Protokoll der Sitzung vom 04.03.2015

Wenn man Sie so lassen würde, wie Sie wollen, dann würde es noch viel schlimmer. Jede Woche kommt aus Berlin eine neue Idee.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

In dieser Woche kommt Frau Schwesig mit einem Lohngleich heitsgesetz für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten. Sie überlegen sich immer wieder, wie man noch mehr Büro kratie schaffen kann. Das hat zur Folge, dass Unternehmen mit 400 bis 500 Beschäftigten nicht mehr einstellen, um nicht über die Schwesig-Schwelle zu schreiten. So wollen Sie in Baden-Württemberg und in Deutschland Arbeitsplätze schaf fen.

Auch bei Forschung und Entwicklung brüsten Sie sich als „Häuptling Fremde Feder“, Herr Kollege Schmiedel. Es war doch die frühere Landesregierung, die diese Forschungsinf rastruktur gemeinsam mit der Wirtschaft und der Wissenschaft aufgebaut hat, nicht Sie. Das ist die wahre „Erblast“ in Ba den-Württemberg.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Sie tun zu wenig dafür. Setzen Sie den Innovationsrat wieder ein! In Baden-Württemberg gibt es in der Wirtschaft, in der Forschung und in der Wissenschaft genügend Leute, die gute Ideen haben, die diese an die Politik herantragen könnten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Seien Sie sich nicht so sicher. Professor Hämmerle, den Sie gelegentlich auch zitieren, hat kürzlich von einer nachlassen den Dynamik gesprochen. Seit wann lässt denn die Dynamik nach? Seitdem Sie regieren, lässt die Dynamik nach, meine Damen und Herren. Das sind die Fakten.

(Beifall bei der FDP/DVP – Lachen bei der SPD)

Sie haben nicht erkannt, dass es vor allem darum geht, die Zu sammenarbeit zwischen Forschung und Mittelstand zu ver bessern. Wir haben die Debatte vor einigen Wochen schon ein mal geführt. Damals hat sich die SPD-Fraktion gebrüstet und gesagt: „Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung betra gen bei uns 5 % des Bruttoinlandsprodukts. Das zeigt, auf welch gutem Weg wir in Baden-Württemberg sind.“ Das sind wir auch. Das waren wir aber immer schon. Das meiste da von wird jedoch von der Wirtschaft getragen, und der Löwen anteil davon von der Großindustrie. Wir müssen mehr dafür tun, dass der Mittelstand in diesem Bereich noch mehr zum Zuge kommt, meine Damen und Herren. Dabei sind Sie aber schwach auf der Brust.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Frau Kollegin Lindlohr, Sie haben von der Digitalisierung ge sprochen. Es würde mich schon interessieren, was jetzt stimmt. Ist die Infrastruktur in Baden-Württemberg gut, oder ist die Infrastruktur in Baden-Württemberg schlecht? Das biegen Sie sich gerade so zurecht, wie die Debatte heißt.

Manchmal kommt der Kollege Hermann – der sich zu dieser Debatte offensichtlich gar nicht hierhergetraut hat – und be hauptet, er habe eine völlig marode Infrastruktur übernom men. Dann stellt man fest, die Situation sei ganz furchtbar, und spricht von einer impliziten Verschuldung. Das ist übri gens auch so ein Stichwort, mit dem Sie immer kommen, wenn Sie Ihre „Erblast“ begründen wollen. Dann erklären Sie, mit den Pensionslasten und der verrotteten Infrastruktur in Ba den-Württemberg habe man eine implizite Verschuldung, die ganz furchtbar sei.

Wenn Sie aber die Debatte anders taufen, wenn Sie Ihre Lan desregierung feiern wollen, dann wird plötzlich behauptet, wir seien Meister aller Klassen, auch bei der Infrastruktur. Was gilt denn jetzt, meine Damen und Herren? Sind wir Meister aller Klassen, oder ist die Infrastruktur verrottet?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Jedenfalls tun Sie zu wenig. Der Ministerpräsident reist durchs Land – wahrscheinlich tut er das jetzt auch wieder – und er klärt: „Wir sind die großen Wirtschaftsversteher. Digitalisie rung. Industrie 4.0.“ Wenn man dann aber in den Haushalt hi neinschaut, dann stellt man fest, dass für dieses Thema 37 Mil lionen € bereitgestellt werden. Im bayerischen Staatshaushalt hingegen stehen hierfür 1 Milliarde € zur Verfügung. Hinzu kommt, dass Bayern 1 Milliarde € an Schulden tilgt, während Sie fast 1 Milliarde € neue Schulden machen.

Sind Sie dabei Meister aller Klassen, meine Damen und Her ren? Nein. Das ist eine katastrophale Politik, die Sie betrei ben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Dasselbe gilt für den Haushalt. Es ist ja nun wirklich der Gip fel der Heuchelei, wenn Sie sich hier hinstellen und erklären, Sie seien Meister aller Klassen, und dann auch noch von der Haushaltspolitik reden.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Schulden barone!)

Bundesfinanzminister Schäuble, mit dem zusammen Sie in Berlin regieren, schreibt Ihnen jedes Jahr ins Stammbuch, wo Sie stehen. Von wegen „Meister aller Klassen“. Sie spielen auch nicht in der Champions League und auch nicht in der Eu ropa League, sondern es herrscht Abstiegskampf in BadenWürttemberg.

Sie feiern sich, wenn Sie von Platz 16 auf Platz 15 aufrücken, und rufen: „Hurra, Hurra! Die Schuldenmeister aus Nord rhein-Westfalen sind noch schlechter als wir. Deshalb sind wir Meister aller Klassen.“ Bei solchen Aussagen müsste Ihnen doch die Schamröte ins Gesicht steigen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Schmiedel, Sie haben harte Fakten eingefordert. Das sind die harten Fakten. Das ist die Situation. Das Land macht 780 Millionen € neue Schulden in einer Situation, in der der Finanzminister einen Nachtragshaushalt ankündigt und erklärt, es komme noch ein weiterer Nachtragshaushalt. Dann wird er von Journalisten gefragt: „Woher kommt das Geld?“, und daraufhin sagt er: „Wir haben noch einiges in der Schatz truhe; wie viel, verrate ich aber nicht.“ Er hockt auf einem Ju liusturm, um Wahlgeschenke zu finanzieren, macht in dieser Situation neue Schulden und erklärt: „In der Haushaltspolitik sind wir Meister aller Klassen.“ So etwas muss man erst ein mal erzählen! Meine Damen und Herren, das werden Sie nie mandem in der Bevölkerung vermitteln können.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Dr. Schmid das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, meine sehr verehrten

Damen und Herren! Bevor ich auf das eigentliche Thema der Debatte eingehen will, will ich schon einmal etwas sagen, lie ber Kollege Rülke. Warum hat die Landesregierung im Sinne einer vorsorgenden und vorausschauenden Haushaltspolitik Reserven angelegt?

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Um Wahl geschenke zu finanzieren! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Mit Schulden finanziert! – Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Weil wir in der Pflicht sind, Solidarität mit den Flüchtlingen zu üben, die zu uns kommen, und weil diese Zahlen steigen. Von den Mitteln, die in den Nachtragshaushalt 2015 einge stellt werden, werden knapp 400 Millionen € allein für den Flüchtlingsbereich verwendet werden. Da frage ich Sie: Ist das ein Wahlgeschenk, oder ist das ein Gebot der Humanität?

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Deshalb sollten Sie sich für Ihre Aussagen zum Haushalt schä men. Ich habe mich jedenfalls hier nicht zu schämen.

Ich bin der SPD-Fraktion für die heutige Aktuelle Debatte dankbar.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die ist ja von Ih nen bestellt! – Weitere Zurufe von der CDU)

Denn Kollege Hauk – damals noch in Amt und Würden, be vor Sie ihn hinausgedrängt haben – hat vor vier Jahren hier in diesem Haus angekündigt, die Opposition werde die Arbeit der Landesregierung an harten Fakten und Parametern mes sen, an der Höhe der Arbeitslosigkeit, an der Arbeitsmarktent wicklung, an der Zahl der Schulabbrecher, an den notwendi gen Rahmenbedingungen im Bereich „Forschung und Tech nologie“, um innovativ und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Das ist – man muss das sagen – zur Abwechslung einmal ein konstruktiver Vorschlag aus den Reihen der Opposition. Denn natürlich stellen wir uns dieser Messung nur allzu gern. Sie haben übrigens einen wichtigen Parameter vergessen: die Haushaltskonsolidierung. Das wundert mich nicht weiter, denn dann hätten wir auch über den damals von Ihnen hinter lassenen Haushalt und die Erblast reden müssen –

(Abg. Volker Schebesta CDU: Genau!)

ein Haushalt, der den Faktencheck nie und nimmer bestanden hätte. Deshalb sage ich noch einiges zu dem, was wir in den letzten vier Jahren erreicht haben.

Wie stehen wir heute da? Nicht nur 1 a, sondern AAA, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat die Kreditwürdig keit Baden-Württembergs erst vor knapp zwei Wochen noch mals mit dieser Bestnote bewertet. Die Begründung hierfür – überall nachzulesen –: die Konsolidierungspolitik dieser Lan desregierung. Die Finanzexperten von Standard & Poor’s ge hen davon aus, dass Baden-Württemberg seine operativen Überschüsse erhöhen und seine Schulden am Kreditmarkt weiter reduzieren wird.

Die Tatsache, dass seit dem Jahr 2012, seitdem wir in BadenWürttemberg die Verantwortung haben, regelmäßig diese Best note vergeben wird, zeigt an, dass wir so falsch nicht liegen können. Schließlich lagen fast zehn Jahre dazwischen, in de nen in keinem Jahr diese Bestnote von Ihnen erreicht worden ist.

Ich sage: Bei allen Vorbehalten, die man gegenüber Rating agenturen haben kann – da bin ich sofort bei Ihnen –, ist die Analyse der Haushalte durch unabhängige Dritte durchaus besser als diese seltsamen Tafeln, die Herr Schäuble jedes Jahr veröffentlicht. Ich finde, eine Landesregierung, die in der Haushaltspolitik ein AAA bekommt, ist wesentlich besser als eine Opposition, die mit ihrer Nörgelei bestenfalls mit „RamschStatus“ unterwegs ist.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich will aber eines in aller Offenheit sagen: Die Experten von Standard & Poor’s haben auch deutlich herausgestellt, was Ri siken für den Landeshaushalt sind. Woher kommen diese Ri siken im Wesentlichen? Sie kommen aus ungedeckten Pensi onsverpflichtungen. Deshalb, lieber Kollege Mack, gehört schon viel Unverfrorenheit dazu, gerade uns vorzuhalten, wir würden weniger für die Pensionsausgaben der Zukunft vorsor gen. Wir geben allein mit diesem Doppelhaushalt 2015/2016

(Zuruf)

für Versorgungsausgaben der Beamtinnen und Beamten 4,2 Milliarden € aus – deutlich mehr als Bayern.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Sie haben es doch ge kürzt! Und die Rücklagen haben Sie gekürzt! – Wei tere Zurufe von der CDU)

Damit ist klar: Wir sorgen für kommende Generationen und auch für kommende Beamtengenerationen vor.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Sie sehen also, auch bei dem Parameter, den Sie – aus Ihrer Sicht mit guten Gründen – verschwiegen haben, ist der Fakt klar: Wir stehen für eine solide Haushaltspolitik.