Aber auch Sie müssen doch konstatieren, dass in der Gesell schaft, nicht zuletzt durch dieses Institut der Lebenspartner schaften, die Diskussion wesentlich weiter gegangen ist und wir heute eine Akzeptanz für gleichgeschlechtliche Partnerin nen und Partner haben, die ganz überwiegend vorhanden ist. Die Ministerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es in der Gesellschaft natürlich noch Vorurteile gibt. Wenn man an den Wortschatz von Kindern auf dem Schulhof denkt, schwingt das natürlich noch mit. Den Ausspruch „Das ist doch schwul!“ als abwertende Bemerkung, als Floskel gibt es noch.
Deshalb wäre es wirklich wichtig, wenn wir ein Zeichen set zen könnten, dass wir es von Staats wegen ernst meinen und keine Unterscheidung mehr machen, ob gleichgeschlechtli che oder unterschiedlich geschlechtliche Ehen geschlossen werden, und wir deshalb den gleichgeschlechtlichen Paaren den vollen Zugang zur Ehe mit allen Rechten und Pflichten ermöglichen.
Sie haben gesagt, Sie glauben immer noch, dass es richtig und wichtig ist, dass ein Kind Vater und Mutter hat. Es gibt aber keinen Beleg dafür, dass das Kindeswohl an einer Stelle lei det, wenn es von gleichgeschlechtlichen Paaren aufgezogen wird. Kollegin Sitzmann hat einen schönen Beleg von einem katholischen Pfarrer gebracht. Ich wäre dankbar, wenn Sie einmal einen Beleg bringen würden, der Ihre Position unter mauert, damit man sich darüber einmal sachlich austauschen kann. Ich glaube eher, es ist vorurteilsbegründet. Das führt na türlich dazu, dass man sich zwar nicht belästigt fühlt, aber im mer noch eine Distanz zu gleichgeschlechtlichen Ehepaaren hat.
Denken Sie aber einmal an den Sprachgebrauch, wenn man das beschreibt. Die Menschen sagen z. B.: „Wir haben gehei ratet“ oder: „Das ist mein Mann.“ Im Grunde genommen ge hen die Betroffenen, geht aber auch der weitaus größere Teil der Gesellschaft mit diesen homosexuellen Paaren also ge nauso um wie mit heterosexuellen Paaren. Deshalb ist es an der Zeit. Deutschland ist reif dafür, dass wir den letzten Schritt machen und die volle Gleichberechtigung bei der Eheschlie ßung einführen. Darum unterstützen wir natürlich nachdrück lich zusammen mit der Fraktion GRÜNE die Initiative unse rer Landesregierung im Bundesrat.
Es wäre schön – aber es ist leider nicht der Fall –, wenn die CDU im Landtag von Baden-Württemberg mitmachen wür
de. Sie brauchen wahrscheinlich noch einige Jahre, bis Sie diesen Schritt innerlich auch gehen können. Aber wir sind dankbar, dass unsere Landesregierung vorausgeht und das Thema auf die Tagesordnung der Bundespolitik bringt.
Sehr geehrter Herr Prä sident! Nach der Volksabstimmung in Irland hatte sich unser Landesvorsitzender dahin gehend geäußert, dass es für uns überhaupt keine Frage wäre, zu diesem Diskussionsthema, zu dieser Fragestellung auch eine Volksabstimmung durchzufüh ren. Wir hätten da überhaupt keine Bedenken. Es war bereits in unserem Landtagswahlprogramm 2011 enthalten, dass gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften umfassend mit der Ehe gleichzustellen sind.
Ich will, weil es heute angesprochen wurde, gern noch einmal an die Sitzung im Oktober 2014 zu dem Entschließungsantrag zur Aufarbeitung der strafrechtlichen Verfolgung homosexu eller Männer erinnern. Ich darf aus meiner Rede zitieren:
Wichtig für uns, die liberale Landtagsfraktion, ist, dass es die Aufgabe der Gesellschaft bleibt, Toleranz im All tag umzusetzen.
Es gibt inzwischen schöne Beispiele, etwa die Charta der Viel falt, die 2006 von mehreren Unternehmen ins Leben gerufen wurde. Es gibt inzwischen über 2 000 Firmen mit 7,4 Millio nen Beschäftigten, die diese Charta der Vielfalt in ihr Leitbild, in ihre Unternehmensgrundsätze aufgenommen haben – ein schönes Beispiel, wie man es im Alltag umsetzen kann.
Dabei geht es um die Akzeptanz unterschiedlicher Lebens entwürfe. Die Frage der sexuellen Orientierung steht in diesem Zusammenhang. Gesellschaftliche Ausgrenzun gen haben auch immer etwas mit Ängsten und Vorurtei len zu tun. Wohlstand und Bildung schaffen die beste Grundlage, diese abzubauen.
Respekt und Gelassenheit ist etwas, was wir nicht im Land tag beschließen können, sondern was im Alltag gelebt wird.
Meine Damen und Herren, es lie gen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktu elle Debatte beendet und Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.
Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Mi nisteriums für Kultus, Jugend und Sport – Muttersprach licher Unterricht in Baden-Württemberg – Drucksache 15/6737 (Geänderte Fassung)
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minu ten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Bildungspolitik hat GrünRot viele Baustellen aufgerissen und hat an vielen dieser Bau stellen für Verunsicherung an den Schulen gesorgt.
Bei manchen Punkten sind Sie dabei stehen geblieben, Bau stellen verbal aufzureißen. Und genau in diesen Punkten ha ben Sie es sich als Opposition mit Ihren Forderungen bis 2011 zwar leicht gemacht; seit Ihrer Regierungsübernahme im Jahr 2011 haben Sie jedoch gemerkt, dass vieles nicht so einfach ist, wie Sie es sich vorgestellt hatten.
Dies gilt auch für das Thema „Muttersprachlicher Unterricht“. Als Opposition hatten Sie noch getönt, dass, wenn Sie die Re gierungsverantwortung übernähmen, alles anders würde. Des halb haben Sie in Ihre Koalitionsvereinbarung aufgenommen, dass Sie den muttersprachlichen Unterricht schrittweise ins reguläre Schulangebot integrieren wollen.
Angesichts der großen Töne, die Sie damals gespuckt hatten, waren wir bei der Lektüre der Stellungnahme zu einem An trag unserer Fraktion doch sehr überrascht. Denn darin steht, dass das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport „von ei ner Fortführung des muttersprachlichen Unterrichts nach dem bisherigen Modell“ ausgeht.
Es ist für uns eine völlig neue Erfahrung, dass Sie Ankündi gungen aus dem Koalitionsvertrag in einer Stellungnahme zu einem Antrag der CDU-Fraktion wieder einsammeln. Völlig neu ist aber auch, dass Sie sogar bei einem solchen Rückzie her eine Abstimmung in der Koalition nicht so hinbekommen, dass sich nach außen ein einheitliches Bild ergibt. Denn der Kollege Lede Abal von den Grünen lässt sich in Kenntnis der Stellungnahme des Kultusministeriums zitieren:
Wir wollen langfristig Strukturen schaffen, die mutter sprachlichen Unterricht als Bestandteil des schulischen Angebots ermöglichen. Wir sind hier auch mit dem Koa litionspartner im Gespräch.
Vielleicht gilt dies – Herr Kollege Lede Abal, weil Sie gera de dazwischengerufen haben – dann auch für die Abstim mung, die über den vorliegenden Änderungsantrag später er folgen wird. Vielleicht gilt auch da: „Als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet“,
wenn Sie trotz der Haltung, die Sie zum Ausdruck gebracht haben, nicht so abstimmen dürfen, wie es dieser Haltung ent sprechen würde.
Dieser Streit passt aber ins Bild, das die Regierungskoalition in dieser Legislaturperiode abgibt: Es gibt Streit über bil
dungspolitische Themen, etwa über die Zahl der Standorte mit G 9, über die Höhe des Abbaus von Lehrerdeputaten, über die entsprechenden Auswirkungen auf die Unterrichtsversorgung, über die Zukunft der Realschule – hier haben Sie eineinhalb Jahre gebraucht, um am Ende dann doch nicht das richtige Handwerkszeug für diese Schulart zur Verfügung zu stellen.
Bei den Themen „Muttersprachlicher Unterricht“ und Sprach förderung würde eine Beschäftigung damit tatsächlich lohnen.
(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Meinen Sie jetzt den muttersprachlichen Unterricht oder die Sprachförderung?)
Ich meine beides. Ich komme noch darauf zurück. – Denn zum einen wollen wir – das gilt wahrscheinlich für uns alle –, dass dort, wo muttersprachlicher Unterricht angeboten wird, dieser auch so ausgestaltet ist, dass er der Integration dient und die Integration nicht erschwert. Zum anderen gibt es zum Thema „Muttersprachlicher Unterricht“ natürlich auch unter schiedliche wissenschaftliche Untersuchungen, die der Frage nachgehen, wie sich dieser Unterricht auf Sprachentwicklung, Identität und Persönlichkeitsentwicklung auswirkt.
Den letztgenannten Aspekt haben Sie, Herr Minister, in der Stellungnahme zu unserem Antrag auch dargestellt. Sie ver suchen jetzt, das Thema, so, wie es im Koalitionsvertrag an gelegt ist, ad acta zu legen mit der Begründung, dass andere Projekte dringlicher seien. Da haben Sie auch recht; denn mit 60 Millionen € kann man in der Tat auch vieles andere ma chen. Aber wie sieht es denn mit diesen anderen Themen aus, wenn es um den Bereich der Sprachförderung insgesamt geht? Wir haben neben den Angeboten in der Schule die Sprachför derung vor Schuleintritt eingeführt. Wer schon im Schulalter zu uns nach Deutschland kommt, braucht dann andere Ange bote – vor der Schule oder parallel zur Schule.
Sie haben in dieser Woche bei der Vorstellung des Bildungs berichts 2015 angekündigt, dass Sie für die Flüchtlinge, die in steigender Zahl nach Baden-Württemberg kommen, diese Angebote ausbauen wollen. Wir werden genau hinschauen, ob die Mittel ausreichen; denn die Flüchtlingszahlen und da mit auch der Bedarf sind ja enorm gestiegen. Aber selbst wenn es jetzt in Bezug auf die Flüchtlinge gelingt, den Bedarf zu decken, so gibt es – und da greift uns auch der entsprechende Antrag vonseiten der FDP/DVP zu kurz – auch eine Zuwan derung jenseits der steigenden Flüchtlingszahlen. Was die Zahl der Angebote in diesem Bereich betrifft, hat sich in der laufenden Legislaturperiode nicht das getan, was nötig wäre, um dem Bedarf vor Ort Rechnung zu tragen.
Vor allem aber gilt: Nach der Sprachförderung im Kindergar tenalter und nach dem Unterricht in der deutschen Sprache vor Aufnahme in eine Regelklasse besteht auch weiter ein För derbedarf an den Schulen im Fach Deutsch. Wir dürfen die Lehrerinnen und Lehrer mit diesem gewaltigen Thema nicht alleinlassen. An dieser Baustelle war allerdings über vier Jah re lang Fehlanzeige, was Impulse angeht.
Fazit: Sie sammeln Ankündigungen ein und bringen die Schu le nicht voran. Auch bei diesem Thema zeigt sich: Schulpoli tik kann man besser machen, als Sie es tun.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wissen Sie, was „doppelte Halbsprachigkeit“ ist? Auch wenn Sie diesen Begriff nicht kennen, ist Ihnen das Phänomen sicher vertraut. Denn doppelte Halbsprachigkeit ist bei Kindern und Jugend lichen mit Migrationshintergrund alles andere als selten. Die davon betroffenen Kinder beherrschen die Sprache ihrer Her kunftsfamilie und die deutsche Sprache jeweils nur lücken- und fehlerhaft.
Lange Zeit wurde den entsprechenden Herkunftsfamilien empfohlen, sie mögen doch mit ihren Kindern zu Hause aus schließlich deutsch sprechen, und noch vor Kurzem wollte der CSU-Generalsekretär ihnen dies sogar vorschreiben. Objek tiv ist eine solche Forderung – wenn ich mir dieses Sprach spiel erlauben darf – „be-scheuert“. Deren Umsetzung wäre sprachwissenschaftlich und hirnorganisch gesehen der größt mögliche Unsinn. Denn ganz im Widerspruch zu einer schlich ten Stammtischlogik wurde festgestellt, dass Kinder, die bei spielsweise erst im Alter von zehn Jahren nach Deutschland eingewandert sind, die deutsche Sprache in der Regel schnel ler lernen und schulisch erfolgreicher sind als viele hier ge borene Kinder.