Protokoll der Sitzung vom 11.03.2015

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Macht ihr da wieder eine Verordnung wie beim Jagdgesetz?)

Sie sehen, es ist ein Gesetz mit Hand und Fuß, das unser Land weiterbringt. Das schafft die Voraussetzungen zur Stärkung der Weiterbildung. Die Unternehmensleitungen und die Ar beitnehmer werden dies auszugestalten wissen. Den Rahmen dafür schaffen wir heute.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Fritz, ge statten Sie eine Nachfrage von Herrn Abg. Dr. Rapp?

Bitte.

Herr Kollege, ist es Ihnen mög lich, zu differenzieren zwischen dem, was Sie unter betrieb licher Fortbildung verstehen, und dem, was auf der anderen Seite in Bezug auf die betriebliche Fortbildung im vorliegen den Gesetzentwurf steht?

Zweitens: Sind Ihnen die Kosten bekannt – das betrifft nicht nur die Unternehmer, sondern auch die Landesverwaltung –, die aufgrund dieser Freistellung entstehen?

Herr Kollege Rapp, wenn Sie den Gesetzentwurf gelesen hätten,

(Abg. Dr. Patrick Rapp CDU: Habe ich!)

dann hätten Sie festgestellt, dass es einen ganz engen Rahmen gibt, in dem dieses Bildungszeitgesetz greift. Die Maßnahmen müssen von qualifizierten und zertifizierten Trägern durchge führt werden. Außerdem müssen die Maßnahmen vorrangig der beruflichen Bildung dienen.

Ich denke, wir haben hiermit eine Lösung gefunden, mit der wir die Einwände, die von Teilen der Unternehmensführun gen kamen, ausräumen konnten. Ich bin froh, dass wir so ei ne Lösung gefunden haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Storz das Wort.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, über die Politik von Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid spre chen, wiederholen Sie gebetsmühlenartig den Vorwurf, seine Politik und damit auch unsere Politik sei wirtschaftsfeindlich.

(Beifall der Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU und Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Folgerichtig taucht dieser Vorwurf natürlich auch in der Dis kussion über das Bildungszeitgesetz auf. Dass aber ein Ge setz, das der beruflichen Weiterbildung dient, die Wirtschaft gefährde, das ist ein absoluter Witz.

(Zuruf von der CDU: Was ist da beruflich?)

Meine Damen und Herren, wer glaubt, Wirtschaftspolitik sei nur dann gut und erfolgreich, wenn sie den Unternehmensver bänden dient und von diesen gelobt wird, der hat ein einseiti ges und letztlich falsches Verständnis von Wirtschaft, aber auch von unserer Demokratie.

Wirtschaftsverbände vertreten die Interessen ihrer Mitglieder. So haben wir heute noch einen Brief von den Arbeitgeberver bänden erhalten, die deutlich gemacht haben: „Letzter Appell, dringender Appell: Überdenken Sie das Bildungszeitgesetz noch einmal.“ Auf der anderen Seite stehen die Gewerkschaf

ten sowie die Bildungs- und Sozialverbände mit ihrer Aktion „Gib mir 5“.

(Abg. Claus Paal CDU: Wer muss das dann bezah len?)

Dies macht deutlich, dass jeder eine fachlich begründete Stel lungnahme eingereicht hat, um Gesetzgebungsprozesse zu be einflussen. In einer pluralistischen Demokratie ist das nicht nur legitim, sondern auch erwünscht. Wir wollen keine gehei men Klüngeleien, sondern einen offenen Austausch der Argu mente, insbesondere dann, wenn diese interessengeleitet sind.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Was reden Sie denn?)

Unternehmen mahnen, durch einen Anspruch auf fünf Arbeits tage Bildungszeit pro Jahr könnten zusätzliche Kosten auf sie zukommen. Die Arbeitgeberverbände tragen das sachlich vor. Sie hingegen sprechen von Kostenrisiken in enormem Aus maß.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Da muss man sich schon fragen, was denn „enorm“ ist. Der Landesverband der Arbeitgeberverbände schrieb am 19. De zember 2014 von Personalkostensteigerungen in Höhe von 0,25 %. Das sind 2,5 Promille.

(Zuruf des Abg. Thaddäus Kunzmann CDU)

Wenn man dem Alkoholkonsum zuneigt, sind 2,5 Promille ge fährlich.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Bei Löffler sind das 2,5 %!)

In der Arbeitswelt ist das meines Erachtens jedoch zu vernach lässigen.

(Zuruf von der CDU: Sie müssen es auch nicht be zahlen!)

Kommen wir auf den Nutzen zu sprechen. Für die Bildungs zeit gilt: Der gesamtgesellschaftliche Nutzen ist weitaus grö ßer als die Kostensteigerungen für die Unternehmen. Wir ha ben in der ersten Lesung viel über die Notwendigkeit des le benslangen Lernens und der Weiterbildung gesprochen. Die Zahlen der baden-württembergischen Wirtschaft hinsichtlich der Weiterbildung sind in der Tat beeindruckend. Da wir sie schon gehört haben, muss ich sie nicht wiederholen.

Ich möchte vielmehr auf einen Denkfehler hinweisen. Das ho he Engagement der Unternehmen macht die Bildungszeit als zusätzliches Instrument

(Abg. Konrad Epple CDU meldet sich. – Glocke des Präsidenten)

nein, ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu – zur Förderung der Weiterbildung keineswegs überflüssig, weil es um die be rufliche Zukunft jedes einzelnen Arbeitnehmers geht wie auch um die Zukunft der Gesellschaft, in der dieser Arbeitnehmer lebt und in der der Betrieb angesiedelt ist.

Arbeitnehmer, die Bildungszeit in Anspruch nehmen, finan zieren die Kosten der Weiterbildung selbst. Den Nutzen ha

ben aber auch die Arbeitgeber; denn besser qualifizierte Mit arbeiter sind produktiver. Das gilt auch dann, wenn der Ar beitnehmer die Bildungszeit für Maßnahmen der politischen Bildung oder Weiterbildung im Ehrenamt nutzt.

Denn gerade in diesen Tätigkeiten erwerben Menschen die so genannten Soft Skills, die sich im betrieblichen Alltag positiv bemerkbar machen und damit auch für Unternehmen beson ders nützlich sind.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Klar ist auch, dass das Engagement der Wirtschaft nicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreicht. Mitarbeiter kleinerer Unternehmen, atypisch Beschäftigte oder Arbeitneh mer mit schlechteren Qualifikationen haben von den Angebo ten der Wirtschaft weniger, obwohl sie vielleicht größeren Be darf als andere Gruppen haben. Das Bildungszeitgesetz schafft hier ergänzend einen zusätzlichen Anreiz.

Dem Engagement der Wirtschaft tragen wir aber Rechnung, indem Bildungsangebote der Unternehmen oder tarifliche Re gelungen auf den Bildungszeitanspruch angerechnet werden. Das ist sachgerecht und sorgt dafür, dass der Aufwand nicht unkalkulierbar steigt.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Eben nicht!)

Natürlich – das haben wir im Ausschuss auch diskutiert – gibt es Punkte, die man untergesetzlich regeln sollte – darauf hat Kollege Fritz schon hingewiesen –, und das werden wir auch tun.

Ihre Kritik an dem Gesetz ist in vielen Punkten widersprüch lich und unglaubwürdig.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Was?)

Herr Abg. Paal sagte im Ausschuss, gesamtgesellschaftliche Aufgaben könnten nicht von den Unternehmen getragen wer den. Ich dachte immer, bei einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe seien alle gefordert. Der Staat, die Wirtschaft, Ver bände, Bürger, alle diese Akteure müssen ihre Beiträge leis ten.

(Abg. Claus Paal CDU: Hier zahlt nur die Wirtschaft! – Gegenruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Oder Sie geben sich als den selbst ernannten Wirtschaftsver steher – um auf den Titel der Aktuellen Debatte von heute Morgen zurückzukommen –, aber die Beispiele, die Sie dann im Ausschuss anführen, sind rein hypothetisch und konstru iert. Sie erzählen von Fällen, die es vielleicht in einem Betrieb in Absurdistan geben kann, aber diese Konstrukte haben mit der Wirklichkeit der Arbeitswelt in Baden-Württemberg gar nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Konrad Epple CDU meldet sich.)