Das Präsidium hat für die Beratung des Einzelplans 15 eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt, wobei ge staffelte Redezeiten gelten.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, werte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Das große Thema, das uns in diesem Jahr beschäftigt hat, das den Haus halt prägt und das uns auch in den nächsten Jahren beschäfti gen wird, ist das Thema Flüchtlingsaufnahme. Dem ist natür lich auch der gesamte Einzelplan untergeordnet. Ich bin froh, dass wir in diesem Haus und in unseren Parteien einen gro ßen Konsens haben, dass wir unsere humanitäre Verpflichtung gegenüber den Menschen, die verfolgt werden, die aus Kriegs gebieten kommen, die ihre Heimat verlassen müssen und flüchten müssen, wahrzunehmen haben, dass wir sie hier auf nehmen, ihnen eine neue Heimat bieten und sie vor allem auch in unserer Gesellschaft integrieren müssen.
Das unterscheidet uns im Übrigen von den Populisten – auch von den Rechtspopulisten –, die momentan in der Gesellschaft Ängste schüren, die Menschen verunsichern, ihnen keine kla ren Perspektiven geben, wie wir mit dieser großen Herausfor derung umgehen können. Ich glaube, wir, die starken demo kratischen Kräfte in dieser Gesellschaft, müssen deutlich ma chen, dass hier ein großer Grundkonsens besteht – im Parla ment, aber auch in der Bevölkerung im Land. 70 % der ba den-württembergischen Bevölkerung sind sehr dafür,
denjenigen Hilfe zu bieten, sie aufzunehmen, sie in unsere Ge sellschaft zu integrieren, die von Flucht und Verfolgung be droht sind, die Asylgründe geltend machen können, die poli tisch verfolgt sind, die aus anderen Gründen verfolgt sind und in unsere Gesellschaft kommen.
Diesen Grundkonsens dürfen wir bei allen kontroversen Dis kussionen, die wir auch führen, nicht aufgeben. Das ist mir am Anfang dieser Haushaltsrede sehr wichtig.
Als Christen und als demokratische Politiker, als Menschen, die etwas von dem Rechtsstaat halten und ihn verteidigen, ist es unsere erste Aufgabe, hier auch klar Farbe zu bekennen und dies entsprechend deutlich zu machen.
Dennoch haben wir, die CDU, auch Kritik am Verfahren ge übt. Wir haben bereits im vergangenen Jahr gefordert, die Flüchtlingspauschalen zu überprüfen, damit die Kommunen besser in die Lage versetzt werden können, ihre wichtige Auf gabe hier zu erfüllen. Wie das jetzt geprüft wird – so wurde es auch mehrfach angekündigt –, ist sehr holprig. Aber ich glaube, der Entschließungsantrag der FDP/DVP in diesem Zu sammenhang geht auch in die richtige Richtung, ein differen ziertes Bild der Flüchtlingspauschalen abzubilden. Es ist, glaube ich, auch ein Unterschied, die entsprechenden Aufga ben hier in Stuttgart oder in ländlichen Gebieten zu organisie ren. Wir, das Parlament, sollten uns gemeinsam dazu durch ringen, die Kommunen so auszustatten, dass sie ihre Aufga ben erfüllen können.
Es gab von der Fraktion der CDU Anfang dieses Jahres schon Vorschläge, wie wir mit den steigenden Flüchtlingszahlen um gehen können, welche Maßnahmen dafür notwendig sind. Wir rechnen damit, dass in diesem Jahr 26 000 Flüchtlinge zu uns kommen. Das wurde seitens des Integrationsministeriums ein bisschen abgetan nach dem Motto, wir könnten die Zahlen nur prognostizieren. Die Zahlen waren aber deutlich absehbar. Die Vorschläge, die wir gemacht haben, gingen in die Richtung, die Kommunen zu unterstützen, die Landeserstaufnahmestel le in Karlsruhe zu entlasten und neue Unterbringungsmöglich keiten zu schaffen.
Viele Dinge, die vorgefallen sind, haben wir nicht skandali siert. Man hätte deutlich skandalisieren können, dass die me dizinische Erstversorgung vor der Weiterverteilung in die Stadt- und Landkreise nicht so war, wie sie eigentlich hätte sein sollen. Wir haben die Not gesehen. Wir haben die Not wendigkeit gesehen, schnell zu organisieren. Wir glauben, dass nicht alle Maßnahmen so schnell und so eindeutig ergrif fen wurden, wie es notwendig gewesen wäre.
Deswegen unser Appell: Strengen Sie sich an, damit dieser Grundkonsens in der Bevölkerung und hier im Parlament nicht gefährdet wird, sodass wir eine gute Versorgung und Unter bringung der Flüchtlinge und Asylbewerber gewährleisten können – dies vor allem auch mit der Unterstützung der Kom munen.
Ich möchte ausdrücklich unseren Kollegen und Landrat Gün ther-Martin Pauli nennen, der in Meßstetten sehr viele Wege geebnet und Brücken gebaut und damit sehr positiv in die Be völkerung hinein gewirkt hat, um ohne großen Streit in der Bevölkerung eine weitere Landeserstaufnahmestelle hinzube kommen. Dafür hat er sich eingesetzt. Lieber Günther-Mar tin Pauli, vielen Dank für dein Engagement an dieser Stelle.
Das zeigt aber auch das Strukturproblem des Integrationsmi nisteriums. Es ist viel zu klein und personell nicht so ausge stattet, dass es diese Aufgabe allein erfüllen könnte. Es braucht die Hilfe vor Ort von den Landräten. Es braucht die Hilfe der beim Innenministerium angesiedelten Taskforce, damit Ent scheidungen schnell getroffen werden können, wenn eine gro ße Zahl von Flüchtlingen ankommen, die von der Bundespo lizei in den Zügen aufgegriffen werden. Es brauchte vor al lem die Hilfe des Ministerpräsidenten, der das Thema mit dem Flüchtlingsgipfel an sich gezogen und damit auf eine vollkom men andere Ebene gehoben hat. Das Integrationsministerium allein ist aufgrund seiner Organisation und seiner personellen Ausstattung mit dieser Aufgabe überfordert.
Deswegen ist es notwendig, die Aufgaben zukünftig zu bün deln. Wir werden den Kapiteln, bei denen es um Geldmittel und Sachleistungen für Flüchtlinge und zur Integration geht, natürlich zustimmen, weil wir diese Aufgabe erkennen. Hin sichtlich der Weiterbehandlung in den Kommunen müssen wir uns meiner Meinung nach aber anstrengen.
Ich prophezeie Ihnen, dass die zweimal 15 Millionen € für die Schaffung von Wohnraum nicht ausreichen werden. Hierfür benötigen wir andere Mechanismen für die Kommunen. Auch die Mittel für den Spracherwerb und für die Integration in die Arbeitswelt werden nicht ausreichen. Dabei ist auf Kante ge
Außerdem geht es darum, die Anschlussunterbringung in den Kommunen zu organisieren. Die Zahl der Flüchtlinge bleibt weiterhin hoch. Die Kommunen sind letzten Endes überfor dert, wenn sie nicht die entsprechende Hilfe und Unterstüt zung bekommen.
Der zweite wichtige Punkt – hierbei bitte ich Sie, einen Grund konsens innerhalb des Parlaments zu bewahren – betrifft das Thema Rückführungen. Natürlich müssen Armutsflüchtlinge insbesondere aus Osteuropa und aus den jetzt als sichere Her kunftsstaaten deklarierten Westbalkanstaaten irgendwann zu rückgeführt werden. Es findet zwar eine Diskriminierung statt, aber die Armutsgründe reichen als Asylanerkennungsgrund nicht aus.
Skandalisieren Sie bitte nicht uns von der CDU, wenn wir da rauf hinweisen, dass irgendwann eine Rückführung stattfin den muss; denn das sichert den Grundkonsens innerhalb der Bevölkerung. So kann die Aufnahmebereitschaft für diejeni gen gesichert werden, die wegen Vertreibung und Verfolgung zu uns kommen.
Ich weiß, dass sich viele, insbesondere von der grünen Partei, damit schwertun. Wir haben das in den vergangenen Tagen gemerkt, als es darum ging, Menschen zurückzuführen. Es ging eine Diskussion darüber los, ob man nicht über den Win ter einen Abschiebestopp verhängen müsse, ob nicht eine hu manitäre Einzelfallprüfung stattfinden müsse. Ihr Landesvor sitzender hat gesagt, eine humanitäre Einzelfallprüfung sei besser als ein Abschiebestopp über den Winter. Das sind aber alles nur Sprechblasen.
Natürlich sichert unser Recht eine humanitäre Entscheidung, natürlich sichert unser Rechtsstaat humanitäre Entscheidun gen.
Wenn eine Duldung gegeben ist, wird auch nicht abgescho ben. Wir müssen aber auch deutlich machen, dass diejenigen, die hier kein Asylrecht mehr genießen, irgendwann zurückge führt werden müssen. Hierzu sollte es zu einem Grundkon sens innerhalb des Parlaments kommen, um der Bevölkerung deutlich zu machen, dass dieser Staat handlungsfähig ist, dass dieser Staat handelt und vor allem gerecht handelt.
Der dritte Punkt, der uns in diesem Jahr beschäftigt hat, be trifft den politischen und den extremistischen Islamismus. Es besteht Grundkonsens in der Bevölkerung in Baden-Württem berg, dass wir nicht skandalisieren und dass wir vor allem nicht verallgemeinern dürfen, wie dies die Rechtspopulisten tun. Die Mehrheit der Muslime, die in unserem Land leben,
leben hier friedlich, halten sich an rechtsstaatliche Regeln, ar beiten, zahlen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, leis ten gelungene Beispiele für Integration und bereichern mit ih rer Vielfalt unsere Gesellschaft.
Umso wichtiger ist es, den politischen und extremistischen Is lamismus zu bekämpfen, damit in der Bevölkerung nicht der Eindruck entsteht, dass das mit dem Islam gleichgesetzt wird. Wir müssen ganz klar sagen, dass wir diese extremistischen Tendenzen bekämpfen. Als Integrationspolitiker müssen wir vor allem die Wege benennen, die wieder herausführen bzw. die gar nicht erst in den Extremismus hineinführen.
Ich verstehe die Innenpolitiker, die das etwas anders sehen. Ich verstehe aber den Innenminister nicht, der heute erklärt hat, Aussteigerprogramme für den Bereich des Salafismus brächten nichts. Wir sehen das als Integrationspolitiker an ders.
Ich bin den Regierungsfraktionen dankbar, dass das Präven tionsprogramm „Team meX“ verlängert wurde, das sechs Jah re lang erfolgreich gelaufen ist. Ebenso wie wir Aussteiger programme im Bereich des Rechtsextremismus haben, brau chen wir diese auch für die Bereiche des extremistischen Is lamismus und des Salafismus. Das hat eine wichtige Wirkung in die Szene hinein und auch für unsere Gesellschaft, weil dann deutlich wird, dass es Wege heraus aus dem Extremis mus gibt, und weil deutlich wird, dass es gelungene Beispie le dafür gibt, wie man sich nicht radikalisiert bzw. wie man wieder aus der Szene herauskommt.
Insofern bitte ich Sie eindringlich, mit den Innenpolitikern Ih rer Fraktionen zu reden, damit sich nicht die Haltung verfes tigt, es bringe eh nichts, sich im Bereich der Prävention und der Aussteigerprogramme zu engagieren. Genauso wie wir auf der einen Seite das Schwert des Rechtsstaats ziehen, bieten wir auf der anderen Seite Wege an, um junge Menschen aus dieser extremen Radikalisierung herauszuholen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Jörg Fritz GRÜNE und Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)
Vierter Schwerpunkt: Ich glaube, wir müssen für die Anerken nung der Berufe und die Anerkennung von Menschen, deren Lebensleistung hier nicht ausreichend gewürdigt wird, noch etwas mehr tun. Angesichts unseres brummenden Arbeits markts und angesichts des Fachkräftebedarfs von Handwerk und Industrie können wir noch mehr tun.
Die Anerkennung nicht ärztlicher medizinischer Berufe ist beim Regierungspräsidium Stuttgart zentralisiert worden. Man hat aber nicht das Personal zusammengeführt. Das Personal ist also nicht der Aufgabe gefolgt. Wie soll die Anerkennung innerhalb der Frist von drei Monaten geleistet werden? Wir haben lange über das Landesanerkennungsgesetz diskutiert. Beim Bundesanerkennungsgesetz läuft das genauso.
Ich will nicht, dass die guten Beschlüsse, die wir, das Parla ment, im Konsens gefasst haben, durch falsches Regierungs handeln letzten Endes ad absurdum geführt werden und nicht umgesetzt werden können, weil das entsprechende Personal im Regierungspräsidium Stuttgart nicht vorhanden ist.
Da müssen Sie sich mehr anstrengen. Da müssen Sie mehr tun und genau hinschauen. Sie dürfen nicht nur Ziele verkünden, sondern müssen auch überlegen, wie diese erreicht werden können. Vielleicht ist auch da das kleine Integrationsministe rium mit seinem wenigen Personal und der schlechten Finanz ausstattung außerhalb des Flüchtlingsbereichs überfordert.
Nun zum fünften und letzten Punkt: Ich habe großes Verständ nis dafür, dass der Rechnungshof das komplette Ministerium prüft. Das würde ich an dessen Stelle auch tun, weil ich mir überlegen würde, ob man die 3 Millionen € pro Jahr, die die ses kleine Haus jährlich an Grundkosten produziert, nicht bes ser anlegen kann. Das macht in einer Legislaturperiode 15 Millionen € aus.
Verwechseln Sie nicht immer die Kritik am Amt und an Ih rem Ministerium mit einer Kritik an Ihrer Person, Frau Mi nisterin Öney. Das hat mit Ihrer Person nichts zu tun.
Die Frage ist vielmehr, wie man effizientes Regierungshan deln organisiert, wie man langfristig eine entsprechende Wir kung in der Gesellschaft erzeugt. Da geht es nicht darum, ein eigenes Ministerium zu schaffen, sondern darum, die Wahr nehmung der Aufgaben, die in diesem Land erfüllt werden müssen,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)
die im Bereich der Integration liegen, die im Bereich der Be rufsanerkennung liegen, die im Bereich der guten Flüchtlings aufnahme liegen, über die Ministerien hinweg so zu organi sieren, dass das Ganze auch vernünftig funktioniert.
Deswegen können Sie nicht in eine Fundamentalkritik gegen über dem Rechnungshof einsteigen und ihn nicht bezichtigen, dessen Prüfung sei politisch motiviert gewesen, oder behaup ten, er würde letzten Endes die Grundfrage stellen, ob Ihr Haus noch existieren sollte. Natürlich müssen Sie die Frage stellen, wie bei einem effizienten Einsatz der Steuermittel der Bürger unseres Landes die Wahrnehmung der Aufgaben des Landes Baden-Württemberg zu organisieren ist.
Deswegen: Die Kritik, die Sie geleistet haben, können wir nicht nachvollziehen. Das ist eine Fundamentalkritik. Das ist eine Kritik, die auch die verfassungsgemäße Stellung des Rechnungshofs berührt. Der Rechnungshof muss das prüfen dürfen, er muss kritische Fragen stellen dürfen, er muss auch fragen dürfen, ob das Geld für die vergebenen Gutachten ver nünftig aufgewendet wurde oder nicht und was dabei über haupt herausgekommen ist. Das Körting-Gutachten wurde einmal damit begründet, dass man das ganze Verfahren zum Partizipations- und Integrationsgesetz schnell weiterbringen sollte. Bisher haben wir dazu aber keinen Entwurf gesehen.