Nächste Überlegung: Die Kollegin Heberer hat zusammen mit anderen einen sehr guten Antrag z. B. zu Ausschreitungen ge gen Juden eingebracht. Dazu hat das Innenministerium eine erstklassige Stellungnahme geliefert. Aus dieser Stellungnah me geht aber ganz klar hervor, dass bei diesen Phänomenen wie beim Salafismus eine Einteilung in Links- und Rechtsex tremismus gar nichts mehr bringt, dass sie gar nicht vernünf tig möglich ist. Bei den Ausschreitungen gegen Juden geht es quer durch die Lager – linksextremistisch, rechtsextremistisch, islamistisch.
Deswegen sagen wir: Wir werfen sicher nicht alles in einen Topf. Das wäre ein ganz falsches Bild. Aber wir sagen ganz klar: Auf diesem Herd köcheln mehrere Töpfe. Da ist nicht nur ein Topf zu beachten, sondern da sind mehrere Formen des Extremismus zu beachten. Wer dies nicht sieht, setzt sich dem Vorwurf aus, die Sache partiell blind anzugehen.
Das Ganze wäre – daher die Dringlichkeit – aktuell noch kor rigierbar, wenn wir sofort handeln und z. B. in Kauf nehmen, dass die Enquetekommission zwei weitere Themenschwer punkte behandelt, zwei weitere Sitzungen hat. Dafür könnte man die Vergangenheitsbewältigung, so wichtig sie ist, ein bisschen abkürzen. Das wäre jetzt noch ohne Weiteres mög lich.
Herr Präsident, das Präsidium – ich rede zum Verfahren – hat beschlossen, unseren Antrag nicht für dringlich zu erklären, aber stattdessen eine Anhörung durchzuführen. Ich weiß gar nicht, ob man im Präsidium eine Anhörung beschließen kann. Aber dieser Vorgang zeigt deutlich, dass Grün-Rot mittlerwei le einsieht, dass man sich unserer schlüssigen Argumentation nicht völlig entziehen kann. Deswegen will man jetzt etwas machen.
Aber es hat etwas Kurioses, wenn wir jetzt anfangen, im Innen ausschuss Anhörungen zu Formen des Extremismus durchzu führen, während gleichzeitig die Enquetekommission weiter arbeitet und dort Grün-Rot in einem schon fast kindlich zu nennenden Eigensinn darauf beharrt, nur Rechtsextremismus zu untersuchen.
Das ist einfach falsch. Es bietet sich zwingend an, auch wei tere Formen des Extremismus einzubeziehen, mindestens den Salafismus und Ausschreitungen gegen Juden. Das können wir heute noch einbauen, und deswegen ist der Antrag dring lich.
Nachdem die FDP/DVP-Fraktion vor Eintritt in die Tagesord nung die Dringlichkeit begründet hat, treten wir nun in die Ta gesordnung ein. Ich werde dann nach dem Tagesordnungs punkt 1 die Debatte über die Dringlichkeit und die Abstim mung über die Dringlichkeit aufrufen, wie wir es vorhin ver einbart haben.
Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Mi nisteriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz – Breitbandstrategie des Landes Baden-Württemberg – Drucksache 15/5641
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Guten Morgen, sehr ge ehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass wir doch so flexibel sind, dass wir diesen Ta gesordnungspunkt 1 nutzen können, damit alle Kolleginnen und Kollegen, die heute vielleicht im Stau stehen, hierherkom men können.
Das Thema dieser aktuellen Debatte – Breitbandstrategie – ist fast symbolisch. An einem Tag wie heute, an dem die Lokfüh rer streiken, kann man gut erkennen, wie wichtig es ist, schnel le Verbindungen und Kommunikationsmöglichkeiten zu ha ben. Sonst funktioniert das Räderwerk – die Wirtschaft, die Unternehmen, vor allem der Mittelstand – bei Weitem nicht so, wie es eigentlich sein könnte.
Breitband ist ein Thema, das uns seit Langem begleitet. Es ist ein Dauerthema, jetzt gerade auch auf der Bundesebene. Ich habe mit Interesse die Initiative gelesen, die jetzt von Bundes seite kommt. Geschätzte 20 Milliarden € braucht man für den Ausbau eines bundesweiten Breitbandnetzes mit 50 Mbit/s. Dobrindt sagt, da kommen 8 Milliarden € von den Telekom munikationsunternehmen; es fehlen also noch 12 Milliarden €. Offiziell sind, glaube ich, 11 Millionen € bereitgestellt. Es würde also schätzungsweise noch tausend Jahre dauern, bis die Umsetzung dieses Bundesprogramms tatsächlich erfolgt ist. Da fragt man sich schon: Wo ist da eigentlich die echte Breitbandstrategie der Bundesregierung?
Der Ministerpräsident unseres Landes hat durchaus recht, wenn er sagt: Da muss eine Initiative kommen, die nicht nur von der Ebene des Landes aus getragen wird – vom Land Ba den-Württemberg, von den Kommunen und von den Unter nehmen hier im Land –, sondern da muss der Bund mitziehen.
Es dürfen nicht bloß hohle Reden und nette Programmnamen sein, sondern die Programme müssen tatsächlich mit Inhalt gefüllt werden.
Geschätzt werden für Baden-Württemberg Kosten in Höhe von 2 Milliarden € für die genannten 50 Mbit/s Up- und Download. Das gilt insbesondere für den Mittelstand und die Unternehmen; für Privathaushalte reicht vielleicht eine etwas reduzierte Größenordnung. Man muss schlichtweg sagen: Im internationalen Vergleich, wenn man etwa Finnland und die anderen nordischen Länder betrachtet, steht die Bundesrepu blik ziemlich weit hinten. Innerhalb der Bundesrepublik kann sich unser Land Baden-Württemberg aber sehr wohl sehen lassen.
Wir haben unter allen Flächenländern die beste Versorgung mit Breitband. Das ist natürlich auch darauf zurückzuführen, dass wir seit vielen Jahren ein konsequentes Programm ha ben.
Altlasten wären da ja schön. – Wir haben die Ausbaumittel verdreifacht – Sie wissen das sehr wohl –, und nur durch die se Verdreifachung der Ausbaumittel auf jetzt über 30 Millio nen € pro Jahr bekommen wir überhaupt die Ausbauziele hin. Es geht darum, dass wir die Wirtschaftlichkeitslücke in dem Umfang, in dem diese abzudecken überhaupt möglich ist, ab decken, um die Kommunen zu unterstützen. Wir wollen ein Betreibermodell machen. Mit der Breitbandinitiative II, die das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz vor einiger Zeit auf den Weg gebracht hat, wollen wir die kommunale Infrastruktur fördern. Das ist uns auch deswegen wichtig, weil die kommunale Infrastruktur hinterher gewähr leistet, dass das keine verlorenen Zuschüsse sind wie z. B. in Bayern, sondern dass das ein Reinvest für die Kommunen ist, dass langfristig das Geld, das investiert wird, auch wieder zu rückkommt.
Wir haben in dem Programm Breitbandinitiative II Förder grundsätze, um den Next Generation Access, NGA-Flächen, also den Aufbau dieser kommunalen Höchstgeschwindigkeits netze, zu unterstützen. Wir wollen landkreisweite Lösungen, die insbesondere diese Backbones unterstützen. Wir wollen eine interkommunale Zusammenarbeit und möchten das Gan ze technologieoffen, anbieteroffen und transparent machen. Wir sind, glaube ich, bundesweit auch Spitzenreiter, was die Erforschung neuer Technologien, also dieses Micro-Tren ching, das Verlegen von Glasfaserkabeln, anbelangt.
Wir haben die Fördermittel – ich habe es gesagt – verdreifacht von 11,7 Millionen € im Jahr 2014 auf je 30,9 Millionen € in den Jahren 2015 und 2016. Wir wollen die Defizite, die es von der Bundesseite jetzt gerade bezüglich rechtlicher Rahmenre gelungen gibt – nämlich im Hinblick auf diese Leerrohre, die nicht förderfähig sind –, abdecken durch eigene Programme, notifiziert in Brüssel, um dann einen Ausbau hinzubekommen, der schneller vorangeht, als wir ihn mithilfe des Bundes mei nen erreichen zu können.
Wir wollen diese Glasfasernetze als Lösung für Baden-Würt temberg angehen. Wir wollen die passive Infrastruktur bei den Kommunen belassen. Wir wollen, dass die Gemeinden dieses Netz ausschreiben können und dieses Netz auch vermieten können, sodass dann auch wieder Mieteinnahmen kommen.
Eines ist ebenfalls noch ganz wichtig: Dieses Netz muss ei nen Open Access haben, es muss also offen sein für andere, die dieses Netz nutzen wollen. Deswegen schließt das auch ganz bestimmte Technologien aus, die von interessierten Krei sen, sage ich einmal, forciert werden, etwa dieses Vectoring von der Deutschen Telekom, das vordergründig zwar eine ge wisse Verbesserung für eine kleine Gruppe von Nutzern bringt, aber auf der anderen Seite primär die Marktstellung eines Un ternehmens sichert und den weiteren Ausbau des Netzes in entferntere Bereiche verhindert.
So weit zunächst einmal in dieser Runde. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Ich danke dem Ministerium sehr herz lich für die Breitbandinitiative II. Wir zeigen, dass wir uns in Baden-Württemberg des Themas annehmen. Für uns ist die Zeit von „Slow Net“ bald vorbei. Wir haben ein schnelles Netz als Grundlage für ein modernes und innovatives Baden-Würt temberg.
Nachdem Sie vorhin bei der Begrüßung nicht da waren, lieber Herr Kollege Reith – Sie standen heute im Stau –, begrüße ich Sie jetzt im Nach hinein recht herzlich bei uns im Landtag von Baden-Württem berg und wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Tätigkeit als neu er Landtagsabgeordneter. Herzlich willkommen!
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Eine moderne und flächendeckende Breitbandinfrastruktur für ganz Baden-Württemberg ist das erklärte Ziel aller im Landtag vertretenen Fraktionen. Uns al len ist bewusst, wie wichtig der Ausbau für die Menschen in unserem Land ist. Auf dieser gemeinsamen Basis könnten wir unsere heutige Debatte eigentlich aufbauen.
Deshalb bin ich schon verwundert, dass der Kollege der Grü nen, Herr Dr. Murschel, eben so getan hat, als ob die Landes regierung die alleinige Macherin des schnellen Internets sei. So abenteuerliche Dinge am frühen Morgen müssen wir erst einmal verkraften.
Fakt ist: Baden-Württemberg war unter der Vorgängerregie rung immer weit vorn, wenn es um den Ausbau der Breitband versorgung ging. Dass wir heute so gut dastehen, kommt nicht von ungefähr. Dank der Breitbandinitiative Baden-Württem berg, die schon 2007 unter Minister Peter Hauk ins Leben ge rufen wurde, hat Baden-Württemberg als erstes Bundesland in ganz Deutschland die Menschen ins digitale Zeitalter ge führt. Wir haben erreicht, das 98 % der Haushalte mit schnel
Klar ist auch, dass das schnelle Internet von damals lediglich eine Übertragungsrate von 2 Mbit/s darstellte. Wie wir alle aus eigener Erfahrung wissen, hat sich die Technik in diesem Bereich rasant entwickelt. Wenn wir heute an einem 3-D-Mo dell arbeiten, dann produzieren wir ganz automatisch Daten mengen, die wir vor Jahren so noch nicht vorhersehen konn ten. Wer eine solche Arbeit – am besten noch in einem On linemeeting – mit Projektpartnern besprechen möchte, für den ist ein Internetanschluss mit nur 2 Mbit/s heute in der Tat ein echter Standort- und Wirtschaftsnachteil.
Der Datenhunger des Internets hat sich also rasant entwickelt, und er wird sich auch weiter schnell entwickeln. Die Chan cen, die das Internet bietet, sind enorm. Intelligente Netze, M2M, E-Government, taktiles Internet, also das Steuern von Objekten und Maschinen in Echtzeit über das Internet, das al les sind sehr wichtige Dinge und zukunftweisende Projekte, von denen unser zukünftiger Wohlstand aller Voraussicht nach abhängen wird. Baden-Württemberg darf als Hightechindus trieland unter keinen Umständen von dieser Entwicklung über rollt werden. Deshalb ist es richtig: 2 Mbit/s waren gestern, 50 Mbit/s bedeuten auch in Baden-Württemberg die Zukunft.
Dass wir hierfür den schnellen, unbürokratischen und effek tiven Ausbau mit Glasfaserkabeln brauchen, ist unbestritten. Aber um schnell voranzukommen, benötigen wir genauso ei nen Mix aus Forschung und Technik, also etwa die Bereitstel lung von LTE oder Satellitenverbindungen. Herr Minister Bonde, meine Fraktion begrüßt deshalb die für die kommen den Haushaltsberatungen angekündigte Mittelaufstockung im Bereich der Breitbandförderung.
Für ein Lob und für einen echten Aufbruch ins digitale Zeit alter wünschen wir uns ein deutlicheres, ein entschlosseneres Signal. Schauen wir uns an, was unsere Nachbarn in Bayern machen: Bayern hat sein Ausbauprogramm mit 1 Milliarde € ausgestattet und vor Kurzem sogar noch mit 500 Millionen € aufgestockt.