. Peter Hauk CDU: Das hat er gar nicht gefragt!)

die gut war und dem Ziel gedient hat, vorhandenes Marktver sagen auszugleichen und Kommunen in die Lage zu verset zen, eigenständig tätig zu werden. Das war eine Breitbandin itiative, die darauf angelegt war, Lücken – weiße Flecken – zu schließen, die das Ziel hatte, 1 Mbit/s als Grundversorgung hinzubekommen, und die auf Ortsteillösungen fixiert war. Da für haben Sie pro Jahr 11,6 Millionen € zur Verfügung gestellt. Zu dem Zeitpunkt, als wir Regierungsverantwortung über nommen haben, gab es in Baden-Württemberg 700 weiße Fle cken, was den Internetzugang angeht.

Als ich das übernommen habe, habe ich mir die Initiative sehr genau angeschaut und war über eines besorgt: Die Initiative war nicht auf das schnelle Internet ausgerichtet – 50 Mbit/s und mehr –, sondern hat an der Grundversorgung angesetzt, und sie stieß immer mehr an ihre Grenzen, weil wir mit den Ortsteillösungen nicht vorangekommen sind. Die weißen Fle cken, die wir hatten, waren über Ortsteillösungen der Kom munen oft nicht darstellbar, auch weil Ihre Gelder nicht mehr richtig abgerufen wurden, weil die Förderkriterien nicht mehr zu den Anforderungen vor Ort gepasst haben.

Deshalb haben wir die Breitbandinitiative schnell neu aufge legt. Wir haben gesagt: Wir brauchen eine neue Breitbandin itiative, die Interkommunalität mit in den Blick nimmt, die verstärkt Anstrengungen unternimmt, die Landkreise mit ins Boot zu nehmen. Ich bin stolz darauf, dass seit der Breitband initiative, die Anfang 2012 begonnen wurde, inzwischen zwei

Drittel der Landkreise in Baden-Württemberg aufgrund unse rer Initiative an kommunalen Netzen arbeiten. Einige sind schon sehr weit. Der Stapel der Dankesbriefe auch von CDULandräten relativiert sehr deutlich vieles von der Kritik, die Sie hier vorgebracht haben, wenn ich das einmal so sagen darf.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Deshalb haben wir in diesen drei Jahren viel gemacht. Es ging um eine Orientierung an interkommunalen Lösungen, darum, die Landkreise mit ins Boot zu nehmen, sowie darum, von der Grundversorgung wegzugehen hin zu der Förderung von 50 Mbit/s und mehr. Dazu müssen wir raus aus den kleinen örtlichen Lösungen. Das bekommen wir nur hin, wenn wir in terkommunale Lösungen zusammenbringen.

Wir sind uns wohl darin einig, dass es sinnvoll war, dass wir die Strategie zur Deckung der Lücken weitergeführt haben. Alle, die EU, der Bund, sind der Auffassung: Breitband ist ei ne Aufgabe des Marktes und der Telekommunikationsunter nehmen, und dort, wo der Markt versagt und Lücken entste hen, sind dann die Kommunen im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge die Akteure. Wir, das Land, unterstützen die Kommunen, die Landkreise; denn das können sie nicht allein stemmen. Deshalb unsere Initiative.

Zunächst haben wir die wichtigen Dinge vorangebracht. Nun kommen wir in die Situation, dass der Bedarf für die Förde rung tatsächlich steigt. Deshalb verdreifachen wir die Leis tung des Landes ab dem nächsten Haushalt von bisher 11,6 Millionen € auf dann 30,9 Millionen €, die wir in den nächs ten beiden Jahren jeweils zur Verfügung stellen, um die Pla nungen vor Ort voranzutreiben. Ich glaube übrigens, dass es nicht hilft, mit Taschenspielertricks anzufangen und in Nach barländern das Volumen von Programmen, die über Jahre und Jahrzehnte laufen, mit unseren jährlichen Zahlungen zu ver gleichen. Der entscheidende Punkt ist: Unsere Strategie stimmt, sie kommt voran. Dass wir innerhalb der letzten drei Jahre von 700 auf 200 weiße Flecken gekommen sind, macht deut lich: Die Breitbandinitiative funktioniert.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin froh, dass der Bund die Debatte inzwischen endlich ebenfalls führt. Denn bei uns ist in den letzten drei Jahren viel passiert; im Bund ist nichts passiert. Ich bin froh, dass der Bund jetzt mit der Digitalen Agenda das Thema endlich erkennt und ein sportliches Ziel ausgegeben hat: flächendeckend 50 Mbit/s ab dem Jahr 2018. Ich wäre allerdings froh, wenn auch schon et was auf der Habenseite stünde.

Gestern hat sich Minister Dobrindt mit der Netzallianz getrof fen. Ich finde es richtig, die rechtlich in der Verantwortung stehenden Unternehmen in die Pflicht zu nehmen. Ich finde es gut, dass die Telekommunikationsunternehmen auch zugesagt haben, sich beim Ausbau zu engagieren. Ich freue mich auch, dass beispielsweise die Telekom uns zugesagt hat, in BadenWürttemberg LTE, also die mobile Netzanbindung, in den nächsten Jahren deutlich auszubauen. Ich bin froh, dass auch bei den Unternehmen wieder ein Investitionswille erkennbar ist.

Aber dort, wo sich der Bund beim Lückenschluss engagiert, hätte man doch ein bisschen mehr vom Bund erwartet als 0,9

Millionen € in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Insofern werden wir genau verfolgen, ob der Ankündigung des Bundes tatsächlich Mittel folgen. Die Ankündigung, über die Versteigerung von Funklizenzen zusätzliches Geld einzunehmen und dafür ein zusetzen, stimmt uns hoffnungsvoll. Aber es ist bis heute nicht da. Insofern ist der Bund in der Pflicht.

Der Bund ist auch an einer anderen Stelle in der Pflicht. Er sollte nämlich den rechtlichen Rahmen, der europarechtlich eng ist, wenigstens so ausschöpfen, dass wir alle Instrumen tarien an der Hand haben. Ich bedaure es sehr, dass wir, weil der Bund die EU-Notifizierung hat auslaufen lassen, im Mo ment Gemeinden bei der Suche nach Versorgern nicht unter stützen können, weil wir das Schließen der sogenannten De ckungslücke in den Gemeinden nicht fördern dürfen. Das ha ben wir aufgrund der Bundesnotifizierung bis zu Beginn die ses Jahres machen dürfen. Der Bund hatte uns versprochen, die Notifizierung zu bringen; sie kam aber nicht.

Deshalb sind wir jetzt gezwungen, diese Lücke in der Förder struktur mit einer eigenen Notifizierung in Brüssel wieder zu schließen, weil wir nach dem Hin und Her – wir sind vom Bund ein Dreivierteljahr vertröstet worden – nicht mehr glau ben, dass die EU-Notifizierung durch Bundesminister Do brindt angestoßen wird. Deshalb sind wir jetzt selbst in Brüs sel unterwegs. Insofern glaube ich schon, dass wir gemein sam den Druck auf den Bund aufrechterhalten müssen. Wir sind in Baden-Württemberg in einer guten Ausgangsposition. Die Früchte der letzten drei Jahre Breitbandinitiative II mit den voranschreitenden Netzplanungen in den Kreisen führen dazu, dass die Situation besser wird, und auch dazu, dass wir, das Land, unser Engagement ausweiten müssen, um die In vestitionen mit zu unterstützen, die durch das Engagement der Kreise und Gemeinden entstanden sind.

Insofern danke ich Ihnen für die signalisierte Bereitschaft, im Haushaltsverfahren die von der Regierung angestrebten Er höhungen tatsächlich umzusetzen. Wir können hier mit einer klugen Strukturpolitik viel Gutes für den ländlichen Raum be wirken, aber zum Teil auch für Städte, weil die weißen Fle cken kein Exklusivrecht des ländlichen Raums sind. Insofern bitte ich Sie um weitere Unterstützung für unsere Anstrengun gen, die Breitbandversorgung auszubauen. Dieses Land ist ein starkes Land, stark in der Fläche, weil wir die notwendige In frastruktur haben. Dort, wo wir sie noch nicht haben, müssen wir alles tun, um die Gemeinden zu unterstützen, damit sie sie bekommen.

Die Unterstützung durch den Landtag ist hier wichtig. Der Haushaltsgesetzgeber hat eine wichtige Rolle. Ich freue mich, dass sich alle Fraktionen hierzu bekannt haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kol lege Dr. Murschel.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ausführungen des Ministers zeigen eines ganz deutlich: Es ist eine Gemeinschaftsaufga be, die Bund, Länder, Kommunen und Unternehmen gemein sam angehen müssen. Es ist eine schwierige Aufgabe, und es

ist eine sehr technisch wirkende Aufgabe, die nicht nur mit der Frage „Wie viel Geld steckt dahinter?“ zu lösen ist. Das ist auch ein Ergebnis gerade dieser Debatte, wie es sich für mich darstellt.

Es geht um Teilhabemöglichkeiten. Länder wie Finnland – ich hatte es ausgeführt – sehen dies als Grundrecht an. Ich glau be, es ist der politische Wille, der politische Ausdruck, den wir stärker betonen müssen, damit dieser Ausbau den nötigen Rückhalt hat.

Diese Digitale Agenda, die jetzt auf Bundesebene ausgerufen wurde, bleibt eine Worthülse, wenn sie nicht mit klaren Pro grammen, mit klaren Ansagen, wohin es geht, unterfüttert wird.

Herr Deuschle, Sie hatten sinngemäß gesagt – das drückt auch das sehr vereinfachte Weltbild aus –:

(Heiterkeit des Abg. Manfred Lucha GRÜNE – Abg. Andreas Deuschle CDU: Tut mir leid!)

„Schaut doch einmal nach Bayern, darauf, was die Bayern ma chen. Die stecken 500 Millionen € dort hinein.“ Sie haben tat sächlich auch viele Personalstellen geschaffen. Ich zitiere da zu einmal den bayerischen Finanzminister Markus Söder; vor einiger Zeit hieß es in einer Zeitung:

„Die Ergebnisse von einem Jahr Breitbandprogramm sind dürftig“, gab Söder zu.... Damit seien... erst 500 000 € der zur Verfügung stehenden 500 Millionen €... ausgegeben.

Für zwei Projekte. Das sagt doch, dass da irgendwo zwar Geld da ist, aber dieses Geld nicht abgerufen wird, weil das Pro gramm nicht stimmt. Wir brauchen also nicht nur Geld,

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)