Deswegen: Verkürzen Sie die Debatte nicht auf einen Satz, und versuchen Sie nicht, die CDU so darzustellen, als ob wir intolerant wären, als ob wir Feindbilder gegenüber Muslimen pflegen würden, als ob wir eine Partei wären, die nicht in der Mitte der Gesellschaft stehen würde. Wenn Sie so vorgehen, verkürzen Sie etwas, was dem Anliegen aller Menschen in Ba den-Württemberg und auch der Muslime nicht gerecht wird.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Mein Nachbar und seine Familie stammen aus dem Iran. Er ist übrigens ein begnadeter Informatiker, der von der Uni Stuttgart zum Dürr gewechselt hat. Wenn wir Nachbarschaftstreffen und Nachbarschaftsfestle machen, dann ist er ganz selbstverständlich mit seiner Familie dabei.
Als unsere Kinder noch kleiner waren – Kindergarten und Grundschule – und wir die Kindergeburtstage organisiert ha ben, sind selbstverständlich die türkischen oder die Schul freunde aus Bosnien eingeladen worden,
und meine legendären Hackfleischküchle wurden dann halt nicht mit gemischtem Hackfleisch, sondern mit Rinderhack gefertigt.
(Beifall des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP – Abg. Peter Hauk CDU: Ist auch gesünder! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Solange es nicht jeder essen muss, geht es ja!)
Das ist überhaupt kein Problem. Wenn der Moscheeverein in Kornwestheim seine Veranstaltungen macht und seine Feste organisiert, dann ist das ein Ort der Begegnung von allen. Die pflegen ein wunderbares Miteinander. Die Frauen im Mo scheeverein und die Frauen der evangelischen Kirchenge meinde veranstalten gemeinsame Frühstücke, die waren ge meinsam in Istanbul, die waren gemeinsam in Rom.
Das zeigt, dass das, was in dieser Formel „Der Islam gehört zu Deutschland“ zum Ausdruck gebracht wird, ein Stück Nor malität ist, dass Christen und Moslems normal miteinander umgehen, gemeinsam feiern, gemeinsam arbeiten, gemein sam im Verein unterwegs sind und wir gerade in Baden-Würt temberg die Situation haben,
dass wir ein völlig entspanntes, entkrampftes Verhältnis mit einander haben. Das wird durch diese Formel doch wunder bar zum Ausdruck gebracht.
Frau Merkel – so unterstelle ich es einmal, interpretiere ich es einmal – wollte ebendiese Normalität, diese Selbstverständ lichkeit zum Ausdruck bringen, dass natürlich nicht nur die Moslems als Nachbarn oder als Schulfreunde oder als Arbeits kollegen respektiert und mitgenommen werden, sondern dass natürlich auch ihr Glaube respektiert und mitgenommen wird.
Das bringt das doch zum Ausdruck. Sonst könnte man ja sa gen: Sie hat nicht bewusst gesagt, die Moslems gehörten zu Deutschland, sondern der Islam gehöre zu Deutschland. Des halb bin ich erstaunt, weshalb Sie sich so schwertun.
Ich muss sagen: Ich bin wirklich erschrocken, als der sächsi sche Ministerpräsident dezidiert gesagt hat: „Der Islam gehört nicht zu Sachsen“ und dass Ihr Fraktionsvorsitzender im Bun destag, Herr Kauder, gesagt hat, er teile die Einschätzung der Frau Merkel nicht und sei gar nicht glücklich, dass sie so et was gesagt hat. Deshalb muss ich Sie schon einmal fragen, Herr Wolf: Stehen Sie jetzt zu Kauder, oder stehen Sie zu Frau Merkel?
Unterstützen Sie jetzt die Aussage von Frau Merkel, ja oder nein? Aber nicht mit langen Interpretationen wie Kollege La sotta, der gesagt hat: „Sie müssen ganz – –“ und viel integ riert, und dann sagt er doch nicht, wo er steht.
Die Debatte ist ungemein wichtig. Ich sage Ihnen, warum: Weil eine Umfrage uns alle erschrecken muss. Wenn man die Menschen – auch in Baden-Württemberg – fragt, ob sie sich vor dem Islam fürchten oder nicht, dann finden Sie eine Mehr heit, die sagt: Ja. Deshalb findet diese Debatte nicht abstrakt
im luftleeren Raum statt, sondern wirkt meinungsbildend. Vor dem Islam hat sich niemand zu fürchten. Das ist die Botschaft. Der Islam gehört zu uns, und vor dem Islam hat sich niemand zu fürchten.
Jetzt haben Sie zu Recht unterschieden – davon hatten wir es in der ersten Debatte heute Morgen gehabt –: Das, was wir dem Islamismus oder den Salafisten zuordnen, ist ein Merk mal, das ich weder in der Nachbarschaft noch im Moschee verein in Ludwigsburg oder in Kornwestheim erlebe. Das ist das: Wer den Islam mit Nicht-Toleranz lebt, wer sagt: „Nur mein Islam wird respektiert“, gehört nicht hierher. Der gehört nicht hierher, der gehört nicht zu unserem Verständnis von Zu sammenleben. Das deckt sich auch nicht mit dem Grundge setz; denn die Religionsfreiheit, die das Grundgesetz garan tiert, ist untrennbar verbunden mit der Toleranz gegenüber an deren religiösen Auffassungen. Da gibt es keinen Alleinver tretungsanspruch, von niemandem.
Da muss man sich natürlich hart abgrenzen, und da muss man widersprechen. Da, wo es kriminell wird, muss es bekämpft werden, und zwar mit aller Entschiedenheit. Da gibt es über haupt keine Abstriche; da sind wir uns einig.
Aber was wir schon wissen wollen – auch von Ihnen, Herr Kollege Wolf –, ist: Stehen Sie hinter dem, was Frau Merkel richtigerweise gesagt hat? Das hat sie nicht nur als Person ge sagt, sondern das hat sie auch als Bundeskanzlerin gesagt, al so auch für die Bundesregierung, die wir ja in Berlin gemein sam tragen. Stehen Sie hinter dem Satz von Frau Merkel, oder stehen Sie hinter der Bemerkung von Herrn Kauder, der ge sagt hat, er sei nicht glücklich darüber und teile diese Ein schätzung nicht?
Es wäre ein schönes Signal heute vom Landtag von BadenWürttemberg, wenn der gesamte Landtag von Baden-Würt temberg sagen würde: Ja, wir stehen zu der Meinung, die Frau Merkel geäußert hat und die jetzt auf Antrag der Grünen auf Baden-Württemberg heruntergebrochen wird. Ja, wir stehen dazu; der Islam gehört auch zu Baden-Württemberg.
Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Den Grund für diese Aktuelle Debatte und für den Titel dieser Aktuellen Debatte kann ich bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen. Grüne und SPD haben jetzt entdeckt: Bei der CDU gibt es unterschiedliche Äußerungen. Die Bundeskanzlerin sagt: „Der Islam gehört zu Deutschland“, der sächsische Ministerpräsident sagt: „Der Is lam gehört nicht zu Sachsen.“ Da kann man jetzt den neu ge wählten Spitzenkandidaten der CDU vielleicht in Verlegen heit bringen, wenn man ihn auffordert, sich hier zu positionie ren.
Herr Kollege Schmiedel, es ist noch nicht lange her, da haben Sie dem Kollegen Hauk hier von diesem Rednerpult aus ins Stammbuch geschrieben, er möge es doch bitte unterlassen, derartige Themen parteipolitisch zu instrumentalisieren; denn am Ende – das habe man in den Neunzigerjahren festgestellt – profitierten von derlei Versuchen nur radikale politische Kräfte. Jetzt machen Sie dasselbe, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Wolf gang Drexler SPD: Was? – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Der Herr Schmiedel zündelt!)
Ja. – Meine Damen und Herren, diejenigen, die sich bei die ser Debatte problematisch positionieren, sitzen doch nicht in diesem Haus! Sie stehen an den Toren. Das sehen Sie, wenn Sie sich einmal an den Parteitag einer Partei erinnern, die er klärt hat, sie wolle hier hinein. Die hat sich zwei Tage nur mit sich selbst beschäftigt. Am ersten Tag haben sie sich gegen seitig beleidigt. Am zweiten Tag wurde dann gewählt. Es ist eine Kandidatin angetreten, die erklärt hat, die Zuwanderungs politik der Grünen sei Genozid, also Völkermord. Sie bekam dann für eine solche Positionierung noch 40 %. Das sind doch die Kräfte in diesem Land, die problematisch sind, mit denen man sich auseinandersetzen muss.
Diejenigen, die „Pegida“ auf den Weg bringen – man kann überhaupt nichts gegen die Menschen sagen, die Ängste ha ben – und sich dann in Hitlerpose ablichten lassen, sind doch die problematischen Kräfte in diesem Land, aber nicht die de mokratischen Parteien, die hier im Parlament sitzen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)
Es ist in der Tat so: Die Debatte lässt sich nicht auf einen pla kativen Satz reduzieren. Es ist auch gefährlich, die Debatte allzu platt zu führen. Das stellt man immer wieder fest, wenn man sieht, welche Ängste es in der Bevölkerung gibt.
Ich habe in der letzten Woche bei „Pro & Contra“ über die Frage des Burkaverbots diskutiert. Da gab es enorme Rück meldungen von Leuten, denen es eben nicht einleuchtet, wenn ich sage: Es macht keinen Sinn, die Burka zu verbieten; denn wenn sich eine Frau selbst entscheidet, eine Burka zu tragen, fällt das für mich unter Religionsfreiheit, weil mich persön lich das nicht behelligt. Ich lehne das ab, ich halte es für falsch, aber ich kann es tolerieren. Ich habe weiter gesagt: Ich glaube auch nicht, dass man den Frauen hilft, wenn man es als Ordnungswidrigkeit einstuft. Wenn die Frau in der Burka auf der Straße unterwegs ist, dafür 100 € Strafe bekommt
und das zu Hause erzählt, dann sagt der Salafist zu ihr: Dann bleibst du eben im Keller und gehst gar nicht mehr raus.