Protokoll der Sitzung vom 26.11.2014

allerdings nicht ganz vollständig.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Doch!)

Die Rechtslage ist so, wie sie ist. Wir haben aber in der Pra xis bemerkt, dass es zwar Ausnahmemöglichkeiten für die Kommunen gibt, aber ein Problem entsteht, wenn es Klagen von Gaststättenbetreibern gibt. Ich erinnere an einen Fall aus Kehl, den Sie hoffentlich alle kennen. Im Rahmen eines Nor menkontrollverfahrens wurde der Klage der Gastronomiebe triebe in Kehl stattgegeben. Die Sperrzeitverordnung der Stadt Kehl wurde aufgehoben.

Das heißt, das Instrumentarium, das derzeit zur Verfügung steht, ist offensichtlich nicht ausreichend, um den Kommunen die notwendige Flexibilität und vor allem die notwendige Rechtssicherheit an die Hand zu geben.

Deshalb hat sich der Innenminister Gedanken darüber ge macht, wie man eine Regelung schaffen kann, die ermöglicht, dass vor Ort in den Kommunen entschieden wird und damit die Rechte des Gemeinderats gestärkt werden. Denn die Ge meinderäte, die Bürgermeister, die Oberbürgermeister und die Verwaltungen vor Ort wissen am besten – ich rede jetzt von den Sperrzeiten –, wie man mit dieser Problematik umgeht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Nun noch einmal dazu, dass man sich Gedanken machen darf. Natürlich besteht die Möglichkeit, das Problem dadurch zu lösen, die Sperrzeiten im Wege einer von der Landesregierung erlassenen Verordnung maßvoll auszudehnen. Das würde zwar eine gewisse Einschränkung der Berufsfreiheit der Gastrono mie mit sich bringen. Das würde übrigens natürlich auch ei ne gewisse Einschränkung der Gäste mit sich bringen; denn für diese gilt das Recht auf freie Entfaltung der Persönlich keit. Ich kenne Menschen, für die gilt: Je näher die Sperrstun de rückt, umso mehr entfalten sie ihre Persönlichkeit. Das sei aber nur nebenbei erwähnt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Abg. Tho mas Blenke CDU: Führen Sie gerade Selbstgesprä che?)

Auf der anderen Seite geht es um den Schutz der Nachtruhe, die Volksgesundheit, die Bekämpfung von Alkoholmissbrauch usw. Das alles ist Ihnen bekannt. Insofern kann man natürlich überlegen – Herr Kollege Blenke, Sie haben es ja vorgelesen –, diese unbestimmten Rechtsbegriffe in den §§ 11 und 12 – „bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonde rer örtlicher Verhältnisse“ – dahin gehend präziser zu formu lieren – ich kann Ihnen allerdings jetzt keinen Lösungsvor schlag unterbreiten –, dass die Kommunen über eine flexible re und rechtssicherere Regelung verfügen.

Fazit: Wir wollen die kommunale Selbstverwaltung stärken. Wir wollen den Kommunen rechtssichere Instrumente an die Hand geben. Wir wollen damit auch die Rechte des Gemein derats stärken. Denkverbote darf es nicht geben. Wir lassen uns von der FDP/DVP, die beantragt hat, dieses Thema im Rahmen einer Aktuellen Debatte zu diskutieren, sicherlich keine Denkverbote auferlegen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das ist auch gar nicht nötig!)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Innenminister Gall das Wort.

Werte Frau Präsidentin, wer te Kolleginnen, werte Kollegen! Der erste Aufreger des Tages wird, denke ich, gleich vorbei sein. Herr Kollege Goll, ich ha be den Eindruck – um auch einen Begriff bzw. ein Sprichwort aus der Gastronomie aufzugreifen –, dass Sie bei diesem The ma etwas geleitet hat, was Köche berücksichtigen, nämlich das Sprichwort: Kleine Töpfe laufen gern über.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Sie haben versucht, vor dem Hintergrund einer Zeitungsmel dung vermeintliche Klientelpolitik zu betreiben. Aufgrund der Erfahrungen bei den zurückliegenden Wahlen sollten Sie aber eigentlich gelernt haben, dass die Wählerinnen und Wähler Ihnen aufgrund dieser Klientelpolitik regelmäßig die Suppe versalzen.

Meine Damen und Herren, insofern bin ich dem Kollegen Lucha und dem Kollegen Walter Heiler dankbar, dass sie auf den Kern der Diskussion eingegangen sind. Ich lege großen Wert auf die Feststellung, dass der Innenminister keinen Vor schlag zur Verlängerung der Sperrzeiten gemacht hat. Viel mehr hat der Innenminister klar und deutlich gesagt, dass es beim Thema Sperrzeiten unter Umständen noch Regelungs bedarf dergestalt gibt, dass wir den Kommunen Rechtssicher heit geben, wenn sie von dem Gebrauch machen wollen, was Sie gerade zum Ausdruck gebracht haben, Herr Kollege Blen ke.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Die geltende Regelung ist nicht abweichungsfest. Es kann da von abgewichen werden. In der Praxis stellen wir jedoch fest – das entspricht den Rückmeldungen, die wir von den Kom

munen bekommen –, dass es den Kommunen so gut wie nicht gelingt, davon abzuweichen, weil die hierfür erforderlichen Regelungen und auch die entsprechende Rechtsprechung zu hohe Hürden aufbauen. Die Kommunen müssen beispielswei se auf der Grundlage des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nachweisen, dass mit der Störung eine Umweltgefährdung einhergeht.

Deshalb halte ich es für vernünftig, dass wir noch einmal da rüber reden, ob diese Rechtsnorm verändert werden kann, ob wir den Kommunen Handlungsinstrumentarien an die Hand geben können, damit die Kommunen nach der Abwägung ei nerseits der berechtigten Interessen der Gastronomie und an dererseits der berechtigten Interessen der Bürgerinnen und Bürger, beispielsweise mit Blick auf einen lebenswerten öf fentlichen Raum, selbst entscheiden können. Dazu gehören auch – aber nicht nur – das Feiern von Festen, der Gaststät tenbesuch und der Biergartenbesuch. Das ist gar keine Frage. Zu einem lebenswerten öffentlichen Raum gehören aber auch die Nachtruhe, das Eindämmen von Umweltverschmutzun gen und all das, was in diesem Zusammenhang auch vor kommt. Das bestreitet niemand ernsthaft.

Nur darum geht es.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Dafür haben wir nicht die Mehrheit!)

Es geht nur um diese Diskussion. Diese Diskussion führen wir gerade. Dies ist nicht ganz einfach; das will ich ausdrücklich sagen. Wir sind gerade dabei, nach Instrumentarien zu suchen, die den Kommunen tatsächlich helfen könnten. Denn wir wol len nicht nur um des Veränderns willen etwas verändern. Wir wollen vielmehr etwas verändern, weil wir das Ziel haben, den Kommunen unter die Arme zu greifen.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Dies werden wir in den nächsten Monaten intensiv tun. Sie sind ausdrücklich eingeladen, sich daran zu beteiligen. Denn Ihre Tendenz ist so, dass auch Sie den Anliegen der Kommu nen Rechnung tragen möchten. Es soll nämlich eine Balance zwischen den unterschiedlichen Interessen gewährleistet wer den.

Dabei werden wir getreu dem Motto verfahren: Hast du wohl gekocht, so richte wohl an. Das heißt, wenn wir diese Arbeit erledigt haben, dann werden wir sie zur Diskussion stellen. Wir sind gespannt, wer diesen Weg dann mitgeht und wer nicht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wahrscheinlich lässt diese Diskussion den neutralen Beobachter jetzt etwas ratlos zu rück.

(Vereinzelt Beifall – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was? – Weitere Zurufe)

Die Frage ist: Was gilt jetzt?

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Zunächst einmal meldet sich der Innenminister und erklärt: „Es besteht Handlungsbedarf. Es wird etwas verändert. Wir legen ein Gesetz vor.“ Dann kommt der Ministerpräsident und sagt: „Es wird nichts geändert.“ Nun kommt der Innenminis ter und sagt: „Es wird vielleicht etwas verändert.“

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Natürlich wird etwas verändert! – Abg. Thomas Blenke CDU: Und täglich grüßt das Murmeltier!)

Ich darf ihn zitieren: „wir werden uns überlegen“, „wir wer den in einen Diskussionsprozess eintreten“, „unter Umstän den“, „wir reden darüber“. Ist das kraftvolles Regierungshan deln?

Entweder haben Sie Handlungsbedarf, oder Sie haben keinen. Entweder erklärt der Regierungschef, es wird etwas geändert, oder nicht. Aber offensichtlich fehlt Ihnen in dieser Koalition die Abstimmung.

Kollege Heiler sagt: „Es muss möglich sein, sich Gedanken zu machen.“ Der Innenminister hat Anfang der Woche nicht erklärt, es müsse möglich sein, sich Gedanken zu machen, sondern er hat gesagt: „Es kommt ein Gesetz.“

(Minister Reinhold Gall: Nein!)

Kommt jetzt ein Gesetz? Kommt kein Gesetz? Machen Sie sich Gedanken? Sie haben gesagt, Sie ließen sich von uns kein Denkverbot auferlegen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass dies auch nicht notwendig ist, meine Damen und Herren,

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

bei dem, was in dieser Regierung so läuft. Jedenfalls ist das, was Kollege Blenke sagt, völlig richtig: Wo es nicht notwen dig ist, zu regulieren, da braucht man auch nicht zu regulie ren. Bei Ihnen hat man ab und zu den Eindruck, Sie wollten um des Regulierens willen regulieren,

(Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

um Handlungsfähigkeit nachzuweisen.

Was Kollege Goll vorhin geschildert hat, ist völlig richtig. Dies ist kein Einzelfall. Dies zeigt vielmehr die tiefe Diagno se des Verzehrs der Gemeinsamkeiten.

Kollege Schmiedel hat einmal verdeutlicht, wie es sich mit zick und zack verhält. Beispiele gefällig? Es hat damit ange fangen – Kollege Blenke hat dies geschildert –, dass der In nenminister zum Thema „Alkohol auf öffentlichen Plätzen“

(Zuruf: Zick!)

sagt – zick –: „Da ist ein Gesetz notwendig. Da müssen wir etwas tun.“ Dann kommt der Ministerpräsident und sagt: „Ja wohl,“ – auch zick –

(Abg. Thomas Blenke CDU: Zick, zick!)

„ich bin auch der Meinung“ – also zick, zick.

(Zuruf des Ministers Reinhold Gall)