Protokoll der Sitzung vom 15.04.2015

Nach der letzten Prognose des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gehen wir derzeit für Baden-Württemberg von 33 000 Erstantragstellern und etwa 7 000 Folgeantragstellern aus. Es ist davon auszugehen, dass diese Zahlen noch einmal nach oben korrigiert werden müssen.

Im letzten Jahr hatten wir eine ähnliche Situation: Da wurden die Prognosen – wenn ich mich nicht irre – insgesamt fünf mal nach oben korrigiert. Darauf haben wir keinen Einfluss, sondern das hängt von der Entwicklung der Krisenherde auf der Welt ab. Im Moment sieht es leider nicht sehr gut aus: In Afrika treiben extremistische Gruppierungen ihr Unwesen, und auch der Nahe Osten ist weiterhin ein Pulverfass. Auf die se Entwicklungen haben wir leider keinen Einfluss.

Aber wir haben Einfluss darauf, was wir im Land tun, damit die Menschen, die nach Baden-Württemberg kommen, auch menschenwürdig untergebracht werden. Deswegen haben wir weitere LEA-Standorte geschaffen: Meßstetten hatte ich schon erwähnt; Karlsruhe und Ellwangen sind die Standorte, die be reits jetzt zur Verfügung stehen, und in Mannheim, Schwä bisch Hall und Freiburg soll es weitere Erstaufnahmekapazi täten und eigenständige LEAs geben. Tübingen ist noch nicht ganz aus dem Spiel. Mit Tübingen diskutieren wir weiter, weil wir damit rechnen, dass wir insgesamt fünf bis sechs eigen ständige Landeserstaufnahmeeinrichtungen brauchen, wenn wir vom heutigen Stand der Zahlen mit einer Regelkapazität von 500 und einer Maximalkapazität von etwa 1 000 Plätzen ausgehen, um auch die jeweilige Kommune nicht zu überfor dern, sondern sie zu unterstützen.

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich das Wort Herrn Abg. Glück.

Frau Ministerin, Sie sind vorhin auf die Nachteile der Einmalzahlung eingegangen – das Prinzip, dass der Bund jetzt quasi eine Einmalzahlung vor nimmt – und haben das als „besser als nichts“ bezeichnet. Jetzt verstecken Sie 80 Millionen € – zweimal 40 Millionen € – ein fach in zusätzlichen Pauschalen, weil zusätzliche Flüchtlinge da sind oder erwartet werden. Wäre es nicht besser gewesen, wenn Sie diese Einmalzahlung des Bundes spürbar an die Stadt- und Landkreise – von mir aus als Bonuszahlungen oder Einmalzahlungen – weitergegeben hätten? Das hätte doch sehr positive Auswirkungen auf die Motivation vor Ort gehabt, ge rade auch dort, wo z. B. das ehrenamtliche Engagement vor Ort sehr stark ausgeprägt ist.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Können Sie Ihre Ver ständnisfragen bitte in der Mittagspause stellen?)

Ich kann gern noch einmal sagen, was ich vorhin zweimal zu erklären versucht habe, nämlich dass uns bisher kein einziger Cent von diesem Soforthilfemaßnahmenpaket zugeflossen ist. Es ist ein reiner Rechenposten, der irgendwie durch die Umsatzsteuereinnah men umgewidmet wird, die dem Land und den Kommunen zugutekommen. Das ist ein reiner Rechenposten. Der Gesetz entwurf wird noch diskutiert; am 8. Mai findet die erste Le sung dazu im Bundesrat statt. Bis jetzt haben wir auch noch keinen Cent bekommen. Deshalb versuchen wir, die Kommu nen schon im Vorfeld zu unterstützen.

In Bezug auf die ehrenamtlich Tätigen hat das Sozialministe rium zusammen mit dem Staatsministerium – Sozialministe rin Altpeter und Staatsrätin Erler – ein Programm auf den Weg gebracht, um insbesondere auch die vielen ehrenamtlich Tä tigen in ihrer Hilfe zu unterstützen. Auch die Hilfe der ehren amtlichen Helfer muss organisiert werden, und die Menschen müssen qualifiziert sein, damit sie auch mit teilweise hoch traumatisierten Menschen umgehen können. All das machen wir bereits jetzt, ohne auf die Mittel vom Bund zu warten, die uns noch gar nicht zugeflossen sind.

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Lasotta.

Frau Ministerin, ich fra ge jetzt zum dritten Mal, ob Sie für eine Spitzabrechnung der Gesundheitskosten sind, unabhängig davon, ob der Bund oder das Land das finanziert. Die Kommunen fordern das; ich hal te das für eine sachgerechte Lösung.

Der zweite Punkt – auch diese Frage wurde nicht beantwor tet – ist die Frage des Erlasses. Es ist völlig klar, dass es in diesem Jahr Ausnahmeregelungen hinsichtlich der 7 m2 Wohn- und Schlaffläche geben kann. Das Gesetz gilt in dieser Frage ab 2016. Noch einmal die Frage, die ich auch vorhin gestellt habe: Plant die Landesregierung in diesem Jahr auf dem Er lassweg, den Kommunen ab 2016 die Möglichkeit zu geben, hier flexiblere Lösungen vor Ort umzusetzen,

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

damit bestehende Einrichtungen weiterbetrieben werden kön nen und nicht in jedem Fall auf die 7 m2 Fläche geschaut wer den muss?

Herr Lasotta, es ist schön, dass Sie die Frage zu der Spitzabrechnung gestellt haben. Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie vorhin in Ih rer ersten Frage, in Ihrem Eingangsstatement gesagt, dass auch Sie mittlerweile nicht mehr für die Spitzabrechnung sind, weil Sie eingesehen haben, dass das nicht zu leisten ist. So habe ich Sie verstanden.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Dann haben Sie mich falsch verstanden!)

Wir können es gern im Protokoll nachlesen, wenn es zur Ver fügung steht. Insofern kann ich Ihnen jetzt gern noch einmal das sagen, was ich vorhin auch zu vermitteln versucht habe:

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Sie beantworten einfach die Frage nicht!)

Wir können uns natürlich auch differenzierte Pauschalen vor stellen, die sich insbesondere um den liegenschaftsbezogenen

Anteil drehen. Die Gesundheitsfragen müssen wir noch ein mal mit dem Sozialministerium und mit dem Bund verhan deln; dann kann ich Ihnen auch mehr dazu sagen. Ich gehe da von aus, dass das Land mit dem Städtetag und mit dem Land kreistag zu einer Einigung kommen wird, mit der beide Sei ten leben können.

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Herrn Abg. Lede Abal.

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich habe zwei Fragen. Die erste Frage ist: Glau ben Sie, dass man ernsthaft behaupten kann, die Landesregie rung würde die Mittelzuflüsse des Bundes in irgendwelchen Pauschalen verstecken, wenn das Land damit konkrete Maß nahmen in den Kommunen fördert, die einen ganz klaren Aus bau sowohl im Umfang der Leistungen als auch in der Quali tät der Leistungen bedeuten, und es dabei sogar Aufgaben übernimmt wie z. B. die Sprachförderung und die Arbeits marktförderung, die eigentlich in das Aufgabengebiet des Bundes fallen?

Die zweite Frage ist: Wie bewerten Sie den Umstand, dass bei der geplanten Maßnahme der Landesregierung, eine Gesund heitskarte für Flüchtlinge einzuführen, die vom Kollegen La sotta geforderte Spitzabrechnung hinfällig würde und das Pro blem doch eigentlich darin besteht, dass das CDU-geführte Gesundheitsministerium einer zugesagten Änderung des So zialgesetzbuchs bislang noch nicht Rechnung getragen hat und die entsprechende Vorlage nicht erarbeiten wollte? Jetzt macht es das Ministerium aber doch, weil das Bundeskanzleramt ein gegriffen hat.

Herr Lede Abal, da Sie die Fragen schon in Ihren Ausführungen beantwortet haben,

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: War nicht meine Absicht!)

gehe ich davon aus, dass ich nicht mehr viel dazu sagen muss. Im Übrigen habe ich bereits alles gesagt und bin ich gern be reit, gemeinsam mit Ihnen weitere Ideen zu entwickeln. Das selbe gilt natürlich auch für Herrn Lasotta. Auch er hat die Möglichkeit, auf die Bundesregierung zuzugehen. Möglicher weise hat er einen besseren Zugang zu seinen Parteifreunden als ich.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Sie kennen mich doch! Das klappt nicht!)

Gern können Sie uns in dieser Frage unterstützen.

(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Sie sind doch von der SPD!)

Das Gesundheitsressort wird von der CDU geführt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegt eine Frage der Frau Abg. Gurr-Hirsch vor.

(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU zu Ministerin Bil key Öney: Oder sind Sie bei den Grünen? – Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege Kunzmann, Sie können sich gern zu Wort mel den.

Frau Ministerin, es ist zu erwarten, dass die Flüchtlingsströme nicht nachlassen und dass wir noch mehr Flüchtlinge aufnehmen müssen. Die Idee des Bundesratsbeschlusses war auch, dass diejenigen, die aus sicheren Drittstaaten kommen, möglichst schnell zurückge führt werden. Wie gewährleistet die Regierung, dass dieser Prozess effektiv vonstattengeht?

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Indem sie grundgesetz lich handelt!)

Das unterstelle ich sowieso.

Es ist richtig, dass im vergangenen Jahr davon ausgegangen wurde, dass man mit der Regelung zu sicheren Herkunftsstaaten den Zugang von Antragstellern aus diesen Ländern drosseln könnte. Das hat sich leider nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Wir haben im Moment weiterhin hohe Zugänge aus Mazedonien, Serbien und Bosnien. Das liegt teilweise daran, dass die Asylrechts reform in diesen Ländern offenbar falsch verstanden wurde. Die Menschen in diesen Ländern gehen offenbar davon aus, dass sie drei Monate nach ihrer Ankunft in Deutschland hier arbeiten und bleiben können. Das ist jedoch eine falsche In formation.

Man kann das korrigieren. Was die Kosovaren angeht, wurde schon viel geleistet. Grenzkontrollen, aber auch Informations filme, die vom kosovarischen Fernsehen u. a. in der Landes erstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe gedreht wurden, haben ihre Wirksamkeit gezeigt. Wenn man die Menschen besser in formiert, dann machen sich einige nicht auf diesen beschwer lichen Weg und sind zudem nicht gewillt, Schleppern Geld für die Überführung nach Deutschland zu zahlen.

Was Mazedonien, Serbien und Bosnien angeht, sehe ich wei terhin Schwierigkeiten. Ich glaube, dass man bei den Flucht ursachen ansetzen muss. Deshalb sind Maßnahmen im Be reich der Antidiskriminierung sowie Entwicklungshilfemaß nahmen für Roma in diesen Ländern dringend erforderlich.

Ich weiß, dass die Europäische Union hohe Summen zahlt. Die Europäische Union hat z. B. in den Jahren 2006 bis 2013 dem Kosovo etwa 674 Millionen € durch das Instrument der Heranführungshilfe gezahlt. Wo diese Gelder geblieben sind und was damit passiert ist, kann ich Ihnen nicht sagen. In den Bereichen, in die diese Gelder fließen, müssen diese jedoch zweckgebunden eingesetzt werden. Das können wir, das Bun desland Baden-Württemberg, jedoch nicht kontrollieren. Des wegen sind Anstrengungen von europäischer Seite erforder lich. Aber auch der Druck der Bundesregierung kann helfen. Auch Maßnahmen der Bundesregierung können helfen. Das haben wir insbesondere hinsichtlich des Zugangs der Koso varen festgestellt. Zwischen Februar und März sind die Zu gangszahlen um etwa 70 % zurückgegangen. Es ist also mög lich, etwas zu tun.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Die Rückfüh rung war das Thema!)

Für Rückführungen ist nicht das Integrationsministerium verantwortlich. Das Integrationsministerium ist für die Auf nahme und Unterbringung von Flüchtlingen zuständig. Für die Rückführung ist das Innenministerium zuständig, das sich

ebenfalls an Gesetze halten muss. Wenn es Abschiebehinder nisse gibt, dann müssen diese natürlich beachtet werden. Sie wissen, dass es verschiedene rechtliche Möglichkeiten gibt, von denen die Flüchtlinge Gebrauch machen.

Deswegen ist es wichtig, dass insbesondere die Justiz mit zu sätzlichem Personal ausgestattet wird, damit in den Verwal tungsgerichten schneller über die Verfahren entschieden wer den kann. Deswegen ist es sehr wichtig, dass dem Justizres sort in diesem Bereich zusätzliches Personal zugesprochen wird.

Herzlichen Dank, Frau Ministerin.

Die für das zweite Thema vorgesehenen 30 Minuten sind ab gelaufen.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Schade!)

Ich rufe das dritte Thema auf – es wurde von der Fraktion der SPD angemeldet –:

B ü n d n i s f ü r A r b e i t u n d G e s u n d h e i t i n B a d e n - W ü r t t e m b e r g

Ich erteile dem Kollegen Hinderer das Wort.

Frau Präsidentin! Die Verbin dung von Arbeit und Gesundheit ist für uns Sozialdemokra ten ein wichtiger Baustein des Konzepts „Gute Arbeit“. Ge sundheit ist nicht nur wichtig für die Zufriedenheit, sondern auch Voraussetzung dafür, lange und erfolgreich im Beruf zu stehen. Wir wissen aber auch, dass sich Arbeitsbelastungen verändern und Beschäftigte wie auch Arbeitgeber vor neuen Herausforderungen stehen. Ich erwähne nur die enormen psy chischen Belastungen und Erkrankungen sowie die damit ver bundene Zunahme von Fehlzeiten.

Heute Morgen konnte ich in der „Heilbronner Stimme“ lesen, dass eine aktuelle Untersuchung der DAK besagt, dass rund 100 000 Menschen in Baden-Württemberg im erwerbsfähi gen Alter verschreibungspflichtige Medikamente einnehmen, um Stress und Leistungsdruck zu bekämpfen. Das entspricht einer Quote von 2 % aller Erwerbstätigen. Der DAK-Landes vorsitzende Markus Saur spricht von einem Alarmsignal.