Herr Ministerpräsident, Sie haben heute stolz verkündet, dass die Landesregierung die Mittel für den Breitbandausbau ver dreifacht. Damit kommt Baden-Württemberg jedoch nur auf ein Fünftel des bayerischen Mittelvolumens. Es hilft wenig, dass Sie auf Berlin verweisen. Fakt ist: Der Breitbandausbau muss das ganze Land erfassen, die Zentren und die Großstäd te in gleicher Weise wie die ländlichen Räume. Diese Balan ce zwischen Zentrum und ländlichen Räumen war immer ein Markenzeichen Baden-Württembergs.
Wenn wir nicht ganze Regionen im Land veröden lassen wol len, brauchen wir in allen Kommunen den Breitbandanschluss, möglichst mit Glasfaser. Das kostet viel Geld, ist aber immens wichtig für die Entwicklung unseres Landes und für die Zu kunftsfähigkeit seiner Regionen.
Sie haben Lothar Späth gelobt. Ihm ist u. a. zu verdanken, dass die Breitbandversorgung in unserem Land aktuell noch bes ser ist als im Nachbarland Bayern. Noch ist sie besser. Dies liegt vor allem am besseren Fernsehkabelnetz in Baden-Würt temberg. In den Achtzigerjahren hatten die Grünen wie auch die Sozialdemokraten als damalige Opposition im Landtag den Aufbau des privaten Fernsehens noch bekämpft. Heute rühmen sie sich dieser Entscheidungen.
Die Frage ist jedoch nicht: „Wie sieht die Breitbandversor gung aufgrund guter Regierungspolitik der Vergangenheit heu te aus?“, sondern: „Was machen wir heute, damit jede Kom mune schnelles Internet erhält?“ Daran hapert es.
Wir sind im Gespräch mit vielen Landrätinnen und Landrä ten. Wir kennen die Aktivitäten in Bezug auf die Gründung von Zweckverbänden; wir kennen auch viele entsprechende Überlegungen in kommunalen Gremien. Meine Überzeugung ist: Die Kommunen brauchen in dieser Frage noch mehr Un terstützung. Ich halte es für notwendig, eine weitere deutliche Aufstockung der Mittel und eine unbürokratische Unterstüt zung nach bayerischem Vorbild anzugehen. Nur so geben Sie dem ländlichen Raum, nur so geben Sie dem ganzen Land ei ne gute Zukunft im digitalen Zeitalter.
Gleichzeitig muss Baden-Württemberg stärker in entsprechen de Bildungsanstrengungen investieren. Die digitale Bildung sichert Bildungsqualität. Lassen Sie uns weniger an Struktu ren herumbasteln und mehr über Qualität reden. Sonst wird die wirklich entscheidende Bildungsfrage im 21. Jahrhundert verschlafen.
Wir erleben gerade eine wahre Informationsexplosion. Das weltweite Wissen wird zunehmend digital erfasst und verar beitet. Google hat bereits heute 17 Millionen Bücher digitali siert und damit mehr als doppelt so viele Publikationen er fasst, wie sich in den Landesbibliotheken und in den Univer sitätsbibliotheken im Land befinden. Allein in den USA wur den 2013 mehr als 60 000 Mal so viele Daten gespeichert, wie die größte Bibliothek der Welt in den vergangenen 150 Jah ren an Informationen gesammelt hat.
Die heutigen und die künftigen Schülerinnen und Schüler so wie Studentinnen und Studenten müssen wissen, wie man ei ne digitale Suchabfrage zielführend durchführt,
wie man die Verlässlichkeit von Wissen einschätzt und wie man die Informationsflut bewältigt, die heute per Knopfdruck zur Verfügung steht. Nur so wird Baden-Württemberg zum Vorreiter für digitale Bildung.
Dafür müssen wir alle Schülerinnen und Schüler in unserem Land mit dem nötigen Werkzeug ausrüsten, um sie in die La ge zu versetzen, die digitalen Möglichkeiten bestmöglich nut zen zu können. Alle öffentlichen Bildungseinrichtungen müs sen an ein digitales Bildungsnetz angeschlossen sein und über eine digitale Grundausstattung verfügen. Außerdem sollen al le Jahrgangsstufen ergänzend zu den klassischen Schulbü chern auf digitale Inhalte zugreifen können. Darin liegt die wirkliche Herausforderung für das Kultusministerium. Dies wäre der richtige und zielführende Einstieg in einen neuen Bildungsplan gewesen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die vierte und letzte Säule heißt „Werte und Normen“. Zu mindest beim Thema „Werte und Normen“ würde ich mir wünschen, dass Sie wirklich bereit sind, diesen Weg gemein sam mit uns zu gehen. Ich glaube, dieser Punkt hat es verdient, dass wir ihm in dieser Diskussion besondere Bedeutung ge ben.
Heute ist noch völlig offen, wie die Digitalisierung unseren Alltag, aber auch unser Gemeinwesen und die politischen Ent scheidungen verändern wird. Ein bemerkenswerter Impuls hierzu findet sich bei Jaron Lanier in seiner Rede anlässlich der aktuellen Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche. Er ruft allen Technologen zu:
Wenn eine neue Effizienz von digitalem Networking auf der Zerstörung von Würde beruht, seid ihr nicht gut in eurem Fach.
Nach werteorientiertem Verständnis erwächst daraus eine be sondere Verantwortung. Wir müssen den Prozess der Digita lisierung auf der Grundlage unseres Wertekanons reflektieren, müssen durchdachte Antwortstrategien entwickeln und so sei nen Verlauf in unserem Sinn gestalten.
Erwin Teufel hat seine Hightechoffensiven mit Forschung zur Technikfolgenabschätzung flankiert. Ähnliches brauchen wir auch jetzt. Ich schlage vor, in einem gemeinsamen Verbund unserer Hochschulen eine Denkfabrik zum Nachdenken über die Folgen der Digitalisierung zu errichten. Dort sollen ver gleichbar mit dem Oxford Internet Institute Rechts-, Sozial-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaftler gemeinsam an den digitalen Herausforderungen für Staat, Wirtschaft und Gesell schaft forschen.
Damit können wir die Digitalisierung auch weltweit mitprä gen. Im Zusammenspiel mit unserer exportstarken Wirtschaft und unseren exzellenten Hochschulen kann Baden-Württem berg eine starke Stimme bei den wirtschaftlichen, gesellschaft lichen und rechtlichen Fragestellungen haben. Hier brauchen wir eine klare Vision und kein zaghaftes Lamentieren.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Ihre Regierungserklä rung hat gezeigt: Es bedarf, will Baden-Württemberg nicht zurückfallen und den Anschluss verpassen, einer gemeinsa men Kraftanstrengung, um die Herausforderung der digitalen Revolution zu bestehen. Nur wenn man sich selbst herausfor dert, kann man große Herausforderungen meistern.
Baden-Württemberg kann aber nicht bis zur nächsten Land tagswahl warten. Dazu sind die bevorstehenden wirtschaftli chen Umwälzungen zu gewaltig und die technologischen Ent wicklungen zu schnell. Ich schlage Ihnen deshalb vor und bie te Ihnen an, dass Regierung und Opposition zusammen mit Wissenschaft und Wirtschaft an einer großen gemeinschaftli chen Digitalisierungsoffensive arbeiten.
Ein derartiger Schulterschluss würde der Dimension dieser einzigartigen Herausforderung gerecht. Diesen Weg gehen wir allerdings nur mit, wenn Sie Ihren Ankündigungen jetzt auch wirklich Taten folgen lassen.
Wenn wir die digitale Revolution wirklich ernst nehmen, müs sen wir ausreichend – will heißen: deutlich mehr – Mittel für eine Digitalisierungsoffensive in die kommenden Haushalte
einstellen. Gefragt ist Großmut anstelle von Kleingeist. Hier überzogen zu sparen hieße, die Zukunft dramatisch zu ver spielen. Baden-Württemberg muss aus seiner Zuschauerrolle am Spielfeldrand heraustreten
(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU – Anhal tender Beifall bei der FDP/DVP – Zurufe von der CDU: Bravo! – Sehr gut!)
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich gestehe der CDU-Fraktion zu, dass ihr ein überraschender Einstieg in diese heutige Debatte gelungen ist.
Denn wer hätte schon damit gerechnet, dass sich ein amtie render Landtagspräsident hier als Oppositionsführer geriert?
Es ist doch zumindest außergewöhnlich und – das gebe ich zu – durchaus irritierend, denn immerhin sind wir hier nicht auf einer CDU-Regionalkonferenz, sondern im Landtag von Ba den-Württemberg.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: So etwas Un qualifiziertes!)
Es war, wie gesagt, ein überraschender Einstieg, dass die CDU in Person des Landtagspräsidenten dem Ministerpräsidenten auf eine Regierungserklärung erwidert. Aber manches war dann doch nicht so neu.
Vieles von dem, was Sie gesagt haben, Herr Wolf, haben wir hier im Haus schon öfter von der CDU gehört,
nämlich dass es nicht schnell genug, nicht weit genug gehe. Das sagen Sie bei jedem Thema – egal, worum es geht. Ich finde, das ist erstens wenig ambitioniert und zweitens sehr zö gerlich, Herr Wolf.
Sie sagen immer nur: „Es reicht nicht.“ Ich kann sagen: Die se Aussage „Es reicht nicht“ reicht uns erst recht nicht.