Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren – Entwicklung der Landeskran kenhausbauförderung seit dem Jahr 2010 – Drucksa che 15/5099
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen sowie für die Rednerinnen und Redner in der zweiten Runde gilt jeweils ei ne Redezeit von fünf Minuten. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Schließlich darf ich auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.
Herzlichen Dank. – Frau Prä sidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie sieht die Zukunft der kommunalen Krankenhäuser aus? Gibt es diese Zukunft überhaupt, und was müssen wir tun? Wir sind sozu sagen am Ende der Legislaturperiode bzw. im letzten Jahr der Legislaturperiode.
Es ist an der Zeit und es bietet sich nun auch die Gelegenheit, eine Zwischenbilanz dessen zu ziehen, was wir mit der grünroten Landesregierung bisher erreicht haben, wenn es darum ging, den großen Investitionsstau bei den Krankenhäusern ab zubauen. Wir haben einen riesigen Investitionsstau vorgefun den – insgesamt 1,2 Milliarden € – und haben mit einer gro ßen finanziellen Anstrengung insgesamt 35 % mehr Mittel in den Haushalt eingestellt, um den Investitionsstau abzubauen. Wir haben den Investitionsstau mehr als halbiert und haben auf diese Weise erreicht, dass wir bereits geplante Projekte zeitnah umsetzen können. Das ist ein großer Fortschritt.
Dennoch bleibt das Defizit bei den Krankenhäusern nach wie vor bestehen. Das hat sich am letzten Freitag noch einmal sehr deutlich gezeigt, als der Landkreistag und ver.di in einer ganz neuen Allianz eine gemeinsame große Veranstaltung genau zu dieser Frage durchgeführt haben: Wie sieht die Zukunft der kommunalen Krankenhäuser aus? Eines ist dabei ganz beson ders deutlich geworden: Es gibt nicht nur die strukturellen De fizite in den Krankenhäusern, sondern es gibt vor allem das große Problem der übergroßen Belastung beim Personal.
Bei dieser Tagung – sie hat leider zeitgleich mit der Sitzung der Pflegeenquete stattgefunden, sodass von uns Sozialpoliti kern nicht sehr viele an der Tagung teilnehmen konnten – ist
deutlich geworden, dass mit den Protesten, die das Thema Pflege zunehmend in die Öffentlichkeit bringen, mit den Ak tionen – „Pflege liegt am Boden“ – ein großer Hilferuf zum Ausdruck gebracht wird. Wir müssen uns darum kümmern, dass Pflege deutlich besser ausgestattet wird – dass sie nicht nur finanziell besser ausgestattet wird, sondern dass auch die Arbeitszeiten anders gestaltet werden.
Wir wollen in der Pflegeenquete Antworten zu der Frage er arbeiten, wie die Pflege in den Krankenhäusern insgesamt ent sprechend unseren Vorstellungen gestaltet werden kann. Denn wir wissen mittlerweile längst – es gibt hierzu aussagekräfti ge Studien – um den engen Zusammenhang zwischen guter Pflege und dem Prozess des Gesundwerdens oder auch der Mortalitätsrate. Jeder, der einmal richtig krank war, weiß, wie wichtig Zuwendung als Bestandteil der Pflege ist. Die Pflege kräfte haben jedoch immer häufiger keine Zeit mehr für Zu wendung. Das führt nicht nur zu einem Ausgebranntsein, son dern es führt auch dazu, dass sie überaus unzufrieden sind und zunehmend dem Beruf den Rücken kehren.
Was ist zu tun? Die Große Koalition in Berlin hat eine BundLänder-Arbeitsgruppe ins Leben gerufen und gesagt: „Wir kümmern uns einmal um die Krankenhausfinanzierung insge samt in Deutschland.“ Man hat mit dieser Allianz, den Bund sowie die rot oder schwarz geführten Länder an einen Tisch zu bringen, natürlich einen richtig guten Coup gelandet, weil man dadurch die Diskussion insgesamt auf breite Füße ge stellt hat.
Diese Idee ist gut. Denn Gesundheitspolitik kann nur funkti onieren, Reformen können nur auf den Weg gebracht werden, wenn dies mit einer großen Allianz untermauert wird. Daher ist die Frage, die dort gestellt worden ist – „Wie können wir Krankenhausfinanzierung auf breite Füße stellen?“ – erst ein mal eine gute Frage.
Bei den Eckpunkten, die jetzt vorgestellt und auch verabschie det worden sind, ist deutlich geworden, dass die Länder – das begrüßen wir ausdrücklich – in der Krankenhausplanung in ihrer Gestaltungshoheit gestärkt werden. Es soll auch deutlich mehr Gewicht z. B. auf Qualität und Qualitätssicherung ge legt werden. Dies wiederum wirft die große Frage auf: Was ist denn Qualität? Wie messen wir Qualität bei den Kranken hausleistungen? Darüber wird es mit Sicherheit eine große Diskussion geben. Ich bin mir nicht so sicher, dass dabei wirk lich etwas richtig Gutes herauskommt und bei diesem sehr komplexen und kontroversen Sachverhalt nicht nur große Worte verwendet werden.
Ich finde, dass es z. B. wichtiger wäre, zu überprüfen: Wie ist das Entlassmanagement in den Kliniken? Wie ist die An schlussbehandlung? Wie sind der ambulante und der stationä re Bereich vernetzt? Wie ist z. B. auch das Zusammenwirken von Akutversorgung und Reha? Das wäre ein Punkt, der mir bei den Qualitätskriterien sehr wichtig ist.
Das Eckpunktepapier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll insgesamt die Finanzierung auf neue Füße stellen. Das ist mei ner Meinung nach auch überaus notwendig, gerade wenn es darum geht, die besonders prekäre Situation beim Personal neu zu justieren.
Vor zehn Jahren wurden die DRGs – die Fallpauschalen – ein geführt. Bei den DRGs bestand von vornherein eine Unterfi
nanzierung, weil man auf diese Weise erreichen wollte, dass sich die Krankenhauslandschaft sozusagen selbst in eine an dere Form „zurechtruckelt“. Das war an sich keine schlechte Idee, aber die Zusammensetzung der DRGs ist – das stellt sich jetzt, nach zehn Jahren, heraus – einem falschen Ansatz ge folgt. Schon damals ist klar gewesen, dass die Personalkosten nicht entsprechend abgebildet sein würden. Das muss sich auf jeden Fall deutlich verändern.
Die Tatsache, dass die Personalförderung ein großes Thema ist, hat auch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe erkannt. Sie set zen jetzt ein Programm zur zusätzlichen Personalstellenför derung im Umfang von 660 Millionen € auf, ziehen das aber über drei Jahre. Dann bleibt dabei nicht wirklich viel übrig. Wenn man die Mittel herunterrechnet, erkennt man, dass es eine zusätzliche Stelle pro 130 Beschäftigten im ersten Jahr ist, eine Stelle pro 65 Beschäftigten im zweiten Jahr und eine Stelle pro 43 Beschäftigten im dritten Jahr. Das ist keine mess bare Entlastung. Das ist wirklich ein Tropfen auf den heißen Stein. Da muss sich deutlich etwas ändern.
Es muss sich auch deswegen etwas ändern, weil sich natür lich die Zusammensetzung der Gesamtheit der Patienten in den Krankenhäusern völlig verändert. Zunehmend haben Menschen mehrere Erkrankungen – „Multimorbidität“ nennt man das –, und zunehmend leiden viele der kranken Menschen auch an Demenz. Das heißt, der Personaleinsatz und das Be treuungserfordernis für Patienten im Krankenhaus ist jetzt viel intensiver als in den letzten Jahren.
Das heißt, wir müssen viel schneller handeln, als dies die Bun desregierung plant. Die Bundesregierung will erst bis zum En de des Jahres 2017 klären, ob man überhaupt zusätzliches Per sonal an den Krankenhäusern braucht. Das reicht uns nicht. Wir wollen auf jeden Fall deutlich schneller zu Ergebnissen kommen. Mit einem Bundesratsantrag haben wir einen ersten Aufschlag gemacht. Wir wollen das Thema Mindestpersonal bemessung erneut auf die Tagesordnung setzen und kämpfen dafür, dass es im Bundesrat die entsprechenden Mehrheiten gibt, wenn das Bund-Länder-Eckpunktepapier zu einem Ge setz wird.
Wir wollen – das ist jetzt mein letzter Punkt – in Baden-Würt temberg gestalten, wir wollen es nicht von den Zufälligkeiten abhängig machen und es nicht den Mitteln des Marktes über lassen. Vielmehr wollen wir die Zukunft der Krankenhauspla nung in die eigenen Hände nehmen, indem wir inhaltliche Kri terien auf den Weg bringen, Strukturen entwickeln. Wir wol len nicht nur eine Krankenhausplanung auf den Weg bringen, sondern sozusagen eine ganzheitliche Gesundheitsplanung machen. Die soll darin gipfeln, dass wir eine Versorgung auf den Weg bringen, die Krankenhäuser als ganz zentrales Ele ment beinhaltet. Wir wollen aber eben darüber hinaus auch die Sektorengrenzen überwinden, indem wir den ambulanten und den stationären Bereich miteinander vernetzen. Zudem wollen wir es hinbekommen, dass die nicht medizinischen Be rufe im Gesundheitswesen eine deutlich stärkere Rolle erhal ten, als es bisher der Fall war.
Das Ziel ist eine qualitativ gute Versorgung für die Menschen im Land, gerade auch im ländlichen Raum. Das wollen wir als Modellprojekt bald auf den Weg bringen; dafür haben wir auch Gelder im Haushalt bereitgestellt, um möglichst schnell Ergebnisse zu erhalten und mit einer qualitativ guten Weiter entwicklung der Krankenhausplanung starten zu können, um die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Baden-Württem berg zu sichern.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, ge ehrte Kolleginnen und Kollegen! Die kommunalen Kranken häuser im Land Baden-Württemberg sind zentraler Bestand teil der medizinischen Versorgung im Land und leisten einen unverzichtbaren Beitrag in Baden-Württemberg. Die Beschäf tigten in den Krankenhäusern engagieren sich täglich rund um die Uhr für eine qualitativ hochwertige Versorgung der Pati enten. Auch die CDU-Landtagsfraktion sagt ein herzliches Dankeschön für diese Arbeit.
In der Tat, meine sehr verehrten Damen und Herren – das wur de auch beim Kongress in Leinfelden-Echterdingen deutlich –: Qualität hat ihren Preis. Aus diesem Grund hat sich die CDULandtagsfraktion seit Jahrzehnten für die duale Finanzierung im Land Baden-Württemberg ausgesprochen; sie steht zur du alen Finanzierung im Land.
Wir haben uns auch in Berlin für die Fortsetzung des Versor gungszuschlags ausgesprochen. Dieser zweistellige Millio nenbetrag dient zur Refinanzierung der Betriebskosten der Kliniken im Land. Wir fordern neben der Finanzierung eine in die Zukunft gerichtete Planung, die auf dem Kriterium der Erreichbarkeit, aber auch auf Qualitätskriterien beruht. Vor diesem Hintergrund haben wir die Qualitätsoffensive und die Eckpunkte der Bund-Länder-Kommission zur Fortsetzung der Klinikreform mitgetragen.
Eine zukunftsorientierte Krankenhausplanung umfasst aus un serer Sicht drei große Handlungsschwerpunkte. Erstens: Es müssen ausreichende Behandlungskapazitäten zur Verfügung gestellt sein. Eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit von ambulanter und stationärer Behandlung muss auch im Land Baden-Württemberg stärker betont werden. Zweitens: Eine gute Erreichbarkeit – dies gilt vor allem im Flächenland Ba den-Württemberg – muss gewährleistet sein. Drittens: Die Strukturqualität muss bei allen Planungsentscheidungen im Mittelpunkt stehen.
Der Dreiklang aus wohnortnaher Grundversorgung, speziali sierten Kliniken und Unikliniken wurde auch beim Kranken hauskongress in Leinfelden-Echterdingen so unterstrichen.
Von 2000 bis 2013 verringerte sich die Zahl der Krankenhäu ser in Baden-Württemberg von 317 auf 272. Die Zahl der Bet ten sank im gleichen Zeitraum von über 64 000 auf rund
Sehr geehrte Damen und Herren, trotz erkennbarer Anstren gungen der Landesregierung im Bereich der Investitionskos tenförderung müssen weitere wichtige Schritte unternommen werden. Die Aufstockung der Mittel für die Investitionskos tenförderung begrüßen wir. Sie ist jedoch hauptsächlich durch die Umschichtung von KIF-Mitteln entstanden. Die einzige Ausnahme: Die mit dem Vierten Nachtrag 2011 zusätzlich zur Verfügung gestellten 50 Millionen € waren reine Landesmit tel.
Auch das Wahlversprechen der SPD bezüglich einer Verdopp lung der Förderung ist bis zum heutigen Tag noch nicht ein gelöst.
Viertens: Wir begrüßen das vom Bund eingeführte Pflegestel lenprogramm. In der Tat: Die 660 Millionen € sind der erste Schritt – es wurde auch beim Kongress betont, dass dies der erste Schritt sei –; weitere Schritte müssen hier auch vom Bund folgen.
Die Krankenhausstruktur war auch bei der Reorganisation der Notfallbezirke eine wichtige Stütze im Land; das hat auch der Vorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausge sellschaft, Herr Reumann, unterstrichen.
Von zentraler Bedeutung ist auch für uns, die CDU-Landtags fraktion, dass neue, innovative Formen der medizinischen Grundversorgung in den Fokus der Landesregierung gerückt werden. Die Telemedizin beispielsweise wird in Expertenkrei sen als ein wichtiger Pfeiler der Gesundheitsversorgung in der Zukunft gesehen. In Nordrhein-Westfalen wird die Telemedi zin, auch mit Mitteln der Europäischen Union, mit über 25 Millionen € gefördert. In Baden-Württemberg sind es ge rade einmal 4 Millionen €; dabei haben wir die komplette In dustrie im Land, die dieses Thema mit unterstützt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Menschen in Baden-Württemberg müssen sich auch in Zukunft auf eine hochwertige Versorgung im Krankenhaus verlassen können. Hierzu muss das Land die Rahmenbedingungen so gestalten, dass eine gut erreichbare, qualitativ hochwertige Kranken hausversorgung sichergestellt wird.