Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

Abschließend: Wir betrachten bei Gesetzesvorhaben alle Be troffenen. Wir sind völlig d’accord, dass Information, Betei ligung von Bürgern ein ganz wesentliches Element eines mo dernen Verwaltungsverfahrens darstellen muss. Es gibt aber nicht nur dieses, und es gibt nicht unendlich viele Verwal tungskapazitäten, Herr Minister. Deswegen ist überhaupt nicht einzusehen, dass Sie in Ihrer Gesetzesbegründung Informati onsbegehren, die die Verwaltung bis zu drei Stunden beschäf tigen, als nicht mit einem erheblichen Aufwand verbunden be zeichnen und sagen: Dafür müssen keine Gebühren entrich tet werden.

(Zuruf von den Grünen)

Das kann nicht richtig sein. Sie wissen auch, dass dies bei den kommunalen Verbänden und bei den betroffenen Behörden, die Ihrem Haus nachgeordnet sind, eigentlich kein Verständ nis findet.

Derjenige, der ein Informationsbegehren hat und damit die Verwaltung beschäftigt, muss genauso betrachtet werden wie derjenige, dessen Baugenehmigungsantrag z. B. die Verwal tung nicht bearbeiten kann, weil sie mit der Auskunft auf ein Informationsbegehren beschäftigt ist.

In summa: Der Titel des Gesetzentwurfs gibt nicht wieder, was darin steht. Deswegen können wir diesem Gesetzentwurf bedauerlicherweise nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Renkonen das Wort.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen, verehrte Damen und Herren! Wir brauchen im Land Baden-Württemberg eine bessere Bürger beteiligung. Deshalb brauchen wir auch ein neues Umwelt verwaltungsrecht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Dieses Umweltverwaltungsrecht garantiert weniger Bürokra tie, mehr Transparenz und eine bessere Umweltinformation.

Das Umweltverwaltungsrecht muss entrümpelt und bürger freundlicher gestaltet werden. Genau das tun wir, meine Da men und Herren.

Ich möchte zwei Aspekte nennen: Erstens führen wir die Um weltmediation ein. Das heißt, eine Beteiligung bei Großpro jekten wie dem Bau von Kraftwerken oder beim Netzausbau, der jetzt ansteht, kann Ressentiments, Ängste und Sorgen in der Bevölkerung abbauen. Das ist ein Element, das wir jetzt in dieses Umweltverwaltungsrecht aufgenommen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Ulrich Lusche CDU)

Ich nenne zweitens eine frühe Bürgerbeteiligung nicht nur der Umweltverbände, sondern auch der Bürger – beispielsweise bei Umweltverträglichkeitsprüfungen. Das Beispiel Stuttgart 21 hat gezeigt, wie man es nicht machen soll. Deshalb brau chen wir auch im Vorfeld von Umweltverträglichkeitsprüfun gen einen besseren Abstimmungsprozess, in dem auch solche Fragen geklärt werden und die Bürger beteiligt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Jetzt komme ich zum allerwichtigsten Punkt. Mich hat gewun dert: Sie sagen, Sie wollten weniger Gesetze. Nur: Die Rege lung davor – nämlich die Erhebung von Verwaltungsgebüh ren – bedeutete ja mehr Bürokratie. Die Verwaltungsgebüh ren werden jetzt bis zu einem Bearbeitungsaufwand von drei Stunden komplett erlassen. Das verstehen wir auch unter ei nem Service der Fachbehörden des Landes für die Bevölke rung des Landes.

(Zuruf des Abg. Ulrich Lusche CDU)

Deshalb ist dieser Schritt, ist diese Verbesserung auch ein Mei lenstein für eine bessere Partizipation, die wir, die grün-rote Koalition und die Landesregierung, landesweit bereits ange stoßen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Ich will noch etwas zu diesem Thema sagen: Wir werden na türlich Verwaltungsgebühren erheben müssen. Denn auch wir haben kein Interesse daran, dass Spezialisten aus der Bevöl kerung – die gibt es, und darüber sind wir auch froh – ganze Verwaltungsapparate lahmlegen. Deshalb wird eine Verwal tungsgebühr ab dieser Grenze von drei Stunden erhoben.

Schlussendlich kann ich für unsere Fraktion zusammenfas sen: Das neue Umweltverwaltungsrecht bietet einen Quanten

sprung und setzt bei dem von Grün-Rot verfolgten Ziel an, die Bevölkerung in Baden-Württemberg mehr zu beteiligen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der SPD erteile ich Frau Abg. Rolland das Wort.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über Vorhaben, die einer Umweltverträg lichkeitsprüfung oder eines Planfeststellungsverfahrens be dürfen. Das sind Vorhaben wie Hochwasserrückhaltebecken, deren Damm eine gesamte Landschaft verändert, oder die Er weiterung einer Kiesgrube, die stark in die Landschaft wirkt, oder Abfallbehandlungs-, Abfallverwertungs- und -beseiti gungsanlagen, die durchaus auch unter einer gewissen öffent lichen Beobachtung stehen.

Der heute vorliegende Gesetzentwurf folgt einem sehr vor bildlichen Verwaltungshandeln einiger nachgeordneter Behör den in diesem Land und macht dieses jetzt zur Vorgabe für al le Behörden in unserem Land. Es wird also gute Verwaltungs praxis in Baden-Württemberg. Das heißt mehr frühzeitige Be teiligung bei solchen Vorhaben, mehr Transparenz, dadurch bessere Entscheidungen und vor allem eine schnellere Be standskraft für die Entscheidungen, die getroffen worden sind. Darüber hinaus trägt das Gesetz dem Informationsbedürfnis der Menschen in unserem Land Rechnung und zielt auf einen partnerschaftlichen Umgang und ein partnerschaftliches Ver hältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern einerseits und der Verwaltung andererseits.

(Beifall der Abg. Rosa Grünstein SPD)

Nach fünf Jahren erfolgt eine Evaluierung. Dann wird man sehen, ob es gewirkt hat oder nicht. Ich bin davon überzeugt, dass es wirken wird. Dieses Gesetz ist sinnvoll, pragmatisch und gut. Deswegen stimmt die SPD-Fraktion zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Glück das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte diese Ausspra che heute nicht unbedingt benötigt;

(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD)

denn es hat sich seit der ersten Lesung nicht viel geändert – leider, wie ich hinzufügen möchte.

Ich habe schon damals gesagt – Herr Minister Untersteller, ich möchte Ihnen damit nicht zu nahe treten –, dass ich hier vorn lieber Herrn Minister Gall gesehen hätte; denn unser zen traler Kritikpunkt ist, dass Sie keinen Entwurf für ein umfas sendes Informationsfreiheitsgesetz vorlegen, wie im Koaliti onsvertrag – das ist schließlich Ihr Koalitionsvertrag – auf Sei te 78 zu lesen ist.

Auch wir wollen dieses umfassende Informationsfreiheitsge setz – das wird Sie nicht überraschen –, weil wir als Liberale natürlich der Überzeugung sind, dass man Informationen braucht, um gute, individuelle Entscheidungen treffen und verantworten zu können. Wir wollen also ein umfassendes In formationsfreiheitsgesetz, haben allerdings den Eindruck, dass Sie bei diesem Punkt immer bummeln und auf Zeit spielen.

Aus diesem Grund haben wir einen Entwurf für ein Informa tionsfreiheitsgesetz eingebracht. Diesen haben Sie am 12. Ju ni 2013 u. a. mit den Stimmen von Grün-Rot abgelehnt. Sie haben damals keine Zusammenarbeit angeboten und auch nicht gesagt, dass Sie uns die Hand reichen, damit wir gemein sam einen Gesetzentwurf erarbeiten. Vielmehr haben Sie Ih re typischen Floskeln gebracht. Sie sagten, es sei ein schlech tes Timing gewesen, die Umsetzung sei handwerklich nicht gut gewesen, und außerdem sei Ihnen der Gesetzentwurf nicht weitreichend genug gewesen.

Vielleicht ist es an dieser Stelle, meine sehr geehrten Damen und Herren der Regierungsfraktionen, zu viel verlangt, dass Sie mit der Opposition zusammenarbeiten. Aber wenigstens die Erfüllung Ihres eigenen Koalitionsvertrags wäre ange bracht. Wir messen Sie an Ihren eigenen Versprechen.

Am 19. März 2014 sagten Sie, Herr Minister Untersteller, in einer Debatte über einen Antrag der SPD-Fraktion, dass wir noch vor der Sommerpause mit der Vorlage eines Entwurfs eines Informationsfreiheitsgesetzes – das haben Sie gesagt – rechnen könnten. Jetzt stelle ich – es ist mittlerweile Novem ber – noch einmal die Frage: Wo bleibt denn Ihr Informati onsfreiheitsgesetz? Ich könnte auch andersherum fragen: Wie lange dauert bei Ihnen die Sommerpause?

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Er hat nicht gesagt, welche Sommerpause!)

Mittlerweile wurde die Frist für die Vorlage eines Entwurfs dieses Informationsfreiheitsgesetzes von Grün-Rot öfter ge brochen als sämtliche Weltuntergangsszenarien von Nostra damus und des Mayakalenders zusammen. Dabei möchte ich betonen,

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

dass ich das Informationsfreiheitsgesetz als wichtiger erach te als die Weltuntergangsstimmungen.

Aber statt jetzt mit dem von Ihnen gewollten und angekün digten Informationsfreiheitsgesetz zu kommen, kommen Sie mit einer abgespeckten Ökovariante dahergeritten; denn ei nerseits ist dieses Gesetz, für das Sie einen Entwurf vorgelegt haben, nicht das von Ihnen angekündigte umfassende Gesetz, und andererseits ist es einfach schlecht. Es enthält Milchmäd chenrechnungen.

Sie sagen beispielsweise, die Mittel, die man in der Planungs phase für eine starke Bürgerbeteiligung brauche, könne man in der Umsetzungsphase wieder einsparen. Ich möchte nicht bestreiten, dass es vielleicht einen Fall gibt, in dem Bürger beteiligung dazu führt, dass in der Umsetzung Geld gespart werden kann. Es ist aber keineswegs automatisch so. Es ist doch vielmehr so, dass in dem Fall, in dem ein Vorhabenträ ger Großes vorhat, er doch selbst ein Interesse an der Öffent lichkeitsbeteiligung hat. Das stand auch schon in den entspre chenden Richtlinien des VDI.

Mit diesem Scheuklappenvorgehen zielen Sie auf einen Sach verhalt ab, der gerade im Umweltbereich schon ganz gut funk tioniert hat. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In Atdorf hat eine hervorragende Bürgerbeteiligung funktioniert, und zwar oh ne Ihr Gesetz. Die Diskussionen um Stuttgart 21 hingegen, Herr Kollege Renkonen, hätte dieses Gesetz mit Sicherheit nicht aufgehalten.

Ich wollte meine letzten Worte eigentlich an Herrn Minister Gall richten; vielleicht kann man es ihm ausrichten.

(Zuruf von der SPD: Machbar!)

So langsam müssen Sie Farbe bekennen.