Protokoll der Sitzung vom 10.12.2014

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU)

Ich bin wirklich stolz, Ministerpräsident eines Landes zu sein, in dem sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich engagieren, um der steigenden Zahl von Flüchtlingen zu hel fen, die Annahme statt Ausgrenzung, die Hilfe statt Hass, die Solidarität statt Abschottung zeigen. Das ist die breite Hal tung der Bevölkerung. Das ist ein sehr hohes Gut, und wir Po litiker haben die Verpflichtung, einen Beitrag dafür zu leisten, dass dieses hohe Gut auch erhalten bleibt, dass wir die Flücht linge gut unterbringen und ihnen eine Perspektive bieten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP)

Natürlich ist die steigende Zahl der Flüchtlinge eine große He rausforderung für uns. Aber ich habe es schon einige Male ge sagt und möchte es noch einmal wiederholen: Wir sollten bei allen Herausforderungen und Schwierigkeiten, vor die wir da durch gestellt sind, nie vergessen, dass die Flüchtlinge die wirklichen Probleme haben und nicht wir.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der SPD: Genau!)

Deswegen arbeitet die Landesregierung mit Hochdruck dar an, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Die Flüchtlingspauschale haben wir auf 40 % erhöht. Sie wird jetzt erneut überprüft, und dann wird weiter darüber gespro chen, wie die Gemeinden und Kreise das Geld bekommen, das sie brauchen und das ihnen zusteht.

Mit dem Flüchtlingsaufnahmegesetz haben wir die Unterbrin gung und die Förderung von Spracherwerb und Schulbesuch deutlich verbessert. Wir haben einen erfolgreichen Flücht lingsgipfel durchgeführt, ein Sonderwohnungsbauprogramm aufgelegt und ein Sonderkontingent für traumatisierte Mäd chen und Frauen aus dem Nordirak und Syrien beschlossen. Im Bundesrat haben wir mit dem Asylkompromiss ermöglicht, dass die Hälfte der Flüchtlinge bei uns in Zukunft arbeiten dürfen und nicht nutzlos herumsitzen müssen. Darüber hin aus wurde erst kürzlich mit der Bundesregierung verhandelt, dass diese bis zu 1 Milliarde € für die Aufnahme und Versor gung von Flüchtlingen zur Verfügung stellt. Davon sind 500 Millionen € frisches Geld zur Entlastung der Länder und Kommunen gedacht. Außerdem soll eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge eingeführt werden. Die kostenlose Überlas sung von Liegenschaften des Bundes ist ebenso wichtig.

Ich wünsche mir, dass alle weiterhin ihr Bestes geben, damit wir stolz sagen können: Baden-Württemberg ist ein reiches, weltoffenes und starkes Land. Gerade deshalb wird es seiner humanitären Verantwortung gerecht und bietet Menschen in Not Zuflucht und eine neue Heimat.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, ich hoffe, ich konnte noch einmal darlegen, dass sich Baden-Württemberg in einer hervorragen den Verfassung befindet, dass unser Land leistungsstark, le benswert und weltoffen ist, dass wir aber auch eine gute „so ziale Temperatur“ in diesem Land haben. Wir wollen, dass

dies auch in Zukunft so bleibt. Wir haben einen klaren Kurs. Er ist hart, aber wir arbeiten sach- und problemorientiert.

Wir packen auch solche Reformen an, die nicht ohne harte Auseinandersetzungen umzusetzen sind. Wir suchen natürlich den Konsens, wo er möglich ist, indem wir Kompromisse ein gehen. Die Herausforderungen einer globalisierten Welt müs sen wir annehmen. Deswegen müssen wir auch fordern, aber wir achten auch darauf, dass niemand überfordert wird.

Streit gehört zur Demokratie; denn sie ist Ausdruck der Plu ralität in unserer Gesellschaft. Aber die Bürgerinnen und Bür ger können sich darauf verlassen, dass ich dabei auch ganz persönlich immer auf den Zusammenhalt unseres Landes ach ten werde. Ich denke, dass wir gemeinsam die Substanz un seres Landes weiter mehren können.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei den Grünen und der SPD – Glocke der Präsidentin)

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Nachfrage des Herrn Abg. Dr. Kern?

Herr Ministerpräsident, vie len Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Ich habe bis zum Schluss gewartet, ob Sie die Frage, die mein Fraktionsvorsit zender an Sie gerichtet hat, beantworten. Sie haben es bis jetzt nicht getan. Deshalb wiederhole ich nun diese Frage: Wie se hen Sie die Äußerungen der Opferanwälte? Wie stehen Sie zur Causa Sckerl?

(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD)

Sie sollten all mählich mitbekommen haben: Das sind autochthone Fragen des Parlaments bzw. seiner Fraktionen, und in diese mische ich mich aus Respekt vor der ersten Gewalt grundsätzlich nicht ein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Der Ministerpräsi dent hat kein Wort zur Justiz verloren! Schade! Eine bemerkenswerte Rede! Die Justiz wurde mit keinem Wort erwähnt! – Gegenruf von der SPD: Meister Pro per!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach § 82 Absatz 4 der Geschäftsordnung hat nun Herr Abg. Hauk das Wort.

(Abg. Walter Heiler SPD: Es ist alles gesagt!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Es lässt schon einen gewissen Rück schluss auf den inneren Zustand dieser Koalition zu, dass der Ministerpräsident jetzt noch einmal Streicheleinheiten und öf fentlich Lob und Anerkennung für zahlreiche seiner Ministe rinnen und Minister und für diese Koalition verteilt.

(Minister Franz Untersteller: Sie hätten gern welche! – Zurufe von der SPD – Unruhe – Glocke der Präsi dentin)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat Herr Abg. Hauk.

Es ist schon interessant, wen er al les nicht erwähnt hat. Das kann man nachher im Protokoll nachlesen. Herr Stickelberger wird z. B. nicht erwähnt, Herr Friedrich wird auch nicht erwähnt.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Nicht da!)

Es gibt noch einige weitere.

(Minister Franz Untersteller: Wer hat denn Ihnen in den letzten Tagen Streicheleinheiten erteilt?)

Der Zustand dieser Koalition bemisst sich offensichtlich auch an diesem Haushalt.

Sie haben, Herr Ministerpräsident, ein tolles Eingangsstate ment gehalten. Sie erwähnten, dass Baden-Württemberg eine niedrige Arbeitslosigkeit hat, die höchsten Forschungs- und Entwicklungsausgaben, die meisten Innovationen und Paten te, die höchsten Auslandsinvestitionen, die geringste Armut.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ehrenämter!)

All dies trifft auf Baden-Württemberg zu.

(Zuruf von den Grünen: Die schlechteste Oppositi on!)

All dies stimmt – trotz Grün-Rot. Denn diese Fakten gab es auch schon Anfang des Jahres 2011.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Man kann nur sagen: Gott sei Dank ist das Land so stabil und sind die 60 Jahre politischer Arbeit unter CDU-geführten Re gierungen so zielführend gewesen, dass auch drei Jahre grünroter Regierung das Land nicht zugrunde richten können. An sonsten wäre dies schon der Fall.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Sie sagen zu Recht, Baden-Württemberg sei leistungsstark. Das stimmt. Sie nennen unsere leistungsstarken Kommunen als starke Säule. Sie nennen die leistungsstarken Bürger in un serem Land mit ihrem hohen ehrenamtlichen Engagement. Jetzt behaupten Sie doch nicht, all das sei auf Ihrem Mist ge wachsen. Das sind doch die sogenannten Erblasten, die Sie 2011 angetroffen haben. Das ist doch eine Tatsache.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Sie haben leistungsfähige Bürgerinnen und Bürger angetrof fen, aber Sie treten deren Willen, wann immer es geht, mit Fü ßen.

(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD)

Denn immer dann, wenn Bürgerwille zum Ausdruck gebracht wird – schauen Sie sich doch einmal die Volksabstimmungen und Bürgerentscheide der Vergangenheit an –, wird gerade nicht das gemacht, wofür sich die Bürger entscheiden.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Welche Volksabstimmungen meinen Sie denn?)

Aber man hat eine Pro-forma-Bürgerbeteiligung durchgeführt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wo denn?)

Sie rücken von Ihren Konzepten überhaupt nicht ab. Das ist doch eine der Tatsachen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie sagen, es gebe Wachstum trotz Demografie, dann stimme ich Ihnen zu. Das liegt an der guten Substanz. Und wenn Sie sagen, die Bil dungschancen seien ungleich verteilt, dann frage ich mich, ob es die neue Art der Politik ist, dass man die Anforderungen im Schulsystem so weit zurücknimmt, dass sich Eltern wünschen, dass ihre Kinder Privatschulen besuchen. Allein im letzten Jahr verzeichneten wir an den Privatschulen einen Zuwachs um 6 %. Damit das nicht unklar wird: Wir schätzen die Arbeit der Privatschulen; sie leisten eine tolle Arbeit. Aber: Sie trei ben Eltern, die ihren Kindern gute Bildungschancen eröffnen wollen, doch hinaus aus dem staatlichen Schulsystem, hinein in private Schulen. Das ist die Politik dieser Regierung. Das hat mit Gemeinsamkeit nichts zu tun, das hat auch mit glei chen Bildungschancen nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU)