Protokoll der Sitzung vom 05.02.2015

und die, weil sie auch Vorbereitungshandlungen machen müs sen, auch besonders beobachtet werden können, da sie ihre Verbrechen viel strategischer planen und begehen. Sie bege hen Verbrechen mit dem Ziel, unsere offene und demokrati sche Gesellschaft im Kern zu treffen.

Ernst-Wolfgang Böckenförde hat es einmal so formuliert:

Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Vorausset zungen, die er selbst nicht garantieren kann.

Das können wir deshalb nicht, weil unsere offene Gesellschaft genau diese freiheitlichen Angebote braucht.

(Zuruf von der CDU)

Aber wir können alles tun, um diesen Staat, um diese offene Gesellschaft zu schützen, und genau das machen wir.

Herr Kollege Blenke, Sie haben versucht, wie ein Milchmäd chen

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aha! – Abg. Dr. Fried rich Bullinger FDP/DVP: Keine Diskriminierung der Milchmädchen! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Frauenfeindlich!)

die elf im Jahr 2015 einzusparenden Stellen und die neun im Jahr 2016 einzusparenden Stellen den 15 Stellen, die jetzt neu geschaffen werden, gegenzurechnen. Jetzt muss ich Sie ein mal aufklären. Eine Verwaltung, auch der Verfassungsschutz, muss sich, um effektiv zu werden und zu bleiben, regelmäßig Organisationsuntersuchungen unterwerfen. Wenn diese Orga nisationsuntersuchungen ergeben, dass es inzwischen besse re Angebote im Bereich der Technik auf dem Markt gibt, die bestimmte einfachere Tätigkeiten überflüssig machen – etwa in der Registratur, in der Telefonabteilung, bei wirklich ein facheren Tätigkeiten –, wenn wir uns besser aufstellen, indem wir solche neue Technik verwenden und dadurch in einem ver nünftigen Ausmaß Stellen einsparen, die nichts mit Ermitt lungstätigkeit zu tun haben, die nichts mit einer Beobachtung des islamistischen Umfelds zu tun haben,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Herr Kollege, Sie re den über tägliche Selbstverständlichkeiten! – Gegen ruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

dann werden Organisationen schlagkräftiger, indem sie effek tiver aufgestellt sind, und nicht schlechter.

Das bedeutet: Diese Organisationsuntersuchung, die zum Er gebnis hatte, dass wir eine neue Technik einsetzen und im Ge genzug einfachere Stellen abbauen, führt dazu, dass wir einen effektiveren Apparat haben. Dann kommen diese 15 Neustel len beim Verfassungsschutz on top obendrauf, die den Kern aufgaben, nämlich der Beobachtung der Aktivitäten von Isla misten gerade auch im Netz und der Beobachtung der Bewe gungen dieser Personen dienen. Das ist ein Plus an Effektivi tät.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Dasselbe gilt auch für die Polizeibeamten. Ich muss Ihnen sa gen: Unsere Gesellschaft hat das Trennungsprinzip eingeführt, weil wir eben keine geheime Staatspolizei mehr haben, keine Gestapo, die nicht nur Nachforschungen betrieb, sondern auch polizeiliche Befugnisse hatte, weil wir keine Staatssicherheits behörde – Stasi – mehr haben,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

die in beiden Bereichen Befugnisse hatte. Wir haben heute ei nen Verfassungsschutz, und es gilt ein Trennungsgebot. Dies gibt uns einen strategischen Vorteil.

Heute wurde in der „Stuttgarter Zeitung“ das Land für sein Antiterrorpaket gelobt und der Bund dafür kritisiert, dass er

ein Gesetz erlassen will, das die Ausreise bestimmter Perso nenkreise in Krisengebiete strafbar machen soll.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wer regiert im Bund eigentlich?)

Aber jetzt kommt der Punkt: Dadurch, dass der Verfassungs schutz schon im Vorfeld aktiv werden kann, kann er Informa tionen über Personen sammeln, die ausreisen wollen, und in Erfahrung bringen, warum sie ausreisen wollen.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Wenn das möglich ist – und das kann eben nur der Verfas sungsschutz –, dann besteht auch die Handhabe, um Leute zu identifizieren, die mit dem Ziel ausreisen wollen, sich ausbil den zu lassen, um als Rückkehrer hier Straftaten zu begehen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Aha!)

Deswegen brauchen wir diese Verstärkung des Verfassungs schutzes, und genau das machen wir, um diese Schwierigkei ten, die wir hier haben, zu lösen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das Problem ist die Beobachtung bei der Rückkehr! Haben wir genug Personal, um die Rückkehrer zu beobachten?)

In diesem Sinn: Dieses Antiterrorpaket ist, wie es der Kolle ge Blenke gesagt hat, genau zur rechten Zeit gekommen. Da mit reagieren wir auf die neuen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Die Ausreise ist nicht das Problem! Die Rückkehr ist das Problem!)

Das Wort für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Kollegen Professor Dr. Goll.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Wir können uns freuen, in einem Land und in einer Zeit zu leben, in dem bzw. in der es so viele Frei heiten und Entfaltungsmöglichkeiten gibt wie vielleicht zu keiner anderen Zeit und in keinem anderen Land.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wir wissen natürlich auch, dass die Freiheiten nichts wert sind, wenn sie nicht geschützt werden, wenn man keinen Ge brauch davon machen kann, weil man vielleicht Angst hat. Es muss also genug für die Sicherheit getan werden. Das Bun desverfassungsgericht hat darauf hingewiesen, dass in der Ver fassung nicht nur die Grundrechte, die Freiheitsrechte stehen, sondern dass auch die Sicherheit Verfassungsrang hat.

Es ist natürlich schwierig, die richtige Balance zwischen Frei heit und Sicherheit zu finden. Diese Balance will immer wie der neu bestimmt sein. In einer Stufe darüber geht es darum, dieses System zu schützen gegen eine Aushöhlung von innen und gegen eine Aushöhlung von außen. Darum geht es bei uns aktuell. Wir müssen die richtige Balance finden, um unser ei genes westliches System angesichts der aktuellen Herausfor derungen wirksam zu schützen und zu verteidigen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wir haben den Eindruck, dass Sie aufs Ganze gesehen mit dieser Balance Schwierigkeiten haben, was die innere Sicherheit und den Schutz der Verfassung angeht.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wir haben den Eindruck, dass Sie deswegen Schwierigkeiten haben, die richtige Balance zu finden, weil Sie innerhalb Ih rer Koalition keine Balance bei diesem Thema haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Ja wohl!)

Hierfür gibt es aktuell ganz simple Hinweise. Vor wenigen Ta gen hat Abg. Salomon mir vorgeworfen, ich sei nicht grund sätzlich gegen die Vorratsdatenspeicherung. Zwei Tage zuvor hat jedoch der Innenminister eine neue Regel zur Vorratsda tenspeicherung gefordert.

Die Wahrheit ist übrigens, dass ich in der Vergangenheit ein mal einen maßvollen Vorschlag zur Vorratsdatenspeicherung gemacht habe, der wahrscheinlich heute noch im Gesetz stün de, wenn man ihn so hineingeschrieben hätte.

(Heiterkeit des Abg. Thomas Blenke CDU)

Allerdings hat man eine zu weitgehende Regelung hineinge schrieben. Das zeigt, dass man immer die richtige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit finden muss.

Jetzt legen Sie ein Konzept vor. Insofern wollen wir nicht sa gen, dass nichts passiert; denn das wäre unfair. Man darf aber feststellen, dass wir den Eindruck haben, dass Sie das Prob lem der Bildung islamistischer Zirkel in Baden-Württemberg lange Zeit unterschätzt haben. Warum haben Sie denn ein hal bes Dutzend Vorschläge von uns abgelehnt, nicht nur Rechts extremismus zu untersuchen, sondern auch politisch motivier ten Extremismus, vor allem Salafismus?

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört!)

Sie haben unsere Vorschläge abgelehnt, weil Sie die Gefahr nicht gesehen bzw. unterschätzt haben. Diesen Vorwurf müs sen Sie sich gefallen lassen.

Jetzt haben Sie ein Konzept vorgelegt, das wir uns genau an schauen werden. Dazu steht schon einiges in der Zeitung. Da nach bekommt das Landeskriminalamt mehr Personal, aber auch noch mehr Aufgaben. Insgesamt wird sich die Aufga benerfüllung beim Landeskriminalamt natürlich nicht gerade besser darstellen.

Es fällt auch auf, dass Sie zwar etwas tun, aber weniger tun als andere Länder. Auch das will festgehalten sein.

Vor allem fällt auf, dass der Verfassungsschutz auf der Stelle tritt. Für den Verfassungsschutz tun Sie nichts. Sie schaffen zwar neue Stellen. Es ist aber zu Recht darauf hingewiesen worden, dass noch mehr Stellen wegfallen werden, sodass un ter dem Strich

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Minus fünf!)

trotz all Ihrer kreativen Rechenkünste, lieber Herr Sakellariou, der Verfassungsschutz weniger Personal hat als zuvor. Das gibt natürlich schon zu denken.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Mehr Ermittler! – Gegenruf des Abg. Karl Zimmermann CDU: Weni ger!)

Nein, unter dem Strich wird der Verfassungsschutz weniger Personal haben.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ein Hausmeister nützt uns nichts gegen Salafismus, Herr Kollege! – Gegen ruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Der Ermittler kann jetzt alles selbst machen!)