Protokoll der Sitzung vom 16.09.2011

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sprechen von Planfeststellungen, die noch nicht durchgeführt sind. Ich ha be noch kein Projekt gesehen, bei dem am Anfang bereits al le Bauabschnitte planfestgestellt sind. Es gibt eine genehmi gungsfähige Planung für alle noch fehlenden Abschnitte. Die Gesamtkonzeption ist bereits in fünf Planfeststellungsbeschlüs sen bestätigt worden.

In Ihrer Begründung wird „eine überwiegende Wahrschein lichkeit“ für Kostensteigerungen angeführt. Herr Minister Hermann, hierfür gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ha, ha, ha! – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Gar nicht!)

Für 25 % der Bausumme sind die Vergaben bereits abge schlossen, und bei diesen wird der Kostenrahmen eingehal ten. Woher nehmen Sie die Annahme einer „überwiegenden Wahrscheinlichkeit“ von Kostensteigerungen? Sie sprechen nicht einmal von einer Tatsache. Schon allein die Wahrschein lichkeit betrachten Sie, wie Sie vorhin sagten, als Wegfall der Geschäftsgrundlage, weil der Kostenrahmen ausgeweitet wer den müsse. Sie selbst sagen aber, das sei gar nicht eingetre ten, das sei vielleicht nur wahrscheinlich. Woher nehmen Sie den Anspruch hierfür?

(Zuruf von den Grünen: Von der Bahn!)

Jeder der von Ihnen ausgeführten Gründe ist eine Verdrehung der Tatsachen. Aber ich werde darauf im Einzelnen nicht mehr eingehen; es wurde alles schon mehrfach, auch hier, gesagt. Wie oft haben wir hier Debatten über Stuttgart 21 geführt! Das alles bringt am Ende nichts, weil Sie nicht die Wahrheit hö ren wollen oder auch nicht hören können.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Nach diesem Motto leben Sie, Herr Minister Hermann.

(Zuruf von den Grünen)

Aber leider betreiben Sie nach diesem Motto auch verantwort liche Regierungspolitik. Das ist das Tragische an der Sache. Ihre Politik beruht nur auf Unterstellungen und Wahrschein lichkeiten, auf „eventuell“ und „vielleicht“. Die Fakten inte ressieren Sie nicht.

Vor allem aber: Mit dem Gesetzentwurf und der daraus resul tierenden Volksabstimmung wollen Sie die Menschen in die Irre führen. Für die Bevölkerung ist nicht zu erkennen – je denfalls nicht auf den ersten Blick; ich habe es schon vorhin erwähnt –, worüber sie am Ende eigentlich abstimmt. Wie bei der Landtagswahl halten Sie auch jetzt den Glauben aufrecht, dass der Bürger bei der Volksabstimmung für oder gegen Stuttgart 21 stimmen könnte.

Dass die Menschen in Wahrheit aber lediglich darüber abstim men, ob das Land vertragsbrüchig werden soll oder nicht, das verschweigen Sie. Sie erklären den Menschen nicht, dass sie bei der Volksabstimmung als Befürworter mit Nein, als Geg ner mit Ja stimmen müssen. Sie erklären es nicht, aber wir werden es erklären – gemeinsam mit allen Befürwortern, ge meinsam mit denen, die dieses Projekt wollen, weil sie für Fortschritt und Innovation, für Mobilität in Baden-Württem berg im 21. Jahrhundert stehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich will mich in dieser Frage ausdrücklich auch bei den Sozi aldemokraten bedanken. Der Konflikt – deshalb verstehe ich auch die Unmutsäußerungen seitens der Grünen nicht – war doch mit dem Koalitionsvertrag programmiert. Es war doch klar, dass sich bei einer Volksabstimmung sowohl die Befür worter als auch die Gegner positionieren würden. Was heulen Sie denn herum? Auch Sie schließen doch Koalitionen mit an deren auf der Gegnerseite. Deshalb gibt es überhaupt keinen Grund, der dagegen spräche, dass demokratische Parteien, die sich in einer Frage einig sind, auch miteinander – gerade in einer singulären Angelegenheit wie der Volksabstimmung – einen Abstimmungskampf für die bessere Idee führen. Das ist doch nur natürlich. Die Krokodilstränen, die Sie, Frau Sitz mann, vergießen, und die Machtworte, die der Ministerpräsi dent zu sprechen versucht, sind gänzlich unverständlich.

Meine Damen und Herren, wir haben uns entschieden: Nach all den Dreistigkeiten, die sich die Regierung in den letzten Wochen geleistet hat und die zeigen, wie Sie mit den Men schen in diesem Land umgehen, und nachdem endlich klar ist, dass es den Grünen in der Regierung nicht darauf ankommt, die Menschen mitzunehmen, sondern dass sie sie dazu benut zen wollen, ihre Koalitionsprobleme mit der SPD zu lösen, steht für uns fest: Die Antwort auf dieses Verhalten kann am

Ende kein Richter geben. Kein Richter kann ein Urteil fällen, das den Unmut, das Ungerechtigkeitsgefühl, das in der Be völkerung herrscht, aufwiegen würde und das bei S 21 zu ei ner echten Befriedung im Land beitragen würde. Sie würden auch dieses Urteil hinterfragen und angreifen, Sie würden die Gerichtsbarkeit im Land infrage stellen, und Sie würden wei ter und weiter gegen dieses Projekt kämpfen.

(Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Deshalb sind wir nach langer Abwägung zu einer klaren Ent scheidung gekommen, nämlich zu der, dass für Stuttgart 21 und auch als Antwort auf Ihr Verhalten und auf das Ihrer Re gierung, Herr Ministerpräsident, nicht die Justiz eine Entschei dung treffen kann, sondern nur die für Sie notwendige und hoffentlich dann auch von Ihnen endlich akzeptierte Autori tät in diesem Land: Die Entscheidung werden die Menschen in Baden-Württemberg treffen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Sie ignorieren Verträge, Sie ignorieren Gesetze, und deshalb werden jetzt die Menschen entscheiden. Die Mehrheit hier in diesem Land – das hat schon die Landtagswahl bestätigt, bei der jedem klar war, wer wofür steht – wird für Stuttgart 21 stehen.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: 29 % Grüne!)

Sie ignorieren auch Umfragewerte, die zwischenzeitlich mehr als eindeutig sind.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: 29 % Grüne!)

Die CDU in Baden-Württemberg ist die einzige verbliebene Volkspartei.

(Unruhe bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP – Lachen bei den Grünen)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch Wahlergeb nisse lassen sich nicht ignorieren.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Wir sind die einzige verbliebene Volkspartei. Ich sage Ihnen auch: Wir hören auf die Menschen; wir vertrauen den Men schen, und wir werden die Menschen auch mitnehmen. Wir haben den Menschen zugehört, und sie sagen: Es gibt auch noch ein paar andere Aufgaben zu lösen als Stuttgart 21.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Richtig!)

Merken Sie nicht, obwohl Sie doch angeblich so genau zuhö ren, dass die Menschen von der Diskussion um S 21 eigent lich die Nase voll haben

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Und wollen, dass ge baut wird!)

und wollen, dass endlich gebaut wird?

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Es gibt noch wichtigere Aufgaben, wie die Weiterentwicklung der Bildungspolitik, den Vollzug der Energiewende, die nach

haltige Haushaltskonsolidierung, zahlreiche Herausforderun gen im Bereich der Infrastruktur.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Alles Ihre Ver säumnisse! Machen wir! Keine Sorge! – Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Auch deshalb wollen wir mit der Volksabstimmung diesen Konflikt um S 21 im Interesse der Fortsetzung dieses Projekts schnell beenden.

(Beifall bei der CDU)

Die Menschen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wol len nach viermonatiger Untätigkeit dieser Regierung endlich Taten sehen.

(Unruhe bei den Grünen)

Warum handeln Sie nicht, Herr Ministerpräsident? Wovor ha ben Sie Angst?

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Vor Ih nen! – Heiterkeit – Gegenruf des Abg. Klaus Herr mann CDU: Das ist richtig!)

Offensichtlich. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen sehen, ob die Regierung tatsächlich am Ende auch auf das Volk hört.

Wir sind uns in unserer Fraktion einig: Wir wollen Stutt gart 21, die Menschen in diesem Land wollen es, und wir wol len jetzt endlich ein Ende dieser Diskussion. Aus diesem Grund gibt es für uns nur eine Folge: Wir gehen mit in die Volksabstimmung, auch wenn sie mit fragwürdigen Metho den zustande kommt. Wir werden den Menschen transparent vor Augen führen, was vor allem die Grünen im Schilde füh ren. Unser Anliegen ist es, den Menschen das wahre Gesicht der Grünen in der Regierung zu zeigen. Wir tun auch alles da für, um die Situation im Land zu befrieden. Zeigen Sie doch in einem Punkt den Respekt vor den Bürgerinnen und Bür gern in diesem Land, und beginnen Sie, die Fakten auf den Tisch zu legen.

Wir machen die Volksabstimmung möglich, aber wir verlan gen von Ihnen auch ein transparentes Verfahren auf dem Weg dorthin, nämlich ein Verfahren nach dem Vorbild der Schweiz. Wir verlangen eine neutrale und mit dem Landtag und seinen Fraktionen abgestimmte Informationsbroschüre über das Ge setz, die über die Volksabstimmung selbst aufklärt – über die genauen Regeln, den Gesetzestext, die exakte Fragestellung – und die die Folgen dieser Abstimmung klar aufführt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir verlangen, dass Sie den Menschen, wenn es um die Ab stimmung geht, auch die Zeit lassen, dieses Gesetz zu prüfen, die Zeit lassen, sich mit dem Abstimmungsverfahren zu be schäftigen. Wir verlangen auch, dass in eine mit dem Landtag einvernehmlich abgestimmte Broschüre auch Pro- und Kon traargumente aufgenommen werden.

Wir verlangen, dass Sie den Menschen sagen, worum es geht. Dann – davon bin ich überzeugt – werden die Menschen auch die richtige Entscheidung treffen: das Ja der Bürgerinnen und Bürger für mehr Innovation, für Fortschritt, für Mobilität, für

Zukunft in Baden-Württemberg, aber auch für Recht und Ge setz, für Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. Dieses Ja heißt bei der Volksabstimmung: Nein zur Kündigung, Nein zum Rechts bruch, Nein zur Verschwendung von Steuergeldern, Nein zum Stillstand in Baden-Württemberg, Nein zum Tricksen, Tarnen und Täuschen der Regierung.

(Zuruf von den Grünen)